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Allgemeine Zeitung. Nr. 60. Augsburg, 29. Februar 1840.

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für eine repräsentative, wahrlich nicht im Sinne revolutionären Strebens, sondern in dem Sinne, welchen auch andere Staatsrechtslehrer aufgestellt haben. Diese Verfassung müsse redlich gehalten, treu ihre Rechte bewahrt und überwacht werden.

(Beschluß folgt.)

Nachdem auf früher berichtete Art und Weise die Deputirtenwahl der Universität glücklich zu Stande gebracht war, wollte der Hr. Minister v. Stralenheim sich Sonnabend Morgen von hier entfernen, allein da schon Freitags Abend eine Anzahl hier studirender hannover'schen Adeligen vom akademischen Senat die Erlaubniß erbeten und erhalten hatte, am folgenden Abend dem hochgeehrten Curator der Universität eine Fackelmusik zu bringen, so fand sich derselbe bewogen, Sonnabend hier noch zu verweilen, um diese Ehrenbezeugung in Empfang zu nehmen. Es war auch Alles zu dieser Feierlichkeit angeordnet, Musikchöre bestellt, Fackeln noch vorräthig von dem Blumenbach'schen Begräbniß her, der Tag heiter und ohne Sturm, allein leider fand sich während des Sonnabends, daß die übrigen Studirenden sich dem Unternehmen nicht anschließen wollten, und so unterblieb denn dasselbe, obgleich sich mehrere Bürger erboten haben sollen, Fackeln mitzutragen. Da jedoch das Musikchor des hier stationirenden Infanterieregiments so wie der Stadtmusikus bestellt waren, so wurde dem Curator eine Nachtmusik gebracht, die auch ohne jeglichen Auflauf noch Ruhestörung vor sich ging, obgleich man so etwas besorgt haben mußte, da beinahe eben so viel Polizei thätig war, als Zuschauer gegenwärtig. Ein Vivat wurde nicht gebracht, nicht einmal der Versuch dazu gemacht. (Se. Excellenz reiste gestern Morgen in aller Frühe von hier ab.) Dagegen wurde am gestrigen Abend dem Hrn. Professor Kraut und dem Hofrath Ritter, welche sich der Theilnahme an den Wahlen enthalten, ein Vivat gebracht. Weitere Vivats und Unruhen, die auf der Allee beabsichtigt gewesen seyn sollen, wurden durch die Dazwischenkunft der Landgendarmen verhindert. Consistorialrath Lücke wurde in seinem Auditorium mit stürmischem Beifall empfangen. - Auch Mühlenbruch, der sich auf das ehrenwertheste bei der Wahlverhandlung benommen haben soll, war dem Vernehmen nach ein Vivat zugedacht.

Rußland.

Die Kölner Zeitung berichtet: Aus Warschau ist die Nachricht eingegangen, daß der Kaiser von Rußland dem gegenwärtig dort anwesenden John Cockerill ein in der Nähe besagter Stadt gelegenes Krongut, bestehend in einer beträchtlichen Fabrik, geschenkt hat. Obschon die dabei befindlichen Bauwerkstätten schon bedeutend sind, so sollen sie noch namhaft vermehrt werden, wozu die Capitalien ebenfalls hergegeben sind. Zum technischen Director dieser Werkstätten hat Cockerill einen erfahrenen Techniker aus Köln, Lautz, ernannt, und demselben 600 Arbeiter untergeben.

Oesterreich.

Das von mir kürzlich als unrichtig bezeichnete Gerücht von der Abberufung des russischen Botschafters scheint seine Entstehung dem Umstande zu verdanken, daß Hr. v. Tatitscheff selbst den Wunsch geäußert hatte, er möchte abberufen werden. Dieser ausgezeichnete Diplomat soll sich in seinen ziemlich vorgerückten Jahren nach einem ruhigeren Posten im Inlande sehnen, und dieß dem Kaiser Nikolaus dringend ans Herz gelegt haben. So sind die Suppositionen über seinen muthmaßlichen Nachfolger, wofür wirklich Graf Tschernitscheff, so wie Graf Woronzoff, Generalgouverneur von Neu-Rußland und Bessarabien, genannt werden, entstanden. Indessen scheint eine Entscheidung in dieser Angelegenheit noch nicht erfolgt zu seyn. - Se. Maj. der König von Sachsen soll am 1 März hier eintreffen. - Der Carneval nähert sich, so weit er die höhern Gesellschaftskreise berührt, in ungewöhnlicher Stille seinem Ende.

