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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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wie der mensch von GOtt gefallen u. wieder zu Gott gebracht werde/ etc.
[Spaltenumbruch] barmhertzigkeit/ einfältigkeit und gedult/ ohne
GOttes warheit/ heiligkeit und gerechtigkeit/
summa/ ohne eintzig vermögen der tugend von
dem heiligen himmel. Wer sich dann also be-
findet/ mag sich der wol nicht arm düncken und
betrübt seyn/ und jammer über solchen ver-
lust fühlen/ besonders/ wann er inne wird/ daß
ihn der teuffel besitzet und inne hat? Dann/
wer warhafftig an GOtt arm ist/ der ist reich
von teuffeln/ voll lügen und betrug/ voll tieffen
des teuffels/ das ist/ voll alles bösen und schalck-
heit/ todes und finsternis. Jst nun der/ so das
warhafftig fühlet/ nicht recht elend? Sehet
es ein/ sich voll todes und finsternis zu seyn be-
findend/ wie? der ist ja gewiß auch voll schmer-
tzen und jammer/ wie auch blindheit/ thorheit
und unmündigkeit/ dann er siehet in sich selbst
nichts dann leiden und traurigkeit/ oder schme-
cket nichts dann pein und leiden in dem jenigen/
darnach er dannoch gelüstet und darinnen gele-
bet/ und wol eher darmit zufrieden gewesen ist/
biß er endlich den schädlichen betrug gemercket/
und seinenschaden im licht der weißheit gesehen
hat. Dieser ist der rechte arme am geist/ nicht
der es allein mit dem munde sagt/ sondern/ der
es fühlet und sihet. Und je mehr ihm nach sol-
chem tage (verstehets) dasselbe vorige leben ein-
kommt/ jemehr tods und unlusts ergreiffet ihn/
und das hat einer nicht gerne/ nemlich das ster-
ben. Darum je mehr sich der geist der hoffart/
des geitzes und neydes/ der geist des hasses und
zorns kund thut/ je zu grösserer schmach und
schande kommt er; je mehr der geist der schwel-
gerey und prasserey/ der unkeuschheit und hure-
rey an ihn will/ in je mehr schande und verach-
tung setzet er ihn. Und sehet/ je mehr ihn der
geist der wollust/ schalckheit/ und boßheit/ der
geist der übereilung/ härtigkeit und unbarmher-
tzigkeit/ der geist der curiosität/ eitelkeit und
leichtfertigkeit/ der menschen furcht/ des un-
glaubens/ wahnhoffnung und liebe des flei-
sches/ summa/ der geist der ungedult und aller
ungerechtigkeit versuchet und sich sehen läst/
je mehr verdammnis und pein der höllen er er-
fahren und über ihn kommen muß. Diß sage
ich als ein wort des HErrn. Siehe/ das ist die
gesellschafft oder die glieder des alten menschen/
worein wir eingegangen sind/ die uns hernach
so außstreichen/ und ihre belohnung mit schmer-
tzen und pein mit sich führen.

Aber nun möchte jemand fragen oder sagen:
Muß der mensch zu solcher armut des geistes
kommen/ so wird er nichts behalten und
nichts seyn? Antwort: Nichts müssen wir
erst seyn/ wollen wir etwas werden/ dann
das ists/ das GOTT ruffet/ nicht das etwas/
Gen. I.
Rom. IV.
17.
