Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 28. Augsburg, 28. Januar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Westindien und die emancipirten Neger.

Die Regierung, die Pflanzer und die Anti-Sklaverei-Gesellschaften haben seit kurzem eine Masse von Documenten über den Zustand von Westindien drucken lassen, aus denen man sieht, daß in der Mitte zahlloser Reibungen und der verschiedensten Umstände in den verschiedenen Inseln, die neuen Verhältnisse sich auf die Art ausbilden, wie an sich zu erwarten war, und ruhiger als man bei einer andern Menschenrace als den geduldigen und leicht zu leitenden Negern hoffen konnte. Das große Zwangsmittel, welches den Pflanzern nach der Emancipation übrig blieb, bestand in dem Besitz der Hütten und Küchengärten der Neger, welche man diesen zur Zeit der Sklaverei angewiesen hatte, um die Kosten ihrer Ernährung zu vermindern, und welche jetzt der Pflanzer natürlich an die Neger vermiethen konnte und wollte. Die Pflanzer verlangten dafür wöchentliche Zinse, welche in einigen Inseln sich auf drei und sogar auf vier Tage des wöchentlichen Arbeitslohnes erhoben, und die außer allem Verhältniß zum Werth der Hütten und des Landes waren. Weigerte sich der Neger, so verfuhr man durch summarisches Herauswerfen, Abheben des Daches, Verwüsten der Gärten, oder durch Citationen vor die (aus Pflanzern zusammengesetzte) Jury, welche Geld- und Gefängnißstrafen zuerkannte. Verließ der Neger die Pflanzung, so verweigerten ihm, nach einer unter sich gemachten Verabredung, die benachbarten Pflanzer Wohnung und Arbeit. Ich will ein Beispiel geben. Einige Neger auf der Pflanzung la Penitence in Demarara widersetzten sich der offenbaren Uebertreibung der Haus- und Gartenzinse, die man von ihnen verlangte, und wurden herausgeworfen; sie suchten und erhielten Arbeit auf der Pflanzung Ruimveld, allein am vierten Tage gab ihnen der Curator der Pflanzung ihren Abschied, weil dieß ein schlechter Vorgang sey, und verderbliche Folgen für die Pflanzer habe. Dieß geschah nicht allgemein, aber in zahlreichen Fällen. Es ist daher kein Wunder, daß die Neger in allen Inseln von Westindien vor Allem suchen Land zu kaufen, um Haus und Garten selbst zu besitzen, und dazu waren ihnen hauptsächlich die Missionen der Secte der Baptisten behülflich. Die engliche Kirche hat die Neger lange vernachlässigt, und war mit einzelnen ehrenvollen Ausnahmen zu vornehm für sie, dagegen haben die methodistischen Prediger in den Städten und die baptistischen auf dem Lande sich immer mehr, mit der schwarzen Bevölkerung beschäftigt, und namentlich der Einfluß der letztern ist fast ohne Ausnahme sehr günstig gewesen. Sie haben zur Sklavenzeit immer gegen die Verbote der Pflanzer, den Sklaven Unterricht zu geben, gekämpft, sie öffentlich und im geheimen und in Mitte großer Verfolgungen belehrt, und haben dadurch einen fast unbeschränkten Einfluß über sie erhalten. Als die Sklaverei abgeschafft wurde, waren es vor Allem die Baptisten, welche den Frieden zwischen den Weißen und Schwarzen erhielten, indem sie diesen einerseits die Nothwendigkeit der Arbeit predigten, und ihnen andrerseits ihre neuen Rechte erklärten. Viele Pflanzer, welche ihren Einfluß über die Neger kannten, haben sich an sie gewendet, um die Bedingungen, unter denen diese fortfahren sollten auf den Pflanzungen zu arbeiten, zu vermitteln, und es ist ihnen in vielen Orten geglückt. Die Pflanzer haben sie freilich des unberufenen Einmischens in ihre Angelegenheiten angeklagt, namentlich in Jamaica; allein der letzte Gouverneur der Insel, Sir Lionel Smith, der vor einigen Wochen hierher zurückkam, hat sie in einem Brief an Lord John Russell