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Allgemeine Zeitung. Nr. 34. Augsburg, 3. Februar 1840.

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Nach dem von Hrn. Salvandy verfaßten Entwurf sollte es den Gerichten überlassen seyn, den Schadenersatz, welchen der Nachdrucker dem rechtmäßigen Verleger zu leisten habe, festzusetzen. Bisher geschah es aber immer, daß die Gerichte diesen Ersatz nur nach der Zahl der mit Beschlag belegten nachgedruckten Exemplare abschätzten. Die Folge war, daß die Entschädigung gewöhnlich nur sehr gering ausfiel, da eine weit größere Zahl Exemplare bereits verkauft oder besser versteckt war, und die Nachdrucker wurden deßhalb von ihrem Handwerk nicht abgeschreckt. Die Pariser Buchhändler schlagen nun vor, dem Salvandy'schen Entwurf noch die Clausel beizufügen: "die Entschädigungssumme soll dem Werth von 2000 Exemplaren bei Werken in Einem Band und von 1000 Exemplarei bei Werken in mehreren Bänden gleichkommen." Was den Nachdruck der französischen Werke im Ausland anbelangt, wo derselbe bekanntlich zu Brüssel ins Große getrieben wird, so sehen die französischen Buchhändler ein, daß man demselben allein durch Unterhandlungen ein Ende machen könne. Sie stellen daher den Antrag: daß man unverzüglich allen fremden Autoren den gleichen Schutz, die gleichen Rechte, gewähre, wie den französischen Schriftstellern und nicht erst warte, bis andere Staaten Reciprocität üben. "Die französischen Buchhändler - sagt das Journal des Debats - glauben, das beste Mittel, die Ausländer zu einem Aufgeben des schmählichen Nachdrucks zu vermögen, sey, wenn wir selbst zuerst dem Nachdruck aller ausländischen Werke entsagen. Selbst wenn man fortfährt, unsere Bücher nachzudrucken, wollen wir keine Repressalien üben, denn diese Repressalien sind ein Diebstahl, eine Schande für eine civilisirte Nation. Wenn die Stimme eines großen Volks sich für die Gerechtigkeit erhebt, kann sie nicht lange ohne Widerhall bleiben.

Sie haben wahrscheinlich den merkwürdigen Artikel des Commerce von gestern über das Bonapartistische Complot und die Aufforderung an die Regierung, dem Spaß ein Ende zu machen, bemerkt. So eben erfahren wir nun, daß nicht bloß der Graf Crouy-Chanel, der Vetter des Marquis, sondern Hr. Charles Durand selbst, auf freien Fuß gestellt worden ist. - Die Aeußerungen der englischen Presse, alle so ungünstig für Hrn. Guizots Gesandtschaft in London, im Sun wie im M. Chronicle und in der Times, machen hier Aufsehen. Daß aber Guizot ein Partisan von Rußland sey, erfahren wir erst aus den englischen Journalen.

Das Departement des öffentlichen Unterrichts soll im Budget von 1840 eine Vermehrung von 305,840 Fr. und zwei Glieder mehr im Studienrath erhalten. Eine dieser Stellen, sagt ein Journal, wohl aus eifriger Gefälligkeit, soll Hr. Villemain für Arago bestimmt haben. Das aber ist wohl eine grundlose Unterstellung. Arago ist für den jetzigen Minister des Unterrichts nicht classisch genug, legt nicht Gewicht genug auf die alten Sprachen und den Schulplan der Universität, um in das Allerheiligste selbst aufgenommen zu werden. - Das Journal des Debats läßt sich noch nicht weiter über Guizot vernehmen. Anders verhält es sich in Betreff der Gesetzesvorschläge des Hrn. Passy, dem es einen tödtlichen Haß geschworen hat, und des Betragens von Odilon-Barrot, dem es plötzlich seine zärtliche Liebe zuwendet. Das Journal des Debats ist vorzugsweise das Blatt der Rentner und Beamten; in dieser doppelten Eigenschaft kam es ihm zu, die Gesetzesentwürfe über die Rentenherabsetzung und die Verminderung der Ruhegehalte im Civilwesen mit jener unbegränzten Heftigkeit zu bekämpfen, die man nur