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Allgemeine Zeitung. Nr. 92. Augsburg, 1. April 1840.

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Umstand, daß neben den großen Talenten der Lieutenants vollkommene Ergebenheit gegen den Chef besteht. Dieß ist kein Cabinet, wovon jedes Mitglied unter dem Vorwand, Vater Noah zu decken, sich das Ansehen des Führers geben will. Das überwiegende Talent des Chefs ist eine Thatsache, die Jedermann weiß. Sich einem solchen Talent anzuschließen oder zu subordiniren, ist ehrenvoll und darf offen anerkannt werden. Beide, Remusat und Jaubert, haben dieß auch unumwunden gethan, und letzterer hat ausdrücklich erklärt, daß die im Cabinet bestehende Einheit ihm die Hoffnung auf lange Lebensdauer und kräftige Wirksamkeit einflöße. Verstärkt wird die moralische Kraft des Cabinets durch die Talente der früheren dynastischen Opposition. Mauguin und Berryer selbst werden ihm zur Seite stehen, in so weit es gilt, das Terraiu der parlamentarischen Regierung zu behaupten. Auf der andern Seite, welche Kleinlichkeit, welcher Egoismus, welche Parteisucht, welche Armuth an Geist und Talent hat sich in diesen Tagen im Centrum ans Licht gestellt! Diese Uebel grassirten dort in so hohem Grad, daß selbst ein sonst geistreicher Mann, Lamartine, sich kaum über Hrn. Fulchiron erhob. Der Triumph des Führers der legitimistischen Partei, die sonst nicht an Triumphe gewohnt ist, die aber dießmal unter Berryer einen noblen Standpunkt einnahm, war eigentlich zerknirschend für die Kämpen der alten richtigen Mitte. Von diesen werden voraussichtlich höchstens 50 bis 60 in der Opposition verharren, die andern werden unverweilt zum Ministerium herüberkommen. Wie gesagt, die Ratten verlassen ein sinkendes Schiff.

Belgien.

Die Frage, ob ein neues Ministerium das bisherige ersetzen wird, schwebt fortwährend in Ungewißheit, wodurch die Vermuthung, daß der König die Dimission des letztern nicht annehmen werde, täglich mehr an Wahrscheinlichkeit gewinnt. Die HH. Lebeau und v. Meulenaere, früher ministerielle Notabilitäten, waren jeder einzeln bei Sr. Majestät. Es scheint aber nicht ernstlich von einem neuen Cabinette die Rede gewesen zu seyn, und keinem von beiden ist der Auftrag, ein solches zusammen zu setzen, gegeben worden. Schon sprechen die Oppositionsblätter von Komödie u. s. w.; die Schwierigkeit liegt aber in der quasi-Unmöglichkeit, ein Ministerium zu Stande zu bringen, das eine breitere Grundlage in beiden Kammern hätte als das bisherige; und sich in eine Reihe von Schwankungen und Versuchen einzulassen, wie wir sie in Frankreich sehen, dazu ist, mit Recht, der König wenig geneigt. Es begreift sich daher sehr wohl, wie man, von der letzten, ihrer Natur nach exceptionellen Abstimmung der Repräsentantenkammer absehend, sich daran erinnert, daß das Ministerium sonst in den wichtigsten Fragen immer eine bedeutende Majorität seit Anfang der Session auf seiner Seite gehabt, und auf ein Mittel sinnt, den Nachtheil, den ihm die gedachte Abstimmung zugefügt, wieder gut zu machen. Schon sind von vielen Gliedern Schritte beim König geschehen, um ihre Mitwirkung hiezu anzubieten.

Italien.

