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Allgemeine Zeitung. Nr. 31. Augsburg, 1. Februar 1840.

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welches allein das Museum von Versailles gekostet, hätte man den Herzog von Nemours zur Genüge ausstatten können. Andere sagen, die Civilliste besitze Schätze. Von zwölf Millionen lege sie jährlich wenigstens sechs bei Seite. Man wird demnach die Ausgabenlisten der Krone verlangen, und irgend ein in dergleichen Dingen erfahrener Deputirter wird es übernehmen, sie zu untersuchen und der Kammer dann zu berichten, was der Unterhalt des Königthums kostet. Wir gestehen, in letzter Zeit glaubten wir, daß die Opposition, indem sie der Krone ihre constitutionellen Prärogative bestritt, wenigstens aufgehört habe, gegen die Krone einen Comptoirkrieg zu führen. Wir dachten, daß Leute, die sich monarchisch nennen, doch endlich eingesehen, wie unsinnig es sey, die Krone als eine Last darzustellen, welche unnützerweise auf das Land drücke, und daß man über eine Institution, welche die Grundlage und Garantie aller übrigen ist, nicht mehr eine Berechnung des Gewinns und Verlustes halte, die besser vor ein Handelstribunal, als vor die Deputirtenkammer gehört. Wir hofften, eine zehnjährige Erfahrung hätte die Opposition gelehrt, daß all' ihre Declamationen über das Elend des Volks und den Luxus der Höfe nur dazu dienen, den Fanatismus anzufachen, die Anarchie zu entfesseln. Die Opposition erklärt die constitutionelle Monarchie für den einzigen Rettungshafen Frankreichs und doch glaubt sie, ihr Patriotismus erfordere, gegen die Prinzen zu declamiren. In England hat der Vertreter Irlands O'Connell öffentlich erklärt, er stimme ohne Zaudern für eine freigebige Dotation für den Gemahl der Königin. Wird man bei uns noch lange die alten jacobinischen Vorurtheile mit dem Geiste der Freiheit verwechseln?"

* Die Deputirtenkammer versammelte sich am 27 Jan. Mittags. Da die Gesetzesentwürfe über die Prolongation der Bankprivilegien, über die Dotation des Herzogs von Nemours und über die Zucker noch nicht an die Deputirten vertheilt waren, so begannen die Bureaux die Prüfung des Budgets von 1841. Mehrere haben schon drei oder vier Ministerien durchgegangen. Diese Operation, die sonst 20 bis 25 Tage gedauert hatte, dürfte in diesem Jahre nicht über drei in Anspruch nehmen. Alle Minister waren anwesend. Das erste Bureau, das einzige, welches den Gesetzesentwurf über die Zuschußcredite für Algerien noch nicht geprüft hatte, behandelte diesen Gegenstand sehr lebhaft. Hr. Duvergier de Hauranne bestritt besonders eifrig die Vortheile, welche Frankreich aus Algerien ziehen könne. Er behauptete, daß man in zwei Jahren 100,000 Mann und 100 Millionen verlangen würde. Und doch könne man im Fall des Ausbruchs eines Kriegs in Europa nicht 80,000 Mann in Afrika lassen. Wolle man alsdann Algerien verwüsten, so sehe er nicht ein, warum man es nicht lieber jetzt thue. Hr. v. Lamartine sprach sich für beschränkte Besetzung, Hr. Lanyer im Sinne der Regierung aus; er besteht auf der Nothwendigkeit eines umfassenden Besetzungssystems. Hr. v. Lamartine ward mit 19 Stimmen gegen die HH. Duvergier de Hauranne und Quesnault zum Mitglied der Commission ernannt.

Das Schreiben des brittischen Marineofficiers Driver in der Times brachte die französischen Blätter, namentlich den National, in Hitze. Dieser versichert, es seyen ihm von allen Seiten Briefe von Handwerkern, Nationalgardisten, pensionirten und dienstthuenden Land- und Seeofficieren zugekommen, die alle ihren Ingrimm über Driver's grobe Injurien aussprächen. Indessen tröstet der National seine Mitbürger: sie möchten auf den revolutionären Geist vertrauen, welcher, früher vielleicht, als man es denke, den Rest der Vorurtheile gegen Frankreich im englischen Volk ersticken und die Unverschämtheit einer hochmüthigen Aristokratie strafen würde.

