Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 15. Augsburg, 15. Januar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

d'Acre, den Schlüssel des ganzen südlichen Syriens, verlieren. Hieraus ergibt sich auch, warum Rußland sich ohne Verzug England näherte, sobald Frankreich Miene machte, die Forderungen Mehemed Ali's bis zum Besitz von Adana und dem Taurus zu unterstützen.

Ob England auf diesen Vertrag eingegangen, steht dahin, denn die Vortheile, welche derselbe Rußland durch die völlige moralische Vernichtung des türkischen Reichs und durch die Einmischung in die Angelegenheiten von Kurdistan gewährt, sind zu groß. Mehemed Ali mußte seinen Einfluß in Kurdistan zu begründen suchen: er hat dieß seit dem Jahr 1832 gethan, und noch jetzt steht ein Corps Kurden augenscheinlich in seinem Interesse gegen die Türken, vielleicht auch gegen die Perser im Felde, welche schon an der Ostgränze von Kurdistan eine Anzahl Dörfer besetzt haben sollen. Kurdistan ist das militärische Pivot, um welches sich die Herrschaft in Kleinasien und in Nordpersien, wie in Mesopotamien und Syrien dreht; wer Kurdistan besitzt, dem fällt Mesopotamien von selbst zu, wie dieß die Geschichte aller Zeiten gezeigt hat. Mehemed Ali muß seinen Einfluß in Kurdistan zum herrschenden machen, sonst ist der Besitz von Syrien gefährdet, die Aussicht auf Mesopotamien vereitelt und die Arbeit seines halben Lebens vernichtet; besitzt er aber Kurdistan, dann erhebt er sich mit einemmal zur Hauptmacht in Vorderasien, und gegen ihn, nicht gegen die halb zu Tode gehezte Türkei müssen dann die Streiche Rußlands gerichtet seyn. Darum will Rußland gegen Mehemed Ali einschreiten. Es bereitet sich offenbar zum Kampfe in Kleinasien und am Araxes gegen Mehemed Ali und die Kurden. Wird England ihm dabei durch den Angriff der syrischen Küsten Vorschub thun? wäre der Besitz von St. Jean d'Acre und selbst von Alexandria ein Aequivalent gegen eine Ausbreitung der russischen Herrschaft in Kurdistan, welcher dann Kleinasien, der nordwestliche Theil von Persien und der Lauf des Euphrat gar nicht mehr streitig zu machen wäre? Frankreich hat den einzigen wahren Weg eingeschlagen, um das türkische Reich zu retten: Mehemed Ali muß in vergrößerter Macht und factischer Unabhängigkeit erhalten werden, und dazu müssen sich Mehemed Ali und die Pforte unter einander selbst ohne Zuziehung der Mächte vertragen. Mehemed Ali erhielte dann Sicherheit, und das türkische Reich eine neue Kraft. Der angebliche Quadrupelvertrag würde es unwiderbringlich vernichten und selbst eine englische Flotte vor den Thoren des Serails und im schwarzen Meere würde es nicht retten.