Die Noten, welche in Betreff der Schwefelfrage von Seite Englands an unsere Regierung ergangen sind, haben eine große Thätigkeit veranlaßt. In einem gestern gehaltenen außerordentlichen Staatsrath soll beschlossen worden seyn, daß eine Commission nach England geschickt werden solle, um diese Angelegenheit zu betreiben, und Mittel zu einer gegenseitigen Verständigung zu suchen. - Fürst Cassaro, Minister der auswärtigen Angelegenheiten, hat gestern als solcher seine Entlassung eingereicht; diese wurde aber von Sr. Maj. nicht angenommen. - Kraft eines gestern erschienenen Tagsbefehls werden die früher bei Capua beabsichtigten Frühjahrs-Manöuvres nunmehr in der Nähe von Messina stattfinden; alle Linienregimenter, so wie die Schweizer, haben Befehl erhalten, sich marschfertig zu halten. Mittlerweile herrscht noch eine allgemeine Spannung, die den Geschäften sehr hinderlich ist, wenn gleich die Rente wieder auf 104 1/2 gestiegen. Der österreichische Gesandte hat eine lange Unterredung mit Sr. Maj. dem König gehabt, um ihn zu bewegen, die Sache mit England in Güte abzumachen. - Nachschrift. Fürst Cassaro bestand auf seiner Dimission, und es wurde demzufolge heute das Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten dem Fürsten Scilla-Ruffo von Sr. Maj. übergeben. Fürst Castelcicala und einer unserer ersten Advocaten, Hr. C. Cacace, werden morgen, mit Vollmachten versehen, nach London abreisen. - Die berühmte Sängerin Francillo-Pixis erhielt am Abend ihrer Benefizvorstellung in Palermo eine massivgoldene Lorbeerkrone mit Edelsteinen besetzt, und der Aufschrift: "Dem Verdienste, die Stadt Palermo." Auch wurde ihr gestattet, solche in der Rolle der Norma am gleichen Abend aufzusetzen. Nach der Vorstellung wurde sie im Triumph von mehr als tausend Personen mit Fackeln nach Hause begleitet.

Die mit dem letzten Dampfboot von Neapel gekommenen Berichte schildern den Zustand dieser Hauptstadt als ziemlich aufgeregt. Der Grund liegt in dem Verhältnisse mit England und der durch das unglückliche Schwefelmonopol hervorgerufenen Spannung. Die Truppen waren in Bewegung, um zum Theil nach Sicilien eingeschifft zu werden; die Forts wurden mit Kanonen versehen. Es scheint, daß es in Sicilien nur wenig Impuls von außen bedürfte, um dieses Land in Aufregung zu bringen. England würde durch das nahe gelegene Malta ohne Schwierigkeit auf dasselbe einwirken können, falls ein wirkliches Zerwürfniß ausbräche. An einen solchen Ausbruch glauben indeß besonnene Personen nicht. Es wird sich wohl ein Ausweg finden, das Monopol zu beseitigen. Dieß wäre wohl bereits geschehen, wenn nicht die Monopolisten, wie natürlich, aus der Lage der Sache möglichst großen Vortheil zu ziehen suchten und ihre Forderungen hoch spannten. Die Hauptschwierigkeit liegt in dem von denselben schon aufgehäuften großen Vorrath von rohem Schwefel, den die Monopolisten nun zu dem hinaufgetriebenen Preise realisiren möchten.

Unsere letzten Berichte aus Italien sprechen von Mißhelligkeiten zwischen dem neapolitanischen und dem brittischen Hofe. Die Hauptveranlassung ist das viel besprochene Schwefelmonopol, und ein Livorneser zuverlässiger Correspondent will wissen, daß die Engländer zur Ergreifung selbst offen feindlicher Schritte entschlossen seyen.

Ein Schreiben des Semaphore aus Malta vom 16 März meldet, daß zwischen Tunis und Neapel ein naher Bruch drohe. Der Bey habe den neapolitanischen Consul aufgefordert, seine Flagge von seinem Landhaus abzunehmen, und auf dessen Weigerung einige Janitscharen abgeschickt, um die Flagge gewaltsam herabzureißen. Es werde wohl ein neapolitanisches Geschwader nach Tunis gehen, um für diese Insulte Genugthuung zu fordern.

Deutschland.