Aegypten.

Am 31 Jan. kam das französische Kriegsdampfboot Acheron von Marseille hier an. Da es direct aus Frankreich kam und nur zwei Tage in Malta wegen schlechten Wetters blieb, glaubte man allgemein, es habe ungemein wichtige Depeschen mitgebracht. Dem scheint nach guten Erkundigungen nicht so zu seyn; sein Zweck ist vielmehr eine militärische Promenade über Malta gewesen, um zu sehen, was dort vorgeht, und dem Pascha hierüber Benachrichtigungen zu bringen. Seine Erscheinung brachte übrigens eine unglaubliche Bewegung unter den in Alexandria wohnenden Europäern hervor, denn da man hier täglich auf eine Blokade und selbst ein Bombardement von englischer Seite gefaßt ist, und diese als gewiß angenommene Aussicht die Imagination eines jeden hier Angesessenen in die lebhafteste Aufregung versetzt, so kann man sich denken, wie sehr jedes auch noch so geringfügige Ereigniß, wozu hier vor Allem die Ankunft von Kriegsfahrzeugen gehört, gedreht und gedeutet wird. Die Ernennung eines zweiten Kapudan Pascha's und die des Viceadmirals Mustapha Pascha, der mit der Flotte hier ankam und auch natürlich hier blieb, zu seinem Kaimakam, hat bis jetzt die Wirkung gehabt, daß sich Achmed Pascha seitdem noch weit mehr von allen Geschäften zurückzog als es früher der Fall war. Die türkische Flotte steht überhaupt wenig mehr unter den zu ihr gehörigen türkischen Officieren; Mehemed Ali bestimmt und befiehlt Alles, der Dienst wird auf ägyptische Weise versehen, und die Vertheilung der Matrosen und Officiere wird, seitdem nun Alles wirklich ägyptisch gekleidet ist, und man auch das Letzte, was an Stambul erinnert, abgelegt hat, von morgen an vor sich gehen. Auf diese Weise ist denn die Flotte als Mehemed Ali völlig anheimgefallen zu betrachten; nur mit Gewalt wird man sie ihm wieder nehmen können.

für eine repräsentative, wahrlich nicht im Sinne revolutionären Strebens, sondern in dem Sinne, welchen auch andere Staatsrechtslehrer aufgestellt haben. Diese Verfassung müsse redlich gehalten, treu ihre Rechte bewahrt und überwacht werden.

(Beschluß folgt.)

