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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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und von der tugend des neuen menschen.
[Spaltenumbruch] ihn untersuchet/ hab ich ihn nicht anders als
gantz eitel und verdorben und ausser CHRI-
STO befunden. Jst aber der mensch ver-
dorben/ so muß sich ein jeglicher vor ihm
Jerem.
XVII.
hüten/ der nicht in schaden und verderben
kommen will. Verflucht ist der mensch
(spricht der HERR) der sich auff einen
menschen verläst/ und hält fleisch vor sei-
nen arm.

Sie sind alle lügenhafftig und nicht einer
gut gefunden/ wer kan darwider antwor-
ten/ und GOTT zum lügnet machen/ von
dem er abgefallen und ihm entgegen ist?
Höret und glaubet keinem menschen/ er ha-
be einen schein/ wie er wolle/ wenn er nicht
CHRISTI art und geist der liebe hat und
lehret.

Der mensch ist ein lügen-schöpffer und ein
diener oder fürst der boßheit/ der unter dem
schein der tugend seinen meisten gifft aus-
speyet. Er hat wohl einen schaaffs-mund/
aber ein wolffs-hertze/ und verdeckt mit ei-
nem einfältigen habit seinen schalck/ fal-
sche art und blutgierigen grund. Sein gu-
tes ist lauter böses. Wie groß muß seine
boßheit selber seyn/ wenn seine gerechtig-
keiten so unrein/ faul/ scheußlich und be-
flecket sind?

Wer den menschen lobet/ der lästert
GOTT; und wer ihn liebet/ der ist noch
ausser CHRISTO: er liebt die lügen
und hasset die wahrheit vom himmel. Man
kan GOTT nicht mehr verdruß oder ver-
achtung anthun/ als einen abfälligen Chri-
sten mehr als ihm glauben/ lieben oder
nachfolgen.

Man kan oder mag den alten menschen
mit nirgends mehr tödt n als mit seiner wie-
drigkeit/ welche ist das wort des lebens oder
krafft GOTTES. Daß GOTT
den menschen in seinem gebet nicht erhöret/
kommt daher/ daß er nicht recht bittet/
noch lust und liebe an GOttes wiedrigkeit
(tegenheit) hat.

GOTT und der mensch ist nicht zu un-
terscheiden als mit seiner ungleichheit/ nem-
lich mit dem verkehrten schalcks-gesichte des
sündlichen eigen-wesens. Also stehet ge-
schrieben:

Esa. LIX.

Eure missethaten scheiden euch von GOTT
ab/ und eure sünden verbergen oder verhindern
vor euch sein angesichte/ daß er euch nicht hö-
ret. Denn eure hände sind mit blut beflecket
und eure finger mit untugend.

Eure lippen reden lügen/ und eure zunge
richtet das/ was böse ist/ an. Da ist niemand
unter ihnen/ der nach gerechtigkeit fraget/
oder mit wahrheit und treue richtet.

Ein jeglicher vertrauet auffs eitele und den-
cket betrieglich/ sie empfangen gern mühe/ und
gebähren unglück.

[Spaltenumbruch]

Sie brüten Basilisken-eyer aus und wir-
cken spinneweben. Wer von ihren eyern is-
set/ der stirbt/ tritt sie jemand entzwey/
so kommt eine otter heraus. Jhre spinne-
webe taug zu keinem kleid/ und können sich
mit ihrer arbeit (wie gut sie auch scheinet)
nicht bedecken Jhre wercke sind wercke der
boßheit/ sind räuber und haben blutige
hände.

Jhre füsse lauffen zum bösen und eilen un-
schuldig blut zu vergiessen. Denn ihr vorneh-
men sind böse gedancken/ zum verderben und
schaden laufft ihr weg. Aber den weg des
friedens kennen sie nicht/ und ist kein recht
in ihren wegen. Denn ihre wege sind so
verwirret/ daß/ wer darauff gehet/ von
keinem friede GOTTES weiß/ ja nicht
allein von keinem friede/ sondern auch von
keinem leben/ licht noch wahrheit. Wie
könte ers denn thun/ und hervor bringen/
das er nicht hat? Jsts wohl müglich/ daß
eine distel feigen/ und ein dorn weintrauben
tragen kan? Oder mag ein Mohr seine
haut verändern/ und ein Leopard seine mancher-
ley flecken/ also kan auch der mensch guts
thun/ weil er zum bösen gewehnet oder
gelehrt ist; Wie viel mehr/ da er darinn
empfangen und gebohren ist/ und von natur
gantz darzu geneiget. Was kan nun hier-
von gutes gehofft und ihm zugetrauet wer-
den? Nichts/ nichts/ nein/ in ewigkeit
nicht.