Die Thätigkeit unserer Ständeversammlung steigert sich in dem Grade, als sie dem Ende ihrer Wirksamkeit, dem 8 April, näher rückt. Die Kammer der Abgeordneten, die heute gegen 2 Uhr ihre Sitzung schloß, versammelte sich um 4 Uhr wieder zu einer Abendsitzung, die erste

Umstand, daß neben den großen Talenten der Lieutenants vollkommene Ergebenheit gegen den Chef besteht. Dieß ist kein Cabinet, wovon jedes Mitglied unter dem Vorwand, Vater Noah zu decken, sich das Ansehen des Führers geben will. Das überwiegende Talent des Chefs ist eine Thatsache, die Jedermann weiß. Sich einem solchen Talent anzuschließen oder zu subordiniren, ist ehrenvoll und darf offen anerkannt werden. Beide, Remusat und Jaubert, haben dieß auch unumwunden gethan, und letzterer hat ausdrücklich erklärt, daß die im Cabinet bestehende Einheit ihm die Hoffnung auf lange Lebensdauer und kräftige Wirksamkeit einflöße. Verstärkt wird die moralische Kraft des Cabinets durch die Talente der früheren dynastischen Opposition. Mauguin und Berryer selbst werden ihm zur Seite stehen, in so weit es gilt, das Terraiu der parlamentarischen Regierung zu behaupten. Auf der andern Seite, welche Kleinlichkeit, welcher Egoismus, welche Parteisucht, welche Armuth an Geist und Talent hat sich in diesen Tagen im Centrum ans Licht gestellt! Diese Uebel grassirten dort in so hohem Grad, daß selbst ein sonst geistreicher Mann, Lamartine, sich kaum über Hrn. Fulchiron erhob. Der Triumph des Führers der legitimistischen Partei, die sonst nicht an Triumphe gewohnt ist, die aber dießmal unter Berryer einen noblen Standpunkt einnahm, war eigentlich zerknirschend für die Kämpen der alten richtigen Mitte. Von diesen werden voraussichtlich höchstens 50 bis 60 in der Opposition verharren, die andern werden unverweilt zum Ministerium herüberkommen. Wie gesagt, die Ratten verlassen ein sinkendes Schiff.

Belgien.

Die Frage, ob ein neues Ministerium das bisherige ersetzen wird, schwebt fortwährend in Ungewißheit, wodurch die Vermuthung, daß der König die Dimission des letztern nicht annehmen werde, täglich mehr an Wahrscheinlichkeit gewinnt. Die HH. Lebeau und v. Meulenaere, früher ministerielle Notabilitäten, waren jeder einzeln bei Sr. Majestät. Es scheint aber nicht ernstlich von einem neuen Cabinette die Rede gewesen zu seyn, und keinem von beiden ist der Auftrag, ein solches zusammen zu setzen, gegeben worden. Schon sprechen die Oppositionsblätter von Komödie u. s. w.; die Schwierigkeit liegt aber in der quasi-Unmöglichkeit, ein Ministerium zu Stande zu bringen, das eine breitere Grundlage in beiden Kammern hätte als das bisherige; und sich in eine Reihe von Schwankungen und Versuchen einzulassen, wie wir sie in Frankreich sehen, dazu ist, mit Recht, der König wenig geneigt. Es begreift sich daher sehr wohl, wie man, von der letzten, ihrer Natur nach exceptionellen Abstimmung der Repräsentantenkammer absehend, sich daran erinnert, daß das Ministerium sonst in den wichtigsten Fragen immer eine bedeutende Majorität seit Anfang der Session auf seiner Seite gehabt, und auf ein Mittel sinnt, den Nachtheil, den ihm die gedachte Abstimmung zugefügt, wieder gut zu machen. Schon sind von vielen Gliedern Schritte beim König geschehen, um ihre Mitwirkung hiezu anzubieten.

Italien.

