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Allgemeine Zeitung. Nr. 133. Augsburg, 12. Mai 1840.

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Gesetzgeber selbst die Sache zweifelhaft lassen wird! - Abbe de Foere hat seinen alten Antrag auf Ernennung einer Commission zur Untersuchung der Lage des Handels und der Gewerbe erneuert. Er verbindet damit die Absicht, an die Stelle des bisher befolgten Systems möglichster Handelsfreiheit ein ganz anderes angebliches Protectionssystem treten zu lassen, und zu ihm hält sich eine gewisse Zahl Glieder, die ein Element der Coalition vom 14 März bildeten. Das Ministerium ist bei diesem Anlasse der Aufforderung, sich über sein System in Beziehung auf Handel und Gewerbe auszusprechen, ausgewichen, und hat sich der näheren Prüfung des de Foere'schen Antrags nicht widersetzt. Daß aber auch hier keine Uebereinstimmung der Ansichten herrscht, und die neuen Minister ungefähr wie die alten darüber denken, offenbarte sich mehrmals im Laufe der Discussion. Unter solchen Umständen darf es nicht wundern, wenn man das jetzige Ministerium nur als einen Uebergang zu einem, eine entschiedenere Farbe tragenden ansieht. Während die äußersten Liberalen hoffen, es werde ihnen den Weg bahnen, und diese Hoffnung sogar in der Kammer aussprechen, halten sich die extremen Katholiken zu derselben Erwartung berechtigt. Von den Fractionen, aus denen die Coalition vom 14 März zusammengesetzt war, sind letztere am leersten bei der Bildung des neuen Cabinets ausgegangen. Ohne sich total zu compromittiren, hätten sie sich auch nicht mit den HH. Lebeau, Rogier u. s. w., die ihnen Anträge gemacht, vereinigen können. Sie rechnen indeß auf die Möglichkeit einer Combination, worin das Uebergewicht auf ihrer Seite wäre, und beweisen eine Zuversicht, die sich leicht täuschen dürfte. Käme es übrigens auch dazu, so würde dadurch nur ein Beweis mehr geliefert werden, daß das von dem de Theux'schen Ministerium befolgte System in seinen Grundzügen nicht ohne Gefahr für das Wohl des Landes aufgegeben werden darf.

Die Repräsentantenkammer hat am 4 Mai den Amnestie-Gesetzesentwurf mit 60 Stimmen gegen 3 angenommen; vier Mitglieder, die HH. Merode, Ullens, Desmaizieres und Garcia enthielten sich des Votums.

Niederlande.

Wenn irgend etwas die Verlegenheit der Regierung, die gänzlich die Haltung verloren zu haben scheint, offenkundig darlegen konnte, so war es die durch Hrn. v. Gennep vorgestern angeblich von Seite des Königs ertheilte Erklärung, daß künftig alle und jede Geldangelegenheiten den Generalstaaten mitgetheilt werden sollten, ich sage angeblich, weil es Leute gibt, die noch an der Richtigkeit der Fassung zweifeln. Eine Erklärung muß indeß immerhin abgegeben worden seyn, und diese kann sich nur auf die Ueberzeugung gegründet haben, daß das Budget wieder von der Kammer verworfen werden würde. Wenn man übrigens glaubt, mit dieser Erklärung sey die Sache im Wesentlichen abgemacht, so möchte man sich sehr täuschen. Fürs erste ist die Offenherzigkeit erst aufs künftige Jahr versprochen, und die Kammer kann sich ihrer Stellung im Lande nach mit keinem bloßen Versprechen, welcher Art es auch seyn möge, begnügen, und am wenigsten eine Lösung aufs nächste Jahr hinausschieben. Daher auch alsbald die Frage, ob zugleich die Verantwortlichkeit der Minister versprochen sey; dieß ist der zweite Stein des Anstoßes; die Kammer muß auf diesem Punkte bestehen, denn sie ist sonst bei allen den Geldfragen, die manche Blöße darbieten, gezwungen, über die Minister hinauszugreifen, was sie unmöglich wollen kann. Sie sehen, die Frage zieht sich in immer engere Kreise zusammen, und die Regierung ist, wie ich früher bemerkte, von Geständniß zu Geständniß fortgedrängt worden, und hat endlich sich genöthigt gesehen, das Versprechen zu geben, binnen kurzer Frist mit allem und jedem herauszurücken. Aber auch diese Frist wird ihr kaum gestattet werden.

