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Allgemeine Zeitung. Nr. 69. Augsburg, 9. März 1840.

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Die englische Expedition auf dem Niger.

(Zweiter Artikel.)

Der Plan, den Lord John Russell angekündigt hat, eine Expedition von Dampfbooten den Niger hinauf zu schicken, um Handelscomptoirs zu bilden, in der Hoffnung, dem Sklavenhandel durch Civilisation der Neger und durch Befriedigung ihrer Bedürfnisse auf dem Wege des Handels mit Producten ihrer Arbeit die Wurzel abzuschneiden, ist eigentlich die Idee von F. Buxton, dem bekannten Abolitionisten. Nachdem er im letzten Jahr in seinem Werk über den Sklavenhandel zu Jedermanns Genügen bewiesen hatte, daß alle bisherigen Maaßregeln zur Unterdrückung desselben zu nichts geführt hatten, als ihn zerstörender und grausamer zu machen, kündigte er am Schluß desselben an, daß er ein Mittel ausgesonnen habe, das ihm ein Ende machen könne. Er ließ seinen Plan unter dem Titel "the remedy" drucken. Das Buch wurde nicht verkauft, sondern nur an seine Freunde vertheilt, doch war sein Plan allgemein bekannt geworden. Es ist ganz derselbe, den jetzt Lord J. Russell durch das Gouvernement ausführen oder wenigstens vorbereiten lassen will. Denn da der Plan nicht in Stiftung von Colonien, noch in Uebernehmung von Souveränetät irgend einer Art und irgend eines Landstrichs besteht, so muß seine Ausführung Gesellschaften überlassen bleiben. Buxton hat daher auch die Bildung einer Handelsgesellschaft und die einer Ackerbaugesellschaft vorgeschlagen, und die Regierung kann nichts thun, als Verträge mit afrikanischen Fürsten abschließen, wodurch sie die Sicherheit des Handels und die Abschaffung der Sklaverei in den Gebieten dieser Chefs stipulirte. Die Schwierigkeiten der Sache springen bei dem ersten Blick in die Augen. Afrika ist durch Sklavenhandel demoralisirt, und es gehört gerade die Civilisation, welche man erst hervorbringen will, schon dazu, um den halbwilden Stämmen begreiflich zu machen, daß es ihnen leichter und vortheilhafter wäre, sich europäische Waaren durch Arbeit als durch Sklavenraub zu verschaffen. Dazu kommt die Ungesundheit des Klima's für Europäer - und doch müßte der Handel durch europäische Agenten getrieben werden - die unermeßliche Ausdehnung von Afrika, das eine Anzahl von Comptoirs erforderte, welche der Handel in dem gegenwärtigen Culturzustande des Landes gar nicht beschäftigen könnte. Dennoch ist es eine schöne und humane Idee, welche der englischen Regierung große Ehre macht, und wenn sie auch ihren Zweck nicht in der Ausdehnung, in der er gefaßt worden ist, erreicht, so ist doch wahrscheinlich, daß sie theilweise und in Verbindung mit andern Maaßregeln viel Gutes leisten kann. Es ist nämlich keineswegs hinreichend, zu versuchen, die Zufuhr von Sklaven an die Küste zu erschweren, da dieß nur ihren Preis erhöhen und daher den Sklavenhändlern im Innern einen neuen Impuls geben würde, denn der Preis der Sklaven in Cuba, Texas und Brasilien ist so hoch, daß er eine beträchtliche Erhöhung des Ankaufspreises an der afrikanischen Küste zuläßt; daher die gegenwärtige unerhörte Ausdehnung dieses Handels, trotz der häufigen Confiscationen durch englische Kriegsschiffe. Frankreich hat zwar das gegenseitige Visitationsrecht zugestanden, allein da seit 1830 die französische Flagge nicht mehr zum Sklavenhandel dient, so ist dieß von geringer Wichtigkeit, während man in den Unterhandlungen mit Nordamerika, Brasilien, Portugal und Spanien wenig Fortschritte gemacht hat. Die nicht unbilligen, aber sehr gewaltsamen Maaßregeln, welche man gegen Portugal genommen hat, sind auf dem Punkt, zu einem gänzlichen Bruch mit diesem Staat zu führen. Kurz, die ganze Sache in jeder Richtung und Beziehung ist voll Schwierigkeiten.