Die Noten, welche in Betreff der Schwefelfrage von Seite Englands an unsere Regierung ergangen sind, haben eine große Thätigkeit veranlaßt. In einem gestern gehaltenen außerordentlichen Staatsrath soll beschlossen worden seyn, daß eine Commission nach England geschickt werden solle, um diese Angelegenheit zu betreiben, und Mittel zu einer gegenseitigen Verständigung zu suchen. – Fürst Cassaro, Minister der auswärtigen Angelegenheiten, hat gestern als solcher seine Entlassung eingereicht; diese wurde aber von Sr. Maj. nicht angenommen. – Kraft eines gestern erschienenen Tagsbefehls werden die früher bei Capua beabsichtigten Frühjahrs-Manöuvres nunmehr in der Nähe von Messina stattfinden; alle Linienregimenter, so wie die Schweizer, haben Befehl erhalten, sich marschfertig zu halten. Mittlerweile herrscht noch eine allgemeine Spannung, die den Geschäften sehr hinderlich ist, wenn gleich die Rente wieder auf 104 1/2 gestiegen. Der österreichische Gesandte hat eine lange Unterredung mit Sr. Maj. dem König gehabt, um ihn zu bewegen, die Sache mit England in Güte abzumachen. – Nachschrift. Fürst Cassaro bestand auf seiner Dimission, und es wurde demzufolge heute das Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten dem Fürsten Scilla-Ruffo von Sr. Maj. übergeben. Fürst Castelcicala und einer unserer ersten Advocaten, Hr. C. Cacace, werden morgen, mit Vollmachten versehen, nach London abreisen. – Die berühmte Sängerin Francillo-Pixis erhielt am Abend ihrer Benefizvorstellung in Palermo eine massivgoldene Lorbeerkrone mit Edelsteinen besetzt, und der Aufschrift: „Dem Verdienste, die Stadt Palermo.“ Auch wurde ihr gestattet, solche in der Rolle der Norma am gleichen Abend aufzusetzen. Nach der Vorstellung wurde sie im Triumph von mehr als tausend Personen mit Fackeln nach Hause begleitet.

Die mit dem letzten Dampfboot von Neapel gekommenen Berichte schildern den Zustand dieser Hauptstadt als ziemlich aufgeregt. Der Grund liegt in dem Verhältnisse mit England und der durch das unglückliche Schwefelmonopol hervorgerufenen Spannung. Die Truppen waren in Bewegung, um zum Theil nach Sicilien eingeschifft zu werden; die Forts wurden mit Kanonen versehen. Es scheint, daß es in Sicilien nur wenig Impuls von außen bedürfte, um dieses Land in Aufregung zu bringen. England würde durch das nahe gelegene Malta ohne Schwierigkeit auf dasselbe einwirken können, falls ein wirkliches Zerwürfniß ausbräche. An einen solchen Ausbruch glauben indeß besonnene Personen nicht. Es wird sich wohl ein Ausweg finden, das Monopol zu beseitigen. Dieß wäre wohl bereits geschehen, wenn nicht die Monopolisten, wie natürlich, aus der Lage der Sache möglichst großen Vortheil zu ziehen suchten und ihre Forderungen hoch spannten. Die Hauptschwierigkeit liegt in dem von denselben schon aufgehäuften großen Vorrath von rohem Schwefel, den die Monopolisten nun zu dem hinaufgetriebenen Preise realisiren möchten.

Unsere letzten Berichte aus Italien sprechen von Mißhelligkeiten zwischen dem neapolitanischen und dem brittischen Hofe. Die Hauptveranlassung ist das viel besprochene Schwefelmonopol, und ein Livorneser zuverlässiger Correspondent will wissen, daß die Engländer zur Ergreifung selbst offen feindlicher Schritte entschlossen seyen.

Ein Schreiben des Sémaphore aus Malta vom 16 März meldet, daß zwischen Tunis und Neapel ein naher Bruch drohe. Der Bey habe den neapolitanischen Consul aufgefordert, seine Flagge von seinem Landhaus abzunehmen, und auf dessen Weigerung einige Janitscharen abgeschickt, um die Flagge gewaltsam herabzureißen. Es werde wohl ein neapolitanisches Geschwader nach Tunis gehen, um für diese Insulte Genugthuung zu fordern.

Deutschland.

