Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

stehliche Art, dem Naturgeist nahzukommen? Ich glaub
einmal nicht, daß die Natur einen solchen, der sich zum
Philosophen eingezwickt hat, gut leiden kann. "Wie
ist Natur so hold und gut
, die mich am Busen
hält
." -- so was lautet wie Spott auf einen Philo¬
sophen. Du aber bist ein Dichter und alles was Du
sagst ist die Wahrheit und heilig. "Man kann Gei¬
ster nicht durch Beschwörung rufen, aber sie
können sich dem Geist offenbaren
, das Em¬
pfängliche kann sie empfangen, dem innern
Sinn können sie erscheinen
." Nun ja! wenn es
auch die ganze heutige Welt nicht faßt, was Du da
aussprichst, wie ich gewiß glaub, daß es umsonst der
Welt gesagt ist, so bin ich aber der Schüler, dessen
ganze Seele strebt, sich das Gehörte zum Eigenthum zu
machen. -- und aus dieser Lehre wird mein künftig
Glück erblühn, nicht weil ich's gelernt hab, aber weil
ich's empfind; es ist ein Keim in mir geworden und
wurzelt tief, ja ich muß sagen, es spricht meine Natur
aus, oder vielmehr, es ist das heilige Wort "Es Werde"
was Du über mich aussprichst. -- Ich habs jetzt jede
Nacht gelesen im Bett, und empfind mich nicht mehr
allein und für nichts in der Welt; ich denk, da die
Geister sich dem Geist offenbaren können, so möchten

ſtehliche Art, dem Naturgeiſt nahzukommen? Ich glaub
einmal nicht, daß die Natur einen ſolchen, der ſich zum
Philoſophen eingezwickt hat, gut leiden kann. „Wie
iſt Natur ſo hold und gut
, die mich am Buſen
hält
.“ — ſo was lautet wie Spott auf einen Philo¬
ſophen. Du aber biſt ein Dichter und alles was Du
ſagſt iſt die Wahrheit und heilig. „Man kann Gei¬
ſter nicht durch Beſchwörung rufen, aber ſie
können ſich dem Geiſt offenbaren
, das Em¬
pfängliche kann ſie empfangen, dem innern
Sinn können ſie erſcheinen
.“ Nun ja! wenn es
auch die ganze heutige Welt nicht faßt, was Du da
ausſprichſt, wie ich gewiß glaub, daß es umſonſt der
Welt geſagt iſt, ſo bin ich aber der Schüler, deſſen
ganze Seele ſtrebt, ſich das Gehörte zum Eigenthum zu
machen. — und aus dieſer Lehre wird mein künftig
Glück erblühn, nicht weil ich's gelernt hab, aber weil
ich's empfind; es iſt ein Keim in mir geworden und
wurzelt tief, ja ich muß ſagen, es ſpricht meine Natur
aus, oder vielmehr, es iſt das heilige Wort „Es Werde“
was Du über mich ausſprichſt. — Ich habs jetzt jede
Nacht geleſen im Bett, und empfind mich nicht mehr
allein und für nichts in der Welt; ich denk, da die
Geiſter ſich dem Geiſt offenbaren können, ſo möchten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0034" n="18"/>
&#x017F;tehliche Art, dem Naturgei&#x017F;t nahzukommen? Ich glaub<lb/>
einmal nicht, daß die Natur einen &#x017F;olchen, der &#x017F;ich zum<lb/>
Philo&#x017F;ophen eingezwickt hat, gut leiden kann. &#x201E;<hi rendition="#g">Wie<lb/>
i&#x017F;t Natur &#x017F;o hold und gut</hi>, <hi rendition="#g">die mich am Bu&#x017F;en<lb/>
hält</hi>.&#x201C; &#x2014; &#x017F;o was lautet wie Spott auf einen Philo¬<lb/>
&#x017F;ophen. Du aber bi&#x017F;t ein Dichter und alles was Du<lb/>
&#x017F;ag&#x017F;t i&#x017F;t die Wahrheit und heilig. &#x201E;<hi rendition="#g">Man kann Gei</hi>¬<lb/><hi rendition="#g">&#x017F;ter nicht durch Be&#x017F;chwörung rufen</hi>, <hi rendition="#g">aber &#x017F;ie<lb/>
können &#x017F;ich dem Gei&#x017F;t offenbaren</hi>, <hi rendition="#g">das Em</hi>¬<lb/><hi rendition="#g">pfängliche kann &#x017F;ie empfangen</hi>, <hi rendition="#g">dem innern<lb/>
Sinn können &#x017F;ie er&#x017F;cheinen</hi>.&#x201C; Nun ja! wenn es<lb/>
auch die ganze heutige Welt nicht faßt, was Du da<lb/>
aus&#x017F;prich&#x017F;t, wie ich gewiß glaub, daß es um&#x017F;on&#x017F;t der<lb/>
Welt ge&#x017F;agt i&#x017F;t, &#x017F;o bin ich aber der Schüler, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ganze Seele &#x017F;trebt, &#x017F;ich das Gehörte zum Eigenthum zu<lb/>
machen. &#x2014; und aus die&#x017F;er Lehre wird mein künftig<lb/>
Glück erblühn, nicht weil ich's gelernt hab, aber weil<lb/>
ich's empfind; es i&#x017F;t ein Keim in mir geworden und<lb/>
wurzelt tief, ja ich muß &#x017F;agen, es &#x017F;pricht meine Natur<lb/>
aus, oder vielmehr, es i&#x017F;t das heilige Wort &#x201E;Es Werde&#x201C;<lb/>
was Du über mich aus&#x017F;prich&#x017F;t. &#x2014; Ich habs jetzt jede<lb/>
Nacht gele&#x017F;en im Bett, und empfind mich nicht mehr<lb/>
allein und für nichts in der Welt; ich denk, da die<lb/>
Gei&#x017F;ter &#x017F;ich dem Gei&#x017F;t offenbaren können, &#x017F;o möchten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0034] ſtehliche Art, dem Naturgeiſt nahzukommen? Ich glaub einmal nicht, daß die Natur einen ſolchen, der ſich zum Philoſophen eingezwickt hat, gut leiden kann. „Wie iſt Natur ſo hold und gut, die mich am Buſen hält.“ — ſo was lautet wie Spott auf einen Philo¬ ſophen. Du aber biſt ein Dichter und alles was Du ſagſt iſt die Wahrheit und heilig. „Man kann Gei¬ ſter nicht durch Beſchwörung rufen, aber ſie können ſich dem Geiſt offenbaren, das Em¬ pfängliche kann ſie empfangen, dem innern Sinn können ſie erſcheinen.“ Nun ja! wenn es auch die ganze heutige Welt nicht faßt, was Du da ausſprichſt, wie ich gewiß glaub, daß es umſonſt der Welt geſagt iſt, ſo bin ich aber der Schüler, deſſen ganze Seele ſtrebt, ſich das Gehörte zum Eigenthum zu machen. — und aus dieſer Lehre wird mein künftig Glück erblühn, nicht weil ich's gelernt hab, aber weil ich's empfind; es iſt ein Keim in mir geworden und wurzelt tief, ja ich muß ſagen, es ſpricht meine Natur aus, oder vielmehr, es iſt das heilige Wort „Es Werde“ was Du über mich ausſprichſt. — Ich habs jetzt jede Nacht geleſen im Bett, und empfind mich nicht mehr allein und für nichts in der Welt; ich denk, da die Geiſter ſich dem Geiſt offenbaren können, ſo möchten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/34
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/34>, abgerufen am 27.04.2024.