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Allgemeine Zeitung. Nr. 102. Augsburg, 11. April 1840.

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Opposition jede von ihr vorgebrachte Ansicht und darauf gestützten Antrag - von denen nicht wenige auf keinem besseren Raisonnement basirt sind, als die eben erwähnten zwei Beispiele - für eine Verbesserung hält, der die Regierung nur aus obscuren und absoluten Principien ihre Zustimmung versagt, so möge Hr. v. Pulszky uns verzeihen, wenn wir diese Meinung nicht theilen. Wer sie aber gewiß theilt, ist der National, das Journal du Commerce und andere französische Blätter von gleichem Kaliber. Ja wir rathen sogar dem kleinen Hrn. Sp. in Paris, einen Artikel über Ungarn für das Commerce zu machen; er hat da ein weites Feld, über den aufgeklärten Liberalismus der Stände und über die Tyrannei der Regierung, die das Gute um jeden Preis unterdrückt, seinen gläubigen französischen Lesern erbauliche Mährchen aufzutischen!

Schweden.

Der am 21 d. zusammengetretene Opinionsnämnd, der berufen ist, eine Art von Ostracismus über die Mitglieder des höchsten Reichsgerichts zu üben - ein Institut, welches neben manchen Mängeln doch auch sein Gutes hat - sprach sein Urtheil aus, das keines der Mitglieder verdammte. Die Regierung hat darin also einen Sieg davon getragen, obwohl das Astonblad spitzig bemerkt, die Herren, welche so viele Stimmen gegen sich gehabt hätten, dürften sprechen wie Pyrrhus: "noch einen solchen Sieg und wir sind verloren." Da der Ausgang der Sache der Regierung günstig war, so wollen wir auch die Bemerkungen der Opposition über den Gang derselben hören, denn was man auch gegen dieses Institut anführen mag, so gilt der Spruch doch immer für einen gewichtigen Ausspruch in den allgemeinen Landesangelegenheiten. Im Ritterhause war ein hitziger Kampf über die Wahl der Personen, die den adeligen Antheil an dem Opinionsnämnd bilden sollten; die Regierung bot Allem auf, um ihre Anhänger wählen zu lassen, und das Ritterhaus war ungewöhnlich zahlreich versammelt, nämlich etwa 400 Mitglieder; die Auserkorenen der Opposition fielen sämmtlich durch, und man nimmt an, daß sie im Durchschnitt nur 140 Stimmen bekamen; die adeligen Mitglieder des Opinionsnämnd waren somit im Interesse des Hofs. Bei der dritten Abstimmung des Opinionsnämnd, wobei jeder die drei Mitglieder aufschreiben sollte, die seiner Ansicht nach ausgeschlossen zu werden verdienten, erhielt Graf Snoilsky 27 Stimmen gegen sich: die Opposition behauptet, nach dem Urtheil sachkundiger Leute annehmen zu können, daß diese 27 aus sämmtlichen 12 Mitgliedern des Bauernstandes, 10 des Bürgerstandes und 5 des Priesterstandes beständen, wonach keiner vom Adel dabei wäre. Hätte die Opposition im Ritterhause auch nur fünf ihrer Mitglieder durchgesetzt, so wurde Graf Snoilsky entfernt. Ist die Ansicht richtig, daß keiner vom Adel gegen Graf Snoilsky und überhaupt gegen die Mitglieder des höchsten Gerichts stimmte, und dieselbe hat allerdings viel für sich, so ist dieß für die Stellung des Adels in den bevorstehenden Verfassungsfragen entscheidend und ein sprechender Beweis über den Gehalt des Vierkammersystems; es kann, wie das Astonblad bemerkt, der Fraction des Ritterhauses die Augen öffnen, welche sich immer noch der Illusion hingibt, selbst auf diesem Reichstag bei einem Gegenstand, wo die allgemeine Meinung gegen die Regierung ist, die Mehrheit zu erhalten. Wenn es kaum einem Zweifel unterliegt, daß die Gesammtheit des Bauernstandes, die große Mehrzahl des Bürgerstandes, die Hälfte der Priesterschaft und ein starkes Drittel des Adels für eine Veränderung in der Verfassung sind, so lassen sich die Folgen kaum vorhersehen, wenn die Regierung, gestützt auf die Mehrheit des Ritterhauses, alle derartigen Forderungen von sich weisen will. Die Mitglieder der Ausschüsse, welche dem Adel angehören, sind seltsamer Weise fast nur der Opposition entnommen, wobei also die Regierung wie überrascht worden zu seyn scheint. Diese Ausschüsse fahren nun fort, im Namen der Opposition zu handeln, und haben kürzlich wieder einen Vorschlag der Regierung hinsichtlich der Ministerbesoldungen - einen Vorschlag, woran die Regierung die Annahme der Departementalverwaltung geknüpft hatte - wesentlich modificirt. Die Regierung verlangte 10,000 Rthlr. für jeden Minister, wahrscheinlich abgesehen von den Tafelgeldern. Der Staatsausschuß aber trug darauf an, die eigentliche Besoldung auf 4000 bis 4500 Rthlr. festzusetzen, und dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten 8000, dem Justizminister 5000 und den übrigen Ministern 3000 Rthlr. Tafelgelder zu bewilligen. Es fragt sich nun, ob der König dieß annehmen wird, oder ob man die Nebeneinkünfte als freie Wohnung u. dgl. so feststellt, daß die Minister dabei keinen Schaden leiden. Die Aufregung und die Theilnahme an den Vorgängen auf dem Reichstag ist hier sehr groß, und das Gespräch über Politik verschlingt alles Andere, wo die Sachen aber hinaussollen, weiß Niemand zu sagen.