in einer Rede pro domo suchen kann. Die ganze Gesellschaft ist in Gefahr, und Hr. Passy wird als der schädlichste Revolutionär angeklagt. Das Alles ist nicht sowohl an sich wichtig, als wegen der mittelbaren Hindeutung auf das, was man von einer gewissen Seite der Kammer und in den höheren Regionen von der nächsten Ministerialkrisis erwartet. Von Teste sagt man bereits, daß man ihn mit all den Einwänden und Intriguen gegen sein Gesetz über den Aemterverkauf und die Reform des Staatsrathes so sehr entmuthigt habe, daß er sich zurückziehen wolle; vielleicht hofft man ein Gleiches gegen Passy zu erreichen, und wer dann an die Stelle der Abgehenden kommen solle, das eben scheint aus den Worten wie aus dem Rückhalte des Journal des Debats sattsam zu erhellen. In einem nunmehr ganz natürlich gewordenen Zusammenhange komme ich alsbald auf Hrn. Odilon-Barrot. Wo wollen Sie anders noch seinen Platz suchen, als auf der Bank der Ministercandidaten! Einstweilen und in der Hoffnung dieser Zukunft, um die er so mühevoll buhlt, freut er sich seines Platzes an der königlichen Tafel, und wird zu den Freunden des Hauses gezählt, und das Journal des Debats macht ihm süße Complimente über die "Mäßigung," mit welcher er in den Kammerbureaux gegen die Ausstattung und den Jahresgehalt des Herzogs von Nemours gesprochen, d. h. dieselben im eigentlichen Sinne gebilligt hat. Wir sehen sehr klar, und haben schon längst gesehen und vorausgesagt, wohin dies Alles gegen Odilon-Barrot führen wird; was es aber für ihn erzielen soll, selbst an vergänglicher Größe und schnell verbleichendem Glanze, scheint uns im geringsten nicht zu den wahrscheinlicheren der bevorstehenden Dinge zu gehören. Unsre Gedächtnißrede über den Dahingegangenen liegt bereit, wir können sie ihm halten, wann er will.

Die Begnadigung von Blanqui, das heißt die Milderung seiner Strafe in Deportation, hat dem Ministerium Gelegenheit gegeben, die früher stattgehabte Strafänderung zu Gunsten von Barbes in gesetzliche Form einzukleiden. Bekanntlich war die gegen ihn ausgesprochene Todesstrafe in lebenslängliche Zwangsarbeit geändert, gleichwohl aber Barbes nicht auf die Galeere, sondern nach Doullens gebracht worden, wo die zur Deportation Verurtheilten in Ermanglung eines Deportationsortes ihre Strafe zu erstehen haben. Diese in der Form ungesetzliche Menschlichkeit, die dem großen Dupin neulich eine wahre Rabulistenchicane in der Kammer eingegeben hat, ist nun ausgebessert und vervollständigt, Gott sey Dank; nachdem der Großmuth und der Güte Genüge geschehen, ist auch das Gesetz und die Propheten zufrieden gestellt. Blanqui hat, wie die ganze Verhandlung, so auch seine Verurtheilung zur Todesstrafe mit kalter Ruhe angehört. - An dem Horizonte der bevorstehenden Verhandlung über die Ausstattung und den Jahresgehalt des Herzogs von Nemours ziehen trübe Wolken auf. Der anfänglich ausgesprochene Enthusiasmus, die gänzliche Willfährigkeit der Kammer sind in zauderndes Bedenken erkaltet, und selbst Hr. Odilon-Barrot hat die ihm von dem Journal des Debats zugewandten Lobeserhebungen zurückgewiesen. Merkwürdig ist übrigens der doppelte Umstand: kein Zweifel, daß Ludwig Philipp zu den reichsten Fürsten und Begüterten in Europa gehört, kein Zweifel, daß er vollauf im Stande wäre, seinen Sohn ohne fremde Hülfe auszustatten und ihm einen Jahresgehalt zu sichern; die Art und Weise, wie er bei seiner Thronbesteigung im Jahr 1830 sein persönliches und Familienvermögen gesichert hat, sind die stärksten Gründe, dieß zu glauben. Aber auf der andern Seite gibt es sehr viele Personen hier, und zwar Personen, die nichts weniger als Freunde der Dynastie sind, die fest behaupten, daß die