Italien.

Nach dem Sturm und den vielerlei Besorgnissen sind die Gemüther im Allgemeinen viel beruhigter, und die Geschäfte fangen wieder an, ihren frühern regelmäßigen Gang zu nehmen. Nichtsdestoweniger ist man hier sehr gespannt, auf welche Weise die Streitfrage in Paris entschieden werden wird. Der französische Gesandtschaftssecretär, Vicomte de' Haussonville, hat sich dadurch, daß er die Sache so eifrig betrieben hat, sehr verdient gemacht. Eine andere Macht scheint nicht gut dazu zu sehen. Was Hrn. Temple betrifft, so hat auch er viel persönliche Bereitwilligkeit gezeigt, um die Sache zu einem schnellen Resultate zu führen, indem er ohne directe Nachricht von seinem Cabinet, auf die bloße Versicherung des Hrn. v. Haussonville hin, daß England die französische Vermittlung angenommen habe, den Befehl erlassen hat, die Feindseligkeiten einzustellen. - Ein heute von Malta angekommenes englisches Kriegsdampfschiff brachte die Nachricht mit, daß alle dort zurückgehaltenen neapolitanischen Schiffe freigegeben worden seyen. - Die Zahl der auf unserer Rhede liegenden Schiffe nimmt mit jedem Tage zu. Man zählt bereits drei englische und eben so viel französische Linienschiffe, nebst einigen Corvetten und Dampfbooten, die aller Wahrscheinlichkeit nach sämmtlich hier bleiben werden, bis man über den Ausgang der Sache in Paris unterrichtet seyn wird. Der dazu bestimmte Termin beschränkt sich auf drei Wochen. Der neapolitanische Gesandte in Paris, Herzog von Serra Capriola, hat die Vollmacht, im Namen des Königs seine Zustimmung zu geben, so daß viele Zeit gewonnen wird. - Es ist hier stark von einer gänzlichen Aenderung des Ministeriums die Rede, und die Namen der neuen Minister circuliren schon unter dem Publicum. - Gestern war an Bord der französischen Schiffe großes Diner zu Ehren des Namenstags Ludwig Philipps. - Die neulich im Commerce gegebene Nachricht, daß Neapel eine Flotte von 47 Kriegsschiffen habe, ist im höchsten Grad übertrieben. Statt der 12 Linienschiffe und 15 Fregatten, beschränkt sich solche auf 1 Linienschiff "der Vesuvius" von 90 Kanonen, 4 Fregatten und eben so viel Corvetten, zusammen 9 Segel. Unsere Regierung fährt fort, Kriegsmunition aller Art nach Sicilien zu senden; alle Gerüchte von daselbst ausgebrochenen Unruhen sind übrigens bis jetzt ungegründet.

Die Nachricht, daß der König von Neapel die Vermittelung der französischen Regierung in dem sicilianischen Monopolstreit angenommen, hat hier einen günstigen Eindruck hervorgebracht. Es wird nun die Sache des Hrn. Thiers seyn, die Erwartungen zu erfüllen, die er durch eine Frieden und Ordnung athmende Sprache bei dieser Angelegenheit erweckt hat. Die Mission des Hrn. Thiers ist hierin eine dankbare, weil ihre glückliche Erfüllung ihm einen Anspruch auf den Dank aller Mächte, die an der Erhaltung der Ruhe Italiens und der Befestigung des europäischen Friedens betheiligt sind, verleihen muß, denn die eigentliche Gefahr scheint nicht aus dem Conflict Englands und Neapels, sondern aus den durch den Streit neubelebten Hoffnungen der Unruhestifter gedroht zu haben. Somit tritt "das Kind der Revolution" in einem gewissen Sinne gegen seine Mutter auf; man kann inzwischen annehmen, daß dieses Auftreten nur auf ihre Besänftigung berechnet ist. Ohne Zweifel wird die Schwefelfrage jetzt friedlich gelöst und die durch sie erregte Reibung hat höchstens ein paar Individualitäten zermalmt, so den Fürsten von Cassaro und den Marquis Gagliati. Letzterer soll