1. Cor. I.
sondern das nichts ist. Dann aus nichts muß
er alle dinge machen/ wie sein werck von an-
beginn und aller meister art in ihrer kunst auß-
weist. Frage: Wann er nun nichts ist/ und
von allen dingen loß/ und der glaube/ lie-
be und hoffnung auch nicht da sind/ sondern
das gegentheil fühlet/ worinn soll er dann beste-
hen? Antwort: Jn seinem glauben und
vertrauen wird er leben und gewißheit finden/
darzu er sich durch GOttes wort begeben/ und
durch einen hertzlichen willen und vollkommen
verlangen darzu kommen muß/ wodurch er sich
hat lassen weiß machen gantz arm zu seyn/ und
von sich selbst nichts mehr zu halten oder etwas
[Spaltenumbruch] zu düncken (und das mit dem gesicht und erkänt-
nis der warheit) weil er ausser Christo JEsu
von sich selbst in dem alten Adam ist/ und das
ist immer auff den glauben gantz außgegangen
und zu nichts werden/ ja biß zum tode in der höl-
le zu kommen/ dazu ihm der HErr selbst leitet
und hilfft. Darum/ so er das thut/ erwartet er
Gottes verheissung/ welchem er so fern glauben
und vertrauen gegeben hat. Verstehets. Damit
aber sein glauben und vertrauen hell und voll-
kommen werde (darin und daraus/ ja dadurch
er muß auffstehen) so nimmt ihn Gott von dem
menschen weg/ und läst den unglauben und
mißtrauen oder wahnhoffnung über ihn kom-
men/ die ihn bestreiten und von seinem glauben
und vertrauen abrathen und abziehen wollen/ die
ihm vor auge ins gesichte kommen und ihre macht
beweisen müssen/ soll er anders wieder die hoff-
nung in der hoffnung lauter/ auffrichtig/ glau-
big/ und eins mit Gott in seinem Christo darge-
stellet werde/ welches auch nicht eher kan erfah-
ren werden/ biß einem der glaube/ Gottes krafft
und treue aus den augen vergehet/ dann anders
kan man nicht glaubig und vertrauend genennet
werden als aus der that und warheit/ weil man
nicht unglaubig und wahntrauend seyn will/
sondern glaubig und dem munde der ewige war-
heit wider die hoffnung in derhoffnung vertrau-
end. Also bleibet bey ihm/ oder behält er nichts/
als die begierde/ die wird ihm (in dem er sich arm
und nichts fühlet) nicht weggenommen/ dann die
natürliche art desselbe wesens bringt die begier-
de mit/ und kan auch nicht aussen bleibe/ es wird
sich so befinde/ nemlich/ wo man warhafftig arm
ist und einen schwachen muth fühlet und schme-
cket/ da muß die begierde des reichthums seyn/ e-
ben als wie ein blinder das gesichte/ ein gepei-
nigter/ gefangener/ beschwerter die erleichte-
rung und erlösung erlanget.

Darum ists nicht so leicht zu sagen/ blind oder
arm am geiste zu seyn/ wiewol es ein jeder von
sich selbst buchstäblich bekennen und sagen
wird/ daß in dem menschen nichts gutes woh-
net/ wie es ins gemein geschicht. Aber deßwegen
sihet mans mit sehenden augen/ darin man ste-
cket/ noch lange nicht. Dann so er das sähe/
müste ihm nothwendig grauen und leyde darü-
ber ankommen. Wann GOtt den menschen
darin durch sich selbst versuchet/ so wird ers inne
werden/ was blind/ lügenhafft und arm am
geiste/ von GOtt oder seiner natur entfremdet
und voll teuffel seyn/ ist/ welche er jetzt nicht sie-
het/ wann ers gleich sagen höret/ weil er a-
ber blind und todt im geiste ist/ und in der fin-
sternis wandelt/ so verstehet oder erkennet ers
nicht. Aber wer in der finsternis wandelt/ und
dem kein licht scheinet/ ob er schon augen hat/ si-
het er deßwegen doch nicht/ wie auch gleicher
weise die jenige/ die keine augen habe/ als die un-
zeitigen geburten/ denen das licht wol scheinet/
nichts destoweniger sehen/ wie weiter überall an
den blinden zu sehen ist. Daraus ist nun offen-
bahr/ daß die finsternis ihm solches nicht kan zu
sehen geben/ wie das licht/ das alles/ was im fin-
stern verborge/ offenbahret/ erleuchtet und glän-
tzend machet. Darum muß sich Gott (das ewi-
ge licht und leben/ das höchste und unvergäng-
liche gut) selbst unverhindert durch ihn selber
hervor an den tag zu einem urtheil und un-
terscheid aller dinge zu sehen geben/ wo-

durch

wie der menſch von GOtt gefallen u. wieder zu Gott gebracht werde/ ꝛc.
