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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

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Ich ging zu Hause gleich nach dem Thurm weil
ich mich noch einmal recht deutlich besinnen wollt auf
dieses mächtige und doch so einfache friedenhauchende
Geistesgesicht, so wie ich ihn eben verlassen hatte im
Schimmer der hellen polirten vierfachen Lampe, die
Rosen bis zu seinem weißen Bart sich neigend, so hab
ich ihn zum letzten Mal gesehen. Deutet dies nicht
auf seinen Abschied vom Erdenleben das er so mühe¬
voll, so friedlich, so freudevoll durchführte, denn auch
mir hat er beim Abschied gesagt: "Sie haben mir viel
Freude gegeben." -- Und wie ich eine ganze Weile
an ihn gedacht hatte, so besann ich mich auf seine
Worte: "Alles Werden ist für die Zukunft." -- Ja
wir nähren uns von der Zukunft, sie begeistert uns. --
Die Zukunft entspringt dem Geist wie der Keim der
nährenden Erde. -- Dann steigt er himmelauf und
blüht und trägt Erleuchtung. -- Der Baum, die Pflanze
ist der Geist der Erde der aufsteigt zum Licht zur Luft.
Der Geist der Erde will sich dem Licht vermählen, das
Licht entwickelt die Zukunft.

Alles echte Erzeugniß ist Auffahren zum Himmel,
ist Unsterblichwerden.

Und die Schönheit dieses Mannes leuchtete mir da
in der letzten Stunde auf dem Thurm so recht hell auf,

Ich ging zu Hauſe gleich nach dem Thurm weil
ich mich noch einmal recht deutlich beſinnen wollt auf
dieſes mächtige und doch ſo einfache friedenhauchende
Geiſtesgeſicht, ſo wie ich ihn eben verlaſſen hatte im
Schimmer der hellen polirten vierfachen Lampe, die
Roſen bis zu ſeinem weißen Bart ſich neigend, ſo hab
ich ihn zum letzten Mal geſehen. Deutet dies nicht
auf ſeinen Abſchied vom Erdenleben das er ſo mühe¬
voll, ſo friedlich, ſo freudevoll durchführte, denn auch
mir hat er beim Abſchied geſagt: „Sie haben mir viel
Freude gegeben.“ — Und wie ich eine ganze Weile
an ihn gedacht hatte, ſo beſann ich mich auf ſeine
Worte: „Alles Werden iſt für die Zukunft.“ — Ja
wir nähren uns von der Zukunft, ſie begeiſtert uns. —
Die Zukunft entſpringt dem Geiſt wie der Keim der
nährenden Erde. — Dann ſteigt er himmelauf und
blüht und trägt Erleuchtung. — Der Baum, die Pflanze
iſt der Geiſt der Erde der aufſteigt zum Licht zur Luft.
Der Geiſt der Erde will ſich dem Licht vermählen, das
Licht entwickelt die Zukunft.

Alles echte Erzeugniß iſt Auffahren zum Himmel,
iſt Unſterblichwerden.

Und die Schönheit dieſes Mannes leuchtete mir da
in der letzten Stunde auf dem Thurm ſo recht hell auf,

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[300/0314] Ich ging zu Hauſe gleich nach dem Thurm weil ich mich noch einmal recht deutlich beſinnen wollt auf dieſes mächtige und doch ſo einfache friedenhauchende Geiſtesgeſicht, ſo wie ich ihn eben verlaſſen hatte im Schimmer der hellen polirten vierfachen Lampe, die Roſen bis zu ſeinem weißen Bart ſich neigend, ſo hab ich ihn zum letzten Mal geſehen. Deutet dies nicht auf ſeinen Abſchied vom Erdenleben das er ſo mühe¬ voll, ſo friedlich, ſo freudevoll durchführte, denn auch mir hat er beim Abſchied geſagt: „Sie haben mir viel Freude gegeben.“ — Und wie ich eine ganze Weile an ihn gedacht hatte, ſo beſann ich mich auf ſeine Worte: „Alles Werden iſt für die Zukunft.“ — Ja wir nähren uns von der Zukunft, ſie begeiſtert uns. — Die Zukunft entſpringt dem Geiſt wie der Keim der nährenden Erde. — Dann ſteigt er himmelauf und blüht und trägt Erleuchtung. — Der Baum, die Pflanze iſt der Geiſt der Erde der aufſteigt zum Licht zur Luft. Der Geiſt der Erde will ſich dem Licht vermählen, das Licht entwickelt die Zukunft. Alles echte Erzeugniß iſt Auffahren zum Himmel, iſt Unſterblichwerden. Und die Schönheit dieſes Mannes leuchtete mir da in der letzten Stunde auf dem Thurm ſo recht hell auf,

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/314>, abgerufen am 29.04.2024.