Türkischer Commissionsbericht über den griechischen Patriarchen.

Nachstehendes ist der vollständige Inhalt des (in unserem vorgestrigen Blatte erwähnten) Commissionsberichtes über die Angelegenheit des griechischen Patriarchen: "Nachdem in Folge der von Sr. Exc. dem Hrn. Botschafter von England wider den griechischen Patriarchen wegen seines Benehmens gegen die ionischen Inseln erhobenen Klagen auf Befehl Sr. Hoh. durch das Justizconseil eine Commission ernannt worden war, um die ihm zur Last gelegten Thatsachen reiflich und gewissenhaft zu untersuchen, hatten sich die Mitglieder dieser Commission am Freitag, den 3 Silhedsche (7 Febr. d. J.), im Hotel Sr. Exc. Abdulkadir Bey's, Ehren-Kadiaskers von Rumelien, und Mufti des Justizconseils, versammelt, wohin sich auf die an ihn ergangene Einladung der Patriarch, in Begleitung des Logotheten, einiger Erzbischöfe und seines Secretärs, verfügt hatte. In dieser bloß vorbereitenden Sitzung wurde dem Patriarchen von dem Zweck dieser Zusammenberufung Kenntniß gegeben, und derselbe, ohne näher in die Sache einzugehen, benachrichtiget, daß selbe in einer nächsten Sitzung umständlicher untersucht werden solle. Demzufolge ist er am verflossenen Montag, den 20 des besagten Monats Silhedsche (24 Febr. d. J.), neuerdings aufgefordert worden, sich in die Mitte der bei Sr. Exc. Abdulkadir Bey versammelten Commission zu begeben, wohin er sich in Begleitung des Logotheten und des Secretärs des Patriarchats verfügte; er wurde in dieser Sitzung folgendermaßen angeredet:
""Bei unserer ersten Zusammenkunft wurden Sie in Kenntniß gesetzt, daß, nachdem Briefe und gedruckte Schriften, die zu wiederholtenmalen von Ihrer Seite an die Bewohner der ionischen Inseln gerichtet wurden, als die administrative Autorität jener Inseln verletzend betrachtet worden waren, die großbritannische Regierung Klage gegen Sie geführt hatte, diese

denke ich im Principe ganz wie Hr. v. Pulszky, was ich in den piis desideriis des weiteren aus einander setzte. Hr. v. Pulszky behauptet, die Regierung werde dazu nicht einstimmen, und ist seiner Sache gewiß. Ich glaube das Gegentheil, ohne indeß meiner Sache irgend gewiß zu seyn; ich war nur so "naiv" meine Ungewißheit einzugestehen. Ueber das, was die Regierung thun werde, weiß übrigens Hr. v. Pulszky gerade so viel als ich, d. h. er weiß nichts.