Der beste Plan, den man bis jetzt zur Abschaffung des Sklavenhandels und sogar der Sklaverei in Amerika gemacht hat, ist der der brittischen Association für Ostindien, durch Beförderung der ähnlichen Producte in Indien die Cultur von Zucker, Kaffee und Baumwolle durch Sklaven zu ruiniren; denn es liegt am Tage, daß, wenn die Producte der freien Cultur in Indien wohlfeiler auf die europäischen Märkte geliefert würden, als sie der Sklavenbesitzer produciren kann, das ganze System fallen muß, und dieses Ereigniß ist keineswegs unmöglich. Dazu gehört freilich die völlige Abschaffung aller noch übrigen Restrictionen auf den indischen Handel, aber diese ist trotz der Einwendungen des Finanzministers sehr nahe. Die Petition der Compagnie wird einer Committee der beiden Häuser übergeben werden, und wenn auch die Minister bei der Finanzverlegenheit es dahin bringen, die Sache noch um ein Jahr hinauszuziehen, so ist nicht zu zweifeln, daß in der nächsten Session die Herabsetzung des Zuckerzolls auf die Präsidentschaften Bombay und Madras, die des Kaffeezolls auf Mysore, die des Zolls auf Rum auf ganz Indien ausgedehnt werden wird. Die Quäker haben vollkommen eingesehen, daß der Streit über Sklaverei von Indien aus entschieden werden wird, und bei ihrer charakteristischen Beharrlichkeit werden sie auch durchsetzen, daß der Staat und die Compagnie wenigstens das Ihrige dazu thun müssen. Die Maaßregel der in Afrika zu errichtenden Comptoirs wird vielleicht etwas zu frühe genommen, aber es ist doch der Mühe werth, sie zu versuchen, und besonders darin zu beharren. Buxton selbst sagt darüber: "Ich weiß wohl, daß es ein Fall ist, wo wir unter Umständen handeln müssen, die uns entmuthigen könnten, besonders wegen unserer großen Unwissenheit über den moralischen und physischen Zustand von Afrika. In jeder andern Angelegenheit wäre diese Unwissenheit ein Grund zu zögern, allein der Zustand von Afrika erlaubt keinen Aufschub. Ich bin nicht sanguinisch genug zu hoffen, daß wir durch Eine Anstrengung das vor uns liegende Problem lösen können, und die Befreiung von Afrika wird unsere Geduld und Beharrlichkeit auf eine ungewöhnliche Probe stellen. Wir müssen uns auf große und fortdauernde Ausgaben, auf beharrliche Arbeit und oft getäuschte Hoffnungen gefaßt machen." Es ist eine in der Geschichte seltene Erscheinung zu sehen, daß ein Staat mit so großen Opfern einen uneigennützigen Zweck unter den verschiedensten Schicksalen zu verfolgen fortfährt, wie England die Abschaffung der Sklaverei in der Welt. Die Colonie der befreiten Neger in Sierra Leone hat England nahe an 20 Millionen Pfd. St. gekostet, die Loskaufung seiner eigenen Sklaven eben so viel, und hat seinen Handel mit Westindien vermindert und seine Existenz in Gefahr gesetzt. Was die Folgen der neuen Unternehmung seyn werden, und welche Opfer sie erfordern wird, ist gar nicht vorauszusehen, aber man kann nicht anders, als sich darüber freuen und ihr alles Gedeihen wünschen.

Die gegenwärtige Krisis von Frankreich.

(Zweiter Artikel.)

Die erste Ursache der neuen französischen Krisis fanden wir darin, daß der Juliusthron, aus Verkennung oder Mißachtung seines Verhältnisses zu der vorherrschenden französischen

Die englische Expedition auf dem Niger.