O edle creatur/ siehe zu/ ich sags dir/ der-
selbe mensch hat alle Teuffels-künste/ sinn/
art/ geist und leben und alle greuel bey sich;
er ist schalckhaffter und böser als er selbst
weiß/ und unmüglich in seiner haut/ schwei-
ge im innersten grund zu erkennen/ als
durchs wort der himmlischen gerechtigkeit
und ewigen auffgehenden tugend/ licht und
leben der wahrheit und klarheit CHRI-
STI.
So gantz böse und verdorben ist
der abgefall ne mensch/ und insonderheit ein
abfälliger Christ. Denn nachdem ein ding
grösser/ höher/ schöner und besser ist/ de-
sto tieffer/ kleiner/ scheußlicher und ärger
kans werden/ wie man an allen creaturen und
irrdischen dingen mercken kan.

Das gröste übel/ darinn der mensch ver-
dorben/ ist/ daß er von CHRISTO/
dem höchsten gut/ in seinem worte und ei-
genheit abweichet/ und selbst was seyn und
bleiben/ nicht aber gantz unter will. Daß
er aber selbst was seyn und bleiben will/ hat
zweyerley ansehen: erstlich: daß er was
seyn will/ kommt ihm nicht aus nichts/
sondern aus was/ daß er nemlich von
CHristo oder GOTT empfangen und geleh-
ret ist; wiewohl es noch nicht so ist/ wie es seyn
soll/ so achtet ers dennoch umb sein selbst willen
groß/ und will auch darumb was seyn/ nicht
nach dem maaß der gnade/ sondern über die
maaß/ darin sein verderben doch stehet. Wie
kommts/ daß er darinn keine bescheidenheit noch
mässigkeit gebrauchet? weil er keine bescheiden-
heit hat/ noch darinn gebrauchet/ und selbst noch

ohne
Y y 3

und von der tugend des neuen menſchen.
[Spaltenumbruch] ihn unterſuchet/ hab ich ihn nicht anders als
gantz eitel und verdorben und auſſer CHRI-
STO befunden. Jſt aber der menſch ver-
dorben/ ſo muß ſich ein jeglicher vor ihm
Jerem.
XVII.
huͤten/ der nicht in ſchaden und verderben
kommen will. Verflucht iſt der menſch
(ſpricht der HERR) der ſich auff einen
menſchen verlaͤſt/ und haͤlt fleiſch vor ſei-
nen arm.

Sie ſind alle luͤgenhafftig und nicht einer
gut gefunden/ wer kan darwider antwor-
ten/ und GOTT zum luͤgnet machen/ von
dem er abgefallen und ihm entgegen iſt?
Hoͤret und glaubet keinem menſchen/ er ha-
be einen ſchein/ wie er wolle/ wenn er nicht
CHRISTI art und geiſt der liebe hat und
lehret.

Der menſch iſt ein luͤgen-ſchoͤpffer und ein
diener oder fuͤrſt der boßheit/ der unter dem
ſchein der tugend ſeinen meiſten gifft aus-
ſpeyet. Er hat wohl einen ſchaaffs-mund/
aber ein wolffs-hertze/ und verdeckt mit ei-
nem einfaͤltigen habit ſeinen ſchalck/ fal-
ſche art und blutgierigen grund. Sein gu-
tes iſt lauter boͤſes. Wie groß muß ſeine
boßheit ſelber ſeyn/ wenn ſeine gerechtig-
keiten ſo unrein/ faul/ ſcheußlich und be-
flecket ſind?

Wer den menſchen lobet/ der laͤſtert
GOTT; und wer ihn liebet/ der iſt noch
auſſer CHRISTO: er liebt die luͤgen
und haſſet die wahrheit vom himmel. Man
kan GOTT nicht mehr verdruß oder ver-
achtung anthun/ als einen abfaͤlligen Chri-
ſten mehr als ihm glauben/ lieben oder
nachfolgen.