Opposition jede von ihr vorgebrachte Ansicht und darauf gestützten Antrag – von denen nicht wenige auf keinem besseren Raisonnement basirt sind, als die eben erwähnten zwei Beispiele – für eine Verbesserung hält, der die Regierung nur aus obscuren und absoluten Principien ihre Zustimmung versagt, so möge Hr. v. Pulszky uns verzeihen, wenn wir diese Meinung nicht theilen. Wer sie aber gewiß theilt, ist der National, das Journal du Commerce und andere französische Blätter von gleichem Kaliber. Ja wir rathen sogar dem kleinen Hrn. Sp. in Paris, einen Artikel über Ungarn für das Commerce zu machen; er hat da ein weites Feld, über den aufgeklärten Liberalismus der Stände und über die Tyrannei der Regierung, die das Gute um jeden Preis unterdrückt, seinen gläubigen französischen Lesern erbauliche Mährchen aufzutischen!

Schweden.

Der am 21 d. zusammengetretene Opinionsnämnd, der berufen ist, eine Art von Ostracismus über die Mitglieder des höchsten Reichsgerichts zu üben – ein Institut, welches neben manchen Mängeln doch auch sein Gutes hat – sprach sein Urtheil aus, das keines der Mitglieder verdammte. Die Regierung hat darin also einen Sieg davon getragen, obwohl das Astonblad spitzig bemerkt, die Herren, welche so viele Stimmen gegen sich gehabt hätten, dürften sprechen wie Pyrrhus: „noch einen solchen Sieg und wir sind verloren.“ Da der Ausgang der Sache der Regierung günstig war, so wollen wir auch die Bemerkungen der Opposition über den Gang derselben hören, denn was man auch gegen dieses Institut anführen mag, so gilt der Spruch doch immer für einen gewichtigen Ausspruch in den allgemeinen Landesangelegenheiten. Im Ritterhause war ein hitziger Kampf über die Wahl der Personen, die den adeligen Antheil an dem Opinionsnämnd bilden sollten; die Regierung bot Allem auf, um ihre Anhänger wählen zu lassen, und das Ritterhaus war ungewöhnlich zahlreich versammelt, nämlich etwa 400 Mitglieder; die Auserkorenen der Opposition fielen sämmtlich durch, und man nimmt an, daß sie im Durchschnitt nur 140 Stimmen bekamen; die adeligen Mitglieder des Opinionsnämnd waren somit im Interesse des Hofs. Bei der dritten Abstimmung des Opinionsnämnd, wobei jeder die drei Mitglieder aufschreiben sollte, die seiner Ansicht nach ausgeschlossen zu werden verdienten, erhielt Graf Snoilsky 27 Stimmen gegen sich: die Opposition behauptet, nach dem Urtheil sachkundiger Leute annehmen zu können, daß diese 27 aus sämmtlichen 12 Mitgliedern des Bauernstandes, 10 des Bürgerstandes und 5 des Priesterstandes beständen, wonach keiner vom Adel dabei wäre. Hätte die Opposition im Ritterhause auch nur fünf ihrer Mitglieder durchgesetzt, so wurde Graf Snoilsky entfernt. Ist die Ansicht richtig, daß keiner vom Adel gegen Graf Snoilsky und überhaupt gegen die Mitglieder des höchsten Gerichts stimmte, und dieselbe hat allerdings viel für sich, so ist dieß für die Stellung des Adels in den bevorstehenden Verfassungsfragen entscheidend und ein sprechender Beweis über den Gehalt des Vierkammersystems; es kann, wie das Astonblad bemerkt, der Fraction des Ritterhauses die Augen öffnen, welche sich immer noch der Illusion hingibt, selbst auf diesem Reichstag bei einem Gegenstand, wo die allgemeine Meinung gegen die Regierung ist, die Mehrheit zu erhalten. Wenn es kaum einem Zweifel unterliegt, daß die Gesammtheit des Bauernstandes, die große Mehrzahl des Bürgerstandes, die Hälfte der Priesterschaft und ein starkes Drittel des Adels für eine Veränderung in der Verfassung sind, so lassen sich die Folgen kaum vorhersehen, wenn die Regierung, gestützt auf die Mehrheit des Ritterhauses, alle derartigen Forderungen von sich weisen will. Die Mitglieder der Ausschüsse, welche dem Adel angehören, sind seltsamer Weise fast nur der Opposition entnommen, wobei also die Regierung wie überrascht worden zu seyn scheint. Diese Ausschüsse fahren nun fort, im Namen der Opposition zu handeln, und haben kürzlich wieder einen Vorschlag der Regierung hinsichtlich der Ministerbesoldungen – einen Vorschlag, woran die Regierung die Annahme der Departementalverwaltung geknüpft hatte – wesentlich modificirt. Die Regierung verlangte 10,000 Rthlr. für jeden Minister, wahrscheinlich abgesehen von den Tafelgeldern. Der Staatsausschuß aber trug darauf an, die eigentliche Besoldung auf 4000 bis 4500 Rthlr. festzusetzen, und dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten 8000, dem Justizminister 5000 und den übrigen Ministern 3000 Rthlr. Tafelgelder zu bewilligen. Es fragt sich nun, ob der König dieß annehmen wird, oder ob man die Nebeneinkünfte als freie Wohnung u. dgl. so feststellt, daß die Minister dabei keinen Schaden leiden. Die Aufregung und die Theilnahme an den Vorgängen auf dem Reichstag ist hier sehr groß, und das Gespräch über Politik verschlingt alles Andere, wo die Sachen aber hinaussollen, weiß Niemand zu sagen.