(Zweiter Artikel.)

Der Plan, den Lord John Russell angekündigt hat, eine Expedition von Dampfbooten den Niger hinauf zu schicken, um Handelscomptoirs zu bilden, in der Hoffnung, dem Sklavenhandel durch Civilisation der Neger und durch Befriedigung ihrer Bedürfnisse auf dem Wege des Handels mit Producten ihrer Arbeit die Wurzel abzuschneiden, ist eigentlich die Idee von F. Buxton, dem bekannten Abolitionisten. Nachdem er im letzten Jahr in seinem Werk über den Sklavenhandel zu Jedermanns Genügen bewiesen hatte, daß alle bisherigen Maaßregeln zur Unterdrückung desselben zu nichts geführt hatten, als ihn zerstörender und grausamer zu machen, kündigte er am Schluß desselben an, daß er ein Mittel ausgesonnen habe, das ihm ein Ende machen könne. Er ließ seinen Plan unter dem Titel „the remedy“ drucken. Das Buch wurde nicht verkauft, sondern nur an seine Freunde vertheilt, doch war sein Plan allgemein bekannt geworden. Es ist ganz derselbe, den jetzt Lord J. Russell durch das Gouvernement ausführen oder wenigstens vorbereiten lassen will. Denn da der Plan nicht in Stiftung von Colonien, noch in Uebernehmung von Souveränetät irgend einer Art und irgend eines Landstrichs besteht, so muß seine Ausführung Gesellschaften überlassen bleiben. Buxton hat daher auch die Bildung einer Handelsgesellschaft und die einer Ackerbaugesellschaft vorgeschlagen, und die Regierung kann nichts thun, als Verträge mit afrikanischen Fürsten abschließen, wodurch sie die Sicherheit des Handels und die Abschaffung der Sklaverei in den Gebieten dieser Chefs stipulirte. Die Schwierigkeiten der Sache springen bei dem ersten Blick in die Augen. Afrika ist durch Sklavenhandel demoralisirt, und es gehört gerade die Civilisation, welche man erst hervorbringen will, schon dazu, um den halbwilden Stämmen begreiflich zu machen, daß es ihnen leichter und vortheilhafter wäre, sich europäische Waaren durch Arbeit als durch Sklavenraub zu verschaffen. Dazu kommt die Ungesundheit des Klima's für Europäer – und doch müßte der Handel durch europäische Agenten getrieben werden – die unermeßliche Ausdehnung von Afrika, das eine Anzahl von Comptoirs erforderte, welche der Handel in dem gegenwärtigen Culturzustande des Landes gar nicht beschäftigen könnte. Dennoch ist es eine schöne und humane Idee, welche der englischen Regierung große Ehre macht, und wenn sie auch ihren Zweck nicht in der Ausdehnung, in der er gefaßt worden ist, erreicht, so ist doch wahrscheinlich, daß sie theilweise und in Verbindung mit andern Maaßregeln viel Gutes leisten kann. Es ist nämlich keineswegs hinreichend, zu versuchen, die Zufuhr von Sklaven an die Küste zu erschweren, da dieß nur ihren Preis erhöhen und daher den Sklavenhändlern im Innern einen neuen Impuls geben würde, denn der Preis der Sklaven in Cuba, Texas und Brasilien ist so hoch, daß er eine beträchtliche Erhöhung des Ankaufspreises an der afrikanischen Küste zuläßt; daher die gegenwärtige unerhörte Ausdehnung dieses Handels, trotz der häufigen Confiscationen durch englische Kriegsschiffe. Frankreich hat zwar das gegenseitige Visitationsrecht zugestanden, allein da seit 1830 die französische Flagge nicht mehr zum Sklavenhandel dient, so ist dieß von geringer Wichtigkeit, während man in den Unterhandlungen mit Nordamerika, Brasilien, Portugal und Spanien wenig Fortschritte gemacht hat. Die nicht unbilligen, aber sehr gewaltsamen Maaßregeln, welche man gegen Portugal genommen hat, sind auf dem Punkt, zu einem gänzlichen Bruch mit diesem Staat zu führen. Kurz, die ganze Sache in jeder Richtung und Beziehung ist voll Schwierigkeiten.