Nach dem von Hrn. Salvandy verfaßten Entwurf sollte es den Gerichten überlassen seyn, den Schadenersatz, welchen der Nachdrucker dem rechtmäßigen Verleger zu leisten habe, festzusetzen. Bisher geschah es aber immer, daß die Gerichte diesen Ersatz nur nach der Zahl der mit Beschlag belegten nachgedruckten Exemplare abschätzten. Die Folge war, daß die Entschädigung gewöhnlich nur sehr gering ausfiel, da eine weit größere Zahl Exemplare bereits verkauft oder besser versteckt war, und die Nachdrucker wurden deßhalb von ihrem Handwerk nicht abgeschreckt. Die Pariser Buchhändler schlagen nun vor, dem Salvandy'schen Entwurf noch die Clausel beizufügen: „die Entschädigungssumme soll dem Werth von 2000 Exemplaren bei Werken in Einem Band und von 1000 Exemplarei bei Werken in mehreren Bänden gleichkommen.“ Was den Nachdruck der französischen Werke im Ausland anbelangt, wo derselbe bekanntlich zu Brüssel ins Große getrieben wird, so sehen die französischen Buchhändler ein, daß man demselben allein durch Unterhandlungen ein Ende machen könne. Sie stellen daher den Antrag: daß man unverzüglich allen fremden Autoren den gleichen Schutz, die gleichen Rechte, gewähre, wie den französischen Schriftstellern und nicht erst warte, bis andere Staaten Reciprocität üben. „Die französischen Buchhändler – sagt das Journal des Débats – glauben, das beste Mittel, die Ausländer zu einem Aufgeben des schmählichen Nachdrucks zu vermögen, sey, wenn wir selbst zuerst dem Nachdruck aller ausländischen Werke entsagen. Selbst wenn man fortfährt, unsere Bücher nachzudrucken, wollen wir keine Repressalien üben, denn diese Repressalien sind ein Diebstahl, eine Schande für eine civilisirte Nation. Wenn die Stimme eines großen Volks sich für die Gerechtigkeit erhebt, kann sie nicht lange ohne Widerhall bleiben.

Sie haben wahrscheinlich den merkwürdigen Artikel des Commerce von gestern über das Bonapartistische Complot und die Aufforderung an die Regierung, dem Spaß ein Ende zu machen, bemerkt. So eben erfahren wir nun, daß nicht bloß der Graf Crouy-Chanel, der Vetter des Marquis, sondern Hr. Charles Durand selbst, auf freien Fuß gestellt worden ist. – Die Aeußerungen der englischen Presse, alle so ungünstig für Hrn. Guizots Gesandtschaft in London, im Sun wie im M. Chronicle und in der Times, machen hier Aufsehen. Daß aber Guizot ein Partisan von Rußland sey, erfahren wir erst aus den englischen Journalen.

Das Departement des öffentlichen Unterrichts soll im Budget von 1840 eine Vermehrung von 305,840 Fr. und zwei Glieder mehr im Studienrath erhalten. Eine dieser Stellen, sagt ein Journal, wohl aus eifriger Gefälligkeit, soll Hr. Villemain für Arago bestimmt haben. Das aber ist wohl eine grundlose Unterstellung. Arago ist für den jetzigen Minister des Unterrichts nicht classisch genug, legt nicht Gewicht genug auf die alten Sprachen und den Schulplan der Universität, um in das Allerheiligste selbst aufgenommen zu werden. – Das Journal des Débats läßt sich noch nicht weiter über Guizot vernehmen. Anders verhält es sich in Betreff der Gesetzesvorschläge des Hrn. Passy, dem es einen tödtlichen Haß geschworen hat, und des Betragens von Odilon-Barrot, dem es plötzlich seine zärtliche Liebe zuwendet. Das Journal des Débats ist vorzugsweise das Blatt der Rentner und Beamten; in dieser doppelten Eigenschaft kam es ihm zu, die Gesetzesentwürfe über die Rentenherabsetzung und die Verminderung der Ruhegehalte im Civilwesen mit jener unbegränzten Heftigkeit zu bekämpfen, die man nur in einer Rede pro domo suchen kann. Die ganze Gesellschaft ist in Gefahr, und Hr. Passy wird als der schädlichste Revolutionär angeklagt. Das Alles ist nicht