Türkischer Commissionsbericht über den griechischen Patriarchen.

Nachstehendes ist der vollständige Inhalt des (in unserem vorgestrigen Blatte erwähnten) Commissionsberichtes über die Angelegenheit des griechischen Patriarchen: „Nachdem in Folge der von Sr. Exc. dem Hrn. Botschafter von England wider den griechischen Patriarchen wegen seines Benehmens gegen die ionischen Inseln erhobenen Klagen auf Befehl Sr. Hoh. durch das Justizconseil eine Commission ernannt worden war, um die ihm zur Last gelegten Thatsachen reiflich und gewissenhaft zu untersuchen, hatten sich die Mitglieder dieser Commission am Freitag, den 3 Silhedsche (7 Febr. d. J.), im Hotel Sr. Exc. Abdulkadir Bey's, Ehren-Kadiaskers von Rumelien, und Mufti des Justizconseils, versammelt, wohin sich auf die an ihn ergangene Einladung der Patriarch, in Begleitung des Logotheten, einiger Erzbischöfe und seines Secretärs, verfügt hatte. In dieser bloß vorbereitenden Sitzung wurde dem Patriarchen von dem Zweck dieser Zusammenberufung Kenntniß gegeben, und derselbe, ohne näher in die Sache einzugehen, benachrichtiget, daß selbe in einer nächsten Sitzung umständlicher untersucht werden solle. Demzufolge ist er am verflossenen Montag, den 20 des besagten Monats Silhedsche (24 Febr. d. J.), neuerdings aufgefordert worden, sich in die Mitte der bei Sr. Exc. Abdulkadir Bey versammelten Commission zu begeben, wohin er sich in Begleitung des Logotheten und des Secretärs des Patriarchats verfügte; er wurde in dieser Sitzung folgendermaßen angeredet:
„„Bei unserer ersten Zusammenkunft wurden Sie in Kenntniß gesetzt, daß, nachdem Briefe und gedruckte Schriften, die zu wiederholtenmalen von Ihrer Seite an die Bewohner der ionischen Inseln gerichtet wurden, als die administrative Autorität jener Inseln verletzend betrachtet worden waren, die großbritannische Regierung Klage gegen Sie geführt hatte, diese