Der beste Plan, den man bis jetzt zur Abschaffung des Sklavenhandels und sogar der Sklaverei in Amerika gemacht hat, ist der der brittischen Association für Ostindien, durch Beförderung der ähnlichen Producte in Indien die Cultur von Zucker, Kaffee und Baumwolle durch Sklaven zu ruiniren; denn es liegt am Tage, daß, wenn die Producte der freien Cultur in Indien wohlfeiler auf die europäischen Märkte geliefert würden, als sie der Sklavenbesitzer produciren kann, das ganze System fallen muß, und dieses Ereigniß ist keineswegs unmöglich. Dazu gehört freilich die völlige Abschaffung aller noch übrigen Restrictionen auf den indischen Handel, aber diese ist trotz der Einwendungen des Finanzministers sehr nahe. Die Petition der Compagnie wird einer Committee der beiden Häuser übergeben werden, und wenn auch die Minister bei der Finanzverlegenheit es dahin bringen, die Sache noch um ein Jahr hinauszuziehen, so ist nicht zu zweifeln, daß in der nächsten Session die Herabsetzung des Zuckerzolls auf die Präsidentschaften Bombay und Madras, die des Kaffeezolls auf Mysore, die des Zolls auf Rum auf ganz Indien ausgedehnt werden wird. Die Quäker haben vollkommen eingesehen, daß der Streit über Sklaverei von Indien aus entschieden werden wird, und bei ihrer charakteristischen Beharrlichkeit werden sie auch durchsetzen, daß der Staat und die Compagnie wenigstens das Ihrige dazu thun müssen. Die Maaßregel der in Afrika zu errichtenden Comptoirs wird vielleicht etwas zu frühe genommen, aber es ist doch der Mühe werth, sie zu versuchen, und besonders darin zu beharren. Buxton selbst sagt darüber: „Ich weiß wohl, daß es ein Fall ist, wo wir unter Umständen handeln müssen, die uns entmuthigen könnten, besonders wegen unserer großen Unwissenheit über den moralischen und physischen Zustand von Afrika. In jeder andern Angelegenheit wäre diese Unwissenheit ein Grund zu zögern, allein der Zustand von Afrika erlaubt keinen Aufschub. Ich bin nicht sanguinisch genug zu hoffen, daß wir durch Eine Anstrengung das vor uns liegende Problem lösen können, und die Befreiung von Afrika wird unsere Geduld und Beharrlichkeit auf eine ungewöhnliche Probe stellen. Wir müssen uns auf große und fortdauernde Ausgaben, auf beharrliche Arbeit und oft getäuschte Hoffnungen gefaßt machen.“ Es ist eine in der Geschichte seltene Erscheinung zu sehen, daß ein Staat mit so großen Opfern einen uneigennützigen Zweck unter den verschiedensten Schicksalen zu verfolgen fortfährt, wie England die Abschaffung der Sklaverei in der Welt. Die Colonie der befreiten Neger in Sierra Leone hat England nahe an 20 Millionen Pfd. St. gekostet, die Loskaufung seiner eigenen Sklaven eben so viel, und hat seinen Handel mit Westindien vermindert und seine Existenz in Gefahr gesetzt. Was die Folgen der neuen Unternehmung seyn werden, und welche Opfer sie erfordern wird, ist gar nicht vorauszusehen, aber man kann nicht anders, als sich darüber freuen und ihr alles Gedeihen wünschen.

Die gegenwärtige Krisis von Frankreich.

(Zweiter Artikel.)