sowohl an sich wichtig, als wegen der mittelbaren Hindeutung auf das, was man von einer gewissen Seite der Kammer und in den höheren Regionen von der nächsten Ministerialkrisis erwartet. Von Teste sagt man bereits, daß man ihn mit all den Einwänden und Intriguen gegen sein Gesetz über den Aemterverkauf und die Reform des Staatsrathes so sehr entmuthigt habe, daß er sich zurückziehen wolle; vielleicht hofft man ein Gleiches gegen Passy zu erreichen, und wer dann an die Stelle der Abgehenden kommen solle, das eben scheint aus den Worten wie aus dem Rückhalte des Journal des Débats sattsam zu erhellen. In einem nunmehr ganz natürlich gewordenen Zusammenhange komme ich alsbald auf Hrn. Odilon-Barrot. Wo wollen Sie anders noch seinen Platz suchen, als auf der Bank der Ministercandidaten! Einstweilen und in der Hoffnung dieser Zukunft, um die er so mühevoll buhlt, freut er sich seines Platzes an der königlichen Tafel, und wird zu den Freunden des Hauses gezählt, und das Journal des Débats macht ihm süße Complimente über die „Mäßigung,“ mit welcher er in den Kammerbureaux gegen die Ausstattung und den Jahresgehalt des Herzogs von Nemours gesprochen, d. h. dieselben im eigentlichen Sinne gebilligt hat. Wir sehen sehr klar, und haben schon längst gesehen und vorausgesagt, wohin dies Alles gegen Odilon-Barrot führen wird; was es aber für ihn erzielen soll, selbst an vergänglicher Größe und schnell verbleichendem Glanze, scheint uns im geringsten nicht zu den wahrscheinlicheren der bevorstehenden Dinge zu gehören. Unsre Gedächtnißrede über den Dahingegangenen liegt bereit, wir können sie ihm halten, wann er will.

Die Begnadigung von Blanqui, das heißt die Milderung seiner Strafe in Deportation, hat dem Ministerium Gelegenheit gegeben, die früher stattgehabte Strafänderung zu Gunsten von Barbes in gesetzliche Form einzukleiden. Bekanntlich war die gegen ihn ausgesprochene Todesstrafe in lebenslängliche Zwangsarbeit geändert, gleichwohl aber Barbes nicht auf die Galeere, sondern nach Doullens gebracht worden, wo die zur Deportation Verurtheilten in Ermanglung eines Deportationsortes ihre Strafe zu erstehen haben. Diese in der Form ungesetzliche Menschlichkeit, die dem großen Dupin neulich eine wahre Rabulistenchicane in der Kammer eingegeben hat, ist nun ausgebessert und vervollständigt, Gott sey Dank; nachdem der Großmuth und der Güte Genüge geschehen, ist auch das Gesetz und die Propheten zufrieden gestellt. Blanqui hat, wie die ganze Verhandlung, so auch seine Verurtheilung zur Todesstrafe mit kalter Ruhe angehört. – An dem Horizonte der bevorstehenden Verhandlung über die Ausstattung und den Jahresgehalt des Herzogs von Nemours ziehen trübe Wolken auf. Der anfänglich ausgesprochene Enthusiasmus, die gänzliche Willfährigkeit der Kammer sind in zauderndes Bedenken erkaltet, und selbst Hr. Odilon-Barrot hat die ihm von dem Journal des Débats zugewandten Lobeserhebungen zurückgewiesen. Merkwürdig ist übrigens der doppelte Umstand: kein Zweifel, daß Ludwig Philipp zu den reichsten Fürsten und Begüterten in Europa gehört, kein Zweifel, daß er vollauf im Stande wäre, seinen Sohn ohne fremde Hülfe auszustatten und ihm einen Jahresgehalt zu sichern; die Art und Weise, wie er bei seiner Thronbesteigung im Jahr 1830 sein persönliches und Familienvermögen gesichert hat, sind die stärksten Gründe, dieß zu glauben. Aber auf der andern Seite gibt es sehr viele Personen hier, und zwar Personen, die nichts weniger als Freunde der Dynastie sind, die fest behaupten, daß die

