Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Vetter Alles verbergen, er hatte ihn ja mitgenommen, um ihn zum Zeugen seiner Unschuld zu gebrauchen.

Man fuhr wieder heimwärts, und Diethelm mußte davon sprechen, daß er seine Frau in dem Schmerz um den Tod ihres Kindes nicht allein lassen wolle.

Warum hast mir denn nicht früher gesagt, fragte er, daß es so mit der Kohlenhofbäuerin steht?

Ich hab' gemeint, Ihr wisset's und wollet nicht davon reden; ich hab Euch ja oft darauf angespielt, daß Ihr wieder doppelt reich werdet.

Ja wohl, ja wohl, fahr nur schärfer, noch schärfer, und wenn die Gäul' morgen auch hin sind, drängte Diethelm.

In dem Bannkreis des Verbrechens, in den er eingeschlossen war, hatte er nichts gemerkt von dem, was vielleicht alle Leute wußten und einander sagten; mit ihm sprach Niemand davon, und mitten in der Qual, die ihm die Brust zusammenpreßte, dachte er immer wieder, wie schlecht die Menschen sind, sie gönnten ihm sein unverhofftes Glück nicht und redeten darum kein bestimmtes Wort davon.

Der Wind hatte sich gelegt, die Schneewolken entluden sich, und Diethelm sah nach den halbverschneiten Bäumen am Wege und streckte den Arm aus nach jedem, an dem man vorüber war, als schiebe er ihn damit zurück; war man ja der Heimath immer wieder um eine Strecke näher, aber es dauerte doch lang, und ein tiefer Frost schlich Diethelm durch Mark und Bein. Er glaubte, das Herz im Leibe gefriere ihm zu Eis, während der Vetter doch sagte, die Kälte sei gebrochen. Diethelm dachte sich die Pein Medard's aus, der gefesselt am Boden liegt, die Flamme immer näher knistern, die Schafe in der Ferne blöken hört, und wie die Flamme immer näher heranschleicht, von allen Seiten nach ihm züngelt und ihn still umfängt . . . wenn sie zuerst seine Bande versengt -- er hebt die gefesselten Hände den Flammen entgegen, er macht sich frei . . .

Du lebst, schrie er einmal unwillkürlich laut auf, und

Vetter Alles verbergen, er hatte ihn ja mitgenommen, um ihn zum Zeugen seiner Unschuld zu gebrauchen.

Man fuhr wieder heimwärts, und Diethelm mußte davon sprechen, daß er seine Frau in dem Schmerz um den Tod ihres Kindes nicht allein lassen wolle.

Warum hast mir denn nicht früher gesagt, fragte er, daß es so mit der Kohlenhofbäuerin steht?

Ich hab' gemeint, Ihr wisset's und wollet nicht davon reden; ich hab Euch ja oft darauf angespielt, daß Ihr wieder doppelt reich werdet.

Ja wohl, ja wohl, fahr nur schärfer, noch schärfer, und wenn die Gäul' morgen auch hin sind, drängte Diethelm.

In dem Bannkreis des Verbrechens, in den er eingeschlossen war, hatte er nichts gemerkt von dem, was vielleicht alle Leute wußten und einander sagten; mit ihm sprach Niemand davon, und mitten in der Qual, die ihm die Brust zusammenpreßte, dachte er immer wieder, wie schlecht die Menschen sind, sie gönnten ihm sein unverhofftes Glück nicht und redeten darum kein bestimmtes Wort davon.

Der Wind hatte sich gelegt, die Schneewolken entluden sich, und Diethelm sah nach den halbverschneiten Bäumen am Wege und streckte den Arm aus nach jedem, an dem man vorüber war, als schiebe er ihn damit zurück; war man ja der Heimath immer wieder um eine Strecke näher, aber es dauerte doch lang, und ein tiefer Frost schlich Diethelm durch Mark und Bein. Er glaubte, das Herz im Leibe gefriere ihm zu Eis, während der Vetter doch sagte, die Kälte sei gebrochen. Diethelm dachte sich die Pein Medard's aus, der gefesselt am Boden liegt, die Flamme immer näher knistern, die Schafe in der Ferne blöken hört, und wie die Flamme immer näher heranschleicht, von allen Seiten nach ihm züngelt und ihn still umfängt . . . wenn sie zuerst seine Bande versengt — er hebt die gefesselten Hände den Flammen entgegen, er macht sich frei . . .