Gesetzgeber selbst die Sache zweifelhaft lassen wird! – Abbé de Foere hat seinen alten Antrag auf Ernennung einer Commission zur Untersuchung der Lage des Handels und der Gewerbe erneuert. Er verbindet damit die Absicht, an die Stelle des bisher befolgten Systems möglichster Handelsfreiheit ein ganz anderes angebliches Protectionssystem treten zu lassen, und zu ihm hält sich eine gewisse Zahl Glieder, die ein Element der Coalition vom 14 März bildeten. Das Ministerium ist bei diesem Anlasse der Aufforderung, sich über sein System in Beziehung auf Handel und Gewerbe auszusprechen, ausgewichen, und hat sich der näheren Prüfung des de Foere'schen Antrags nicht widersetzt. Daß aber auch hier keine Uebereinstimmung der Ansichten herrscht, und die neuen Minister ungefähr wie die alten darüber denken, offenbarte sich mehrmals im Laufe der Discussion. Unter solchen Umständen darf es nicht wundern, wenn man das jetzige Ministerium nur als einen Uebergang zu einem, eine entschiedenere Farbe tragenden ansieht. Während die äußersten Liberalen hoffen, es werde ihnen den Weg bahnen, und diese Hoffnung sogar in der Kammer aussprechen, halten sich die extremen Katholiken zu derselben Erwartung berechtigt. Von den Fractionen, aus denen die Coalition vom 14 März zusammengesetzt war, sind letztere am leersten bei der Bildung des neuen Cabinets ausgegangen. Ohne sich total zu compromittiren, hätten sie sich auch nicht mit den HH. Lebeau, Rogier u. s. w., die ihnen Anträge gemacht, vereinigen können. Sie rechnen indeß auf die Möglichkeit einer Combination, worin das Uebergewicht auf ihrer Seite wäre, und beweisen eine Zuversicht, die sich leicht täuschen dürfte. Käme es übrigens auch dazu, so würde dadurch nur ein Beweis mehr geliefert werden, daß das von dem de Theux'schen Ministerium befolgte System in seinen Grundzügen nicht ohne Gefahr für das Wohl des Landes aufgegeben werden darf.

Die Repräsentantenkammer hat am 4 Mai den Amnestie-Gesetzesentwurf mit 60 Stimmen gegen 3 angenommen; vier Mitglieder, die HH. Merode, Ullens, Desmaizières und Garcia enthielten sich des Votums.

Niederlande.

Wenn irgend etwas die Verlegenheit der Regierung, die gänzlich die Haltung verloren zu haben scheint, offenkundig darlegen konnte, so war es die durch Hrn. v. Gennep vorgestern angeblich von Seite des Königs ertheilte Erklärung, daß künftig alle und jede Geldangelegenheiten den Generalstaaten mitgetheilt werden sollten, ich sage angeblich, weil es Leute gibt, die noch an der Richtigkeit der Fassung zweifeln. Eine Erklärung muß indeß immerhin abgegeben worden seyn, und diese kann sich nur auf die Ueberzeugung gegründet haben, daß das Budget wieder von der Kammer verworfen werden würde. Wenn man übrigens glaubt, mit dieser Erklärung sey die Sache im Wesentlichen abgemacht, so möchte man sich sehr täuschen. Fürs erste ist die Offenherzigkeit erst aufs künftige Jahr versprochen, und die Kammer kann sich ihrer Stellung im Lande nach mit keinem bloßen Versprechen, welcher Art es auch seyn möge, begnügen, und am wenigsten eine Lösung aufs nächste Jahr hinausschieben. Daher auch alsbald die Frage, ob zugleich die Verantwortlichkeit der Minister versprochen sey; dieß ist der zweite Stein des Anstoßes; die Kammer muß auf diesem Punkte bestehen, denn sie ist sonst bei allen den Geldfragen, die manche Blöße darbieten, gezwungen, über die Minister hinauszugreifen, was sie unmöglich wollen kann. Sie sehen, die Frage zieht sich in immer engere Kreise zusammen, und die Regierung ist, wie ich früher bemerkte, von Geständniß zu Geständniß fortgedrängt worden, und hat endlich sich genöthigt gesehen, das Versprechen zu geben, binnen kurzer Frist mit allem und jedem herauszurücken. Aber auch diese Frist wird ihr kaum gestattet werden.