denke ich im Principe ganz wie Hr. v. Pulszky, was ich in den piis desideriis des weiteren aus einander setzte. Hr. v. Pulszky behauptet, die Regierung werde dazu nicht einstimmen, und ist seiner Sache gewiß. Ich glaube das Gegentheil, ohne indeß meiner Sache irgend gewiß zu seyn; ich war nur so „naiv“ meine Ungewißheit einzugestehen. Ueber das, was die Regierung thun werde, weiß übrigens Hr. v. Pulszky gerade so viel als ich, d. h. er weiß nichts.
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[0811/0011] *) Opposition jede von ihr vorgebrachte Ansicht und darauf gestützten Antrag – von denen nicht wenige auf keinem besseren Raisonnement basirt sind, als die eben erwähnten zwei Beispiele – für eine Verbesserung hält, der die Regierung nur aus obscuren und absoluten Principien ihre Zustimmung versagt, so möge Hr. v. Pulszky uns verzeihen, wenn wir diese Meinung nicht theilen. Wer sie aber gewiß theilt, ist der National, das Journal du Commerce und andere französische Blätter von gleichem Kaliber. Ja wir rathen sogar dem kleinen Hrn. Sp. in Paris, einen Artikel über Ungarn für das Commerce zu machen; er hat da ein weites Feld, über den aufgeklärten Liberalismus der Stände und über die Tyrannei der Regierung, die das Gute um jeden Preis unterdrückt, seinen gläubigen französischen Lesern erbauliche Mährchen aufzutischen! Schweden. _ Stockholm, 24 März. Der am 21 d. zusammengetretene Opinionsnämnd, der berufen ist, eine Art von Ostracismus über die Mitglieder des höchsten Reichsgerichts zu üben – ein Institut, welches neben manchen Mängeln doch auch sein Gutes hat – sprach sein Urtheil aus, das keines der Mitglieder verdammte. Die Regierung hat darin also einen Sieg davon getragen, obwohl das Astonblad spitzig bemerkt, die Herren, welche so viele Stimmen gegen sich gehabt hätten, dürften sprechen wie Pyrrhus: „noch einen solchen Sieg und wir sind verloren.“ Da der Ausgang der Sache der Regierung günstig war, so wollen wir auch die Bemerkungen der Opposition über den Gang derselben hören, denn was man auch gegen dieses Institut anführen mag, so gilt der Spruch doch immer für einen gewichtigen Ausspruch in den allgemeinen Landesangelegenheiten. Im Ritterhause war ein hitziger Kampf über die Wahl der Personen, die den adeligen Antheil an dem Opinionsnämnd bilden sollten; die Regierung bot Allem auf, um ihre Anhänger wählen zu lassen, und das Ritterhaus war ungewöhnlich zahlreich versammelt, nämlich etwa 400 Mitglieder; die Auserkorenen der Opposition fielen sämmtlich durch, und man nimmt an, daß sie im Durchschnitt nur 140 Stimmen bekamen; die adeligen Mitglieder des Opinionsnämnd waren somit im Interesse des Hofs. Bei der dritten Abstimmung des Opinionsnämnd, wobei jeder die drei Mitglieder aufschreiben sollte, die seiner Ansicht nach ausgeschlossen zu werden verdienten, erhielt Graf Snoilsky 27 Stimmen gegen sich: die Opposition behauptet, nach dem Urtheil sachkundiger Leute annehmen zu können, daß diese 27 aus sämmtlichen 12 Mitgliedern des Bauernstandes, 10 des Bürgerstandes und 5 des Priesterstandes beständen, wonach keiner vom Adel dabei wäre. Hätte die Opposition im Ritterhause auch nur fünf ihrer Mitglieder durchgesetzt, so wurde Graf Snoilsky entfernt. Ist die Ansicht richtig, daß keiner vom Adel gegen Graf Snoilsky und überhaupt gegen die Mitglieder des höchsten Gerichts stimmte, und dieselbe hat allerdings viel für sich, so ist dieß für die Stellung des Adels in den bevorstehenden Verfassungsfragen entscheidend und ein sprechender Beweis über den Gehalt des Vierkammersystems; es kann, wie das Astonblad bemerkt, der Fraction des Ritterhauses die Augen öffnen, welche sich immer noch der Illusion hingibt, selbst auf diesem Reichstag bei einem Gegenstand, wo die allgemeine Meinung gegen die Regierung ist, die Mehrheit zu erhalten. Wenn es kaum einem Zweifel unterliegt, daß die Gesammtheit des Bauernstandes, die große Mehrzahl des Bürgerstandes, die