Freilich hat England die dringendsten Gründe Mehemed Ali zu stürzen. Wir wollen in dieser Beziehung, und zum Beweis, wie klar dieß in England erkannt wird, eine Stelle aus dem United Service Journal Nov. 1839 anführen, wo es heißt: "Die Bande, welche Aegypten an Großbritannien knüpfen, werden mit jedem Jahr enger, denn es muß bald unsere große Fahrstraße nach Indien werden, und wenn dieß einmal geschehen ist, so läßt sich die Folge leicht voraussagen: ehe nicht Aegypten thatsächlich ein integrirender Theil des brittischen Colonialreichs wird, geht unsere große Straße nach Indien durch die Thore, wo nicht eines Feindes, doch einer nicht sehr freundlich gesinnten Macht, und wir sind den Launen oder der Habsucht eines barbarischen Herrschers ausgesetzt, dessen Wille für uns Gesetz seyn muß. Frankreich betrachtet unser Vorrücken bereits mit eifersüchtigen Augen, und diese Eifersucht wird steigen, je mehr sich das rothe Meer mit unsern Schiffen und Aegypten mit unsern Kaufleuten füllt. Ein Auskunftsmittel würde der freilich minder bequeme Weg über den Euphrat bilden, aber die syrischen Eroberungen des Pascha haben auch diese Straße von seiner Laune abhängig gemacht, so daß seine Feindschaft jetzt oder künftig beide Straßen gefährdet. Es scheint daher für die künftige Sicherheit unseres indischen Reichs absolut nothwendig, daß Aegypten, wenn auch nicht dem Namen, doch der Sache nach eine brittische Colonie werde. Die Furcht hievor ist ohne Zweifel eine mächtige Veranlassung für Frankreich, die ausschweifenden Forderungen Mehemed Ali's zu unterstützen. Ein überwiegender Einfluß Frankreichs in Aegypten ist darum mit dem brittischen Interesse unverträglich, und müßte endlich zum Kriege führen." Die Folgerungen aus diesen Vordersätzen ergeben sich von selbst. Frankreich und England streiten sich um den Einfluß in Aegypten, und England muß den Vicekönig schwächen, ihm wenigstens Syrien nehmen, daß ihm nöthigenfalls der Weg auf dem Euphrat nach Indien bleibe. Hier trifft es also in einem temporären Interesse, der Schwächung Mehemed Ali's, mit Rußland zusammen. Hat diese Stellung der Dinge wirklich einen solchen Quadrupelvertrag zwischen England, Rußland, Rußland, Oestreich und Preußen erzeugt? Das ist die Frage, um die es sich immer noch handelt.

Wir haben bisher in der Voraussetzung gesprochen, daß Frankreich es mit Mehemed Ali und dem türkischen Reich redlich meint; wie aber, wenn es auch hier falsches Spiel spielte, wenn es jetzt den fast unvermeidlich gewordenen Bruch auf eine Weise herbeiführte, daß es Aegypten vorerst beschützen, und dann, wenn es durch den Tod Mehemed Ali's in Verwirrung gerathen ist, an sich reißen kann? Der Fall wäre denkbar, und und zudem wäre auch es nicht das Erstenmal, daß sich Frankreich und Rußland ohne Worte verstünden. Dann freilich hätte England Recht, wenn es sich vor Allem einiger wichtiger Punkte versichern wollte, dann aber wäre auch ein Krieg zwischen Frankreich und England entschieden. Halten wir uns vorerst an den Vertrag, der zwischen Rußland, England, Oesterreich und Preu- abgeschlossen worden seyn soll, um Mehemed Ali auf Aegypten und Palästina zu beschränken, um ihm selbst St. Jean d'Acre zu entreißen, so ist so viel gewiß, daß Mehemed Ali nicht gutwillig weichen wird, daß also endlich der Zeitpunkt eingetreten ist, wo mit Gewalt eingeschritten, und somit der Krieg wenigstens in Asien begonnen werden soll. Wie dieser sich enden wird, muß uns eine nicht sehr ferne Zukunft lehren.

(Beschluß folgt.)

[116]

Erklärung.

Die in mehreren Artikeln der Leipziger Allgemeinen Zeitung vom December v. J. enthaltenen Angaben veranlassen mich zu der Erklärung, daß die von mir verfaßte Schrift über die Einsegnung der gemischten Ehen ganz ohne mein Zuthun dem Buchhandel entzogen

d'Acre, den Schlüssel des ganzen südlichen Syriens, verlieren. Hieraus ergibt sich auch, warum Rußland sich ohne Verzug England näherte, sobald Frankreich Miene machte, die Forderungen Mehemed Ali's bis zum Besitz von Adana und dem Taurus zu unterstützen.