Am 26 Jan. begab sich Hr. Adam, Polizeicommissär, in die Wohnung des Hrn. Altaroche, Hauptredacteur des Charivari, mit einem Mandate des Hrn. Zangiacomi zur Durchsuchung aller auf das Complot Crouy Chanel bezüglichen Papiere. Das Charivari sagt, man brauche kaum zu bemerken, daß diese Durchsuchung, wie alle andern, kein Resultat geliefert habe. Uebrigens habe Hr. Adam sein Mandat mit vieler Höflichkeit und Lebensart vollzogen.

Fast alle Pariser Journale erklären sich gegen den Zuckergesetzentwurf. Auch das Journal des Debats sagt, der Entwurf habe bei den Deputirten keine günstige Aufnahme gefunden. Die 40 Millionen Entschädigung für die Rübenzuckerfabricanten geben den Blättern besonders Anlaß zum Tadel; in die übrigen Bestimmungen des Entwurfs geht bis jetzt noch kein Journal ausführlich ein. (Wir verweisen auf unsere heutigen Börsennachrichten.)

Der Straßburger Courier des Ober- und Niederrheins, ein sonst französisch-liberal gesinntes Blatt, äußert bei der Uebersicht der Rheinschifffahrt während des Jahrs 1838: "Man ersieht aus dieser Uebersicht einen traurigen Unterschied zwischen der Handelsbewegung von Straßburg und der der übrigen Rheinuferstädte. Straßburg erhielt 1838 nur 70,000 Centner Waaren zu Schiff, während Mannheim, Mainz, Coblenz und Düsseldorf über eine Million, Köln nahe an drei Millionen Centner Waaren erhielten. Aber die deutschen Regierungen vernachlässigen auch keine den Interessen günstige Maaßregel; auf diesen Städten lastet nicht das Joch einer unseligen Centralisation, die ihnen ihre eigene Lebenskraft entzieht; Handel und Industrie finden dort bei den Behörden Schutz und Beistand. Eine der mächtigsten Triebfedern dieser Handelsthätigkeit war die Dampfschifffahrt. Während die deutschen Städte nichts versäumten, diese Schifffahrt in Aufschwung zu bringen, widersetzen sich in Straßburg die französischen Ingenieurs seit zwei Jahren der Erweiterung eines Brückenbogens, welcher unserer Stadt einen Theil jener Handelsvortheile verschaffen soll."

Ueber den Feldzugsplan gegen Abd-El-Kader will der Semaphore de Marseille von einem gutunterrichteten Officier, der aus Algier zurückkehrte, folgende Mittheilungen erhalten haben. Die Expeditionscolonne soll aus zwei Divisionen, jede von 6000 Mann, bestehen. Der Herzog von Orleans werde die erste, General Schramm die zweite Division commandiren. Zuerst werde die Colonne nach Medeah, von dort nach Miliana ziehen und in beiden Städten, so wie am Engpaß Teniah, Besatzung zurücklassen. In Miliana wolle der Marschall sich zu einem Zug gegen Tekedemt, einer von Abd-El-Kader neugegründeten Stadt rüsten. Auch Mascara, Tlemsan und Bordschi-Hamza, somit alle bedeutenden Punkte im Innern, sollen bleibend occupirt werden.

Meinem letzten Briefe in Betreff der Verwerfung des Gesetzesvorschlags über die Art der Wahl der Handelsrichter habe ich zuzusetzen, daß die Majorität, welche diese Entscheidung faßte, keineswegs allein aus der Opposition bestand: von der einen Seite stimmten alle Deputirten, die mit der Hofpartei halten, gegen den Entwurf, weil dessen Verfasser oder Vertheidiger, Hr. Teste, dort nicht beliebt ist, und man ihn zur baldmöglichen Dimission bestimmen will; andererseits unterstützten Hr. Barrot und seine nähern Freunde den Entwurf, weil letztere der Ansicht sind, man müsse das Ministerium ganz so, wie es jetzt bestehe, mit Einschluß von Hrn. Teste, noch während einer unbestimmten Zeit beibehalten, bis eine Gelegenheit sich ergebe, wodurch Hr. Thiers und mit ihm Hr. Barrot ins Cabinet treten könne. Träte dagegen