Nachdem auf früher berichtete Art und Weise die Deputirtenwahl der Universität glücklich zu Stande gebracht war, wollte der Hr. Minister v. Stralenheim sich Sonnabend Morgen von hier entfernen, allein da schon Freitags Abend eine Anzahl hier studirender hannover'schen Adeligen vom akademischen Senat die Erlaubniß erbeten und erhalten hatte, am folgenden Abend dem hochgeehrten Curator der Universität eine Fackelmusik zu bringen, so fand sich derselbe bewogen, Sonnabend hier noch zu verweilen, um diese Ehrenbezeugung in Empfang zu nehmen. Es war auch Alles zu dieser Feierlichkeit angeordnet, Musikchöre bestellt, Fackeln noch vorräthig von dem Blumenbach'schen Begräbniß her, der Tag heiter und ohne Sturm, allein leider fand sich während des Sonnabends, daß die übrigen Studirenden sich dem Unternehmen nicht anschließen wollten, und so unterblieb denn dasselbe, obgleich sich mehrere Bürger erboten haben sollen, Fackeln mitzutragen. Da jedoch das Musikchor des hier stationirenden Infanterieregiments so wie der Stadtmusikus bestellt waren, so wurde dem Curator eine Nachtmusik gebracht, die auch ohne jeglichen Auflauf noch Ruhestörung vor sich ging, obgleich man so etwas besorgt haben mußte, da beinahe eben so viel Polizei thätig war, als Zuschauer gegenwärtig. Ein Vivat wurde nicht gebracht, nicht einmal der Versuch dazu gemacht. (Se. Excellenz reiste gestern Morgen in aller Frühe von hier ab.) Dagegen wurde am gestrigen Abend dem Hrn. Professor Kraut und dem Hofrath Ritter, welche sich der Theilnahme an den Wahlen enthalten, ein Vivat gebracht. Weitere Vivats und Unruhen, die auf der Allee beabsichtigt gewesen seyn sollen, wurden durch die Dazwischenkunft der Landgendarmen verhindert. Consistorialrath Lücke wurde in seinem Auditorium mit stürmischem Beifall empfangen. – Auch Mühlenbruch, der sich auf das ehrenwertheste bei der Wahlverhandlung benommen haben soll, war dem Vernehmen nach ein Vivat zugedacht.

Rußland.

Die Kölner Zeitung berichtet: Aus Warschau ist die Nachricht eingegangen, daß der Kaiser von Rußland dem gegenwärtig dort anwesenden John Cockerill ein in der Nähe besagter Stadt gelegenes Krongut, bestehend in einer beträchtlichen Fabrik, geschenkt hat. Obschon die dabei befindlichen Bauwerkstätten schon bedeutend sind, so sollen sie noch namhaft vermehrt werden, wozu die Capitalien ebenfalls hergegeben sind. Zum technischen Director dieser Werkstätten hat Cockerill einen erfahrenen Techniker aus Köln, Lautz, ernannt, und demselben 600 Arbeiter untergeben.

Oesterreich.

Das von mir kürzlich als unrichtig bezeichnete Gerücht von der Abberufung des russischen Botschafters scheint seine Entstehung dem Umstande zu verdanken, daß Hr. v. Tatitscheff selbst den Wunsch geäußert hatte, er möchte abberufen werden. Dieser ausgezeichnete Diplomat soll sich in seinen ziemlich vorgerückten Jahren nach einem ruhigeren Posten im Inlande sehnen, und dieß dem Kaiser Nikolaus dringend ans Herz gelegt haben. So sind die Suppositionen über seinen muthmaßlichen Nachfolger, wofür wirklich Graf Tschernitscheff, so wie Graf Woronzoff, Generalgouverneur von Neu-Rußland und Bessarabien, genannt werden, entstanden. Indessen scheint eine Entscheidung in dieser Angelegenheit noch nicht erfolgt zu seyn. – Se. Maj. der König von Sachsen soll am 1 März hier eintreffen. – Der Carneval nähert sich, so weit er die höhern Gesellschaftskreise berührt, in ungewöhnlicher Stille seinem Ende.

Aegypten.