Ob England auf diesen Vertrag eingegangen, steht dahin, denn die Vortheile, welche derselbe Rußland durch die völlige moralische Vernichtung des türkischen Reichs und durch die Einmischung in die Angelegenheiten von Kurdistan gewährt, sind zu groß. Mehemed Ali mußte seinen Einfluß in Kurdistan zu begründen suchen: er hat dieß seit dem Jahr 1832 gethan, und noch jetzt steht ein Corps Kurden augenscheinlich in seinem Interesse gegen die Türken, vielleicht auch gegen die Perser im Felde, welche schon an der Ostgränze von Kurdistan eine Anzahl Dörfer besetzt haben sollen. Kurdistan ist das militärische Pivot, um welches sich die Herrschaft in Kleinasien und in Nordpersien, wie in Mesopotamien und Syrien dreht; wer Kurdistan besitzt, dem fällt Mesopotamien von selbst zu, wie dieß die Geschichte aller Zeiten gezeigt hat. Mehemed Ali muß seinen Einfluß in Kurdistan zum herrschenden machen, sonst ist der Besitz von Syrien gefährdet, die Aussicht auf Mesopotamien vereitelt und die Arbeit seines halben Lebens vernichtet; besitzt er aber Kurdistan, dann erhebt er sich mit einemmal zur Hauptmacht in Vorderasien, und gegen ihn, nicht gegen die halb zu Tode gehezte Türkei müssen dann die Streiche Rußlands gerichtet seyn. Darum will Rußland gegen Mehemed Ali einschreiten. Es bereitet sich offenbar zum Kampfe in Kleinasien und am Araxes gegen Mehemed Ali und die Kurden. Wird England ihm dabei durch den Angriff der syrischen Küsten Vorschub thun? wäre der Besitz von St. Jean d'Acre und selbst von Alexandria ein Aequivalent gegen eine Ausbreitung der russischen Herrschaft in Kurdistan, welcher dann Kleinasien, der nordwestliche Theil von Persien und der Lauf des Euphrat gar nicht mehr streitig zu machen wäre? Frankreich hat den einzigen wahren Weg eingeschlagen, um das türkische Reich zu retten: Mehemed Ali muß in vergrößerter Macht und factischer Unabhängigkeit erhalten werden, und dazu müssen sich Mehemed Ali und die Pforte unter einander selbst ohne Zuziehung der Mächte vertragen. Mehemed Ali erhielte dann Sicherheit, und das türkische Reich eine neue Kraft. Der angebliche Quadrupelvertrag würde es unwiderbringlich vernichten und selbst eine englische Flotte vor den Thoren des Serails und im schwarzen Meere würde es nicht retten.

Freilich hat England die dringendsten Gründe Mehemed Ali zu stürzen. Wir wollen in dieser Beziehung, und zum Beweis, wie klar dieß in England erkannt wird, eine Stelle aus dem United Service Journal Nov. 1839 anführen, wo es heißt: „Die Bande, welche Aegypten an Großbritannien knüpfen, werden mit jedem Jahr enger, denn es muß bald unsere große Fahrstraße nach Indien werden, und wenn dieß einmal geschehen ist, so läßt sich die Folge leicht voraussagen: ehe nicht Aegypten thatsächlich ein integrirender Theil des brittischen Colonialreichs wird, geht unsere große Straße nach Indien durch die Thore, wo nicht eines Feindes, doch einer nicht sehr freundlich gesinnten Macht, und wir sind den Launen oder der Habsucht eines barbarischen Herrschers ausgesetzt, dessen Wille für uns Gesetz seyn muß. Frankreich betrachtet unser Vorrücken bereits mit eifersüchtigen Augen, und diese Eifersucht wird steigen, je mehr sich das rothe Meer mit unsern Schiffen und Aegypten mit unsern Kaufleuten füllt. Ein Auskunftsmittel würde der freilich minder bequeme Weg über den Euphrat bilden, aber die syrischen Eroberungen des Pascha haben auch diese Straße von seiner Laune abhängig gemacht, so daß seine Feindschaft jetzt oder künftig beide Straßen gefährdet. Es scheint daher für die künftige Sicherheit unseres indischen Reichs absolut nothwendig, daß Aegypten, wenn auch nicht dem Namen, doch der Sache nach eine brittische Colonie werde. Die Furcht hievor ist ohne Zweifel eine mächtige Veranlassung für Frankreich, die ausschweifenden Forderungen Mehemed Ali's zu unterstützen. Ein überwiegender Einfluß Frankreichs in Aegypten ist darum mit dem brittischen Interesse unverträglich, und müßte endlich zum Kriege führen.“ Die Folgerungen aus diesen Vordersätzen ergeben sich von selbst. Frankreich und England streiten sich um den Einfluß in Aegypten, und England muß den Vicekönig schwächen, ihm wenigstens Syrien nehmen, daß ihm nöthigenfalls der Weg auf dem Euphrat nach Indien bleibe. Hier trifft es also in einem temporären Interesse, der Schwächung Mehemed Ali's, mit Rußland zusammen. Hat diese Stellung der Dinge wirklich einen solchen Quadrupelvertrag zwischen England, Rußland, Rußland, Oestreich und Preußen erzeugt? Das ist die Frage, um die es sich immer noch handelt.