völlig gerechtfertigt. Er sagt: "Die baptistischen Missionäre haben sich nur ungern und, so viel ich weiß, nur wenn sie dazu aufgefordert wurden, in die Frage über Arbeitslohn gemischt. Daß sie oft von den Pflanzern darum gebeten worden, kann nicht geläugnet werden, da sie die Briefe besitzen, und daß durch ihre Vermittlung die Streitigkeiten der Parteien geschlichtet und Uebereinkünfte für die Zukunft getroffen worden sind, kann gleichfalls nicht geläugnet werden." Wo der Bruch zwischen den Negern und Weißen unheilbar war, haben sie den erstern dazu verholfen, auf eigenem Grund und Boden Dörfer zu bauen, und die Pflanzer, welche wohl fühlen, daß ihnen dadurch die letzten Reste ihrer ehemaligen Herrschaft entgehen, und sie von dem Augenblick an, wo der Neger seine eigene Wohnung besitzt, mit ihm, als mit einem völlig freien Mann, unterhandeln müssen, wenn sie seiner Dienste bedürfen, lehnen sich in allen Inseln mit der äußersten Wuth gegen die Einrichtung dieser Dörfer auf, und sie machen in Petitionen das abschreckendste Bild von dem Elend, der Trägheit, der Unreinlichkeit und den Diebsgewohnheiten der Einwohner. Aus Gelegenheit einer dieser Petitionen antwortete der Gouverneur von Antigua in einem Schreiben an den Colonialminister vom 21 Mai letzten Jahres: "Was die unabhängigen Dörfer betrifft, welche sich gebildet haben, so habe ich sie mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet, und kann nach eigener Erfahrung und nach den Zeugnissen des Clerus und der Magistrate bezeugen, daß ihre Bewohner sich durch ihre moralischen und arbeitsamen Gewohnheiten auszeichnen, und ein kürzlich gelieferter Bericht des Chefs der Polizei beweist, daß keine Klage gegen sie eingekommen ist. Es ist vollkommen bekannt, daß sie auf den Pflanzungen arbeiten, und daß ihre Wohnungen die Aufmerksamkeit der Fremden durch ihre Reinlichkeit und die fleißige Bearbeitung ihrer Ländereien anziehen, was der Sicherheit zuzuschreiben ist, welche aus dem freien Besitz entspringt. Sie haben Gesellschaften gebildet, welche ihren Mitgliedern in Krankheitsfällen medicinische Hülfe sichern, und die Polizei hat von keinem Fall gehört, daß sie, wie die Pflanzer versichern, oft ohne ärztliche Hülfe sterben." Daß die Disciplin, welche der Sectengeist mit sich bringt, halbcivilisirten Menschen, wie die Neger, mannichfache Vortheile geben müsse, ist an sich klar; ihre Arbeiten werden mit mehr Einheit betrieben, und die Congregationen halten ihre Mitglieder durch die Bildung einer Art von öffentlicher Meinung in Ordnung. Der Magistrat von Tortola schreibt: "Die Neger zeigen überall die entschiedenste Neigung für Ankauf von Land, da die Furcht aus ihren Gärten geworfen zu werden, sie abhält, den ihnen von den Pflanzern vermietheten Grund und Boden zu bebauen, wie sie könnten." Die Folge dieser Verhältnisse ist, daß die Pflanzer in Einführung neuer Arbeiter einen Ausweg suchen, um durch die Concurrenz derselben den Preis der Arbeit zu reduciren. Daher hat man indische Culis, Malteser, Portugiesen und Deutsche in Guiana eingeführt, daher hat die legislative Kammer in Demerara die Erlaubniß verlangt, Agenten zur Beförderung derselben in Afrika und im Orient aufzustellen; daher unterhandeln die Pflanzer in Jamaica gegenwärtig mit den freien Negern und Mulatten in Nordamerika; daher bietet Trinidad allen Negern, welche aus den andern Inseln einwandern, große Prämien u. s. w. Dieß sind lauter Zeichen, daß es den Negern täglich mehr gelingt, sich der unbedingten Herrschaft der Länderbesitzer zu entziehen; da aber alle diese Plane bis jetzt nur ein unbedeutendes Resultat geliefert haben, so

Westindien und die emancipirten Neger.