Man kan oder mag den alten menſchen
mit nirgends mehr toͤdt n als mit ſeiner wie-
drigkeit/ welche iſt das wort des lebens oder
krafft GOTTES. Daß GOTT
den menſchen in ſeinem gebet nicht erhoͤret/
kommt daher/ daß er nicht recht bittet/
noch luſt und liebe an GOttes wiedrigkeit
(tegenheit) hat.

GOTT und der menſch iſt nicht zu un-
terſcheiden als mit ſeiner ungleichheit/ nem-
lich mit dem verkehrten ſchalcks-geſichte des
ſuͤndlichen eigen-weſens. Alſo ſtehet ge-
ſchrieben:

Eſa. LIX.

Eure miſſethaten ſcheiden euch von GOTT
ab/ und eure ſuͤnden verbergen oder verhindern
vor euch ſein angeſichte/ daß er euch nicht hoͤ-
ret. Denn eure haͤnde ſind mit blut beflecket
und eure finger mit untugend.

Eure lippen reden luͤgen/ und eure zunge
richtet das/ was boͤſe iſt/ an. Da iſt niemand
unter ihnen/ der nach gerechtigkeit fraget/
oder mit wahrheit und treue richtet.

Ein jeglicher vertrauet auffs eitele und den-
cket betrieglich/ ſie empfangen gern muͤhe/ und
gebaͤhren ungluͤck.

[Spaltenumbruch]

Sie bruͤten Baſilisken-eyer aus und wir-
cken ſpinneweben. Wer von ihren eyern iſ-
ſet/ der ſtirbt/ tritt ſie jemand entzwey/
ſo kommt eine otter heraus. Jhre ſpinne-
webe taug zu keinem kleid/ und koͤnnen ſich
mit ihrer arbeit (wie gut ſie auch ſcheinet)
nicht bedecken Jhre wercke ſind wercke der
boßheit/ ſind raͤuber und haben blutige
haͤnde.

Jhre fuͤſſe lauffen zum boͤſen und eilen un-
ſchuldig blut zu vergieſſen. Denn ihr vorneh-
men ſind boͤſe gedancken/ zum verderben und
ſchaden laufft ihr weg. Aber den weg des
friedens kennen ſie nicht/ und iſt kein recht
in ihren wegen. Denn ihre wege ſind ſo
verwirret/ daß/ wer darauff gehet/ von
keinem friede GOTTES weiß/ ja nicht
allein von keinem friede/ ſondern auch von
keinem leben/ licht noch wahrheit. Wie
koͤnte ers denn thun/ und hervor bringen/
das er nicht hat? Jſts wohl muͤglich/ daß
eine diſtel feigen/ und ein dorn weintrauben
tragen kan? Oder mag ein Mohr ſeine
haut veraͤndern/ und ein Leopard ſeine mancher-
ley flecken/ alſo kan auch der menſch guts
thun/ weil er zum boͤſen gewehnet oder
gelehrt iſt; Wie viel mehr/ da er darinn
empfangen und gebohren iſt/ und von natur
gantz darzu geneiget. Was kan nun hier-
von gutes gehofft und ihm zugetrauet wer-
den? Nichts/ nichts/ nein/ in ewigkeit
nicht.

O edle creatur/ ſiehe zu/ ich ſags dir/ der-
ſelbe menſch hat alle Teuffels-kuͤnſte/ ſinn/
art/ geiſt und leben und alle greuel bey ſich;
er iſt ſchalckhaffter und boͤſer als er ſelbſt
weiß/ und unmuͤglich in ſeiner haut/ ſchwei-
ge im innerſten grund zu erkennen/ als
durchs wort der himmliſchen gerechtigkeit
und ewigen auffgehenden tugend/ licht und
leben der wahrheit und klarheit CHRI-
STI.
So gantz boͤſe und verdorben iſt
der abgefall ne menſch/ und inſonderheit ein
abfaͤlliger Chriſt. Denn nachdem ein ding
groͤſſer/ hoͤher/ ſchoͤner und beſſer iſt/ de-
ſto tieffer/ kleiner/ ſcheußlicher und aͤrger
kans werden/ wie man an allen creaturen und
irrdiſchen dingen mercken kan.