[Spaltenumbruch] barmhertzigkeit/ einfaͤltigkeit und gedult/ ohne
GOttes warheit/ heiligkeit und gerechtigkeit/
ſumma/ ohne eintzig vermoͤgen der tugend von
dem heiligen himmel. Wer ſich dann alſo be-
findet/ mag ſich der wol nicht arm duͤncken und
betruͤbt ſeyn/ und jammer uͤber ſolchen ver-
luſt fuͤhlen/ beſonders/ wann er inne wird/ daß
ihn der teuffel beſitzet und inne hat? Dann/
wer warhafftig an GOtt arm iſt/ der iſt reich
von teuffeln/ voll luͤgen und betrug/ voll tieffen
des teuffels/ das iſt/ voll alles boͤſen und ſchalck-
heit/ todes und finſternis. Jſt nun der/ ſo das
warhafftig fuͤhlet/ nicht recht elend? Sehet
es ein/ ſich voll todes und finſternis zu ſeyn be-
findend/ wie? der iſt ja gewiß auch voll ſchmer-
tzen und jammer/ wie auch blindheit/ thorheit
und unmuͤndigkeit/ dann er ſiehet in ſich ſelbſt
nichts dann leiden und traurigkeit/ oder ſchme-
cket nichts dann pein und leiden in dem jenigen/
darnach er dannoch geluͤſtet und darinnen gele-
bet/ und wol eher darmit zufrieden geweſen iſt/
biß er endlich den ſchaͤdlichen betrug gemercket/
und ſeinenſchaden im licht der weißheit geſehen
hat. Dieſer iſt der rechte arme am geiſt/ nicht
der es allein mit dem munde ſagt/ ſondern/ der
es fuͤhlet und ſihet. Und je mehr ihm nach ſol-
chem tage (verſtehets) daſſelbe vorige leben ein-
kommt/ jemehr tods und unluſts ergreiffet ihn/
und das hat einer nicht gerne/ nemlich das ſter-
ben. Darum je mehr ſich der geiſt der hoffart/
des geitzes und neydes/ der geiſt des haſſes und
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ſchande kommt er; je mehr der geiſt der ſchwel-
gerey und praſſerey/ der unkeuſchheit und hure-
rey an ihn will/ in je mehr ſchande und verach-
tung ſetzet er ihn. Und ſehet/ je mehr ihn der
geiſt der wolluſt/ ſchalckheit/ und boßheit/ der
geiſt der uͤbereilung/ haͤrtigkeit und unbarmher-
tzigkeit/ der geiſt der curioſitaͤt/ eitelkeit und
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glaubens/ wahnhoffnung und liebe des flei-
ſches/ ſumma/ der geiſt der ungedult und aller
ungerechtigkeit verſuchet und ſich ſehen laͤſt/
je mehr verdammnis und pein der hoͤllen er er-
fahren und uͤber ihn kommen muß. Diß ſage
ich als ein wort des HErrn. Siehe/ das iſt die
geſellſchafft oder die glieder des alten menſchen/
worein wir eingegangen ſind/ die uns hernach
ſo außſtreichen/ und ihre belohnung mit ſchmer-
tzen und pein mit ſich fuͤhren.

Aber nun moͤchte jemand fragen oder ſagen:
Muß der menſch zu ſolcher armut des geiſtes
kommen/ ſo wird er nichts behalten und
nichts ſeyn? Antwort: Nichts muͤſſen wir
erſt ſeyn/ wollen wir etwas werden/ dann
das iſts/ das GOTT ruffet/ nicht das etwas/
Gen. I.
Rom. IV.
17.