Wir haben bisher in der Voraussetzung gesprochen, daß Frankreich es mit Mehemed Ali und dem türkischen Reich redlich meint; wie aber, wenn es auch hier falsches Spiel spielte, wenn es jetzt den fast unvermeidlich gewordenen Bruch auf eine Weise herbeiführte, daß es Aegypten vorerst beschützen, und dann, wenn es durch den Tod Mehemed Ali's in Verwirrung gerathen ist, an sich reißen kann? Der Fall wäre denkbar, und und zudem wäre auch es nicht das Erstenmal, daß sich Frankreich und Rußland ohne Worte verstünden. Dann freilich hätte England Recht, wenn es sich vor Allem einiger wichtiger Punkte versichern wollte, dann aber wäre auch ein Krieg zwischen Frankreich und England entschieden. Halten wir uns vorerst an den Vertrag, der zwischen Rußland, England, Oesterreich und Preu- abgeschlossen worden seyn soll, um Mehemed Ali auf Aegypten und Palästina zu beschränken, um ihm selbst St. Jean d'Acre zu entreißen, so ist so viel gewiß, daß Mehemed Ali nicht gutwillig weichen wird, daß also endlich der Zeitpunkt eingetreten ist, wo mit Gewalt eingeschritten, und somit der Krieg wenigstens in Asien begonnen werden soll. Wie dieser sich enden wird, muß uns eine nicht sehr ferne Zukunft lehren.

(Beschluß folgt.)

[116]

Erklärung.