Italien.

Nach dem Sturm und den vielerlei Besorgnissen sind die Gemüther im Allgemeinen viel beruhigter, und die Geschäfte fangen wieder an, ihren frühern regelmäßigen Gang zu nehmen. Nichtsdestoweniger ist man hier sehr gespannt, auf welche Weise die Streitfrage in Paris entschieden werden wird. Der französische Gesandtschaftssecretär, Vicomte de' Haussonville, hat sich dadurch, daß er die Sache so eifrig betrieben hat, sehr verdient gemacht. Eine andere Macht scheint nicht gut dazu zu sehen. Was Hrn. Temple betrifft, so hat auch er viel persönliche Bereitwilligkeit gezeigt, um die Sache zu einem schnellen Resultate zu führen, indem er ohne directe Nachricht von seinem Cabinet, auf die bloße Versicherung des Hrn. v. Haussonville hin, daß England die französische Vermittlung angenommen habe, den Befehl erlassen hat, die Feindseligkeiten einzustellen. – Ein heute von Malta angekommenes englisches Kriegsdampfschiff brachte die Nachricht mit, daß alle dort zurückgehaltenen neapolitanischen Schiffe freigegeben worden seyen. – Die Zahl der auf unserer Rhede liegenden Schiffe nimmt mit jedem Tage zu. Man zählt bereits drei englische und eben so viel französische Linienschiffe, nebst einigen Corvetten und Dampfbooten, die aller Wahrscheinlichkeit nach sämmtlich hier bleiben werden, bis man über den Ausgang der Sache in Paris unterrichtet seyn wird. Der dazu bestimmte Termin beschränkt sich auf drei Wochen. Der neapolitanische Gesandte in Paris, Herzog von Serra Capriola, hat die Vollmacht, im Namen des Königs seine Zustimmung zu geben, so daß viele Zeit gewonnen wird. – Es ist hier stark von einer gänzlichen Aenderung des Ministeriums die Rede, und die Namen der neuen Minister circuliren schon unter dem Publicum. – Gestern war an Bord der französischen Schiffe großes Diner zu Ehren des Namenstags Ludwig Philipps. – Die neulich im Commerce gegebene Nachricht, daß Neapel eine Flotte von 47 Kriegsschiffen habe, ist im höchsten Grad übertrieben. Statt der 12 Linienschiffe und 15 Fregatten, beschränkt sich solche auf 1 Linienschiff „der Vesuvius“ von 90 Kanonen, 4 Fregatten und eben so viel Corvetten, zusammen 9 Segel. Unsere Regierung fährt fort, Kriegsmunition aller Art nach Sicilien zu senden; alle Gerüchte von daselbst ausgebrochenen Unruhen sind übrigens bis jetzt ungegründet.

Die Nachricht, daß der König von Neapel die Vermittelung der französischen Regierung in dem sicilianischen Monopolstreit angenommen, hat hier einen günstigen Eindruck hervorgebracht. Es wird nun die Sache des Hrn. Thiers seyn, die Erwartungen zu erfüllen, die er durch eine Frieden und Ordnung athmende Sprache bei dieser Angelegenheit erweckt hat. Die Mission des Hrn. Thiers ist hierin eine dankbare, weil ihre glückliche Erfüllung ihm einen Anspruch auf den Dank aller Mächte, die an der Erhaltung der Ruhe Italiens und der Befestigung des europäischen Friedens betheiligt sind, verleihen muß, denn die eigentliche Gefahr scheint nicht aus dem Conflict Englands und Neapels, sondern aus den durch den Streit neubelebten Hoffnungen der Unruhestifter gedroht zu haben. Somit tritt „das Kind der Revolution“ in einem gewissen Sinne gegen seine Mutter auf; man kann inzwischen annehmen, daß dieses Auftreten nur auf ihre Besänftigung berechnet ist. Ohne Zweifel wird die Schwefelfrage jetzt friedlich gelöst und die durch sie erregte Reibung hat höchstens ein paar Individualitäten zermalmt, so den Fürsten von Cassaro und den Marquis Gagliati. Letzterer soll

