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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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sich nach ihr wendete. Munde sprang schnell auf und setzte die zitternde Fränz auf seinen Stuhl. Der Schaffner bedauerte seine Unvorsichtigkeit, da er nicht gewußt habe, daß das Diethelm's Tochter sei. Fränz aber, leichenblaß und mit stierem Blick, wollte Näheres wissen. Der Schaffner aber hatte dies nur von einem Andern gehört, der am Morgen durch Buchenberg gefahren war, und wußte weiter Nichts, als daß kein Mensch dabei verunglückt sei, nur einen Knecht, der das Haus angezündet habe, suche man noch vergebens. Alles versammelte sich nun um Fränz und tröstete sie; ja man wollte ihr sogar die ganze Sache ausreden, es sei vielleicht gar nicht wahr u. dgl. m. Fränz aber war rasch entschlossen, sie wollte augenblicklich heim; sie faßte beide Hände des Munde und bat ihn, ihr zu helfen, daß sie fortkäme, sie jammerte um ihren Vater und ihre Mutter und klagte sich selber an, daß sie von ihnen fortgegangen sei, es seien gewiß Alle verbrannt, und man sage es ihr nicht. Die Wirthin wollte sie beruhigen und ihr solch wildes Rasen ausreden, aber Fränz stieß sie heftig von sich.

Munde, du bist dein Lebtag gut zu mir gewesen, ich bitt' dich, Munde, guter Munde, hilf mir, daß ich fortkomm', rief sie immer laut weinend, und Munde selber weinte mit und versprach Alles zu thun. Der Schaffner sah auf eine Uhr und sagte, durch Buchenberg gehe erst morgen wieder ein Eilwagen, in einer Stunde aber gehe ein anderer nach G. ab, und von dort aus könne Fränz leicht nach Buchenberg kommen. Fränz eilte schnell auf ihre Kammer, holte ihre Kleider, und trotz aller Einrede, daß sie doch den Abgang des Wagens im Hause abwarten möge, blieb sie nicht und ging, von Munde allein gefolgt, nach dem Posthofe.

Wie träge schlug hier die Uhr, Fränz wollte fast vergehen vor Hast und Verzweiflung, und Munde, der sie gar nicht beruhigen konnte, sagte fast unwillkürlich:

Wenn ich nur den bösen Gedanken aus dem Kopf bringen könnt'!

sich nach ihr wendete. Munde sprang schnell auf und setzte die zitternde Fränz auf seinen Stuhl. Der Schaffner bedauerte seine Unvorsichtigkeit, da er nicht gewußt habe, daß das Diethelm's Tochter sei. Fränz aber, leichenblaß und mit stierem Blick, wollte Näheres wissen. Der Schaffner aber hatte dies nur von einem Andern gehört, der am Morgen durch Buchenberg gefahren war, und wußte weiter Nichts, als daß kein Mensch dabei verunglückt sei, nur einen Knecht, der das Haus angezündet habe, suche man noch vergebens. Alles versammelte sich nun um Fränz und tröstete sie; ja man wollte ihr sogar die ganze Sache ausreden, es sei vielleicht gar nicht wahr u. dgl. m. Fränz aber war rasch entschlossen, sie wollte augenblicklich heim; sie faßte beide Hände des Munde und bat ihn, ihr zu helfen, daß sie fortkäme, sie jammerte um ihren Vater und ihre Mutter und klagte sich selber an, daß sie von ihnen fortgegangen sei, es seien gewiß Alle verbrannt, und man sage es ihr nicht. Die Wirthin wollte sie beruhigen und ihr solch wildes Rasen ausreden, aber Fränz stieß sie heftig von sich.

Munde, du bist dein Lebtag gut zu mir gewesen, ich bitt' dich, Munde, guter Munde, hilf mir, daß ich fortkomm', rief sie immer laut weinend, und Munde selber weinte mit und versprach Alles zu thun. Der Schaffner sah auf eine Uhr und sagte, durch Buchenberg gehe erst morgen wieder ein Eilwagen, in einer Stunde aber gehe ein anderer nach G. ab, und von dort aus könne Fränz leicht nach Buchenberg kommen. Fränz eilte schnell auf ihre Kammer, holte ihre Kleider, und trotz aller Einrede, daß sie doch den Abgang des Wagens im Hause abwarten möge, blieb sie nicht und ging, von Munde allein gefolgt, nach dem Posthofe.

Wie träge schlug hier die Uhr, Fränz wollte fast vergehen vor Hast und Verzweiflung, und Munde, der sie gar nicht beruhigen konnte, sagte fast unwillkürlich:

Wenn ich nur den bösen Gedanken aus dem Kopf bringen könnt'!

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/100>, abgerufen am 29.04.2024.