Die in mehreren Artikeln der Leipziger Allgemeinen Zeitung vom December v. J. enthaltenen Angaben veranlassen mich zu der Erklärung, daß die von mir verfaßte Schrift über die Einsegnung der gemischten Ehen ganz ohne mein Zuthun dem Buchhandel entzogen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0014" n="0118"/>
d'Acre, den Schlüssel des ganzen südlichen Syriens, verlieren. Hieraus ergibt sich auch, warum Rußland sich ohne Verzug England näherte, sobald Frankreich Miene machte, die Forderungen Mehemed Ali's bis zum Besitz von Adana und dem Taurus zu unterstützen.</p><lb/>
        <p>Ob England auf diesen Vertrag eingegangen, steht dahin, denn die Vortheile, welche derselbe Rußland durch die völlige moralische Vernichtung des türkischen Reichs und durch die Einmischung in die Angelegenheiten von Kurdistan gewährt, sind zu groß. Mehemed Ali mußte seinen Einfluß in Kurdistan zu begründen suchen: er hat dieß seit dem Jahr 1832 gethan, und noch jetzt steht ein Corps Kurden augenscheinlich in seinem Interesse gegen die Türken, vielleicht auch gegen die Perser im Felde, welche schon an der Ostgränze von Kurdistan eine Anzahl Dörfer besetzt haben sollen. Kurdistan ist das militärische Pivot, um welches sich die Herrschaft in Kleinasien und in Nordpersien, wie in Mesopotamien und Syrien dreht; wer Kurdistan besitzt, dem fällt Mesopotamien von selbst zu, wie dieß die Geschichte aller Zeiten gezeigt hat. Mehemed Ali muß seinen Einfluß in Kurdistan zum herrschenden machen, sonst ist der Besitz von Syrien gefährdet, die Aussicht auf Mesopotamien vereitelt und die Arbeit seines halben Lebens vernichtet; besitzt er aber Kurdistan, dann erhebt er sich mit einemmal zur Hauptmacht in Vorderasien, und gegen ihn, nicht gegen die halb zu Tode gehezte Türkei müssen dann die Streiche Rußlands gerichtet seyn. Darum will Rußland gegen Mehemed Ali einschreiten. Es bereitet sich offenbar zum Kampfe in Kleinasien und am Araxes gegen Mehemed Ali und die Kurden. Wird England ihm dabei durch den Angriff der syrischen Küsten Vorschub thun? wäre der Besitz von St. Jean d'Acre und selbst von Alexandria ein Aequivalent gegen eine Ausbreitung der russischen Herrschaft in Kurdistan, welcher dann Kleinasien, der nordwestliche Theil von Persien und der Lauf des Euphrat gar nicht mehr streitig zu machen wäre? Frankreich hat den einzigen wahren Weg eingeschlagen, um das türkische Reich zu retten: Mehemed Ali muß in vergrößerter Macht und factischer Unabhängigkeit erhalten werden, und dazu müssen sich Mehemed Ali und die Pforte unter einander selbst ohne Zuziehung der Mächte vertragen. Mehemed Ali erhielte dann Sicherheit, und das türkische Reich eine neue Kraft. Der angebliche Quadrupelvertrag würde es unwiderbringlich vernichten und selbst eine englische Flotte vor den Thoren des Serails und im schwarzen Meere würde es nicht retten.</p><lb/>
        <p>Freilich hat England die dringendsten Gründe Mehemed Ali zu stürzen. Wir wollen in dieser Beziehung, und zum Beweis, wie klar dieß in England erkannt wird, eine Stelle aus dem United Service Journal Nov. 1839 anführen, wo es heißt: &#x201E;Die Bande, welche Aegypten an Großbritannien knüpfen, werden mit jedem Jahr enger, denn es muß bald unsere große Fahrstraße nach Indien werden, und wenn dieß einmal geschehen ist, so läßt sich die Folge leicht voraussagen: ehe nicht Aegypten thatsächlich ein integrirender Theil des brittischen Colonialreichs wird, geht unsere große Straße nach Indien durch die Thore, wo nicht eines Feindes, doch einer nicht sehr freundlich gesinnten Macht, und wir sind den Launen oder der Habsucht eines barbarischen Herrschers ausgesetzt, dessen Wille für uns Gesetz seyn muß. Frankreich betrachtet unser Vorrücken bereits mit eifersüchtigen Augen, und diese Eifersucht wird steigen, je mehr sich das rothe Meer mit unsern Schiffen und Aegypten mit unsern Kaufleuten füllt. Ein Auskunftsmittel würde der freilich minder bequeme Weg über den Euphrat bilden, aber die syrischen Eroberungen des Pascha haben auch diese Straße von seiner Laune abhängig gemacht, so daß seine Feindschaft jetzt oder künftig beide Straßen gefährdet. Es scheint daher für die künftige Sicherheit unseres indischen Reichs absolut nothwendig, daß Aegypten, wenn auch nicht dem Namen, doch der Sache nach eine brittische Colonie werde. Die Furcht hievor ist ohne Zweifel eine mächtige Veranlassung für Frankreich, die ausschweifenden Forderungen Mehemed Ali's zu unterstützen. Ein überwiegender Einfluß Frankreichs in Aegypten ist darum mit dem brittischen Interesse unverträglich, und müßte endlich zum Kriege führen.