Die Regierung, die Pflanzer und die Anti-Sklaverei-Gesellschaften haben seit kurzem eine Masse von Documenten über den Zustand von Westindien drucken lassen, aus denen man sieht, daß in der Mitte zahlloser Reibungen und der verschiedensten Umstände in den verschiedenen Inseln, die neuen Verhältnisse sich auf die Art ausbilden, wie an sich zu erwarten war, und ruhiger als man bei einer andern Menschenrace als den geduldigen und leicht zu leitenden Negern hoffen konnte. Das große Zwangsmittel, welches den Pflanzern nach der Emancipation übrig blieb, bestand in dem Besitz der Hütten und Küchengärten der Neger, welche man diesen zur Zeit der Sklaverei angewiesen hatte, um die Kosten ihrer Ernährung zu vermindern, und welche jetzt der Pflanzer natürlich an die Neger vermiethen konnte und wollte. Die Pflanzer verlangten dafür wöchentliche Zinse, welche in einigen Inseln sich auf drei und sogar auf vier Tage des wöchentlichen Arbeitslohnes erhoben, und die außer allem Verhältniß zum Werth der Hütten und des Landes waren. Weigerte sich der Neger, so verfuhr man durch summarisches Herauswerfen, Abheben des Daches, Verwüsten der Gärten, oder durch Citationen vor die (aus Pflanzern zusammengesetzte) Jury, welche Geld- und Gefängnißstrafen zuerkannte. Verließ der Neger die Pflanzung, so verweigerten ihm, nach einer unter sich gemachten Verabredung, die benachbarten Pflanzer Wohnung und Arbeit. Ich will ein Beispiel geben. Einige Neger auf der Pflanzung la Penitence in Demarara widersetzten sich der offenbaren Uebertreibung der Haus- und Gartenzinse, die man von ihnen verlangte, und wurden herausgeworfen; sie suchten und erhielten Arbeit auf der Pflanzung Ruimveld, allein am vierten Tage gab ihnen der Curator der Pflanzung ihren Abschied, weil dieß ein schlechter Vorgang sey, und verderbliche Folgen für die Pflanzer habe. Dieß geschah nicht allgemein, aber in zahlreichen Fällen. Es ist daher kein Wunder, daß die Neger in allen Inseln von Westindien vor Allem suchen Land zu kaufen, um Haus und Garten selbst zu besitzen, und dazu waren ihnen hauptsächlich die Missionen der Secte der Baptisten behülflich. Die engliche Kirche hat die Neger lange vernachlässigt, und war mit einzelnen ehrenvollen Ausnahmen zu vornehm für sie, dagegen haben die methodistischen Prediger in den Städten und die baptistischen auf dem Lande sich immer mehr, mit der schwarzen Bevölkerung beschäftigt, und namentlich der Einfluß der letztern ist fast ohne Ausnahme sehr günstig gewesen. Sie haben zur Sklavenzeit immer gegen die Verbote der Pflanzer, den Sklaven Unterricht zu geben, gekämpft, sie öffentlich und im geheimen und in Mitte großer Verfolgungen belehrt, und haben dadurch einen fast unbeschränkten Einfluß über sie erhalten. Als die Sklaverei abgeschafft wurde, waren es vor Allem die Baptisten, welche den Frieden zwischen den Weißen und Schwarzen erhielten, indem sie diesen einerseits die Nothwendigkeit der Arbeit predigten, und ihnen andrerseits ihre neuen Rechte erklärten. Viele Pflanzer, welche ihren Einfluß über die Neger kannten, haben sich an sie gewendet, um die Bedingungen, unter denen diese fortfahren sollten auf den Pflanzungen zu arbeiten, zu vermitteln, und es ist ihnen in vielen Orten geglückt. Die Pflanzer haben sie freilich des unberufenen Einmischens in ihre Angelegenheiten angeklagt, namentlich in Jamaica; allein der letzte Gouverneur der Insel, Sir Lionel Smith, der vor einigen Wochen hierher zurückkam, hat sie in einem Brief an Lord John Russell völlig gerechtfertigt. Er sagt: „Die baptistischen Missionäre haben sich nur ungern und, so viel ich weiß, nur wenn sie dazu aufgefordert wurden, in die Frage über Arbeitslohn gemischt. Daß sie oft von den Pflanzern darum gebeten worden, kann nicht geläugnet werden, da sie die Briefe besitzen, und daß durch ihre Vermittlung die Streitigkeiten der Parteien geschlichtet und Uebereinkünfte für die Zukunft getroffen worden sind, kann gleichfalls nicht geläugnet werden.