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[0302/0006] Nach dem von Hrn. Salvandy verfaßten Entwurf sollte es den Gerichten überlassen seyn, den Schadenersatz, welchen der Nachdrucker dem rechtmäßigen Verleger zu leisten habe, festzusetzen. Bisher geschah es aber immer, daß die Gerichte diesen Ersatz nur nach der Zahl der mit Beschlag belegten nachgedruckten Exemplare abschätzten. Die Folge war, daß die Entschädigung gewöhnlich nur sehr gering ausfiel, da eine weit größere Zahl Exemplare bereits verkauft oder besser versteckt war, und die Nachdrucker wurden deßhalb von ihrem Handwerk nicht abgeschreckt. Die Pariser Buchhändler schlagen nun vor, dem Salvandy'schen Entwurf noch die Clausel beizufügen: „die Entschädigungssumme soll dem Werth von 2000 Exemplaren bei Werken in Einem Band und von 1000 Exemplarei bei Werken in mehreren Bänden gleichkommen.“ Was den Nachdruck der französischen Werke im Ausland anbelangt, wo derselbe bekanntlich zu Brüssel ins Große getrieben wird, so sehen die französischen Buchhändler ein, daß man demselben allein durch Unterhandlungen ein Ende machen könne. Sie stellen daher den Antrag: daß man unverzüglich allen fremden Autoren den gleichen Schutz, die gleichen Rechte, gewähre, wie den französischen Schriftstellern und nicht erst warte, bis andere Staaten Reciprocität üben. „Die französischen Buchhändler – sagt das Journal des Débats – glauben, das beste Mittel, die Ausländer zu einem Aufgeben des schmählichen Nachdrucks zu vermögen, sey, wenn wir selbst zuerst dem Nachdruck aller ausländischen Werke entsagen. Selbst wenn man fortfährt, unsere Bücher nachzudrucken, wollen wir keine Repressalien üben, denn diese Repressalien sind ein Diebstahl, eine Schande für eine civilisirte Nation. Wenn die Stimme eines großen Volks sich für die Gerechtigkeit erhebt, kann sie nicht lange ohne Widerhall bleiben. _ Paris, 2 Febr. Sie haben wahrscheinlich den merkwürdigen Artikel des Commerce von gestern über das Bonapartistische Complot und die Aufforderung an die Regierung, dem Spaß ein Ende zu machen, bemerkt. So eben erfahren wir nun, daß nicht bloß der Graf Crouy-Chanel, der Vetter des Marquis, sondern Hr. Charles Durand selbst, auf freien Fuß gestellt worden ist. – Die Aeußerungen der englischen Presse, alle so ungünstig für Hrn. Guizots Gesandtschaft in London, im Sun wie im M. Chronicle und in der Times, machen hier Aufsehen. Daß aber Guizot ein Partisan von Rußland sey, erfahren wir erst aus den englischen Journalen. _ Paris, 1 Febr. Das Departement des öffentlichen Unterrichts soll im Budget von 1840 eine Vermehrung von 305,840 Fr. und zwei Glieder mehr im Studienrath erhalten. Eine dieser Stellen, sagt ein Journal, wohl aus eifriger Gefälligkeit, soll Hr. Villemain für Arago bestimmt haben. Das aber ist wohl eine grundlose Unterstellung. Arago ist für den jetzigen Minister des Unterrichts nicht classisch genug, legt nicht Gewicht genug auf die alten Sprachen und den Schulplan der Universität, um in das Allerheiligste selbst aufgenommen zu werden. – Das Journal des Débats läßt sich noch nicht weiter über Guizot vernehmen. Anders verhält es sich in Betreff der Gesetzesvorschläge des Hrn. Passy, dem es einen tödtlichen Haß geschworen hat, und des Betragens von Odilon-Barrot, dem es plötzlich seine zärtliche Liebe zuwendet. Das Journal des Débats ist vorzugsweise das Blatt der Rentner und Beamten; in dieser doppelten Eigenschaft kam es ihm zu, die Gesetzesentwürfe über die Rentenherabsetzung und die Verminderung der Ruhegehalte im Civilwesen mit jener unbegränzten Heftigkeit zu bekämpfen, die man nur in einer Rede pro domo suchen kann. Die ganze Gesellschaft ist in Gefahr, und Hr. Passy wird als der schädlichste Revolutionär angeklagt. Das Alles ist nicht sowohl an sich wichtig, als wegen der mittelbaren