&#x201C; Die Folgerungen aus diesen Vordersätzen ergeben sich von selbst. Frankreich und England streiten sich um den Einfluß in Aegypten, und England muß den Vicekönig schwächen, ihm wenigstens Syrien nehmen, daß ihm nöthigenfalls der Weg auf dem Euphrat nach Indien bleibe. Hier trifft es also in einem temporären Interesse, der Schwächung Mehemed Ali's, mit Rußland zusammen. Hat diese Stellung der Dinge wirklich einen solchen Quadrupelvertrag zwischen England, Rußland, Rußland, Oestreich und Preußen erzeugt? Das ist die Frage, um die es sich immer noch handelt.</p><lb/>
        <p>Wir haben bisher in der Voraussetzung gesprochen, daß Frankreich es mit Mehemed Ali und dem türkischen Reich redlich meint; wie aber, wenn es auch hier falsches Spiel spielte, wenn es jetzt den fast unvermeidlich gewordenen Bruch auf eine Weise herbeiführte, daß es Aegypten vorerst beschützen, und dann, wenn es durch den Tod Mehemed Ali's in Verwirrung gerathen ist, an sich reißen kann? Der Fall wäre denkbar, und und zudem wäre auch es nicht das Erstenmal, daß sich Frankreich und Rußland ohne Worte verstünden. Dann freilich hätte England Recht, wenn es sich vor Allem einiger wichtiger Punkte versichern wollte, dann aber wäre auch ein Krieg zwischen Frankreich und England entschieden. Halten wir uns vorerst an den Vertrag, der zwischen Rußland, England, Oesterreich und Preu- abgeschlossen worden seyn soll, um Mehemed Ali auf Aegypten und Palästina zu beschränken, um ihm selbst St. Jean d'Acre zu entreißen, so ist so viel gewiß, daß Mehemed Ali nicht gutwillig weichen wird, daß also endlich der Zeitpunkt eingetreten ist, wo mit Gewalt eingeschritten, und somit der Krieg wenigstens in Asien begonnen werden soll. Wie dieser sich enden wird, muß uns eine nicht sehr ferne Zukunft lehren.</p><lb/>
        <p>(Beschluß folgt.)</p><lb/>
        <div xml:id="jAn116" type="jAn" n="2">
          <head>[116]</head><lb/>
          <p>Erklärung.</p><lb/>
          <p>Die in mehreren Artikeln der Leipziger Allgemeinen Zeitung vom December v. J. enthaltenen Angaben veranlassen mich zu der Erklärung, daß die von mir verfaßte Schrift über die Einsegnung der gemischten Ehen ganz ohne mein Zuthun dem Buchhandel entzogen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0118/0014] d'Acre, den Schlüssel des ganzen südlichen Syriens, verlieren. Hieraus ergibt sich auch, warum Rußland sich ohne Verzug England näherte, sobald Frankreich Miene machte, die Forderungen Mehemed Ali's bis zum Besitz von Adana und dem Taurus zu unterstützen. Ob England auf diesen Vertrag eingegangen, steht dahin, denn die Vortheile, welche derselbe Rußland durch die völlige moralische Vernichtung des türkischen Reichs und durch die Einmischung in die Angelegenheiten von Kurdistan gewährt, sind zu groß. Mehemed Ali mußte seinen Einfluß in Kurdistan zu begründen suchen: er hat dieß seit dem Jahr 1832 gethan, und noch jetzt steht ein Corps Kurden augenscheinlich in seinem Interesse gegen die Türken, vielleicht auch gegen die Perser im Felde, welche schon an der Ostgränze von Kurdistan eine Anzahl Dörfer besetzt haben sollen. Kurdistan ist das militärische Pivot, um welches sich die Herrschaft in Kleinasien und in Nordpersien, wie in Mesopotamien und Syrien dreht; wer Kurdistan besitzt, dem fällt Mesopotamien von selbst zu, wie dieß die Geschichte aller Zeiten gezeigt hat. Mehemed Ali muß seinen Einfluß in Kurdistan zum herrschenden machen, sonst ist der Besitz von Syrien gefährdet, die Aussicht auf Mesopotamien vereitelt und die Arbeit seines halben Lebens vernichtet; besitzt er aber Kurdistan, dann erhebt er sich mit einemmal zur Hauptmacht in Vorderasien, und gegen ihn, nicht gegen die halb zu Tode gehezte Türkei müssen dann die Streiche Rußlands gerichtet seyn. Darum will Rußland gegen Mehemed Ali einschreiten. Es bereitet sich offenbar zum Kampfe in Kleinasien und am Araxes gegen Mehemed Ali und die Kurden. Wird England ihm dabei durch den Angriff der syrischen Küsten Vorschub thun? wäre der Besitz von St. Jean d'Acre und selbst von Alexandria ein Aequivalent gegen eine Ausbreitung der russischen Herrschaft in Kurdistan, welcher dann Kleinasien, der nordwestliche Theil von Persien und der Lauf des Euphrat gar nicht mehr streitig zu machen wäre? Frankreich hat den einzigen wahren Weg eingeschlagen, um das türkische Reich zu retten: Mehemed Ali muß in vergrößerter Macht und