welches allein das Museum von Versailles gekostet, hätte man den Herzog von Nemours zur Genüge ausstatten können. Andere sagen, die Civilliste besitze Schätze. Von zwölf Millionen lege sie jährlich wenigstens sechs bei Seite. Man wird demnach die Ausgabenlisten der Krone verlangen, und irgend ein in dergleichen Dingen erfahrener Deputirter wird es übernehmen, sie zu untersuchen und der Kammer dann zu berichten, was der Unterhalt des Königthums kostet. Wir gestehen, in letzter Zeit glaubten wir, daß die Opposition, indem sie der Krone ihre constitutionellen Prärogative bestritt, wenigstens aufgehört habe, gegen die Krone einen Comptoirkrieg zu führen. Wir dachten, daß Leute, die sich monarchisch nennen, doch endlich eingesehen, wie unsinnig es sey, die Krone als eine Last darzustellen, welche unnützerweise auf das Land drücke, und daß man über eine Institution, welche die Grundlage und Garantie aller übrigen ist, nicht mehr eine Berechnung des Gewinns und Verlustes halte, die besser vor ein Handelstribunal, als vor die Deputirtenkammer gehört. Wir hofften, eine zehnjährige Erfahrung hätte die Opposition gelehrt, daß all' ihre Declamationen über das Elend des Volks und den Luxus der Höfe nur dazu dienen, den Fanatismus anzufachen, die Anarchie zu entfesseln. Die Opposition erklärt die constitutionelle Monarchie für den einzigen Rettungshafen Frankreichs und doch glaubt sie, ihr Patriotismus erfordere, gegen die Prinzen zu declamiren. In England hat der Vertreter Irlands O'Connell öffentlich erklärt, er stimme ohne Zaudern für eine freigebige Dotation für den Gemahl der Königin. Wird man bei uns noch lange die alten jacobinischen Vorurtheile mit dem Geiste der Freiheit verwechseln?“

* Die Deputirtenkammer versammelte sich am 27 Jan. Mittags. Da die Gesetzesentwürfe über die Prolongation der Bankprivilegien, über die Dotation des Herzogs von Nemours und über die Zucker noch nicht an die Deputirten vertheilt waren, so begannen die Bureaux die Prüfung des Budgets von 1841. Mehrere haben schon drei oder vier Ministerien durchgegangen. Diese Operation, die sonst 20 bis 25 Tage gedauert hatte, dürfte in diesem Jahre nicht über drei in Anspruch nehmen. Alle Minister waren anwesend. Das erste Bureau, das einzige, welches den Gesetzesentwurf über die Zuschußcredite für Algerien noch nicht geprüft hatte, behandelte diesen Gegenstand sehr lebhaft. Hr. Duvergier de Hauranne bestritt besonders eifrig die Vortheile, welche Frankreich aus Algerien ziehen könne. Er behauptete, daß man in zwei Jahren 100,000 Mann und 100 Millionen verlangen würde. Und doch könne man im Fall des Ausbruchs eines Kriegs in Europa nicht 80,000 Mann in Afrika lassen. Wolle man alsdann Algerien verwüsten, so sehe er nicht ein, warum man es nicht lieber jetzt thue. Hr. v. Lamartine sprach sich für beschränkte Besetzung, Hr. Lanyer im Sinne der Regierung aus; er besteht auf der Nothwendigkeit eines umfassenden Besetzungssystems. Hr. v. Lamartine ward mit 19 Stimmen gegen die HH. Duvergier de Hauranne und Quesnault zum Mitglied der Commission ernannt.

Das Schreiben des brittischen Marineofficiers Driver in der Times brachte die französischen Blätter, namentlich den National, in Hitze. Dieser versichert, es seyen ihm von allen Seiten Briefe von Handwerkern, Nationalgardisten, pensionirten und dienstthuenden Land- und Seeofficieren zugekommen, die alle ihren Ingrimm über Driver's grobe Injurien aussprächen. Indessen tröstet der National seine Mitbürger: sie möchten auf den revolutionären Geist vertrauen, welcher, früher vielleicht, als man es denke, den Rest der Vorurtheile gegen Frankreich im englischen Volk ersticken und die Unverschämtheit einer hochmüthigen Aristokratie strafen würde.