“ Wo der Bruch zwischen den Negern und Weißen unheilbar war, haben sie den erstern dazu verholfen, auf eigenem Grund und Boden Dörfer zu bauen, und die Pflanzer, welche wohl fühlen, daß ihnen dadurch die letzten Reste ihrer ehemaligen Herrschaft entgehen, und sie von dem Augenblick an, wo der Neger seine eigene Wohnung besitzt, mit ihm, als mit einem völlig freien Mann, unterhandeln müssen, wenn sie seiner Dienste bedürfen, lehnen sich in allen Inseln mit der äußersten Wuth gegen die Einrichtung dieser Dörfer auf, und sie machen in Petitionen das abschreckendste Bild von dem Elend, der Trägheit, der Unreinlichkeit und den Diebsgewohnheiten der Einwohner. Aus Gelegenheit einer dieser Petitionen antwortete der Gouverneur von Antigua in einem Schreiben an den Colonialminister vom 21 Mai letzten Jahres: „Was die unabhängigen Dörfer betrifft, welche sich gebildet haben, so habe ich sie mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet, und kann nach eigener Erfahrung und nach den Zeugnissen des Clerus und der Magistrate bezeugen, daß ihre Bewohner sich durch ihre moralischen und arbeitsamen Gewohnheiten auszeichnen, und ein kürzlich gelieferter Bericht des Chefs der Polizei beweist, daß keine Klage gegen sie eingekommen ist. Es ist vollkommen bekannt, daß sie auf den Pflanzungen arbeiten, und daß ihre Wohnungen die Aufmerksamkeit der Fremden durch ihre Reinlichkeit und die fleißige Bearbeitung ihrer Ländereien anziehen, was der Sicherheit zuzuschreiben ist, welche aus dem freien Besitz entspringt. Sie haben Gesellschaften gebildet, welche ihren Mitgliedern in Krankheitsfällen medicinische Hülfe sichern, und die Polizei hat von keinem Fall gehört, daß sie, wie die Pflanzer versichern, oft ohne ärztliche Hülfe sterben.“ Daß die Disciplin, welche der Sectengeist mit sich bringt, halbcivilisirten Menschen, wie die Neger, mannichfache Vortheile geben müsse, ist an sich klar; ihre Arbeiten werden mit mehr Einheit betrieben, und die Congregationen halten ihre Mitglieder durch die Bildung einer Art von öffentlicher Meinung in Ordnung. Der Magistrat von Tortola schreibt: „Die Neger zeigen überall die entschiedenste Neigung für Ankauf von Land, da die Furcht aus ihren Gärten geworfen zu werden, sie abhält, den ihnen von den Pflanzern vermietheten Grund und Boden zu bebauen, wie sie könnten.“ Die Folge dieser Verhältnisse ist, daß die Pflanzer in Einführung neuer Arbeiter einen Ausweg suchen, um durch die Concurrenz derselben den Preis der Arbeit zu reduciren. Daher hat man indische Culis, Malteser, Portugiesen und Deutsche in Guiana eingeführt, daher hat die legislative Kammer in Demerara die Erlaubniß verlangt, Agenten zur Beförderung derselben in Afrika und im Orient aufzustellen; daher unterhandeln die Pflanzer in Jamaica gegenwärtig mit den freien Negern und Mulatten in Nordamerika; daher bietet Trinidad allen Negern, welche aus den andern Inseln einwandern, große Prämien u. s. w. Dieß sind lauter Zeichen, daß es den Negern täglich mehr gelingt, sich der unbedingten Herrschaft der Länderbesitzer zu entziehen; da aber alle diese Plane bis jetzt nur ein unbedeutendes Resultat geliefert haben, so

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0009" n="0217"/>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Westindien und die emancipirten Neger</hi>.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 15 Jan.</dateline>