factischer Unabhängigkeit erhalten werden, und dazu müssen sich Mehemed Ali und die Pforte unter einander selbst ohne Zuziehung der Mächte vertragen. Mehemed Ali erhielte dann Sicherheit, und das türkische Reich eine neue Kraft. Der angebliche Quadrupelvertrag würde es unwiderbringlich vernichten und selbst eine englische Flotte vor den Thoren des Serails und im schwarzen Meere würde es nicht retten. Freilich hat England die dringendsten Gründe Mehemed Ali zu stürzen. Wir wollen in dieser Beziehung, und zum Beweis, wie klar dieß in England erkannt wird, eine Stelle aus dem United Service Journal Nov. 1839 anführen, wo es heißt: „Die Bande, welche Aegypten an Großbritannien knüpfen, werden mit jedem Jahr enger, denn es muß bald unsere große Fahrstraße nach Indien werden, und wenn dieß einmal geschehen ist, so läßt sich die Folge leicht voraussagen: ehe nicht Aegypten thatsächlich ein integrirender Theil des brittischen Colonialreichs wird, geht unsere große Straße nach Indien durch die Thore, wo nicht eines Feindes, doch einer nicht sehr freundlich gesinnten Macht, und wir sind den Launen oder der Habsucht eines barbarischen Herrschers ausgesetzt, dessen Wille für uns Gesetz seyn muß. Frankreich betrachtet unser Vorrücken bereits mit eifersüchtigen Augen, und diese Eifersucht wird steigen, je mehr sich das rothe Meer mit unsern Schiffen und Aegypten mit unsern Kaufleuten füllt. Ein Auskunftsmittel würde der freilich minder bequeme Weg über den Euphrat bilden, aber die syrischen Eroberungen des Pascha haben auch diese Straße von seiner Laune abhängig gemacht, so daß seine Feindschaft jetzt oder künftig beide Straßen gefährdet. Es scheint daher für die künftige Sicherheit unseres indischen Reichs absolut nothwendig, daß Aegypten, wenn auch nicht dem Namen, doch der Sache nach eine brittische Colonie werde. Die Furcht hievor ist ohne Zweifel eine mächtige Veranlassung für Frankreich, die ausschweifenden Forderungen Mehemed Ali's zu unterstützen. Ein überwiegender Einfluß Frankreichs in Aegypten ist darum mit dem brittischen Interesse unverträglich, und müßte endlich zum Kriege führen.“ Die Folgerungen aus diesen Vordersätzen ergeben sich von selbst. Frankreich und England streiten sich um den Einfluß in Aegypten, und England muß den Vicekönig schwächen, ihm wenigstens Syrien nehmen, daß ihm nöthigenfalls der Weg auf dem Euphrat nach Indien bleibe. Hier trifft es also in einem temporären Interesse, der Schwächung Mehemed Ali's, mit Rußland zusammen. Hat diese Stellung der Dinge wirklich einen solchen Quadrupelvertrag zwischen England, Rußland, Rußland, Oestreich und Preußen erzeugt? Das ist die Frage, um die es sich immer noch handelt. Wir haben bisher in der Voraussetzung gesprochen, daß Frankreich es mit Mehemed Ali und dem türkischen Reich redlich meint; wie aber, wenn es auch hier falsches Spiel spielte, wenn es jetzt den fast unvermeidlich gewordenen Bruch auf eine Weise herbeiführte, daß es Aegypten vorerst beschützen, und dann, wenn es durch den Tod Mehemed Ali's in Verwirrung gerathen ist, an sich reißen kann? Der Fall wäre denkbar, und und zudem wäre auch es nicht das Erstenmal, daß sich Frankreich und Rußland ohne Worte verstünden. Dann freilich hätte England Recht, wenn es sich vor Allem einiger wichtiger Punkte versichern wollte, dann aber wäre auch ein Krieg zwischen Frankreich und England entschieden. Halten wir uns vorerst an den Vertrag, der zwischen Rußland, England, Oesterreich und Preu- abgeschlossen worden seyn soll, um Mehemed Ali auf Aegypten und Palästina zu beschränken, um ihm selbst St. Jean d'Acre zu entreißen, so ist so viel gewiß, daß Mehemed Ali nicht gutwillig weichen wird, daß also endlich der Zeitpunkt eingetreten ist, wo mit Gewalt eingeschritten, und somit der Krieg wenigstens in Asien begonnen werden soll. Wie dieser sich enden wird, muß uns eine nicht sehr ferne Zukunft lehren. (Beschluß folgt.) [116] Erklärung. Die in mehreren Artikeln der Leipziger Allgemeinen Zeitung vom December v. J. enthaltenen Angaben veranlassen mich zu der Erklärung, daß die von mir verfaßte Schrift über die Einsegnung der gemischten Ehen ganz ohne mein Zuthun dem Buchhandel entzogen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_015_18400115
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_015_18400115/14
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 15. Augsburg, 15. Januar 1840, S. 0118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_015_18400115/14>, abgerufen am 27.04.2024.