Das groͤſte uͤbel/ darinn der menſch ver-
dorben/ iſt/ daß er von CHRISTO/
dem hoͤchſten gut/ in ſeinem worte und ei-
genheit abweichet/ und ſelbſt was ſeyn und
bleiben/ nicht aber gantz unter will. Daß
er aber ſelbſt was ſeyn und bleiben will/ hat
zweyerley anſehen: erſtlich: daß er was
ſeyn will/ kommt ihm nicht aus nichts/
ſondern aus was/ daß er nemlich von
CHriſto oder GOTT empfangen und geleh-
ret iſt; wiewohl es noch nicht ſo iſt/ wie es ſeyn
ſoll/ ſo achtet ers dennoch umb ſein ſelbſt willen
groß/ und will auch darumb was ſeyn/ nicht
nach dem maaß der gnade/ ſondern uͤber die
maaß/ darin ſein verderben doch ſtehet. Wie
kommts/ daß er darinn keine beſcheidenheit noch
maͤſſigkeit gebrauchet? weil er keine beſcheiden-
heit hat/ noch darinn gebrauchet/ und ſelbſt noch

ohne
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[357/0653] und von der tugend des neuen menſchen. ihn unterſuchet/ hab ich ihn nicht anders als gantz eitel und verdorben und auſſer CHRI- STO befunden. Jſt aber der menſch ver- dorben/ ſo muß ſich ein jeglicher vor ihm huͤten/ der nicht in ſchaden und verderben kommen will. Verflucht iſt der menſch (ſpricht der HERR) der ſich auff einen menſchen verlaͤſt/ und haͤlt fleiſch vor ſei- nen arm. Jerem. XVII. Sie ſind alle luͤgenhafftig und nicht einer gut gefunden/ wer kan darwider antwor- ten/ und GOTT zum luͤgnet machen/ von dem er abgefallen und ihm entgegen iſt? Hoͤret und glaubet keinem menſchen/ er ha- be einen ſchein/ wie er wolle/ wenn er nicht CHRISTI art und geiſt der liebe hat und lehret. Der menſch iſt ein luͤgen-ſchoͤpffer und ein diener oder fuͤrſt der boßheit/ der unter dem ſchein der tugend ſeinen meiſten gifft aus- ſpeyet. Er hat wohl einen ſchaaffs-mund/ aber ein wolffs-hertze/ und verdeckt mit ei- nem einfaͤltigen habit ſeinen ſchalck/ fal- ſche art und blutgierigen grund. Sein gu- tes iſt lauter boͤſes. Wie groß muß ſeine boßheit ſelber ſeyn/ wenn ſeine gerechtig- keiten ſo unrein/ faul/ ſcheußlich und be- flecket ſind? Wer den menſchen lobet/ der laͤſtert GOTT; und wer ihn liebet/ der iſt noch auſſer CHRISTO: er liebt die luͤgen und haſſet die wahrheit vom himmel. Man kan GOTT nicht mehr verdruß oder ver- achtung anthun/ als einen abfaͤlligen Chri- ſten mehr als ihm glauben/ lieben oder nachfolgen. Man kan oder mag den alten menſchen mit nirgends mehr toͤdt n als mit ſeiner wie- drigkeit/ welche iſt das wort des lebens oder krafft GOTTES. Daß GOTT den menſchen in ſeinem gebet nicht erhoͤret/ kommt daher/ daß er nicht recht bittet/ noch luſt und liebe an GOttes wiedrigkeit (tegenheit) hat. GOTT und der menſch iſt nicht zu un- terſcheiden als mit ſeiner ungleichheit/ nem- lich mit dem verkehrten ſchalcks-geſichte des ſuͤndlichen eigen-weſens. Alſo ſtehet ge- ſchrieben: Eure miſſethaten ſcheiden euch von GOTT ab/ und eure ſuͤnden verbergen oder verhindern vor euch ſein angeſichte/ daß er euch nicht hoͤ- ret. Denn eure haͤnde ſind mit blut beflecket und eure finger mit untugend. Eure lippen reden luͤgen/ und eure zunge richtet das/ was boͤſe iſt/ an. Da