          <p> Die Regierung, die Pflanzer und die Anti-Sklaverei-Gesellschaften haben seit kurzem eine Masse von Documenten über den Zustand von Westindien drucken lassen, aus denen man sieht, daß in der Mitte zahlloser Reibungen und der verschiedensten Umstände in den verschiedenen Inseln, die neuen Verhältnisse sich auf die Art ausbilden, wie an sich zu erwarten war, und ruhiger als man bei einer andern Menschenrace als den geduldigen und leicht zu leitenden Negern hoffen konnte. Das große Zwangsmittel, welches den Pflanzern nach der Emancipation übrig blieb, bestand in dem Besitz der Hütten und Küchengärten der Neger, welche man diesen zur Zeit der Sklaverei angewiesen hatte, um die Kosten ihrer Ernährung zu vermindern, und welche jetzt der Pflanzer natürlich an die Neger vermiethen konnte und wollte. Die Pflanzer verlangten dafür wöchentliche Zinse, welche in einigen Inseln sich auf drei und sogar auf vier Tage des wöchentlichen Arbeitslohnes erhoben, und die außer allem Verhältniß zum Werth der Hütten und des Landes waren. Weigerte sich der Neger, so verfuhr man durch summarisches Herauswerfen, Abheben des Daches, Verwüsten der Gärten, oder durch Citationen vor die (aus Pflanzern zusammengesetzte) Jury, welche Geld- und Gefängnißstrafen zuerkannte. Verließ der Neger die Pflanzung, so verweigerten ihm, nach einer unter sich gemachten Verabredung, die benachbarten Pflanzer Wohnung und Arbeit. Ich will ein Beispiel geben. Einige Neger auf der Pflanzung la Penitence in Demarara widersetzten sich der offenbaren Uebertreibung der Haus- und Gartenzinse, die man von ihnen verlangte, und wurden herausgeworfen; sie suchten und erhielten Arbeit auf der Pflanzung Ruimveld, allein am vierten Tage gab ihnen der Curator der Pflanzung ihren Abschied, weil dieß ein schlechter Vorgang sey, und verderbliche Folgen für die Pflanzer habe. Dieß geschah nicht allgemein, aber in zahlreichen Fällen. Es ist daher kein Wunder, daß die Neger in allen Inseln von Westindien vor Allem suchen Land zu kaufen, um Haus und Garten selbst zu besitzen, und dazu waren ihnen hauptsächlich die Missionen der Secte der Baptisten behülflich. Die engliche Kirche hat die Neger lange vernachlässigt, und war mit einzelnen ehrenvollen Ausnahmen zu vornehm für sie, dagegen haben die methodistischen Prediger in den Städten und die baptistischen auf dem Lande sich immer mehr, mit der schwarzen Bevölkerung beschäftigt, und namentlich der Einfluß der letztern ist fast ohne Ausnahme sehr günstig gewesen. Sie haben zur Sklavenzeit immer gegen die Verbote der Pflanzer, den Sklaven Unterricht zu geben, gekämpft, sie öffentlich und im geheimen und in Mitte großer Verfolgungen belehrt, und haben dadurch einen fast unbeschränkten Einfluß über sie erhalten. Als die Sklaverei abgeschafft wurde, waren es vor Allem die Baptisten, welche den Frieden zwischen den Weißen und Schwarzen erhielten, indem sie diesen einerseits die Nothwendigkeit der Arbeit predigten, und ihnen andrerseits ihre neuen Rechte erklärten. Viele Pflanzer, welche ihren Einfluß über die Neger kannten, haben sich an sie gewendet, um die Bedingungen, unter denen diese fortfahren sollten auf den Pflanzungen zu arbeiten, zu vermitteln, und es ist ihnen in vielen Orten geglückt. Die Pflanzer haben sie freilich des unberufenen Einmischens in ihre Angelegenheiten angeklagt, namentlich in Jamaica; allein der letzte Gouverneur der Insel, Sir Lionel Smith, der vor einigen Wochen hierher zurückkam, hat sie in einem Brief an Lord John Russell völlig gerechtfertigt. Er sagt: &#x201E;Die baptistischen Missionäre haben sich nur ungern und, so viel ich weiß, nur wenn sie dazu aufgefordert wurden, in die Frage über Arbeitslohn gemischt. Daß sie oft von den Pflanzern darum gebeten worden, kann nicht geläugnet werden, da sie die Briefe besitzen, und daß durch ihre Vermittlung die Streitigkeiten der Parteien geschlichtet und Uebereinkünfte für die Zukunft getroffen worden sind, kann gleichfalls nicht geläugnet werden.