1. Cor. I.
ſondern das nichts iſt. Dann aus nichts muß
er alle dinge machen/ wie ſein werck von an-
beginn und aller meiſter art in ihrer kunſt auß-
weiſt. Frage: Wann er nun nichts iſt/ und
von allen dingen loß/ und der glaube/ lie-
be und hoffnung auch nicht da ſind/ ſondern
das gegentheil fuͤhlet/ worinn ſoll er dann beſte-
hen? Antwort: Jn ſeinem glauben und
vertrauen wird er leben und gewißheit finden/
darzu er ſich durch GOttes wort begeben/ und
durch einen hertzlichen willen und vollkommen
verlangen darzu kommen muß/ wodurch er ſich
hat laſſen weiß machen gantz arm zu ſeyn/ und
von ſich ſelbſt nichts mehr zu halten oder etwas
[Spaltenumbruch] zu duͤncken (und das mit dem geſicht uñ erkaͤnt-
nis der warheit) weil er auſſer Chriſto JEſu
von ſich ſelbſt in dem alten Adam iſt/ und das
iſt immer auff den glauben gantz außgegangen
und zu nichts werden/ ja biß zum tode in deꝛ hoͤl-
le zu kommen/ dazu ihm der HErr ſelbſt leitet
und hilfft. Darum/ ſo er das thut/ erwartet er
Gottes verheiſſung/ welchem er ſo fern glauben
und vertrauen gegeben hat. Verſtehets. Damit
aber ſein glauben und vertrauen hell und voll-
kommen werde (darin und daraus/ ja dadurch
er muß auffſtehen) ſo nimmt ihn Gott von dem
menſchen weg/ und laͤſt den unglauben und
mißtrauen oder wahnhoffnung uͤber ihn kom-
men/ die ihn beſtreiten und von ſeinem glauben
und vertrauen abrathen uñ abziehen wollen/ die
ihm vor augē ins geſichte kom̃en und ihre macht
beweiſen muͤſſen/ ſoll er anders wieder die hoff-
nung in der hoffnung lauter/ auffrichtig/ glau-
big/ und eins mit Gott in ſeinem Chriſto darge-
ſtellet werdē/ welches auch nicht eher kan erfah-
ren werden/ biß einem der glaube/ Gottes krafft
und treue aus den augen vergehet/ dann anders
kan man nicht glaubig und vertrauend geneñet
werden als aus der that und warheit/ weil man
nicht unglaubig und wahntrauend ſeyn will/
ſondern glaubig uñ dem munde der ewigē war-
heit wider die hoffnung in deꝛhoffnung vertrau-
end. Alſo bleibet bey ihm/ oder behaͤlt er nichts/
als die begierde/ die wird ihm (in dem er ſich arm
und nichts fuͤhlet) nicht weggenom̃en/ dann die
natuͤrliche art deſſelbē weſens bringt die begier-
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iſt und einen ſchwachen muth fuͤhlet und ſchme-
cket/ da muß die begierde des reichthums ſeyn/ e-
ben als wie ein blinder das geſichte/ ein gepei-
nigter/ gefangener/ beſchwerter die erleichte-
rung und erloͤſung erlanget.

Darum iſts nicht ſo leicht zu ſagen/ blind oder
arm am geiſte zu ſeyn/ wiewol es ein jeder von
ſich ſelbſt buchſtaͤblich bekennen und ſagen
wird/ daß in dem menſchen nichts gutes woh-
net/ wie es ins gemein geſchicht. Aber deßwegen
ſihet mans mit ſehenden augen/ darin man ſte-
cket/ noch lange nicht. Dann ſo er das ſaͤhe/
muͤſte ihm nothwendig grauen und leyde daruͤ-
ber ankommen. Wann GOtt den menſchen
darin durch ſich ſelbſt verſuchet/ ſo wird ers inne
werden/ was blind/ luͤgenhafft und arm am
geiſte/ von GOtt oder ſeiner natur entfremdet
und voll teuffel ſeyn/ iſt/ welche er jetzt nicht ſie-
het/ wann ers gleich ſagen hoͤret/ weil er a-
ber blind und todt im geiſte iſt/ und in der fin-
ſternis wandelt/ ſo verſtehet oder erkennet ers
nicht. Aber wer in der finſternis wandelt/ und
dem kein licht ſcheinet/ ob er ſchon augen hat/ ſi-
het er deßwegen doch nicht/ wie auch gleicher
weiſe die jenige/ die keine augen habē/ als die un-
zeitigen geburten/ denen das licht wol ſcheinet/
nichts deſtoweniger ſehen/ wie weiter uͤberall an
den blinden zu ſehen iſt. Daraus iſt nun offen-
bahr/ daß die finſternis ihm ſolches nicht kan zu