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[1062/0006] Gesetzgeber selbst die Sache zweifelhaft lassen wird! – Abbé de Foere hat seinen alten Antrag auf Ernennung einer Commission zur Untersuchung der Lage des Handels und der Gewerbe erneuert. Er verbindet damit die Absicht, an die Stelle des bisher befolgten Systems möglichster Handelsfreiheit ein ganz anderes angebliches Protectionssystem treten zu lassen, und zu ihm hält sich eine gewisse Zahl Glieder, die ein Element der Coalition vom 14 März bildeten. Das Ministerium ist bei diesem Anlasse der Aufforderung, sich über sein System in Beziehung auf Handel und Gewerbe auszusprechen, ausgewichen, und hat sich der näheren Prüfung des de Foere'schen Antrags nicht widersetzt. Daß aber auch hier keine Uebereinstimmung der Ansichten herrscht, und die neuen Minister ungefähr wie die alten darüber denken, offenbarte sich mehrmals im Laufe der Discussion. Unter solchen Umständen darf es nicht wundern, wenn man das jetzige Ministerium nur als einen Uebergang zu einem, eine entschiedenere Farbe tragenden ansieht. Während die äußersten Liberalen hoffen, es werde ihnen den Weg bahnen, und diese Hoffnung sogar in der Kammer aussprechen, halten sich die extremen Katholiken zu derselben Erwartung berechtigt. Von den Fractionen, aus denen die Coalition vom 14 März zusammengesetzt war, sind letztere am leersten bei der Bildung des neuen Cabinets ausgegangen. Ohne sich total zu compromittiren, hätten sie sich auch nicht mit den HH. Lebeau, Rogier u. s. w., die ihnen Anträge gemacht, vereinigen können. Sie rechnen indeß auf die Möglichkeit einer Combination, worin das Uebergewicht auf ihrer Seite wäre, und beweisen eine Zuversicht, die sich leicht täuschen dürfte. Käme es übrigens auch dazu, so würde dadurch nur ein Beweis mehr geliefert werden, daß das von dem de Theux'schen Ministerium befolgte System in seinen Grundzügen nicht ohne Gefahr für das Wohl des Landes aufgegeben werden darf. Die Repräsentantenkammer hat am 4 Mai den Amnestie-Gesetzesentwurf mit 60 Stimmen gegen 3 angenommen; vier Mitglieder, die HH. Merode, Ullens, Desmaizières und Garcia enthielten sich des Votums. Niederlande. _ Vom Niederrhein, 5 Mai. Wenn irgend etwas die Verlegenheit der Regierung, die gänzlich die Haltung verloren zu haben scheint, offenkundig darlegen konnte, so war es die durch Hrn. v. Gennep vorgestern angeblich von Seite des Königs ertheilte Erklärung, daß künftig alle und jede Geldangelegenheiten den Generalstaaten mitgetheilt werden sollten, ich sage angeblich, weil es Leute gibt, die noch an der Richtigkeit der Fassung zweifeln. Eine Erklärung muß indeß immerhin abgegeben worden seyn, und diese kann sich nur auf die Ueberzeugung gegründet haben, daß das Budget wieder von der Kammer verworfen werden würde. Wenn man übrigens glaubt, mit dieser Erklärung sey die Sache im Wesentlichen abgemacht, so möchte man sich sehr täuschen. Fürs erste ist die Offenherzigkeit erst aufs künftige Jahr versprochen, und die Kammer kann sich ihrer Stellung im Lande nach mit keinem bloßen Versprechen, welcher Art es auch seyn möge, begnügen, und am wenigsten eine Lösung aufs nächste Jahr hinausschieben. Daher auch alsbald die Frage, ob zugleich die Verantwortlichkeit der Minister versprochen sey; dieß ist der zweite Stein des Anstoßes; die Kammer muß auf diesem Punkte bestehen, denn sie ist sonst bei allen den Geldfragen, die manche Blöße darbieten, gezwungen, über die Minister hinauszugreifen, was sie unmöglich wollen kann. Sie sehen, die Frage zieht sich in immer engere Kreise zusammen, und die Regierung ist, wie ich früher bemerkte, von Geständniß zu Geständniß fortgedrängt worden, und hat endlich sich genöthigt gesehen, das Versprechen zu geben, binnen kurzer Frist mit allem und