&#x201C; Wo der Bruch zwischen den Negern und Weißen unheilbar war, haben sie den erstern dazu verholfen, auf eigenem Grund und Boden Dörfer zu bauen, und die Pflanzer, welche wohl fühlen, daß ihnen dadurch die letzten Reste ihrer ehemaligen Herrschaft entgehen, und sie von dem Augenblick an, wo der Neger seine eigene Wohnung besitzt, mit ihm, als mit einem völlig freien Mann, unterhandeln müssen, wenn sie seiner Dienste bedürfen, lehnen sich in allen Inseln mit der äußersten Wuth gegen die Einrichtung dieser Dörfer auf, und sie machen in Petitionen das abschreckendste Bild von dem Elend, der Trägheit, der Unreinlichkeit und den Diebsgewohnheiten der Einwohner. Aus Gelegenheit einer dieser Petitionen antwortete der Gouverneur von Antigua in einem Schreiben an den Colonialminister vom 21 Mai letzten Jahres: &#x201E;Was die unabhängigen Dörfer betrifft, welche sich gebildet haben, so habe ich sie mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet, und kann nach eigener Erfahrung und nach den Zeugnissen des Clerus und der Magistrate bezeugen, daß ihre Bewohner sich durch ihre moralischen und arbeitsamen Gewohnheiten auszeichnen, und ein kürzlich gelieferter Bericht des Chefs der Polizei beweist, daß keine Klage gegen sie eingekommen ist. Es ist vollkommen bekannt, daß sie auf den Pflanzungen arbeiten, und daß ihre Wohnungen die Aufmerksamkeit der Fremden durch ihre Reinlichkeit und die fleißige Bearbeitung ihrer Ländereien anziehen, was der Sicherheit zuzuschreiben ist, welche aus dem freien Besitz entspringt. Sie haben Gesellschaften gebildet, welche ihren Mitgliedern in Krankheitsfällen medicinische Hülfe sichern, und die Polizei hat von keinem Fall gehört, daß sie, wie die Pflanzer versichern, oft ohne ärztliche Hülfe sterben.&#x201C; Daß die Disciplin, welche der Sectengeist mit sich bringt, halbcivilisirten Menschen, wie die Neger, mannichfache Vortheile geben müsse, ist an sich klar; ihre Arbeiten werden mit mehr Einheit betrieben, und die Congregationen halten ihre Mitglieder durch die Bildung einer Art von öffentlicher Meinung in Ordnung. Der Magistrat von Tortola schreibt: &#x201E;Die Neger zeigen überall die entschiedenste Neigung für Ankauf von Land, da die Furcht aus ihren Gärten geworfen zu werden, sie abhält, den ihnen von den Pflanzern vermietheten Grund und Boden zu bebauen, wie sie könnten.&#x201C; Die Folge dieser Verhältnisse ist, daß die Pflanzer in Einführung neuer Arbeiter einen Ausweg suchen, um durch die Concurrenz derselben den Preis der Arbeit zu reduciren. Daher hat man indische Culis, Malteser, Portugiesen und Deutsche in Guiana eingeführt, daher hat die legislative Kammer in Demerara die Erlaubniß verlangt, Agenten zur Beförderung derselben in Afrika und im Orient aufzustellen; daher unterhandeln die Pflanzer in Jamaica gegenwärtig mit den freien Negern und Mulatten in Nordamerika; daher bietet Trinidad allen Negern, welche aus den andern Inseln einwandern, große Prämien u. s. w. Dieß sind lauter Zeichen, daß es den Negern täglich mehr gelingt, sich der unbedingten Herrschaft der Länderbesitzer zu entziehen; da aber alle diese Plane bis jetzt nur ein unbedeutendes Resultat geliefert haben, so<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0217/0009] Westindien und die emancipirten Neger. _ London, 15 Jan. Die Regierung, die Pflanzer und die Anti-Sklaverei-Gesellschaften haben seit