Am 31 Jan. kam das französische Kriegsdampfboot Acheron von Marseille hier an. Da es direct aus Frankreich kam und nur zwei Tage in Malta wegen schlechten Wetters blieb, glaubte man allgemein, es habe ungemein wichtige Depeschen mitgebracht. Dem scheint nach guten Erkundigungen nicht so zu seyn; sein Zweck ist vielmehr eine militärische Promenade über Malta gewesen, um zu sehen, was dort vorgeht, und dem Pascha hierüber Benachrichtigungen zu bringen. Seine Erscheinung brachte übrigens eine unglaubliche Bewegung unter den in Alexandria wohnenden Europäern hervor, denn da man hier täglich auf eine Blokade und selbst ein Bombardement von englischer Seite gefaßt ist, und diese als gewiß angenommene Aussicht die Imagination eines jeden hier Angesessenen in die lebhafteste Aufregung versetzt, so kann man sich denken, wie sehr jedes auch noch so geringfügige Ereigniß, wozu hier vor Allem die Ankunft von Kriegsfahrzeugen gehört, gedreht und gedeutet wird. Die Ernennung eines zweiten Kapudan Pascha's und die des Viceadmirals Mustapha Pascha, der mit der Flotte hier ankam und auch natürlich hier blieb, zu seinem Kaimakam, hat bis jetzt die Wirkung gehabt, daß sich Achmed Pascha seitdem noch weit mehr von allen Geschäften zurückzog als es früher der Fall war. Die türkische Flotte steht überhaupt wenig mehr unter den zu ihr gehörigen türkischen Officieren; Mehemed Ali bestimmt und befiehlt Alles, der Dienst wird auf ägyptische Weise versehen, und die Vertheilung der Matrosen und Officiere wird, seitdem nun Alles wirklich ägyptisch gekleidet ist, und man auch das Letzte, was an Stambul erinnert, abgelegt hat, von morgen an vor sich gehen. Auf diese Weise ist denn die Flotte als Mehemed Ali völlig anheimgefallen zu betrachten; nur mit Gewalt wird man sie ihm wieder nehmen können.