Die Thätigkeit unserer Ständeversammlung steigert sich in dem Grade, als sie dem Ende ihrer Wirksamkeit, dem 8 April, näher rückt. Die Kammer der Abgeordneten, die heute gegen 2 Uhr ihre Sitzung schloß, versammelte sich um 4 Uhr wieder zu einer Abendsitzung, die erste

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[0733/0005] Umstand, daß neben den großen Talenten der Lieutenants vollkommene Ergebenheit gegen den Chef besteht. Dieß ist kein Cabinet, wovon jedes Mitglied unter dem Vorwand, Vater Noah zu decken, sich das Ansehen des Führers geben will. Das überwiegende Talent des Chefs ist eine Thatsache, die Jedermann weiß. Sich einem solchen Talent anzuschließen oder zu subordiniren, ist ehrenvoll und darf offen anerkannt werden. Beide, Remusat und Jaubert, haben dieß auch unumwunden gethan, und letzterer hat ausdrücklich erklärt, daß die im Cabinet bestehende Einheit ihm die Hoffnung auf lange Lebensdauer und kräftige Wirksamkeit einflöße. Verstärkt wird die moralische Kraft des Cabinets durch die Talente der früheren dynastischen Opposition. Mauguin und Berryer selbst werden ihm zur Seite stehen, in so weit es gilt, das Terraiu der parlamentarischen Regierung zu behaupten. Auf der andern Seite, welche Kleinlichkeit, welcher Egoismus, welche Parteisucht, welche Armuth an Geist und Talent hat sich in diesen Tagen im Centrum ans Licht gestellt! Diese Uebel grassirten dort in so hohem Grad, daß selbst ein sonst geistreicher Mann, Lamartine, sich kaum über Hrn. Fulchiron erhob. Der Triumph des Führers der legitimistischen Partei, die sonst nicht an Triumphe gewohnt ist, die aber dießmal unter Berryer einen noblen Standpunkt einnahm, war eigentlich zerknirschend für die Kämpen der alten richtigen Mitte. Von diesen werden voraussichtlich höchstens 50 bis 60 in der Opposition verharren, die andern werden unverweilt zum Ministerium herüberkommen. Wie gesagt, die Ratten verlassen ein sinkendes Schiff. Belgien. _ Brüssel, 24 März. Die Frage, ob ein neues Ministerium das bisherige ersetzen wird, schwebt fortwährend in Ungewißheit, wodurch die Vermuthung, daß der König die Dimission des letztern nicht annehmen werde, täglich mehr an Wahrscheinlichkeit gewinnt. Die HH. Lebeau und v. Meulenaere, früher ministerielle Notabilitäten, waren jeder einzeln bei Sr. Majestät. Es scheint aber nicht ernstlich von einem neuen Cabinette die Rede gewesen zu seyn, und keinem von beiden ist der Auftrag, ein solches zusammen zu setzen, gegeben worden. Schon sprechen die Oppositionsblätter von Komödie u. s. w.; die Schwierigkeit liegt aber in der quasi-Unmöglichkeit, ein Ministerium zu Stande zu bringen, das eine breitere Grundlage in beiden Kammern hätte als das bisherige; und sich in eine Reihe von Schwankungen und Versuchen einzulassen, wie wir sie in Frankreich sehen, dazu ist, mit Recht, der König wenig geneigt. Es begreift sich daher sehr wohl, wie man, von der letzten, ihrer Natur nach exceptionellen Abstimmung der Repräsentantenkammer absehend, sich daran erinnert, daß das Ministerium sonst in den wichtigsten Fragen immer eine bedeutende Majorität seit Anfang der Session auf seiner Seite gehabt, und auf ein Mittel sinnt, den Nachtheil, den ihm die gedachte Abstimmung zugefügt, wieder gut zu machen. Schon sind von vielen Gliedern Schritte beim König geschehen, um ihre Mitwirkung hiezu anzubieten. Italien. _ Neapel, 21 März. Die Noten, welche in Betreff der Schwefelfrage von Seite Englands an unsere Regierung ergangen sind, haben eine große Thätigkeit veranlaßt. In einem gestern gehaltenen außerordentlichen Staatsrath soll beschlossen worden seyn, daß eine Commission nach England geschickt werden solle, um diese Angelegenheit zu betreiben, und Mittel zu einer gegenseitigen Verständigung zu suchen. – Fürst Cassaro, Minister der