kurzem eine Masse von Documenten über den Zustand von Westindien drucken lassen, aus denen man sieht, daß in der Mitte zahlloser Reibungen und der verschiedensten Umstände in den verschiedenen Inseln, die neuen Verhältnisse sich auf die Art ausbilden, wie an sich zu erwarten war, und ruhiger als man bei einer andern Menschenrace als den geduldigen und leicht zu leitenden Negern hoffen konnte. Das große Zwangsmittel, welches den Pflanzern nach der Emancipation übrig blieb, bestand in dem Besitz der Hütten und Küchengärten der Neger, welche man diesen zur Zeit der Sklaverei angewiesen hatte, um die Kosten ihrer Ernährung zu vermindern, und welche jetzt der Pflanzer natürlich an die Neger vermiethen konnte und wollte. Die Pflanzer verlangten dafür wöchentliche Zinse, welche in einigen Inseln sich auf drei und sogar auf vier Tage des wöchentlichen Arbeitslohnes erhoben, und die außer allem Verhältniß zum Werth der Hütten und des Landes waren. Weigerte sich der Neger, so verfuhr man durch summarisches Herauswerfen, Abheben des Daches, Verwüsten der Gärten, oder durch Citationen vor die (aus Pflanzern zusammengesetzte) Jury, welche Geld- und Gefängnißstrafen zuerkannte. Verließ der Neger die Pflanzung, so verweigerten ihm, nach einer unter sich gemachten Verabredung, die benachbarten Pflanzer Wohnung und Arbeit. Ich will ein Beispiel geben. Einige Neger auf der Pflanzung la Penitence in Demarara widersetzten sich der offenbaren Uebertreibung der Haus- und Gartenzinse, die man von ihnen verlangte, und wurden herausgeworfen; sie suchten und erhielten Arbeit auf der Pflanzung Ruimveld, allein am vierten Tage gab ihnen der Curator der Pflanzung ihren Abschied, weil dieß ein schlechter Vorgang sey, und verderbliche Folgen für die Pflanzer habe. Dieß geschah nicht allgemein, aber in zahlreichen Fällen. Es ist daher kein Wunder, daß die Neger in allen Inseln von Westindien vor Allem suchen Land zu kaufen, um Haus und Garten selbst zu besitzen, und dazu waren ihnen hauptsächlich die Missionen der Secte der Baptisten behülflich. Die engliche Kirche hat die Neger lange vernachlässigt, und war mit einzelnen ehrenvollen Ausnahmen zu vornehm für sie, dagegen haben die methodistischen Prediger in den Städten und die baptistischen auf dem Lande sich immer mehr, mit der schwarzen Bevölkerung beschäftigt, und namentlich der Einfluß der letztern ist fast ohne Ausnahme sehr günstig gewesen. Sie haben zur Sklavenzeit immer gegen die Verbote der Pflanzer, den Sklaven Unterricht zu geben, gekämpft, sie öffentlich und im geheimen und in Mitte großer Verfolgungen belehrt, und haben dadurch einen fast unbeschränkten Einfluß über sie erhalten. Als die Sklaverei abgeschafft wurde, waren es vor Allem die Baptisten, welche den Frieden zwischen den Weißen und Schwarzen erhielten, indem sie diesen einerseits die Nothwendigkeit der Arbeit predigten, und ihnen andrerseits ihre neuen Rechte erklärten. Viele Pflanzer, welche ihren Einfluß über die Neger kannten, haben sich an sie gewendet, um die Bedingungen, unter denen diese fortfahren sollten auf den Pflanzungen zu arbeiten, zu vermitteln, und es ist ihnen in vielen Orten geglückt. Die Pflanzer haben sie freilich des unberufenen Einmischens in ihre Angelegenheiten angeklagt, namentlich in Jamaica; allein der letzte Gouverneur der Insel, Sir Lionel Smith, der vor einigen Wochen hierher zurückkam, hat sie in einem Brief an Lord John Russell völlig gerechtfertigt. Er sagt: „Die baptistischen Missionäre haben sich nur ungern und, so viel ich weiß, nur wenn sie dazu aufgefordert wurden, in die Frage über Arbeitslohn gemischt. Daß sie oft von den Pflanzern darum gebeten worden, kann nicht geläugnet werden, da sie die Briefe besitzen, und daß durch ihre Vermittlung die Streitigkeiten der Parteien geschlichtet und Uebereinkünfte für die Zukunft getroffen worden sind, kann gleichfalls nicht geläugnet werden.