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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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ben, von Zeit zu Zeit Nachricht zu geben. Dem braun-
schweigischen Judenheiland ziemt es wohl, sein Volk
anzusehen, wie es sein und werden sollte; dem Fürsten
Primas ist aber auch nicht zu verdenken, daß er dies
Geschlecht behandelt wie es ist, und wie es noch eine
Weile bleiben wird. Mache mir doch eine Schilderung
von Herrn Molitor. Wenn der Mann so vernünftig
wirkt als er schreibt, so muß er viel Gutes erschaffen.
Deinem eignen philanthropischen Erziehungswesen aber
wird Überbringer dieses, der schwarzäugige und braun-
lockige Jüngling empfohlen. Lasse seine väterliche Stadt
auch ihm zur Vaterstadt werden, so daß er glaube, sich
mitten unter den Seinen zu befinden. Stelle ihn Dei-
nen lieben Geschwistern und Verwandten vor, und ge-
denke mein, wenn Du ihn freundlich aufnimmst. Deine
Berg-, Burg-, Kletter- und Schaurelationen versetzen
mich in eine schöne heitere Gegend, und ich stehe nicht
davor, daß Du nicht gelegentlich davon eine phan-
tastische Abspiegelung in einer Fata Morgana zu se-
hen kriegst.

Da nun von August Abschied genommen ist, so
richte ich mich ein, von Haus und der hiesigen Gegend
gleichfalls Abschied zu nehmen und baldmöglichst nach
dem Carlsbader Gebirge zu wandeln.


ben, von Zeit zu Zeit Nachricht zu geben. Dem braun-
ſchweigiſchen Judenheiland ziemt es wohl, ſein Volk
anzuſehen, wie es ſein und werden ſollte; dem Fürſten
Primas iſt aber auch nicht zu verdenken, daß er dies
Geſchlecht behandelt wie es iſt, und wie es noch eine
Weile bleiben wird. Mache mir doch eine Schilderung
von Herrn Molitor. Wenn der Mann ſo vernünftig
wirkt als er ſchreibt, ſo muß er viel Gutes erſchaffen.
Deinem eignen philanthropiſchen Erziehungsweſen aber
wird Überbringer dieſes, der ſchwarzäugige und braun-
lockige Jüngling empfohlen. Laſſe ſeine väterliche Stadt
auch ihm zur Vaterſtadt werden, ſo daß er glaube, ſich
mitten unter den Seinen zu befinden. Stelle ihn Dei-
nen lieben Geſchwiſtern und Verwandten vor, und ge-
denke mein, wenn Du ihn freundlich aufnimmſt. Deine
Berg-, Burg-, Kletter- und Schaurelationen verſetzen
mich in eine ſchöne heitere Gegend, und ich ſtehe nicht
davor, daß Du nicht gelegentlich davon eine phan-
taſtiſche Abſpiegelung in einer Fata Morgana zu ſe-
hen kriegſt.

Da nun von Auguſt Abſchied genommen iſt, ſo
richte ich mich ein, von Haus und der hieſigen Gegend
gleichfalls Abſchied zu nehmen und baldmöglichſt nach
dem Carlsbader Gebirge zu wandeln.


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[208/0240] ben, von Zeit zu Zeit Nachricht zu geben. Dem braun- ſchweigiſchen Judenheiland ziemt es wohl, ſein Volk anzuſehen, wie es ſein und werden ſollte; dem Fürſten Primas iſt aber auch nicht zu verdenken, daß er dies Geſchlecht behandelt wie es iſt, und wie es noch eine Weile bleiben wird. Mache mir doch eine Schilderung von Herrn Molitor. Wenn der Mann ſo vernünftig wirkt als er ſchreibt, ſo muß er viel Gutes erſchaffen. Deinem eignen philanthropiſchen Erziehungsweſen aber wird Überbringer dieſes, der ſchwarzäugige und braun- lockige Jüngling empfohlen. Laſſe ſeine väterliche Stadt auch ihm zur Vaterſtadt werden, ſo daß er glaube, ſich mitten unter den Seinen zu befinden. Stelle ihn Dei- nen lieben Geſchwiſtern und Verwandten vor, und ge- denke mein, wenn Du ihn freundlich aufnimmſt. Deine Berg-, Burg-, Kletter- und Schaurelationen verſetzen mich in eine ſchöne heitere Gegend, und ich ſtehe nicht davor, daß Du nicht gelegentlich davon eine phan- taſtiſche Abſpiegelung in einer Fata Morgana zu ſe- hen kriegſt. Da nun von Auguſt Abſchied genommen iſt, ſo richte ich mich ein, von Haus und der hieſigen Gegend gleichfalls Abſchied zu nehmen und baldmöglichſt nach dem Carlsbader Gebirge zu wandeln.

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/240>, abgerufen am 29.04.2024.