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[0480/0008] für eine repräsentative, wahrlich nicht im Sinne revolutionären Strebens, sondern in dem Sinne, welchen auch andere Staatsrechtslehrer aufgestellt haben. Diese Verfassung müsse redlich gehalten, treu ihre Rechte bewahrt und überwacht werden. (Beschluß folgt.) _ Göttingen, 24 Febr. Nachdem auf früher berichtete Art und Weise die Deputirtenwahl der Universität glücklich zu Stande gebracht war, wollte der Hr. Minister v. Stralenheim sich Sonnabend Morgen von hier entfernen, allein da schon Freitags Abend eine Anzahl hier studirender hannover'schen Adeligen vom akademischen Senat die Erlaubniß erbeten und erhalten hatte, am folgenden Abend dem hochgeehrten Curator der Universität eine Fackelmusik zu bringen, so fand sich derselbe bewogen, Sonnabend hier noch zu verweilen, um diese Ehrenbezeugung in Empfang zu nehmen. Es war auch Alles zu dieser Feierlichkeit angeordnet, Musikchöre bestellt, Fackeln noch vorräthig von dem Blumenbach'schen Begräbniß her, der Tag heiter und ohne Sturm, allein leider fand sich während des Sonnabends, daß die übrigen Studirenden sich dem Unternehmen nicht anschließen wollten, und so unterblieb denn dasselbe, obgleich sich mehrere Bürger erboten haben sollen, Fackeln mitzutragen. Da jedoch das Musikchor des hier stationirenden Infanterieregiments so wie der Stadtmusikus bestellt waren, so wurde dem Curator eine Nachtmusik gebracht, die auch ohne jeglichen Auflauf noch Ruhestörung vor sich ging, obgleich man so etwas besorgt haben mußte, da beinahe eben so viel Polizei thätig war, als Zuschauer gegenwärtig. Ein Vivat wurde nicht gebracht, nicht einmal der Versuch dazu gemacht. (Se. Excellenz reiste gestern Morgen in aller Frühe von hier ab.) Dagegen wurde am gestrigen Abend dem Hrn. Professor Kraut und dem Hofrath Ritter, welche sich der Theilnahme an den Wahlen enthalten, ein Vivat gebracht. Weitere Vivats und Unruhen, die auf der Allee beabsichtigt gewesen seyn sollen, wurden durch die Dazwischenkunft der Landgendarmen verhindert. Consistorialrath Lücke wurde in seinem Auditorium mit stürmischem Beifall empfangen. – Auch Mühlenbruch, der sich auf das ehrenwertheste bei der Wahlverhandlung benommen haben soll, war dem Vernehmen nach ein Vivat zugedacht. Rußland. Die Kölner Zeitung berichtet: Aus Warschau ist die Nachricht eingegangen, daß der Kaiser von Rußland dem gegenwärtig dort anwesenden John Cockerill ein in der Nähe besagter Stadt gelegenes Krongut, bestehend in einer beträchtlichen Fabrik, geschenkt hat. Obschon die dabei befindlichen Bauwerkstätten schon bedeutend sind, so sollen sie noch namhaft vermehrt werden, wozu die Capitalien ebenfalls hergegeben sind. Zum technischen Director dieser Werkstätten hat Cockerill einen erfahrenen Techniker aus Köln, Lautz, ernannt, und demselben 600 Arbeiter untergeben. Oesterreich. _ Wien, 24 Febr. Das von mir kürzlich als unrichtig bezeichnete Gerücht von der Abberufung des russischen Botschafters scheint seine Entstehung dem Umstande zu verdanken, daß Hr. v. Tatitscheff selbst den Wunsch geäußert hatte, er möchte abberufen werden. Dieser ausgezeichnete Diplomat soll sich in seinen ziemlich vorgerückten Jahren nach einem ruhigeren Posten im Inlande sehnen, und dieß dem Kaiser Nikolaus dringend ans Herz gelegt haben. So sind die Suppositionen über seinen muthmaßlichen Nachfolger, wofür wirklich Graf Tschernitscheff, so wie Graf Woronzoff, Generalgouverneur von Neu-Rußland und Bessarabien, genannt werden, entstanden. Indessen scheint eine Entscheidung in dieser Angelegenheit noch nicht erfolgt zu seyn. – Se. Maj. der König von Sachsen soll am 1 März hier eintreffen. – Der Carneval nähert sich, so weit er die höhern Gesellschaftskreise berührt, in ungewöhnlicher Stille seinem Ende. Aegypten. _ Alexandria, 5 Febr. Am 31 Jan. kam das französische Kriegsdampfboot Acheron von Marseille hier an. Da es direct aus Frankreich kam und nur zwei Tage in Malta wegen schlechten Wetters blieb, glaubte man allgemein, es habe ungemein wichtige Depeschen mitgebracht. Dem scheint nach guten Erkundigungen nicht so zu seyn; sein Zweck ist vielmehr eine militärische Promenade über Malta gewesen, um zu sehen, was dort vorgeht, und dem Pascha hierüber Benachrichtigungen zu bringen. Seine Erscheinung brachte übrigens eine unglaubliche Bewegung unter den in Alexandria wohnenden Europäern hervor, denn da man hier täglich auf eine Blokade und selbst ein Bombardement von englischer Seite gefaßt ist, und diese als gewiß angenommene Aussicht die Imagination eines jeden hier Angesessenen in die lebhafteste Aufregung versetzt, so kann man sich denken, wie sehr jedes auch noch so geringfügige Ereigniß, wozu hier vor Allem die Ankunft von Kriegsfahrzeugen gehört, gedreht und gedeutet wird. Die Ernennung eines zweiten Kapudan Pascha's und die des Viceadmirals Mustapha Pascha, der mit der Flotte hier ankam und auch natürlich hier blieb, zu seinem Kaimakam, hat bis jetzt die Wirkung gehabt, daß sich Achmed Pascha seitdem noch weit mehr von allen Geschäften zurückzog als es früher der Fall war. Die türkische Flotte steht überhaupt wenig mehr unter den zu ihr gehörigen türkischen Officieren; Mehemed Ali bestimmt und befiehlt Alles, der Dienst wird auf ägyptische Weise versehen, und die Vertheilung der Matrosen und Officiere wird, seitdem nun Alles wirklich ägyptisch gekleidet ist, und man auch das Letzte, was an Stambul erinnert, abgelegt hat, von morgen an vor sich gehen. Auf diese Weise ist denn die Flotte als Mehemed Ali völlig anheimgefallen zu betrachten; nur mit Gewalt wird man sie ihm wieder nehmen können.

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 60. Augsburg, 29. Februar 1840, S. 0480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_060_18400229/8>, abgerufen am 26.04.2024.