“ Wo der Bruch zwischen den Negern und Weißen unheilbar war, haben sie den erstern dazu verholfen, auf eigenem Grund und Boden Dörfer zu bauen, und die Pflanzer, welche wohl fühlen, daß ihnen dadurch die letzten Reste ihrer ehemaligen Herrschaft entgehen, und sie von dem Augenblick an, wo der Neger seine eigene Wohnung besitzt, mit ihm, als mit einem völlig freien Mann, unterhandeln müssen, wenn sie seiner Dienste bedürfen, lehnen sich in allen Inseln mit der äußersten Wuth gegen die Einrichtung dieser Dörfer auf, und sie machen in Petitionen das abschreckendste Bild von dem Elend, der Trägheit, der Unreinlichkeit und den Diebsgewohnheiten der Einwohner. Aus Gelegenheit einer dieser Petitionen antwortete der Gouverneur von Antigua in einem Schreiben an den Colonialminister vom 21 Mai letzten Jahres: „Was die unabhängigen Dörfer betrifft, welche sich gebildet haben, so habe ich sie mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet, und kann nach eigener Erfahrung und nach den Zeugnissen des Clerus und der Magistrate bezeugen, daß ihre Bewohner sich durch ihre moralischen und arbeitsamen Gewohnheiten auszeichnen, und ein kürzlich gelieferter Bericht des Chefs der Polizei beweist, daß keine Klage gegen sie eingekommen ist. Es ist vollkommen bekannt, daß sie auf den Pflanzungen arbeiten, und daß ihre Wohnungen die Aufmerksamkeit der Fremden durch ihre Reinlichkeit und die fleißige Bearbeitung ihrer Ländereien anziehen, was der Sicherheit zuzuschreiben ist, welche aus dem freien Besitz entspringt. Sie haben Gesellschaften gebildet, welche ihren Mitgliedern in Krankheitsfällen medicinische Hülfe sichern, und die Polizei hat von keinem Fall gehört, daß sie, wie die Pflanzer versichern, oft ohne ärztliche Hülfe sterben.“ Daß die Disciplin, welche der Sectengeist mit sich bringt, halbcivilisirten Menschen, wie die Neger, mannichfache Vortheile geben müsse, ist an sich klar; ihre Arbeiten werden mit mehr Einheit betrieben, und die Congregationen halten ihre Mitglieder durch die Bildung einer Art von öffentlicher Meinung in Ordnung. Der Magistrat von Tortola schreibt: „Die Neger zeigen überall die entschiedenste Neigung für Ankauf von Land, da die Furcht aus ihren Gärten geworfen zu werden, sie abhält, den ihnen von den Pflanzern vermietheten Grund und Boden zu bebauen, wie sie könnten.“ Die Folge dieser Verhältnisse ist, daß die Pflanzer in Einführung neuer Arbeiter einen Ausweg suchen, um durch die Concurrenz derselben den Preis der Arbeit zu reduciren. Daher hat man indische Culis, Malteser, Portugiesen und Deutsche in Guiana eingeführt, daher hat die legislative Kammer in Demerara die Erlaubniß verlangt, Agenten zur Beförderung derselben in Afrika und im Orient aufzustellen; daher unterhandeln die Pflanzer in Jamaica gegenwärtig mit den freien Negern und Mulatten in Nordamerika; daher bietet Trinidad allen Negern, welche aus den andern Inseln einwandern, große Prämien u. s. w. Dieß sind lauter Zeichen, daß es den Negern täglich mehr gelingt, sich der unbedingten Herrschaft der Länderbesitzer zu entziehen; da aber alle diese Plane bis jetzt nur ein unbedeutendes Resultat geliefert haben, so

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_028_18400128
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_028_18400128/9
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 28. Augsburg, 28. Januar 1840, S. 0217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_028_18400128/9>, abgerufen am 29.04.2024.