Hälfte der Priesterschaft und ein starkes Drittel des Adels für eine Veränderung in der Verfassung sind, so lassen sich die Folgen kaum vorhersehen, wenn die Regierung, gestützt auf die Mehrheit des Ritterhauses, alle derartigen Forderungen von sich weisen will. Die Mitglieder der Ausschüsse, welche dem Adel angehören, sind seltsamer Weise fast nur der Opposition entnommen, wobei also die Regierung wie überrascht worden zu seyn scheint. Diese Ausschüsse fahren nun fort, im Namen der Opposition zu handeln, und haben kürzlich wieder einen Vorschlag der Regierung hinsichtlich der Ministerbesoldungen – einen Vorschlag, woran die Regierung die Annahme der Departementalverwaltung geknüpft hatte – wesentlich modificirt. Die Regierung verlangte 10,000 Rthlr. für jeden Minister, wahrscheinlich abgesehen von den Tafelgeldern. Der Staatsausschuß aber trug darauf an, die eigentliche Besoldung auf 4000 bis 4500 Rthlr. festzusetzen, und dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten 8000, dem Justizminister 5000 und den übrigen Ministern 3000 Rthlr. Tafelgelder zu bewilligen. Es fragt sich nun, ob der König dieß annehmen wird, oder ob man die Nebeneinkünfte als freie Wohnung u. dgl. so feststellt, daß die Minister dabei keinen Schaden leiden. Die Aufregung und die Theilnahme an den Vorgängen auf dem Reichstag ist hier sehr groß, und das Gespräch über Politik verschlingt alles Andere, wo die Sachen aber hinaussollen, weiß Niemand zu sagen. Türkischer Commissionsbericht über den griechischen Patriarchen. Nachstehendes ist der vollständige Inhalt des (in unserem vorgestrigen Blatte erwähnten) Commissionsberichtes über die Angelegenheit des griechischen Patriarchen: „Nachdem in Folge der von Sr. Exc. dem Hrn. Botschafter von England wider den griechischen Patriarchen wegen seines Benehmens gegen die ionischen Inseln erhobenen Klagen auf Befehl Sr. Hoh. durch das Justizconseil eine Commission ernannt worden war, um die ihm zur Last gelegten Thatsachen reiflich und gewissenhaft zu untersuchen, hatten sich die Mitglieder dieser Commission am Freitag, den 3 Silhedsche (7 Febr. d. J.), im Hotel Sr. Exc. Abdulkadir Bey's, Ehren-Kadiaskers von Rumelien, und Mufti des Justizconseils, versammelt, wohin sich auf die an ihn ergangene Einladung der Patriarch, in Begleitung des Logotheten, einiger Erzbischöfe und seines Secretärs, verfügt hatte. In dieser bloß vorbereitenden Sitzung wurde dem Patriarchen von dem Zweck dieser Zusammenberufung Kenntniß gegeben, und derselbe, ohne näher in die Sache einzugehen, benachrichtiget, daß selbe in einer nächsten Sitzung umständlicher untersucht werden solle. Demzufolge ist er am verflossenen Montag, den 20 des besagten Monats Silhedsche (24 Febr. d. J.), neuerdings aufgefordert worden, sich in die Mitte der bei Sr. Exc. Abdulkadir Bey versammelten Commission zu begeben, wohin er sich in Begleitung des Logotheten und des Secretärs des Patriarchats verfügte; er wurde in dieser Sitzung folgendermaßen angeredet: „„Bei unserer ersten Zusammenkunft wurden Sie in Kenntniß gesetzt, daß, nachdem Briefe und gedruckte Schriften, die zu wiederholtenmalen von Ihrer Seite an die Bewohner der ionischen Inseln gerichtet wurden, als die administrative Autorität jener Inseln verletzend betrachtet worden waren, die großbritannische Regierung Klage gegen Sie geführt hatte, diese *) denke ich im Principe ganz wie Hr. v. Pulszky, was ich in den piis desideriis des weiteren aus einander setzte. Hr. v. Pulszky behauptet, die Regierung werde dazu nicht einstimmen, und ist seiner Sache gewiß. Ich glaube das Gegentheil, ohne indeß meiner Sache irgend gewiß zu seyn; ich war nur so „naiv“ meine Ungewißheit einzugestehen. 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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 102. Augsburg, 11. April 1840, S. 0811. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_102_18400411/11>, abgerufen am 04.05.2024.