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Allgemeine Zeitung. Nr. 148. Augsburg, 27. Mai 1840.

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zu zählen, deren Macht hauptsächlich in Deutschland begründet ist, und deren Herrscherfamilien und Regierungen Deutschland angehören; bedenkt man ferner, daß das wohlverstandene Interesse dieser beiden Mächte wesentlich mit dem Fortbestehen und der Kraft des deutschen Bundes zusammenhängt; und daß überall, wo dessen Sicherheit in Gefahr kommt, die Kräfte des übrigen Deutschlands zu einer Fahne vereint seyn sollen, so wird man nicht fürchten, daß der Werth und die Bedeutung der deutschen Nation im übrigen Europa jemals übersehen werden könne. Vielmehr besitzt sie bereits praktisch das Anerkenntniß, die Geltung und den Einfluß, welche ihr der Hr. Antragsteller mit Recht vindicirt, auf eine dem heutigen völkerrechtlichen Verhältnisse zusagende Weise, und sie wird solche nie verlieren. Faßt man aber den Antrag, abgesehen von der deutschen Nation, in Beziehung auf die Bundesverhältnisse näher ins Auge, so ist zu sagen: der deutsche Bund ist von dem übrigen Europa als eine Macht anerkannt; er empfängt dessen Gesandtschaften, und hat das Recht dergleichen abzusenden; darüber waltet kein Zweifel ob. Aber ebenso wie die Wiener Congreßacte zum Beispiel die Schweiz - unbeschadet ihrer politischen Selbstständigkeit und Unabhängigkeit - für eine neutrale Macht erklärte, so gab sie auch dem deutschen Bunde, der ihr seine Entstehung verdankt, eine eigenthümliche Stellung. Sie schuf in ihm, als solchem, eine rein defensive, durchaus nicht offensive Macht. Dieß ist der völkerrechtliche Charakter des deutschen Bundes, welcher auch der Natur eines Staatenbundes ohne Centralregierung vollkommen angemessen erscheint, und gleichsam die Vorbedingung seiner Aufnahme unter die Zahl der europäischen Mächte bildet, während die einzelnen Staaten, aus welchen sich dieser Bund zusammensetzt, längst vorher von ganz Europa als souveräne Staaten anerkannt waren, und isolirt betrachtet, in ihren Rechten und Befugnissen andern europäischen Staaten gleich stehen. Vermöge dieses ihm bei seiner Entstehung ausgeprägten Charakters wird also der deutsche Bund, als solcher, nur dann in die europäischen Angelegenheiten thätig eingreifen, wenn er die Integrität seines Gebiets oder seine politische Selbstständigkeit gefährdet sieht. Er wird dann - aber auch nur dann - gleich jeder andern Macht, Krieg erklären, Frieden schließen, Unterhandlungen einleiten. Die letzten wird er, je nachdem er es für angemessen erachtet, durch eigene Bevollmächtigte führen, oder es werden eines oder mehrere seiner Mitglieder es übernehmen ihn zu vertreten. In dem letztern Falle aber wird er deren Vollmachten den Umständen anpassen; er wird im voraus festsetzen, wie weit sie in seinem Namen gehen können, oder nicht. Nach dem Wunsche des Hrn. Antragstellers soll der deutsche Bund Oesterreich und Preußen unbedingte Vollmacht, in seinem Namen zu handeln, ertheilen. Es fragt sich aber, ob die übrigen Mitglieder des Bundes wünschen, daß, ohne ihr Zuthun und Vorwissen, für sie und in ihrem Namen gehandelt werde? ob sie es nicht vorziehen, den Bund, gleich so mancher andern europäischen Macht, bei solcher Gelegenheit lieber gar nicht, als unter einer derartigen Bedingung genannt zu sehen? wozu noch das kommt, daß, nach dem Vorschlage, jene Vollmacht zweien Mächten collectiv ertheilt werden, die Vertretung oder Nichtvertretung des Bundes also, je nachdem beide Mächte in ihren Ansichten übereinstimmen oder nicht, dem Spiele des Zufalls anheim gegeben seyn würde."

(Beschluß folgt.)

Das norddeutsche Liederfest, welches an den Tagen des 30 und 31 Mai und 1 Jun. hier statthaben sollte, ist mit einer bedauerlichen Störung bedroht. Am letzten Sonnabend erhielt die hiesige königl. Landdrostei drei gleichlautende Rescripte von dem Ministerium des Innern und der geistlichen Angelegenheiten, so wie vom Consistorium zu Hannover, des wesentlichen Inhalts: daß, da dem Verlauten nach, an den Tagen des 30 und 31 Mai und 1 Jun. 21 Liedertafeln sich zu Hildesheim zu gemeinschaftlichen Musikaufführungen versammeln würden, der 31 Mai aber auf einen Sonntag falle, die k. Landdrostei diese beabsichtigte Versammlung, als gegen die Sabbathsordnung streitend, zu inhibiren habe. Der Vorstand der hiesigen Liedertafel wurde sofort von diesem Befehl in Kenntniß gesetzt, und sandte eine Deputation nach Hannover, welche mit dem vorläufigen Bescheide zurückgekehrt ist, daß man die Sache nochmals in Berathung nehmen wolle. Da dasselbe Liederfest bereits in frühern Jahren in Hameln und Rehburg an Sonntagen gefeiert worden ist, so fürchtet man, daß dem Verbot anderweitige Motive zum Grunde liegen dürften. (Hamb. C.)

