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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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nimmer, wo du hin gehörst. Bleib nur bei mir, komm mit, wir gehen zum Meister.

Eben als Martha an der Post vorüberging, kam der Eilwagen unter hellen Posthorntönen angefahren. Was hat nur der Hund, daß er eine aussteigende verhüllte Gestalt anspringt und dann mit Freudenbellen zwischen der Gestalt und Martha hin und wider rennt? Wäre dort vielleicht der todtgeglaubte Medard, der von seiner Flucht zurückkehrt? Martha fühlte, wie ihr die Haare sich emporsträubten, und wie ihr die Kniee fast brechen wollten. Mit wankenden Schritten ging sie auf den Posthof zu, sie hörte den Schaffner sagen: Ich will Ihnen gleich ein Fuhrwerk nach Buchenberg verschaffen. Sie näherte sich der verhüllten Gestalt.

Mutter! rief es ihr entgegen.

Du bist's, Fränz?

Und mit wehklagendem und doch freudigem Schmerzensausruf lagen Mutter und Tochter sich in den Armen. Jetzt erst konnte Martha weinen. Fränz erholte sich rasch wieder, und wenn auch schmerzvollen Klanges, sagte sie doch mit fester Stimme:

Mutter! Gottlob, Gottlob und Dank, daß ich Euch hab'. Mutter, ich möcht' Euch Abbitte thun für Alles; ich hab' erfahren, was fremde Menschen sind, und da schwör' ich's unter freiem Himmel, nie, nie, so lang Euch ein Aug' offen steht, verlass' ich Euch. Jetzt lasset mich nur Eure Hand küssen. Ich kann Alles wieder gut machen an Euch und am Vater. Ach Gott, wie geht's ihm denn?

Martha schwieg.

Ist er verbrannt? schrie Fränz so grell, daß selbst ein losgespanntes Pferd, das an ihr vorbei wollte, rückwärts wich.

Martha schüttelte den Kopf, und erst mit schwerem Athem konnte sie die Worte hervorbringen:

Er sitzt im Criminal.

Die Postmeisterin, die Fränz noch vom Markte her kannte, zog dieselbe in das Haus, und hier erfuhr sie nun Alles. Fränz küßte aber- und abermals die Hände der

nimmer, wo du hin gehörst. Bleib nur bei mir, komm mit, wir gehen zum Meister.

Eben als Martha an der Post vorüberging, kam der Eilwagen unter hellen Posthorntönen angefahren. Was hat nur der Hund, daß er eine aussteigende verhüllte Gestalt anspringt und dann mit Freudenbellen zwischen der Gestalt und Martha hin und wider rennt? Wäre dort vielleicht der todtgeglaubte Medard, der von seiner Flucht zurückkehrt? Martha fühlte, wie ihr die Haare sich emporsträubten, und wie ihr die Kniee fast brechen wollten. Mit wankenden Schritten ging sie auf den Posthof zu, sie hörte den Schaffner sagen: Ich will Ihnen gleich ein Fuhrwerk nach Buchenberg verschaffen. Sie näherte sich der verhüllten Gestalt.

Mutter! rief es ihr entgegen.

Du bist's, Fränz?

Und mit wehklagendem und doch freudigem Schmerzensausruf lagen Mutter und Tochter sich in den Armen. Jetzt erst konnte Martha weinen. Fränz erholte sich rasch wieder, und wenn auch schmerzvollen Klanges, sagte sie doch mit fester Stimme:

Mutter! Gottlob, Gottlob und Dank, daß ich Euch hab'. Mutter, ich möcht' Euch Abbitte thun für Alles; ich hab' erfahren, was fremde Menschen sind, und da schwör' ich's unter freiem Himmel, nie, nie, so lang Euch ein Aug' offen steht, verlass' ich Euch. Jetzt lasset mich nur Eure Hand küssen. Ich kann Alles wieder gut machen an Euch und am Vater. Ach Gott, wie geht's ihm denn?

Martha schwieg.

Ist er verbrannt? schrie Fränz so grell, daß selbst ein losgespanntes Pferd, das an ihr vorbei wollte, rückwärts wich.

Martha schüttelte den Kopf, und erst mit schwerem Athem konnte sie die Worte hervorbringen:

Er sitzt im Criminal.

Die Postmeisterin, die Fränz noch vom Markte her kannte, zog dieselbe in das Haus, und hier erfuhr sie nun Alles. Fränz küßte aber- und abermals die Hände der

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/123>, abgerufen am 02.05.2024.