auswärtigen Angelegenheiten, hat gestern als solcher seine Entlassung eingereicht; diese wurde aber von Sr. Maj. nicht angenommen. – Kraft eines gestern erschienenen Tagsbefehls werden die früher bei Capua beabsichtigten Frühjahrs-Manöuvres nunmehr in der Nähe von Messina stattfinden; alle Linienregimenter, so wie die Schweizer, haben Befehl erhalten, sich marschfertig zu halten. Mittlerweile herrscht noch eine allgemeine Spannung, die den Geschäften sehr hinderlich ist, wenn gleich die Rente wieder auf 104 1/2 gestiegen. Der österreichische Gesandte hat eine lange Unterredung mit Sr. Maj. dem König gehabt, um ihn zu bewegen, die Sache mit England in Güte abzumachen. – Nachschrift. Fürst Cassaro bestand auf seiner Dimission, und es wurde demzufolge heute das Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten dem Fürsten Scilla-Ruffo von Sr. Maj. übergeben. Fürst Castelcicala und einer unserer ersten Advocaten, Hr. C. Cacace, werden morgen, mit Vollmachten versehen, nach London abreisen. – Die berühmte Sängerin Francillo-Pixis erhielt am Abend ihrer Benefizvorstellung in Palermo eine massivgoldene Lorbeerkrone mit Edelsteinen besetzt, und der Aufschrift: „Dem Verdienste, die Stadt Palermo.“ Auch wurde ihr gestattet, solche in der Rolle der Norma am gleichen Abend aufzusetzen. Nach der Vorstellung wurde sie im Triumph von mehr als tausend Personen mit Fackeln nach Hause begleitet. _ Livorno, 22 März. Die mit dem letzten Dampfboot von Neapel gekommenen Berichte schildern den Zustand dieser Hauptstadt als ziemlich aufgeregt. Der Grund liegt in dem Verhältnisse mit England und der durch das unglückliche Schwefelmonopol hervorgerufenen Spannung. Die Truppen waren in Bewegung, um zum Theil nach Sicilien eingeschifft zu werden; die Forts wurden mit Kanonen versehen. Es scheint, daß es in Sicilien nur wenig Impuls von außen bedürfte, um dieses Land in Aufregung zu bringen. England würde durch das nahe gelegene Malta ohne Schwierigkeit auf dasselbe einwirken können, falls ein wirkliches Zerwürfniß ausbräche. An einen solchen Ausbruch glauben indeß besonnene Personen nicht. Es wird sich wohl ein Ausweg finden, das Monopol zu beseitigen. Dieß wäre wohl bereits geschehen, wenn nicht die Monopolisten, wie natürlich, aus der Lage der Sache möglichst großen Vortheil zu ziehen suchten und ihre Forderungen hoch spannten. Die Hauptschwierigkeit liegt in dem von denselben schon aufgehäuften großen Vorrath von rohem Schwefel, den die Monopolisten nun zu dem hinaufgetriebenen Preise realisiren möchten. _ Triest, 25 März. Unsere letzten Berichte aus Italien sprechen von Mißhelligkeiten zwischen dem neapolitanischen und dem brittischen Hofe. Die Hauptveranlassung ist das viel besprochene Schwefelmonopol, und ein Livorneser zuverlässiger Correspondent will wissen, daß die Engländer zur Ergreifung selbst offen feindlicher Schritte entschlossen seyen. Ein Schreiben des Sémaphore aus Malta vom 16 März meldet, daß zwischen Tunis und Neapel ein naher Bruch drohe. Der Bey habe den neapolitanischen Consul aufgefordert, seine Flagge von seinem Landhaus abzunehmen, und auf dessen Weigerung einige Janitscharen abgeschickt, um die Flagge gewaltsam herabzureißen. Es werde wohl ein neapolitanisches Geschwader nach Tunis gehen, um für diese Insulte Genugthuung zu fordern. Deutschland. _ München, 30 März. Die Thätigkeit unserer Ständeversammlung steigert sich in dem Grade, als sie dem Ende ihrer Wirksamkeit, dem 8 April, näher rückt. Die Kammer der Abgeordneten, die heute gegen 2 Uhr ihre Sitzung schloß, versammelte sich um 4 Uhr wieder zu einer Abendsitzung, die erste

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 92. Augsburg, 1. April 1840, S. 0733. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_092_18400401/5>, abgerufen am 27.04.2024.