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Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847.

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zu thun pflegte, eine sanfte Nacht, versicherte "Dero Gnaden," das Gewitter sei vorüber; sie brauche sich nicht zu ängstigen, und solle es ja wiederkehren, so schlafe sie dicht neben Madame und sei zu jedem Dienst bereit. Hierauf öffnete sie noch einmal die Pforte, um den Himmel zu observiren, und ließ dabei leise eine hohe, dicht in den Mantel gehüllte Gestalt hereinschlüpfen. Dann verrichtete sie ihr übliches Nachtgebet und entschlief mit dem stolzen Bewußtsein, einen wichtigen Tag verlebt zu haben.

Madame Oburn hingegen ging unruhig im Zimmer auf und ab. Endlich öffnete sie die Fenster wieder und sah in die schöne, nun stille Nacht hinaus. Die Luft war prächtig frisch und kühl geworden. Die Oburn konnte dem Verlangen nicht widerstehen, noch im Freien umherzuwandeln. Rasch warf sie über das leichte Nachtkleid eine Mantille, steckte die zarten Füßchen in feste Schuhe, und huschte gedankenleise zum Saal hinaus. Es war gerade die reichste, üppigste Blüthenzeit des Jahres; tausend erschlossene Blüthen strömten süß betäubenden

zu thun pflegte, eine sanfte Nacht, versicherte „Dero Gnaden,“ das Gewitter sei vorüber; sie brauche sich nicht zu ängstigen, und solle es ja wiederkehren, so schlafe sie dicht neben Madame und sei zu jedem Dienst bereit. Hierauf öffnete sie noch einmal die Pforte, um den Himmel zu observiren, und ließ dabei leise eine hohe, dicht in den Mantel gehüllte Gestalt hereinschlüpfen. Dann verrichtete sie ihr übliches Nachtgebet und entschlief mit dem stolzen Bewußtsein, einen wichtigen Tag verlebt zu haben.

Madame Oburn hingegen ging unruhig im Zimmer auf und ab. Endlich öffnete sie die Fenster wieder und sah in die schöne, nun stille Nacht hinaus. Die Luft war prächtig frisch und kühl geworden. Die Oburn konnte dem Verlangen nicht widerstehen, noch im Freien umherzuwandeln. Rasch warf sie über das leichte Nachtkleid eine Mantille, steckte die zarten Füßchen in feste Schuhe, und huschte gedankenleise zum Saal hinaus. Es war gerade die reichste, üppigste Blüthenzeit des Jahres; tausend erschlossene Blüthen strömten süß betäubenden

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[85/0097] zu thun pflegte, eine sanfte Nacht, versicherte „Dero Gnaden,“ das Gewitter sei vorüber; sie brauche sich nicht zu ängstigen, und solle es ja wiederkehren, so schlafe sie dicht neben Madame und sei zu jedem Dienst bereit. Hierauf öffnete sie noch einmal die Pforte, um den Himmel zu observiren, und ließ dabei leise eine hohe, dicht in den Mantel gehüllte Gestalt hereinschlüpfen. Dann verrichtete sie ihr übliches Nachtgebet und entschlief mit dem stolzen Bewußtsein, einen wichtigen Tag verlebt zu haben. Madame Oburn hingegen ging unruhig im Zimmer auf und ab. Endlich öffnete sie die Fenster wieder und sah in die schöne, nun stille Nacht hinaus. Die Luft war prächtig frisch und kühl geworden. Die Oburn konnte dem Verlangen nicht widerstehen, noch im Freien umherzuwandeln. Rasch warf sie über das leichte Nachtkleid eine Mantille, steckte die zarten Füßchen in feste Schuhe, und huschte gedankenleise zum Saal hinaus. Es war gerade die reichste, üppigste Blüthenzeit des Jahres; tausend erschlossene Blüthen strömten süß betäubenden

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Zitationshilfe: Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/aston_leben_1847/97>, abgerufen am 29.04.2024.