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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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Liebe ist Entfaltungstrieb in die göttliche Freiheit.
Dies Herz, das von Dir empfunden sein will, will frei
werden; es will entlassen sein aus dem Kerker in dein
Bewußtsein. Du bist das Reich, der Stern, den es sei-
ner Freiheit erobern will. Liebe will allmählig die Ewig-
keit erobern, die, wie Du weißt, kein Ende nehmen wird.

Dies Sehnen ist jenseits der Athem, der die Brust
hebt; und die Liebe ist die Luft, die wir trinken.

Durch Dich werd' ich in's unsterbliche Leben einge-
hen; der Liebende geht ein durch den Geliebten in's
Göttliche, in die Seeligkeit. Liebe ist Überströmen in
die Seeligkeit.

Dir alles sagen, das ist mein ganzes Sein mit
Dir; der Gedanke ist die Pforte, die den Geist entläßt;
da rauscht er hervor und hebt sich hinüber zur Seele
die er liebt, und läßt sich da nieder, und küßt die Ge-
liebte, und das ist Wollustschauer: den Gedanken empfin-
den, den die Liebe entzündet.

Möge mir dies süße Einverständniß mit Dir be-
wahrt bleiben, in dem sich unser Geist berührt; dies
kühne Heldenthum, das sich über den Boden der Be-
drängniß und Sorge hinweg hebt, auf himmlischen
Stufen aufwärtsschreitend, solchen schönen Gedanken
entgegen, von denen ich weiß, sie kommen aus Dir.


Liebe iſt Entfaltungstrieb in die göttliche Freiheit.
Dies Herz, das von Dir empfunden ſein will, will frei
werden; es will entlaſſen ſein aus dem Kerker in dein
Bewußtſein. Du biſt das Reich, der Stern, den es ſei-
ner Freiheit erobern will. Liebe will allmählig die Ewig-
keit erobern, die, wie Du weißt, kein Ende nehmen wird.

Dies Sehnen iſt jenſeits der Athem, der die Bruſt
hebt; und die Liebe iſt die Luft, die wir trinken.

Durch Dich werd' ich in's unſterbliche Leben einge-
hen; der Liebende geht ein durch den Geliebten in's
Göttliche, in die Seeligkeit. Liebe iſt Überſtrömen in
die Seeligkeit.

Dir alles ſagen, das iſt mein ganzes Sein mit
Dir; der Gedanke iſt die Pforte, die den Geiſt entläßt;
da rauſcht er hervor und hebt ſich hinüber zur Seele
die er liebt, und läßt ſich da nieder, und küßt die Ge-
liebte, und das iſt Wolluſtſchauer: den Gedanken empfin-
den, den die Liebe entzündet.

Möge mir dies ſüße Einverſtändniß mit Dir be-
wahrt bleiben, in dem ſich unſer Geiſt berührt; dies
kühne Heldenthum, das ſich über den Boden der Be-
drängniß und Sorge hinweg hebt, auf himmliſchen
Stufen aufwärtsſchreitend, ſolchen ſchönen Gedanken
entgegen, von denen ich weiß, ſie kommen aus Dir.


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[228/0260] Liebe iſt Entfaltungstrieb in die göttliche Freiheit. Dies Herz, das von Dir empfunden ſein will, will frei werden; es will entlaſſen ſein aus dem Kerker in dein Bewußtſein. Du biſt das Reich, der Stern, den es ſei- ner Freiheit erobern will. Liebe will allmählig die Ewig- keit erobern, die, wie Du weißt, kein Ende nehmen wird. Dies Sehnen iſt jenſeits der Athem, der die Bruſt hebt; und die Liebe iſt die Luft, die wir trinken. Durch Dich werd' ich in's unſterbliche Leben einge- hen; der Liebende geht ein durch den Geliebten in's Göttliche, in die Seeligkeit. Liebe iſt Überſtrömen in die Seeligkeit. Dir alles ſagen, das iſt mein ganzes Sein mit Dir; der Gedanke iſt die Pforte, die den Geiſt entläßt; da rauſcht er hervor und hebt ſich hinüber zur Seele die er liebt, und läßt ſich da nieder, und küßt die Ge- liebte, und das iſt Wolluſtſchauer: den Gedanken empfin- den, den die Liebe entzündet. Möge mir dies ſüße Einverſtändniß mit Dir be- wahrt bleiben, in dem ſich unſer Geiſt berührt; dies kühne Heldenthum, das ſich über den Boden der Be- drängniß und Sorge hinweg hebt, auf himmliſchen Stufen aufwärtsſchreitend, ſolchen ſchönen Gedanken entgegen, von denen ich weiß, ſie kommen aus Dir.

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/260>, abgerufen am 27.04.2024.