Die erste Ursache der neuen französischen Krisis fanden wir darin, daß der Juliusthron, aus Verkennung oder Mißachtung seines Verhältnisses zu der vorherrschenden französischen

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[0545/0009] Die englische Expedition auf dem Niger. (Zweiter Artikel.) _ London, 26 Febr. Der Plan, den Lord John Russell angekündigt hat, eine Expedition von Dampfbooten den Niger hinauf zu schicken, um Handelscomptoirs zu bilden, in der Hoffnung, dem Sklavenhandel durch Civilisation der Neger und durch Befriedigung ihrer Bedürfnisse auf dem Wege des Handels mit Producten ihrer Arbeit die Wurzel abzuschneiden, ist eigentlich die Idee von F. Buxton, dem bekannten Abolitionisten. Nachdem er im letzten Jahr in seinem Werk über den Sklavenhandel zu Jedermanns Genügen bewiesen hatte, daß alle bisherigen Maaßregeln zur Unterdrückung desselben zu nichts geführt hatten, als ihn zerstörender und grausamer zu machen, kündigte er am Schluß desselben an, daß er ein Mittel ausgesonnen habe, das ihm ein Ende machen könne. Er ließ seinen Plan unter dem Titel „the remedy“ drucken. Das Buch wurde nicht verkauft, sondern nur an seine Freunde vertheilt, doch war sein Plan allgemein bekannt geworden. Es ist ganz derselbe, den jetzt Lord J. Russell durch das Gouvernement ausführen oder wenigstens vorbereiten lassen will. Denn da der Plan nicht in Stiftung von Colonien, noch in Uebernehmung von Souveränetät irgend einer Art und irgend eines Landstrichs besteht, so muß seine Ausführung Gesellschaften überlassen bleiben. Buxton hat daher auch die Bildung einer Handelsgesellschaft und die einer Ackerbaugesellschaft vorgeschlagen, und die Regierung kann nichts thun, als Verträge mit afrikanischen Fürsten abschließen, wodurch sie die Sicherheit des Handels und die Abschaffung der Sklaverei in den Gebieten dieser Chefs stipulirte. Die Schwierigkeiten der Sache springen bei dem ersten Blick in die Augen. Afrika ist durch Sklavenhandel demoralisirt, und es gehört gerade die Civilisation, welche man erst hervorbringen will, schon dazu, um den halbwilden Stämmen begreiflich zu machen, daß es ihnen leichter und vortheilhafter wäre, sich europäische Waaren durch Arbeit als durch Sklavenraub zu verschaffen. Dazu kommt die Ungesundheit des Klima's für Europäer – und doch müßte der Handel durch europäische Agenten getrieben werden – die unermeßliche Ausdehnung von Afrika, das eine Anzahl von Comptoirs erforderte, welche der Handel in dem gegenwärtigen Culturzustande des Landes gar nicht beschäftigen könnte. Dennoch ist es eine schöne und humane Idee, welche der englischen Regierung große Ehre macht, und wenn sie auch ihren Zweck nicht in der Ausdehnung, in der er gefaßt worden ist, erreicht, so ist doch wahrscheinlich, daß sie theilweise und in Verbindung mit andern Maaßregeln viel Gutes leisten kann. Es ist nämlich keineswegs hinreichend, zu versuchen, die Zufuhr von Sklaven an die Küste zu erschweren, da dieß nur ihren Preis erhöhen und daher den Sklavenhändlern im Innern einen neuen Impuls geben würde, denn der Preis der Sklaven in Cuba, Texas und Brasilien ist so hoch, daß er eine beträchtliche Erhöhung des Ankaufspreises an der afrikanischen Küste zuläßt; daher die gegenwärtige unerhörte Ausdehnung dieses Handels, trotz der häufigen Confiscationen durch englische Kriegsschiffe. Frankreich hat zwar das gegenseitige Visitationsrecht zugestanden, allein da seit 1830 die französische Flagge nicht mehr zum Sklavenhandel dient, so ist dieß von geringer Wichtigkeit, während man in den Unterhandlungen mit Nordamerika, Brasilien, Portugal und Spanien wenig Fortschritte gemacht