Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

des Flusses. -- Nun, wir gingen keine Gefahr ahndend
drüber hin, die Wellen brachen sich in schwindelnder
Eile auf dem Weehr unter dem zitternden Steg. Außer
daß die Bretter mit meiner Leichtigkeit hin- und her-
schwankten, und Rumohr's Fuß zweimal durchbrach,
waren wir schon ziemlich weit gekommen, ein dicker
Bürger, mit der Verdienstmedaille auf der Brust, kam
von der andern Seite, keiner hatte den andern bemerkt,
an einander vorbeizukommen war nicht, einer mußte
umdrehen. Rumohr sagte: wir müssen erst erfahren für
was er die Medaille hat, darauf soll's ankommen wer
umkehrt. Wahrhaftig ich fürchtete mich, mir war schon
schwindlich, hätten wir umkehren müssen, so war ich
voran, während die losen Bretter unter meinen Füßen
schwankten. Wir erkundigten uns ehrerbietigst nach der
Ursache seines Verdienstes: -- er hatte einen Dieb ge-
fangen. Rumohr sagte: dies Verdienst weiß ich nicht
zu schätzen, denn ich bin kein Dieb, also bitt ich umzu-
kehren, der verwunderte dicke Mann ließ sich mit Ru-
mohr's Beihülfe umkehren und machte den Weg zurück.

Unter einem Kastanienbaum ließ ich mich nieder,
träumend grub ich mit einem Reis in die Erde. Ru-
mohr jagt mit Stock und Hut die Maikäfer auseinan-
der, die wie viele Flintenkugeln uns umschwirrten, beim

des Fluſſes. — Nun, wir gingen keine Gefahr ahndend
drüber hin, die Wellen brachen ſich in ſchwindelnder
Eile auf dem Weehr unter dem zitternden Steg. Außer
daß die Bretter mit meiner Leichtigkeit hin- und her-
ſchwankten, und Rumohr's Fuß zweimal durchbrach,
waren wir ſchon ziemlich weit gekommen, ein dicker
Bürger, mit der Verdienſtmedaille auf der Bruſt, kam
von der andern Seite, keiner hatte den andern bemerkt,
an einander vorbeizukommen war nicht, einer mußte
umdrehen. Rumohr ſagte: wir müſſen erſt erfahren für
was er die Medaille hat, darauf ſoll's ankommen wer
umkehrt. Wahrhaftig ich fürchtete mich, mir war ſchon
ſchwindlich, hätten wir umkehren müſſen, ſo war ich
voran, während die loſen Bretter unter meinen Füßen
ſchwankten. Wir erkundigten uns ehrerbietigſt nach der
Urſache ſeines Verdienſtes: — er hatte einen Dieb ge-
fangen. Rumohr ſagte: dies Verdienſt weiß ich nicht
zu ſchätzen, denn ich bin kein Dieb, alſo bitt ich umzu-
kehren, der verwunderte dicke Mann ließ ſich mit Ru-
mohr's Beihülfe umkehren und machte den Weg zurück.

Unter einem Kaſtanienbaum ließ ich mich nieder,
träumend grub ich mit einem Reis in die Erde. Ru-
mohr jagt mit Stock und Hut die Maikäfer auseinan-
der, die wie viele Flintenkugeln uns umſchwirrten, beim

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0074" n="64"/>
des Flu&#x017F;&#x017F;es. &#x2014; Nun, wir gingen keine Gefahr ahndend<lb/>
drüber hin, die Wellen brachen &#x017F;ich in &#x017F;chwindelnder<lb/>
Eile auf dem Weehr unter dem zitternden Steg. Außer<lb/>
daß die Bretter mit meiner Leichtigkeit hin- und her-<lb/>
&#x017F;chwankten, und Rumohr's Fuß zweimal durchbrach,<lb/>
waren wir &#x017F;chon ziemlich weit gekommen, ein dicker<lb/>
Bürger, mit der Verdien&#x017F;tmedaille auf der Bru&#x017F;t, kam<lb/>
von der andern Seite, keiner hatte den andern bemerkt,<lb/>
an einander vorbeizukommen war nicht, einer mußte<lb/>
umdrehen. Rumohr &#x017F;agte: wir mü&#x017F;&#x017F;en er&#x017F;t erfahren für<lb/>
was er die Medaille hat, darauf &#x017F;oll's ankommen wer<lb/>
umkehrt. Wahrhaftig ich fürchtete mich, mir war &#x017F;chon<lb/>
&#x017F;chwindlich, hätten wir umkehren mü&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o war ich<lb/>
voran, während die lo&#x017F;en Bretter unter meinen Füßen<lb/>
&#x017F;chwankten. Wir erkundigten uns ehrerbietig&#x017F;t nach der<lb/>
Ur&#x017F;ache &#x017F;eines Verdien&#x017F;tes: &#x2014; er hatte einen Dieb ge-<lb/>
fangen. Rumohr &#x017F;agte: dies Verdien&#x017F;t weiß ich nicht<lb/>
zu &#x017F;chätzen, denn ich bin kein Dieb, al&#x017F;o bitt ich umzu-<lb/>
kehren, der verwunderte dicke Mann ließ &#x017F;ich mit Ru-<lb/>
mohr's Beihülfe umkehren und machte den Weg zurück.</p><lb/>
          <p>Unter einem Ka&#x017F;tanienbaum ließ ich mich nieder,<lb/>
träumend grub ich mit einem Reis in die Erde. Ru-<lb/>
mohr jagt mit Stock und Hut die Maikäfer auseinan-<lb/>
der, die wie viele Flintenkugeln uns um&#x017F;chwirrten, beim<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0074] des Fluſſes. — Nun, wir gingen keine Gefahr ahndend drüber hin, die Wellen brachen ſich in ſchwindelnder Eile auf dem Weehr unter dem zitternden Steg. Außer daß die Bretter mit meiner Leichtigkeit hin- und her- ſchwankten, und Rumohr's Fuß zweimal durchbrach, waren wir ſchon ziemlich weit gekommen, ein dicker Bürger, mit der Verdienſtmedaille auf der Bruſt, kam von der andern Seite, keiner hatte den andern bemerkt, an einander vorbeizukommen war nicht, einer mußte umdrehen. Rumohr ſagte: wir müſſen erſt erfahren für was er die Medaille hat, darauf ſoll's ankommen wer umkehrt. Wahrhaftig ich fürchtete mich, mir war ſchon ſchwindlich, hätten wir umkehren müſſen, ſo war ich voran, während die loſen Bretter unter meinen Füßen ſchwankten. Wir erkundigten uns ehrerbietigſt nach der Urſache ſeines Verdienſtes: — er hatte einen Dieb ge- fangen. Rumohr ſagte: dies Verdienſt weiß ich nicht zu ſchätzen, denn ich bin kein Dieb, alſo bitt ich umzu- kehren, der verwunderte dicke Mann ließ ſich mit Ru- mohr's Beihülfe umkehren und machte den Weg zurück. Unter einem Kaſtanienbaum ließ ich mich nieder, träumend grub ich mit einem Reis in die Erde. Ru- mohr jagt mit Stock und Hut die Maikäfer auseinan- der, die wie viele Flintenkugeln uns umſchwirrten, beim

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/74
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/74>, abgerufen am 11.05.2024.