Am 26 Jan. begab sich Hr. Adam, Polizeicommissär, in die Wohnung des Hrn. Altaroche, Hauptredacteur des Charivari, mit einem Mandate des Hrn. Zangiacomi zur Durchsuchung aller auf das Complot Crouy Chanel bezüglichen Papiere. Das Charivari sagt, man brauche kaum zu bemerken, daß diese Durchsuchung, wie alle andern, kein Resultat geliefert habe. Uebrigens habe Hr. Adam sein Mandat mit vieler Höflichkeit und Lebensart vollzogen.

Fast alle Pariser Journale erklären sich gegen den Zuckergesetzentwurf. Auch das Journal des Débats sagt, der Entwurf habe bei den Deputirten keine günstige Aufnahme gefunden. Die 40 Millionen Entschädigung für die Rübenzuckerfabricanten geben den Blättern besonders Anlaß zum Tadel; in die übrigen Bestimmungen des Entwurfs geht bis jetzt noch kein Journal ausführlich ein. (Wir verweisen auf unsere heutigen Börsennachrichten.)

Der Straßburger Courier des Ober- und Niederrheins, ein sonst französisch-liberal gesinntes Blatt, äußert bei der Uebersicht der Rheinschifffahrt während des Jahrs 1838: „Man ersieht aus dieser Uebersicht einen traurigen Unterschied zwischen der Handelsbewegung von Straßburg und der der übrigen Rheinuferstädte. Straßburg erhielt 1838 nur 70,000 Centner Waaren zu Schiff, während Mannheim, Mainz, Coblenz und Düsseldorf über eine Million, Köln nahe an drei Millionen Centner Waaren erhielten. Aber die deutschen Regierungen vernachlässigen auch keine den Interessen günstige Maaßregel; auf diesen Städten lastet nicht das Joch einer unseligen Centralisation, die ihnen ihre eigene Lebenskraft entzieht; Handel und Industrie finden dort bei den Behörden Schutz und Beistand. Eine der mächtigsten Triebfedern dieser Handelsthätigkeit war die Dampfschifffahrt. Während die deutschen Städte nichts versäumten, diese Schifffahrt in Aufschwung zu bringen, widersetzen sich in Straßburg die französischen Ingenieurs seit zwei Jahren der Erweiterung eines Brückenbogens, welcher unserer Stadt einen Theil jener Handelsvortheile verschaffen soll.“

Ueber den Feldzugsplan gegen Abd-El-Kader will der Sémaphore de Marseille von einem gutunterrichteten Officier, der aus Algier zurückkehrte, folgende Mittheilungen erhalten haben. Die Expeditionscolonne soll aus zwei Divisionen, jede von 6000 Mann, bestehen. Der Herzog von Orleans werde die erste, General Schramm die zweite Division commandiren. Zuerst werde die Colonne nach Medeah, von dort nach Miliana ziehen und in beiden Städten, so wie am Engpaß Teniah, Besatzung zurücklassen. In Miliana wolle der Marschall sich zu einem Zug gegen Tekedemt, einer von Abd-El-Kader neugegründeten Stadt rüsten. Auch Mascara, Tlemsan und Bordschi-Hamza, somit alle bedeutenden Punkte im Innern, sollen bleibend occupirt werden.

Meinem letzten Briefe in Betreff der Verwerfung des Gesetzesvorschlags über die Art der Wahl der Handelsrichter habe ich zuzusetzen, daß die Majorität, welche diese Entscheidung faßte, keineswegs allein aus der Opposition bestand: von der einen Seite stimmten alle Deputirten, die mit der Hofpartei halten, gegen den Entwurf, weil dessen Verfasser oder Vertheidiger, Hr. Teste, dort nicht beliebt ist, und man ihn zur baldmöglichen Dimission bestimmen will; andererseits unterstützten Hr. Barrot und seine nähern Freunde den Entwurf, weil letztere der Ansicht sind, man müsse das Ministerium ganz so, wie es jetzt bestehe, mit Einschluß von Hrn. Teste, noch während einer unbestimmten Zeit beibehalten, bis eine Gelegenheit sich ergebe, wodurch Hr. Thiers und mit ihm Hr. Barrot ins Cabinet treten könne. Träte dagegen