ſehen geben/ wie das licht/ das alles/ was im fin-
ſtern verborgē/ offenbahret/ erleuchtet und glaͤn-
tzend machet. Darum muß ſich Gott (das ewi-
ge licht und leben/ das hoͤchſte und unvergaͤng-
liche gut) ſelbſt unverhindert durch ihn ſelber
hervor an den tag zu einem urtheil und un-
terſcheid aller dinge zu ſehen geben/ wo-

durch
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[319/0615] wie der menſch von GOtt gefallen u. wieder zu Gott gebracht werde/ ꝛc. barmhertzigkeit/ einfaͤltigkeit und gedult/ ohne GOttes warheit/ heiligkeit und gerechtigkeit/ ſumma/ ohne eintzig vermoͤgen der tugend von dem heiligen himmel. Wer ſich dann alſo be- findet/ mag ſich der wol nicht arm duͤncken und betruͤbt ſeyn/ und jammer uͤber ſolchen ver- luſt fuͤhlen/ beſonders/ wann er inne wird/ daß ihn der teuffel beſitzet und inne hat? Dann/ wer warhafftig an GOtt arm iſt/ der iſt reich von teuffeln/ voll luͤgen und betrug/ voll tieffen des teuffels/ das iſt/ voll alles boͤſen und ſchalck- heit/ todes und finſternis. Jſt nun der/ ſo das warhafftig fuͤhlet/ nicht recht elend? Sehet es ein/ ſich voll todes und finſternis zu ſeyn be- findend/ wie? der iſt ja gewiß auch voll ſchmer- tzen und jammer/ wie auch blindheit/ thorheit und unmuͤndigkeit/ dann er ſiehet in ſich ſelbſt nichts dann leiden und traurigkeit/ oder ſchme- cket nichts dann pein und leiden in dem jenigen/ darnach er dannoch geluͤſtet und darinnen gele- bet/ und wol eher darmit zufrieden geweſen iſt/ biß er endlich den ſchaͤdlichen betrug gemercket/ und ſeinenſchaden im licht der weißheit geſehen hat. Dieſer iſt der rechte arme am geiſt/ nicht der es allein mit dem munde ſagt/ ſondern/ der es fuͤhlet und ſihet. Und je mehr ihm nach ſol- chem tage (verſtehets) daſſelbe vorige leben ein- kommt/ jemehr tods und unluſts ergreiffet ihn/ und das hat einer nicht gerne/ nemlich das ſter- ben. Darum je mehr ſich der geiſt der hoffart/ des geitzes und neydes/ der geiſt des haſſes und zorns kund thut/ je zu groͤſſerer ſchmach und ſchande kommt er; je mehr der geiſt der ſchwel- gerey und praſſerey/ der unkeuſchheit und hure- rey an ihn will/ in je mehr ſchande und verach- tung ſetzet er ihn. Und ſehet/ je mehr ihn der geiſt der wolluſt/ ſchalckheit/ und boßheit/ der geiſt der uͤbereilung/ haͤrtigkeit und unbarmher- tzigkeit/ der geiſt der curioſitaͤt/ eitelkeit und leichtfertigkeit/ der menſchen furcht/ des un- glaubens/ wahnhoffnung und liebe des flei- ſches/ ſumma/ der geiſt der ungedult und aller ungerechtigkeit verſuchet und ſich ſehen laͤſt/ je mehr verdammnis und pein der hoͤllen er er- fahren und uͤber ihn kommen muß. Diß ſage ich als ein wort des HErrn. Siehe/ das iſt die geſellſchafft oder die glieder des alten menſchen/ worein wir eingegangen ſind/ die uns hernach ſo außſtreichen/ und ihre belohnung mit ſchmer- tzen und pein mit ſich fuͤhren. Aber nun moͤchte jemand fragen oder ſagen: Muß der menſch zu ſolcher armut des geiſtes kommen/ ſo wird er nichts behalten und nichts ſeyn? Antwort: Nichts muͤſſen wir erſt ſeyn/ wollen wir etwas werden/ dann das iſts/ das GOTT ruffet/ nicht das etwas/ ſondern das nichts iſt. Dann aus nichts muß er alle dinge machen/ wie ſein werck von an- beginn und aller meiſter art in ihrer kunſt auß- weiſt. Frage: Wann er nun nichts iſt/ und von allen dingen loß/ und der glaube/ lie- be und hoffnung auch nicht da ſind/ ſondern das gegentheil fuͤhlet/ worinn ſoll er dann beſte- hen? Antwort: Jn ſeinem glauben und vertrauen wird er leben und gewißheit finden/ darzu er ſich durch GOttes wort begeben/ und durch einen hertzlichen willen