Hindeutung auf das, was man von einer gewissen Seite der Kammer und in den höheren Regionen von der nächsten Ministerialkrisis erwartet. Von Teste sagt man bereits, daß man ihn mit all den Einwänden und Intriguen gegen sein Gesetz über den Aemterverkauf und die Reform des Staatsrathes so sehr entmuthigt habe, daß er sich zurückziehen wolle; vielleicht hofft man ein Gleiches gegen Passy zu erreichen, und wer dann an die Stelle der Abgehenden kommen solle, das eben scheint aus den Worten wie aus dem Rückhalte des Journal des Débats sattsam zu erhellen. In einem nunmehr ganz natürlich gewordenen Zusammenhange komme ich alsbald auf Hrn. Odilon-Barrot. Wo wollen Sie anders noch seinen Platz suchen, als auf der Bank der Ministercandidaten! Einstweilen und in der Hoffnung dieser Zukunft, um die er so mühevoll buhlt, freut er sich seines Platzes an der königlichen Tafel, und wird zu den Freunden des Hauses gezählt, und das Journal des Débats macht ihm süße Complimente über die „Mäßigung,“ mit welcher er in den Kammerbureaux gegen die Ausstattung und den Jahresgehalt des Herzogs von Nemours gesprochen, d. h. dieselben im eigentlichen Sinne gebilligt hat. Wir sehen sehr klar, und haben schon längst gesehen und vorausgesagt, wohin dies Alles gegen Odilon-Barrot führen wird; was es aber für ihn erzielen soll, selbst an vergänglicher Größe und schnell verbleichendem Glanze, scheint uns im geringsten nicht zu den wahrscheinlicheren der bevorstehenden Dinge zu gehören. Unsre Gedächtnißrede über den Dahingegangenen liegt bereit, wir können sie ihm halten, wann er will. _ Paris, 2 Febr. Die Begnadigung von Blanqui, das heißt die Milderung seiner Strafe in Deportation, hat dem Ministerium Gelegenheit gegeben, die früher stattgehabte Strafänderung zu Gunsten von Barbes in gesetzliche Form einzukleiden. Bekanntlich war die gegen ihn ausgesprochene Todesstrafe in lebenslängliche Zwangsarbeit geändert, gleichwohl aber Barbes nicht auf die Galeere, sondern nach Doullens gebracht worden, wo die zur Deportation Verurtheilten in Ermanglung eines Deportationsortes ihre Strafe zu erstehen haben. Diese in der Form ungesetzliche Menschlichkeit, die dem großen Dupin neulich eine wahre Rabulistenchicane in der Kammer eingegeben hat, ist nun ausgebessert und vervollständigt, Gott sey Dank; nachdem der Großmuth und der Güte Genüge geschehen, ist auch das Gesetz und die Propheten zufrieden gestellt. Blanqui hat, wie die ganze Verhandlung, so auch seine Verurtheilung zur Todesstrafe mit kalter Ruhe angehört. – An dem Horizonte der bevorstehenden Verhandlung über die Ausstattung und den Jahresgehalt des Herzogs von Nemours ziehen trübe Wolken auf. Der anfänglich ausgesprochene Enthusiasmus, die gänzliche Willfährigkeit der Kammer sind in zauderndes Bedenken erkaltet, und selbst Hr. Odilon-Barrot hat die ihm von dem Journal des Débats zugewandten Lobeserhebungen zurückgewiesen. Merkwürdig ist übrigens der doppelte Umstand: kein Zweifel, daß Ludwig Philipp zu den reichsten Fürsten und Begüterten in Europa gehört, kein Zweifel, daß er vollauf im Stande wäre, seinen Sohn ohne fremde Hülfe auszustatten und ihm einen Jahresgehalt zu sichern; die Art und Weise, wie er bei seiner Thronbesteigung im Jahr 1830 sein persönliches und Familienvermögen gesichert hat, sind die stärksten Gründe, dieß zu glauben. Aber auf der andern Seite gibt es sehr viele Personen hier, und zwar Personen, die nichts weniger als Freunde der Dynastie sind, die fest behaupten, daß die

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 34. Augsburg, 3. Februar 1840, S. 0302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_038_18400207/6>, abgerufen am 29.04.2024.