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[0252/0004] welches allein das Museum von Versailles gekostet, hätte man den Herzog von Nemours zur Genüge ausstatten können. Andere sagen, die Civilliste besitze Schätze. Von zwölf Millionen lege sie jährlich wenigstens sechs bei Seite. Man wird demnach die Ausgabenlisten der Krone verlangen, und irgend ein in dergleichen Dingen erfahrener Deputirter wird es übernehmen, sie zu untersuchen und der Kammer dann zu berichten, was der Unterhalt des Königthums kostet. Wir gestehen, in letzter Zeit glaubten wir, daß die Opposition, indem sie der Krone ihre constitutionellen Prärogative bestritt, wenigstens aufgehört habe, gegen die Krone einen Comptoirkrieg zu führen. Wir dachten, daß Leute, die sich monarchisch nennen, doch endlich eingesehen, wie unsinnig es sey, die Krone als eine Last darzustellen, welche unnützerweise auf das Land drücke, und daß man über eine Institution, welche die Grundlage und Garantie aller übrigen ist, nicht mehr eine Berechnung des Gewinns und Verlustes halte, die besser vor ein Handelstribunal, als vor die Deputirtenkammer gehört. Wir hofften, eine zehnjährige Erfahrung hätte die Opposition gelehrt, daß all' ihre Declamationen über das Elend des Volks und den Luxus der Höfe nur dazu dienen, den Fanatismus anzufachen, die Anarchie zu entfesseln. Die Opposition erklärt die constitutionelle Monarchie für den einzigen Rettungshafen Frankreichs und doch glaubt sie, ihr Patriotismus erfordere, gegen die Prinzen zu declamiren. In England hat der Vertreter Irlands O'Connell öffentlich erklärt, er stimme ohne Zaudern für eine freigebige Dotation für den Gemahl der Königin. Wird man bei uns noch lange die alten jacobinischen Vorurtheile mit dem Geiste der Freiheit verwechseln?“ * Die Deputirtenkammer versammelte sich am 27 Jan. Mittags. Da die Gesetzesentwürfe über die Prolongation der Bankprivilegien, über die Dotation des Herzogs von Nemours und über die Zucker noch nicht an die Deputirten vertheilt waren, so begannen die Bureaux die Prüfung des Budgets von 1841. Mehrere haben schon drei oder vier Ministerien durchgegangen. Diese Operation, die sonst 20 bis 25 Tage gedauert hatte, dürfte in diesem Jahre nicht über drei in Anspruch nehmen. Alle Minister waren anwesend. Das erste Bureau, das einzige, welches den Gesetzesentwurf über die Zuschußcredite für Algerien noch nicht geprüft hatte, behandelte diesen Gegenstand sehr lebhaft. Hr. Duvergier de Hauranne bestritt besonders eifrig die Vortheile, welche Frankreich aus Algerien ziehen könne. Er behauptete, daß man in zwei Jahren 100,000 Mann und 100 Millionen verlangen würde. Und doch könne man im Fall des Ausbruchs eines Kriegs in Europa nicht 80,000 Mann in Afrika lassen. Wolle man alsdann Algerien verwüsten, so sehe er nicht ein, warum man es nicht lieber jetzt thue. Hr. v. Lamartine sprach sich für beschränkte Besetzung, Hr. Lanyer im Sinne der Regierung aus; er besteht auf der Nothwendigkeit eines umfassenden Besetzungssystems. Hr. v. Lamartine ward mit 19 Stimmen gegen die HH. Duvergier de Hauranne und Quesnault zum Mitglied der Commission ernannt. Das Schreiben des brittischen Marineofficiers Driver in der Times brachte die französischen Blätter, namentlich den National, in Hitze. Dieser versichert, es seyen ihm von allen Seiten Briefe von Handwerkern, Nationalgardisten, pensionirten und dienstthuenden Land- und Seeofficieren zugekommen, die alle ihren Ingrimm über Driver's grobe Injurien aussprächen. Indessen tröstet der National seine Mitbürger: sie möchten auf den revolutionären Geist vertrauen, welcher, früher vielleicht, als man es denke, den Rest der Vorurtheile gegen Frankreich im englischen Volk ersticken und die Unverschämtheit einer hochmüthigen Aristokratie