Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

Will man mir meine Zuflucht rauben,
Die mir des Höchsten Wort verspricht?
So ist mein Leben, Gram und Leid,
In dieser aufgeklärten Zeit.

Ein jeder schnitzt sich nach Belieben
Jezt selber die Religion;
Der Teufel, heißt es, ist vertrieben,
Und Christus ist nicht Gottessohn;
Und nichts gilt mehr Dreyeinigkeit,
In dieser aufgeklärten Zeit.
Die Taufe, das Kommunicieren,
Ist für die aufgeklärte Welt
Nur Thorheit wie das Kopulieren,
Und bringet nur den Priestern Geld;
Der Kluge nimmt ein Weib und freyt
Nach Art der aufgeklärten Zeit.
Der Ehebruch ist keine Sünde,
Noch weniger die Hurerey;
Und obs gleich in der Bibel stünde,[...]
Steht doch der Galgen nicht dabey.
Drum ists gelante Sittlichkeit
In dieser aufgeklärten Zeit.
Der Aufgeklärte folgt den Trieben,
Und diese sind ihm Glaubenslehr;
Was Gottes Wort ihm vorgeschrieben,
Das deucht ihm fabelhaft und schwer.
Dem Pöbel ist es nur geweiht
Und nicht der aufgeklärten Zeit.

Will man mir meine Zuflucht rauben,
Die mir des Hoͤchſten Wort verſpricht?
So iſt mein Leben, Gram und Leid,
In dieſer aufgeklaͤrten Zeit.

Ein jeder ſchnitzt ſich nach Belieben
Jezt ſelber die Religion;
Der Teufel, heißt es, iſt vertrieben,
Und Chriſtus iſt nicht Gottesſohn;
Und nichts gilt mehr Dreyeinigkeit,
In dieſer aufgeklaͤrten Zeit.
Die Taufe, das Kommunicieren,
Iſt fuͤr die aufgeklaͤrte Welt
Nur Thorheit wie das Kopulieren,
Und bringet nur den Prieſtern Geld;
Der Kluge nimmt ein Weib und freyt
Nach Art der aufgeklaͤrten Zeit.
Der Ehebruch iſt keine Suͤnde,
Noch weniger die Hurerey;
Und obs gleich in der Bibel ſtuͤnde,[…]
Steht doch der Galgen nicht dabey.
Drum iſts gelante Sittlichkeit
In dieſer aufgeklaͤrten Zeit.
Der Aufgeklaͤrte folgt den Trieben,
Und dieſe ſind ihm Glaubenslehr;
Was Gottes Wort ihm vorgeſchrieben,
Das deucht ihm fabelhaft und ſchwer.
Dem Poͤbel iſt es nur geweiht
Und nicht der aufgeklaͤrten Zeit.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <pb facs="#f0178" n="168"/>
              <l>Will man mir meine Zuflucht rauben,</l><lb/>
              <l>Die mir des Ho&#x0364;ch&#x017F;ten Wort ver&#x017F;pricht?</l><lb/>
              <l>So i&#x017F;t mein Leben, Gram und Leid,</l><lb/>
              <l>In die&#x017F;er aufgekla&#x0364;rten Zeit.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Ein jeder &#x017F;chnitzt &#x017F;ich nach Belieben</l><lb/>
              <l>Jezt &#x017F;elber die Religion;</l><lb/>
              <l>Der Teufel, heißt es, i&#x017F;t vertrieben,</l><lb/>
              <l>Und Chri&#x017F;tus i&#x017F;t nicht Gottes&#x017F;ohn;</l><lb/>
              <l>Und nichts gilt mehr Dreyeinigkeit,</l><lb/>
              <l>In die&#x017F;er aufgekla&#x0364;rten Zeit.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Die Taufe, das Kommunicieren,</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t fu&#x0364;r die aufgekla&#x0364;rte Welt</l><lb/>
              <l>Nur Thorheit wie das Kopulieren,</l><lb/>
              <l>Und bringet nur den Prie&#x017F;tern Geld;</l><lb/>
              <l>Der Kluge nimmt ein Weib und freyt</l><lb/>
              <l>Nach Art der aufgekla&#x0364;rten Zeit.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Der Ehebruch i&#x017F;t keine Su&#x0364;nde,</l><lb/>
              <l>Noch weniger die Hurerey;</l><lb/>
              <l>Und obs gleich in der Bibel &#x017F;tu&#x0364;nde,<choice><sic>,</sic><corr/></choice></l><lb/>
              <l>Steht doch der Galgen nicht dabey.</l><lb/>
              <l>Drum i&#x017F;ts gelante Sittlichkeit</l><lb/>
              <l>In die&#x017F;er aufgekla&#x0364;rten Zeit.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Der Aufgekla&#x0364;rte folgt den Trieben,</l><lb/>
              <l>Und die&#x017F;e &#x017F;ind ihm Glaubenslehr;</l><lb/>
              <l>Was Gottes Wort ihm vorge&#x017F;chrieben,</l><lb/>
              <l>Das deucht ihm fabelhaft und &#x017F;chwer.</l><lb/>
              <l>Dem Po&#x0364;bel i&#x017F;t es nur geweiht</l><lb/>
              <l>Und nicht der aufgekla&#x0364;rten Zeit.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0178] Will man mir meine Zuflucht rauben, Die mir des Hoͤchſten Wort verſpricht? So iſt mein Leben, Gram und Leid, In dieſer aufgeklaͤrten Zeit. Ein jeder ſchnitzt ſich nach Belieben Jezt ſelber die Religion; Der Teufel, heißt es, iſt vertrieben, Und Chriſtus iſt nicht Gottesſohn; Und nichts gilt mehr Dreyeinigkeit, In dieſer aufgeklaͤrten Zeit. Die Taufe, das Kommunicieren, Iſt fuͤr die aufgeklaͤrte Welt Nur Thorheit wie das Kopulieren, Und bringet nur den Prieſtern Geld; Der Kluge nimmt ein Weib und freyt Nach Art der aufgeklaͤrten Zeit. Der Ehebruch iſt keine Suͤnde, Noch weniger die Hurerey; Und obs gleich in der Bibel ſtuͤnde, Steht doch der Galgen nicht dabey. Drum iſts gelante Sittlichkeit In dieſer aufgeklaͤrten Zeit. Der Aufgeklaͤrte folgt den Trieben, Und dieſe ſind ihm Glaubenslehr; Was Gottes Wort ihm vorgeſchrieben, Das deucht ihm fabelhaft und ſchwer. Dem Poͤbel iſt es nur geweiht Und nicht der aufgeklaͤrten Zeit.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808/178
Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808/178>, abgerufen am 27.04.2024.