hat. Die nicht unbilligen, aber sehr gewaltsamen Maaßregeln, welche man gegen Portugal genommen hat, sind auf dem Punkt, zu einem gänzlichen Bruch mit diesem Staat zu führen. Kurz, die ganze Sache in jeder Richtung und Beziehung ist voll Schwierigkeiten. Der beste Plan, den man bis jetzt zur Abschaffung des Sklavenhandels und sogar der Sklaverei in Amerika gemacht hat, ist der der brittischen Association für Ostindien, durch Beförderung der ähnlichen Producte in Indien die Cultur von Zucker, Kaffee und Baumwolle durch Sklaven zu ruiniren; denn es liegt am Tage, daß, wenn die Producte der freien Cultur in Indien wohlfeiler auf die europäischen Märkte geliefert würden, als sie der Sklavenbesitzer produciren kann, das ganze System fallen muß, und dieses Ereigniß ist keineswegs unmöglich. Dazu gehört freilich die völlige Abschaffung aller noch übrigen Restrictionen auf den indischen Handel, aber diese ist trotz der Einwendungen des Finanzministers sehr nahe. Die Petition der Compagnie wird einer Committee der beiden Häuser übergeben werden, und wenn auch die Minister bei der Finanzverlegenheit es dahin bringen, die Sache noch um ein Jahr hinauszuziehen, so ist nicht zu zweifeln, daß in der nächsten Session die Herabsetzung des Zuckerzolls auf die Präsidentschaften Bombay und Madras, die des Kaffeezolls auf Mysore, die des Zolls auf Rum auf ganz Indien ausgedehnt werden wird. Die Quäker haben vollkommen eingesehen, daß der Streit über Sklaverei von Indien aus entschieden werden wird, und bei ihrer charakteristischen Beharrlichkeit werden sie auch durchsetzen, daß der Staat und die Compagnie wenigstens das Ihrige dazu thun müssen. Die Maaßregel der in Afrika zu errichtenden Comptoirs wird vielleicht etwas zu frühe genommen, aber es ist doch der Mühe werth, sie zu versuchen, und besonders darin zu beharren. Buxton selbst sagt darüber: „Ich weiß wohl, daß es ein Fall ist, wo wir unter Umständen handeln müssen, die uns entmuthigen könnten, besonders wegen unserer großen Unwissenheit über den moralischen und physischen Zustand von Afrika. In jeder andern Angelegenheit wäre diese Unwissenheit ein Grund zu zögern, allein der Zustand von Afrika erlaubt keinen Aufschub. Ich bin nicht sanguinisch genug zu hoffen, daß wir durch Eine Anstrengung das vor uns liegende Problem lösen können, und die Befreiung von Afrika wird unsere Geduld und Beharrlichkeit auf eine ungewöhnliche Probe stellen. Wir müssen uns auf große und fortdauernde Ausgaben, auf beharrliche Arbeit und oft getäuschte Hoffnungen gefaßt machen.“ Es ist eine in der Geschichte seltene Erscheinung zu sehen, daß ein Staat mit so großen Opfern einen uneigennützigen Zweck unter den verschiedensten Schicksalen zu verfolgen fortfährt, wie England die Abschaffung der Sklaverei in der Welt. Die Colonie der befreiten Neger in Sierra Leone hat England nahe an 20 Millionen Pfd. St. gekostet, die Loskaufung seiner eigenen Sklaven eben so viel, und hat seinen Handel mit Westindien vermindert und seine Existenz in Gefahr gesetzt. Was die Folgen der neuen Unternehmung seyn werden, und welche Opfer sie erfordern wird, ist gar nicht vorauszusehen, aber man kann nicht anders, als sich darüber freuen und ihr alles Gedeihen wünschen. Die gegenwärtige Krisis von Frankreich. (Zweiter Artikel.) Die erste Ursache der neuen französischen Krisis fanden wir darin, daß der Juliusthron, aus Verkennung oder Mißachtung seines Verhältnisses zu der vorherrschenden französischen

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 69. Augsburg, 9. März 1840, S. 0545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_069_18400309/9>, abgerufen am 28.04.2024.