iſt niemand unter ihnen/ der nach gerechtigkeit fraget/ oder mit wahrheit und treue richtet. Ein jeglicher vertrauet auffs eitele und den- cket betrieglich/ ſie empfangen gern muͤhe/ und gebaͤhren ungluͤck. Sie bruͤten Baſilisken-eyer aus und wir- cken ſpinneweben. Wer von ihren eyern iſ- ſet/ der ſtirbt/ tritt ſie jemand entzwey/ ſo kommt eine otter heraus. Jhre ſpinne- webe taug zu keinem kleid/ und koͤnnen ſich mit ihrer arbeit (wie gut ſie auch ſcheinet) nicht bedecken Jhre wercke ſind wercke der boßheit/ ſind raͤuber und haben blutige haͤnde. Jhre fuͤſſe lauffen zum boͤſen und eilen un- ſchuldig blut zu vergieſſen. Denn ihr vorneh- men ſind boͤſe gedancken/ zum verderben und ſchaden laufft ihr weg. Aber den weg des friedens kennen ſie nicht/ und iſt kein recht in ihren wegen. Denn ihre wege ſind ſo verwirret/ daß/ wer darauff gehet/ von keinem friede GOTTES weiß/ ja nicht allein von keinem friede/ ſondern auch von keinem leben/ licht noch wahrheit. Wie koͤnte ers denn thun/ und hervor bringen/ das er nicht hat? Jſts wohl muͤglich/ daß eine diſtel feigen/ und ein dorn weintrauben tragen kan? Oder mag ein Mohr ſeine haut veraͤndern/ und ein Leopard ſeine mancher- ley flecken/ alſo kan auch der menſch guts thun/ weil er zum boͤſen gewehnet oder gelehrt iſt; Wie viel mehr/ da er darinn empfangen und gebohren iſt/ und von natur gantz darzu geneiget. Was kan nun hier- von gutes gehofft und ihm zugetrauet wer- den? Nichts/ nichts/ nein/ in ewigkeit nicht. O edle creatur/ ſiehe zu/ ich ſags dir/ der- ſelbe menſch hat alle Teuffels-kuͤnſte/ ſinn/ art/ geiſt und leben und alle greuel bey ſich; er iſt ſchalckhaffter und boͤſer als er ſelbſt weiß/ und unmuͤglich in ſeiner haut/ ſchwei- ge im innerſten grund zu erkennen/ als durchs wort der himmliſchen gerechtigkeit und ewigen auffgehenden tugend/ licht und leben der wahrheit und klarheit CHRI- STI. So gantz boͤſe und verdorben iſt der abgefall ne menſch/ und inſonderheit ein abfaͤlliger Chriſt. Denn nachdem ein ding groͤſſer/ hoͤher/ ſchoͤner und beſſer iſt/ de- ſto tieffer/ kleiner/ ſcheußlicher und aͤrger kans werden/ wie man an allen creaturen und irrdiſchen dingen mercken kan. Das groͤſte uͤbel/ darinn der menſch ver- dorben/ iſt/ daß er von CHRISTO/ dem hoͤchſten gut/ in ſeinem worte und ei- genheit abweichet/ und ſelbſt was ſeyn und bleiben/ nicht aber gantz unter will. Daß er aber ſelbſt was ſeyn und bleiben will/ hat zweyerley anſehen: erſtlich: daß er was ſeyn will/ kommt ihm nicht aus nichts/ ſondern aus was/ daß er nemlich von CHriſto oder GOTT empfangen und geleh- ret iſt; wiewohl es noch nicht ſo iſt/ wie es ſeyn ſoll/ ſo achtet ers dennoch umb ſein ſelbſt willen groß/ und will auch darumb was ſeyn/ nicht nach dem maaß der gnade/ ſondern uͤber die maaß/ darin ſein verderben doch ſtehet. Wie kommts/ daß er darinn keine beſcheidenheit noch maͤſſigkeit gebrauchet? weil er keine beſcheiden- heit hat/ noch darinn gebrauchet/ und ſelbſt noch ohne Y y 3

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/653>, abgerufen am 27.04.2024.