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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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lich würde das sein. Nimm vorlieb, ergänze Dir alles
in meinem Sinn, in dem Du ja doch zu Hause bist.
Du und kein andrer hat mich je gemahnt Dir meine
Seele mitzutheilen, und ich möchte Dir nichts vorent-
halten, darum möcht ich aus mir heraus an's Licht tre-
ten, weil Du allein mich erleuchtest.

Beiliegende Blätter geschrieben in der Montag Nacht.

Über Kunst. Ich hab sie nicht studirt, weiß nichts
von ihrer Entstehung, ihrer Geschichte, ihrem Stand-
punkt. Wie sie einwirkt, wie die Menschen sie verste-
hen, das scheint mir unächt.

Die Kunst ist Heiligung der sinnlichen Natur, hier-
mit sag' ich alles was ich von ihr weiß. Was geliebt
wird das soll der Liebe dienen, der Geist ist das geliebte
Kind Gottes, Gott erwählt ihn zum Dienst der sinnli-
chen Natur, das ist die Kunst. Offenbarung des Geistes in
den Sinnen ist die Kunst. Was Du fühlst das wird
Gedanke und was Du denkst, was Du zu erdenken
strebst das wird sinnliches Gefühl. Was die Menschen
in der Kunst zusammen tragen, was sie hervorbringen,
wie sie sich durcharbeiten, was sie zu viel oder zu we-
nig thun, das möchte manchen Widerspruch erdulden,
aber immer ist es ein Buchstabiren des göttlichen Es
werde
.

lich würde das ſein. Nimm vorlieb, ergänze Dir alles
in meinem Sinn, in dem Du ja doch zu Hauſe biſt.
Du und kein andrer hat mich je gemahnt Dir meine
Seele mitzutheilen, und ich möchte Dir nichts vorent-
halten, darum möcht ich aus mir heraus an's Licht tre-
ten, weil Du allein mich erleuchteſt.

Beiliegende Blätter geſchrieben in der Montag Nacht.

Über Kunſt. Ich hab ſie nicht ſtudirt, weiß nichts
von ihrer Entſtehung, ihrer Geſchichte, ihrem Stand-
punkt. Wie ſie einwirkt, wie die Menſchen ſie verſte-
hen, das ſcheint mir unächt.

Die Kunſt iſt Heiligung der ſinnlichen Natur, hier-
mit ſag' ich alles was ich von ihr weiß. Was geliebt
wird das ſoll der Liebe dienen, der Geiſt iſt das geliebte
Kind Gottes, Gott erwählt ihn zum Dienſt der ſinnli-
chen Natur, das iſt die Kunſt. Offenbarung des Geiſtes in
den Sinnen iſt die Kunſt. Was Du fühlſt das wird
Gedanke und was Du denkſt, was Du zu erdenken
ſtrebſt das wird ſinnliches Gefühl. Was die Menſchen
in der Kunſt zuſammen tragen, was ſie hervorbringen,
wie ſie ſich durcharbeiten, was ſie zu viel oder zu we-
nig thun, das möchte manchen Widerſpruch erdulden,
aber immer iſt es ein Buchſtabiren des göttlichen Es
werde
.

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[290/0300] lich würde das ſein. Nimm vorlieb, ergänze Dir alles in meinem Sinn, in dem Du ja doch zu Hauſe biſt. Du und kein andrer hat mich je gemahnt Dir meine Seele mitzutheilen, und ich möchte Dir nichts vorent- halten, darum möcht ich aus mir heraus an's Licht tre- ten, weil Du allein mich erleuchteſt. Beiliegende Blätter geſchrieben in der Montag Nacht. Über Kunſt. Ich hab ſie nicht ſtudirt, weiß nichts von ihrer Entſtehung, ihrer Geſchichte, ihrem Stand- punkt. Wie ſie einwirkt, wie die Menſchen ſie verſte- hen, das ſcheint mir unächt. Die Kunſt iſt Heiligung der ſinnlichen Natur, hier- mit ſag' ich alles was ich von ihr weiß. Was geliebt wird das ſoll der Liebe dienen, der Geiſt iſt das geliebte Kind Gottes, Gott erwählt ihn zum Dienſt der ſinnli- chen Natur, das iſt die Kunſt. Offenbarung des Geiſtes in den Sinnen iſt die Kunſt. Was Du fühlſt das wird Gedanke und was Du denkſt, was Du zu erdenken ſtrebſt das wird ſinnliches Gefühl. Was die Menſchen in der Kunſt zuſammen tragen, was ſie hervorbringen, wie ſie ſich durcharbeiten, was ſie zu viel oder zu we- nig thun, das möchte manchen Widerſpruch erdulden, aber immer iſt es ein Buchſtabiren des göttlichen Es werde.

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/300>, abgerufen am 26.04.2024.