Du lebst, schrie er einmal unwillkürlich laut auf, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="15">
        <p><pb facs="#f0110"/>
Vetter Alles verbergen, er hatte ihn ja mitgenommen, um ihn zum Zeugen seiner                Unschuld zu gebrauchen.</p><lb/>
        <p>Man fuhr wieder heimwärts, und Diethelm mußte davon sprechen, daß er seine Frau in                dem Schmerz um den Tod ihres Kindes nicht allein lassen wolle.</p><lb/>
        <p>Warum hast mir denn nicht früher gesagt, fragte er, daß es so mit der                Kohlenhofbäuerin steht?</p><lb/>
        <p>Ich hab' gemeint, Ihr wisset's und wollet nicht davon reden; ich hab Euch ja oft                darauf angespielt, daß Ihr wieder doppelt reich werdet.</p><lb/>
        <p>Ja wohl, ja wohl, fahr nur schärfer, noch schärfer, und wenn die Gäul' morgen auch                hin sind, drängte Diethelm.</p><lb/>
        <p>In dem Bannkreis des Verbrechens, in den er eingeschlossen war, hatte er nichts                gemerkt von dem, was vielleicht alle Leute wußten und einander sagten; mit ihm sprach                Niemand davon, und mitten in der Qual, die ihm die Brust zusammenpreßte, dachte er                immer wieder, wie schlecht die Menschen sind, sie gönnten ihm sein unverhofftes Glück                nicht und redeten darum kein bestimmtes Wort davon.</p><lb/>
        <p>Der Wind hatte sich gelegt, die Schneewolken entluden sich, und Diethelm sah nach den                halbverschneiten Bäumen am Wege und streckte den Arm aus nach jedem, an dem man                vorüber war, als schiebe er ihn damit zurück; war man ja der Heimath immer wieder um                eine Strecke näher, aber es dauerte doch lang, und ein tiefer Frost schlich Diethelm                durch Mark und Bein. Er glaubte, das Herz im Leibe gefriere ihm zu Eis, während der                Vetter doch sagte, die Kälte sei gebrochen. Diethelm dachte sich die Pein Medard's                aus, der gefesselt am Boden liegt, die Flamme immer näher knistern, die Schafe in der                Ferne blöken hört, und wie die Flamme immer näher heranschleicht, von allen Seiten                nach ihm züngelt und ihn still umfängt . . . wenn sie zuerst seine Bande versengt &#x2014;                er hebt die gefesselten Hände den Flammen entgegen, er macht sich frei . . .</p><lb/>
        <p>Du lebst, schrie er einmal unwillkürlich laut auf, und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0110] Vetter Alles verbergen, er hatte ihn ja mitgenommen, um ihn zum Zeugen seiner Unschuld zu gebrauchen. Man fuhr wieder heimwärts, und Diethelm mußte davon sprechen, daß er seine Frau in dem Schmerz um den Tod ihres Kindes nicht allein lassen wolle. Warum hast mir denn nicht früher gesagt, fragte er, daß es so mit der Kohlenhofbäuerin steht? Ich hab' gemeint, Ihr wisset's und wollet nicht davon reden; ich hab Euch ja oft darauf angespielt, daß Ihr wieder doppelt reich werdet. Ja wohl, ja wohl, fahr nur schärfer, noch schärfer, und wenn die Gäul' morgen auch hin sind, drängte Diethelm. In dem Bannkreis des Verbrechens, in den er eingeschlossen war, hatte er nichts gemerkt von dem, was vielleicht alle Leute wußten und einander sagten; mit ihm sprach Niemand davon, und mitten in der Qual, die ihm die Brust zusammenpreßte, dachte er immer wieder, wie schlecht die Menschen sind, sie gönnten ihm sein unverhofftes Glück nicht und redeten darum kein bestimmtes Wort davon. Der Wind hatte sich gelegt, die Schneewolken entluden sich, und Diethelm sah nach den halbverschneiten Bäumen am Wege und streckte den Arm aus nach jedem, an dem man vorüber war, als schiebe er ihn damit zurück; war man ja der Heimath immer wieder um eine Strecke näher, aber es dauerte doch lang, und ein tiefer Frost schlich Diethelm durch Mark und Bein. Er glaubte, das Herz im Leibe gefriere ihm zu Eis, während der Vetter doch sagte, die Kälte sei gebrochen. Diethelm dachte sich die Pein Medard's aus, der gefesselt am Boden liegt, die Flamme immer näher knistern, die Schafe in der Ferne blöken hört, und wie die Flamme immer näher heranschleicht, von allen Seiten nach ihm züngelt und ihn still umfängt . . . wenn sie zuerst seine Bande versengt — er hebt die gefesselten Hände den Flammen entgegen, er macht sich frei . . . Du lebst, schrie er einmal unwillkürlich laut auf, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/110
Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/110>, abgerufen am 26.04.2024.