und vollkommen verlangen darzu kommen muß/ wodurch er ſich hat laſſen weiß machen gantz arm zu ſeyn/ und von ſich ſelbſt nichts mehr zu halten oder etwas zu duͤncken (und das mit dem geſicht uñ erkaͤnt- nis der warheit) weil er auſſer Chriſto JEſu von ſich ſelbſt in dem alten Adam iſt/ und das iſt immer auff den glauben gantz außgegangen und zu nichts werden/ ja biß zum tode in deꝛ hoͤl- le zu kommen/ dazu ihm der HErr ſelbſt leitet und hilfft. Darum/ ſo er das thut/ erwartet er Gottes verheiſſung/ welchem er ſo fern glauben und vertrauen gegeben hat. Verſtehets. Damit aber ſein glauben und vertrauen hell und voll- kommen werde (darin und daraus/ ja dadurch er muß auffſtehen) ſo nimmt ihn Gott von dem menſchen weg/ und laͤſt den unglauben und mißtrauen oder wahnhoffnung uͤber ihn kom- men/ die ihn beſtreiten und von ſeinem glauben und vertrauen abrathen uñ abziehen wollen/ die ihm vor augē ins geſichte kom̃en und ihre macht beweiſen muͤſſen/ ſoll er anders wieder die hoff- nung in der hoffnung lauter/ auffrichtig/ glau- big/ und eins mit Gott in ſeinem Chriſto darge- ſtellet werdē/ welches auch nicht eher kan erfah- ren werden/ biß einem der glaube/ Gottes krafft und treue aus den augen vergehet/ dann anders kan man nicht glaubig und vertrauend geneñet werden als aus der that und warheit/ weil man nicht unglaubig und wahntrauend ſeyn will/ ſondern glaubig uñ dem munde der ewigē war- heit wider die hoffnung in deꝛhoffnung vertrau- end. Alſo bleibet bey ihm/ oder behaͤlt er nichts/ als die begierde/ die wird ihm (in dem er ſich arm und nichts fuͤhlet) nicht weggenom̃en/ dann die natuͤrliche art deſſelbē weſens bringt die begier- de mit/ und kan auch nicht auſſen bleibē/ es wird ſich ſo befindē/ nemlich/ wo man warhafftig arm iſt und einen ſchwachen muth fuͤhlet und ſchme- cket/ da muß die begierde des reichthums ſeyn/ e- ben als wie ein blinder das geſichte/ ein gepei- nigter/ gefangener/ beſchwerter die erleichte- rung und erloͤſung erlanget. Gen. I. Rom. IV. 17. 1. Cor. I. Darum iſts nicht ſo leicht zu ſagen/ blind oder arm am geiſte zu ſeyn/ wiewol es ein jeder von ſich ſelbſt buchſtaͤblich bekennen und ſagen wird/ daß in dem menſchen nichts gutes woh- net/ wie es ins gemein geſchicht. Aber deßwegen ſihet mans mit ſehenden augen/ darin man ſte- cket/ noch lange nicht. Dann ſo er das ſaͤhe/ muͤſte ihm nothwendig grauen und leyde daruͤ- ber ankommen. Wann GOtt den menſchen darin durch ſich ſelbſt verſuchet/ ſo wird ers inne werden/ was blind/ luͤgenhafft und arm am geiſte/ von GOtt oder ſeiner natur entfremdet und voll teuffel ſeyn/ iſt/ welche er jetzt nicht ſie- het/ wann ers gleich ſagen hoͤret/ weil er a- ber blind und todt im geiſte iſt/ und in der fin- ſternis wandelt/ ſo verſtehet oder erkennet ers nicht. Aber wer in der finſternis wandelt/ und dem kein licht ſcheinet/ ob er ſchon augen hat/ ſi- het er deßwegen doch nicht/ wie auch gleicher weiſe die jenige/ die keine augen habē/ als die un- zeitigen geburten/ denen das licht wol ſcheinet/ nichts deſtoweniger ſehen/ wie weiter uͤberall an den blinden zu ſehen iſt. Daraus iſt nun offen- bahr/ daß die finſternis ihm ſolches nicht kan zu ſehen geben/ wie das licht/ das alles/ was im fin- ſtern verborgē/ offenbahret/ erleuchtet und glaͤn- tzend machet. Darum muß ſich Gott (das ewi- ge licht und leben/ das hoͤchſte und unvergaͤng- liche gut) ſelbſt unverhindert durch ihn ſelber hervor an den tag zu einem urtheil und un- terſcheid aller dinge zu ſehen geben/ wo- durch

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/615>, abgerufen am 28.04.2024.