strafen würde. Am 26 Jan. begab sich Hr. Adam, Polizeicommissär, in die Wohnung des Hrn. Altaroche, Hauptredacteur des Charivari, mit einem Mandate des Hrn. Zangiacomi zur Durchsuchung aller auf das Complot Crouy Chanel bezüglichen Papiere. Das Charivari sagt, man brauche kaum zu bemerken, daß diese Durchsuchung, wie alle andern, kein Resultat geliefert habe. Uebrigens habe Hr. Adam sein Mandat mit vieler Höflichkeit und Lebensart vollzogen. Fast alle Pariser Journale erklären sich gegen den Zuckergesetzentwurf. Auch das Journal des Débats sagt, der Entwurf habe bei den Deputirten keine günstige Aufnahme gefunden. Die 40 Millionen Entschädigung für die Rübenzuckerfabricanten geben den Blättern besonders Anlaß zum Tadel; in die übrigen Bestimmungen des Entwurfs geht bis jetzt noch kein Journal ausführlich ein. (Wir verweisen auf unsere heutigen Börsennachrichten.) Der Straßburger Courier des Ober- und Niederrheins, ein sonst französisch-liberal gesinntes Blatt, äußert bei der Uebersicht der Rheinschifffahrt während des Jahrs 1838: „Man ersieht aus dieser Uebersicht einen traurigen Unterschied zwischen der Handelsbewegung von Straßburg und der der übrigen Rheinuferstädte. Straßburg erhielt 1838 nur 70,000 Centner Waaren zu Schiff, während Mannheim, Mainz, Coblenz und Düsseldorf über eine Million, Köln nahe an drei Millionen Centner Waaren erhielten. Aber die deutschen Regierungen vernachlässigen auch keine den Interessen günstige Maaßregel; auf diesen Städten lastet nicht das Joch einer unseligen Centralisation, die ihnen ihre eigene Lebenskraft entzieht; Handel und Industrie finden dort bei den Behörden Schutz und Beistand. Eine der mächtigsten Triebfedern dieser Handelsthätigkeit war die Dampfschifffahrt. Während die deutschen Städte nichts versäumten, diese Schifffahrt in Aufschwung zu bringen, widersetzen sich in Straßburg die französischen Ingenieurs seit zwei Jahren der Erweiterung eines Brückenbogens, welcher unserer Stadt einen Theil jener Handelsvortheile verschaffen soll.“ Ueber den Feldzugsplan gegen Abd-El-Kader will der Sémaphore de Marseille von einem gutunterrichteten Officier, der aus Algier zurückkehrte, folgende Mittheilungen erhalten haben. Die Expeditionscolonne soll aus zwei Divisionen, jede von 6000 Mann, bestehen. Der Herzog von Orleans werde die erste, General Schramm die zweite Division commandiren. Zuerst werde die Colonne nach Medeah, von dort nach Miliana ziehen und in beiden Städten, so wie am Engpaß Teniah, Besatzung zurücklassen. In Miliana wolle der Marschall sich zu einem Zug gegen Tekedemt, einer von Abd-El-Kader neugegründeten Stadt rüsten. Auch Mascara, Tlemsan und Bordschi-Hamza, somit alle bedeutenden Punkte im Innern, sollen bleibend occupirt werden. ∸ Paris, 27 Jan. Meinem letzten Briefe in Betreff der Verwerfung des Gesetzesvorschlags über die Art der Wahl der Handelsrichter habe ich zuzusetzen, daß die Majorität, welche diese Entscheidung faßte, keineswegs allein aus der Opposition bestand: von der einen Seite stimmten alle Deputirten, die mit der Hofpartei halten, gegen den Entwurf, weil dessen Verfasser oder Vertheidiger, Hr. Teste, dort nicht beliebt ist, und man ihn zur baldmöglichen Dimission bestimmen will; andererseits unterstützten Hr. Barrot und seine nähern Freunde den Entwurf, weil letztere der Ansicht sind, man müsse das Ministerium ganz so, wie es jetzt bestehe, mit Einschluß von Hrn. Teste, noch während einer unbestimmten Zeit beibehalten, bis eine Gelegenheit sich ergebe, wodurch Hr. Thiers und mit ihm Hr. Barrot ins Cabinet treten könne. Träte dagegen

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 31. Augsburg, 1. Februar 1840, S. 0252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_032_18400201/4>, abgerufen am 29.04.2024.