jedem herauszurücken. Aber auch diese Frist wird ihr kaum gestattet werden. Italien. _ Neapel, 2 Mai. Nach dem Sturm und den vielerlei Besorgnissen sind die Gemüther im Allgemeinen viel beruhigter, und die Geschäfte fangen wieder an, ihren frühern regelmäßigen Gang zu nehmen. Nichtsdestoweniger ist man hier sehr gespannt, auf welche Weise die Streitfrage in Paris entschieden werden wird. Der französische Gesandtschaftssecretär, Vicomte de' Haussonville, hat sich dadurch, daß er die Sache so eifrig betrieben hat, sehr verdient gemacht. Eine andere Macht scheint nicht gut dazu zu sehen. Was Hrn. Temple betrifft, so hat auch er viel persönliche Bereitwilligkeit gezeigt, um die Sache zu einem schnellen Resultate zu führen, indem er ohne directe Nachricht von seinem Cabinet, auf die bloße Versicherung des Hrn. v. Haussonville hin, daß England die französische Vermittlung angenommen habe, den Befehl erlassen hat, die Feindseligkeiten einzustellen. – Ein heute von Malta angekommenes englisches Kriegsdampfschiff brachte die Nachricht mit, daß alle dort zurückgehaltenen neapolitanischen Schiffe freigegeben worden seyen. – Die Zahl der auf unserer Rhede liegenden Schiffe nimmt mit jedem Tage zu. Man zählt bereits drei englische und eben so viel französische Linienschiffe, nebst einigen Corvetten und Dampfbooten, die aller Wahrscheinlichkeit nach sämmtlich hier bleiben werden, bis man über den Ausgang der Sache in Paris unterrichtet seyn wird. Der dazu bestimmte Termin beschränkt sich auf drei Wochen. Der neapolitanische Gesandte in Paris, Herzog von Serra Capriola, hat die Vollmacht, im Namen des Königs seine Zustimmung zu geben, so daß viele Zeit gewonnen wird. – Es ist hier stark von einer gänzlichen Aenderung des Ministeriums die Rede, und die Namen der neuen Minister circuliren schon unter dem Publicum. – Gestern war an Bord der französischen Schiffe großes Diner zu Ehren des Namenstags Ludwig Philipps. – Die neulich im Commerce gegebene Nachricht, daß Neapel eine Flotte von 47 Kriegsschiffen habe, ist im höchsten Grad übertrieben. Statt der 12 Linienschiffe und 15 Fregatten, beschränkt sich solche auf 1 Linienschiff „der Vesuvius“ von 90 Kanonen, 4 Fregatten und eben so viel Corvetten, zusammen 9 Segel. Unsere Regierung fährt fort, Kriegsmunition aller Art nach Sicilien zu senden; alle Gerüchte von daselbst ausgebrochenen Unruhen sind übrigens bis jetzt ungegründet. _ Turin, 5 Mai. Die Nachricht, daß der König von Neapel die Vermittelung der französischen Regierung in dem sicilianischen Monopolstreit angenommen, hat hier einen günstigen Eindruck hervorgebracht. Es wird nun die Sache des Hrn. Thiers seyn, die Erwartungen zu erfüllen, die er durch eine Frieden und Ordnung athmende Sprache bei dieser Angelegenheit erweckt hat. Die Mission des Hrn. Thiers ist hierin eine dankbare, weil ihre glückliche Erfüllung ihm einen Anspruch auf den Dank aller Mächte, die an der Erhaltung der Ruhe Italiens und der Befestigung des europäischen Friedens betheiligt sind, verleihen muß, denn die eigentliche Gefahr scheint nicht aus dem Conflict Englands und Neapels, sondern aus den durch den Streit neubelebten Hoffnungen der Unruhestifter gedroht zu haben. Somit tritt „das Kind der Revolution“ in einem gewissen Sinne gegen seine Mutter auf; man kann inzwischen annehmen, daß dieses Auftreten nur auf ihre Besänftigung berechnet ist. Ohne Zweifel wird die Schwefelfrage jetzt friedlich gelöst und die durch sie erregte Reibung hat höchstens ein paar Individualitäten zermalmt, so den Fürsten von Cassaro und den Marquis Gagliati. Letzterer soll

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 133. Augsburg, 12. Mai 1840, S. 1062. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_133_18400512/6>, abgerufen am 26.04.2024.