In der ersten Kammer wurden am 13 Mai die Minoritätswahlen der Abgeordneten Müller und Holst für gültig erklärt, obgleich mehrere Stimmen die Zulassung solcher Wahlen für die Zukunft gefährlich, und die Mitwirkung so gewählter Deputirten bei dem wichtigen Werk der Verfassungsberathung bedenklich finden wollten. - Von den Verhandlungen der zweiten Kammer in den letzten Tagen war die merkwürdigste jene vom 19 Mai über §. 106 des Verfassungsentwurfs. Dieser Paragraph, der die Mitwirkung der Stände bei der Gesetzgebung auf die Zustimmung zu den Steuergesetzen, und zu Gesetzen, welche einen Eingriff in das Privateigenthum oder Erhöhung der Lasten bezwecken, beschränkt, bei allen andern Gesetzen aber ihnen bloß rathsames Gutachten zugesteht, war bekanntlich bei der ersten Berathung in beiden Kammern dahin modificirt worden, daß den Ständen das Zustimmungsrecht bei allen Gesetzen zustehen sollte. Bei der jetzigen wiederholten Berathung der zweiten Kammer stellte aber ein Mitglied den Antrag auf Herstellung des Entwurfs. Als Gründe wurden angeführt, daß ein allgemeines und unbeschränktes Zustimmungsrecht der Stände bei der Gesetzgebung keineswegs eine Bedingung der Landeswohlfahrt sey; daß dasselbe in den wenigsten deutschen Verfassungen bestehe, vielmehr in Bayern (?), Baden (?), etc. in gleicher Weise, wie hier vorgeschlagen, beschränkt sey; daß die Verfassung von 1819 noch weit weniger gewähre; daß bei Aufnahme eines solchen Satzes die Garantie des deutschen Bundes schwer zu erlangen seyn möchte, und daß endlich bei einem Bestehen der Stände auf das unbedingte Zustimmungsrecht die so dringend nöthige Vereinbarung über die Verfassung um so weniger zu hoffen sey, als der König das allgemeine Zustimmungsrecht der Stände als eine Gefährdung der Souveränetätsrechte und als einen der Gründe für die Aufhebung des Staatsgrundgesetzes erklärt habe. Obgleich nun ein anderes Mitglied meinte, es sey jedenfalls erst zu erwarten, ob die Regierung, welcher an der Erledigung des Verfassungsstreites eben so viel als den Ständen liegen müsse, wegen eines von der vorigen Regierung für unbedenklich erachteten Satzes die Verfassungssache ferner unerledigt lassen werde, wurde dennoch der Antrag, den Entwurf (bloß mit Einschaltung der die Freiheit der Person betreffenden Gesetze unter denen, welche der ständischen Zustimmung bedürfen) wieder herzustellen, also das allgemeine Zustimmungsrecht der Stände bei der Gesetzgebung aufzugeben, mit überwiegender Mehrheit angenommen. (Es ist nun abzuwarten, ob die erste Kammer ebenfalls von ihrem früheren Beschlusse, an dem allgemeinen Zustimmungsrecht festzuhalten, wieder abgehen wird.) (Hannov. Z.)

zu zählen, deren Macht hauptsächlich in Deutschland begründet ist, und deren Herrscherfamilien und Regierungen Deutschland angehören; bedenkt man ferner, daß das wohlverstandene Interesse dieser beiden Mächte wesentlich mit dem Fortbestehen und der Kraft des deutschen Bundes zusammenhängt; und daß überall, wo dessen Sicherheit in Gefahr kommt, die Kräfte des übrigen Deutschlands zu einer Fahne vereint seyn sollen, so wird man nicht fürchten, daß der Werth und die Bedeutung der deutschen Nation im übrigen Europa jemals übersehen werden könne. Vielmehr besitzt sie bereits praktisch das Anerkenntniß, die Geltung und den Einfluß, welche ihr der Hr. Antragsteller mit Recht vindicirt, auf eine dem heutigen völkerrechtlichen Verhältnisse zusagende Weise, und sie wird solche nie verlieren. Faßt man aber den Antrag, abgesehen von der deutschen Nation, in Beziehung auf die Bundesverhältnisse näher ins Auge, so ist zu sagen: der deutsche Bund ist von dem übrigen Europa als eine Macht anerkannt; er empfängt dessen Gesandtschaften, und hat das Recht dergleichen abzusenden; darüber waltet kein Zweifel ob. Aber ebenso wie die Wiener Congreßacte zum Beispiel die Schweiz – unbeschadet ihrer politischen Selbstständigkeit und Unabhängigkeit – für eine neutrale Macht erklärte, so gab sie auch dem deutschen Bunde, der ihr seine Entstehung verdankt, eine eigenthümliche Stellung. Sie schuf in ihm, als solchem, eine rein defensive, durchaus nicht offensive Macht. Dieß ist der völkerrechtliche Charakter des deutschen Bundes, welcher auch der Natur eines Staatenbundes ohne Centralregierung vollkommen angemessen erscheint, und gleichsam die Vorbedingung seiner Aufnahme unter die Zahl der europäischen Mächte bildet, während die einzelnen Staaten, aus welchen sich dieser Bund zusammensetzt, längst vorher von ganz Europa als souveräne Staaten anerkannt waren, und isolirt betrachtet, in ihren Rechten und Befugnissen andern europäischen Staaten gleich stehen. Vermöge dieses ihm bei seiner Entstehung ausgeprägten Charakters wird also der deutsche Bund, als solcher, nur dann in die europäischen Angelegenheiten thätig eingreifen, wenn er die Integrität seines Gebiets oder seine politische Selbstständigkeit gefährdet sieht. Er wird dann – aber auch nur dann – gleich jeder andern Macht, Krieg erklären, Frieden schließen, Unterhandlungen einleiten. Die letzten wird er, je nachdem er es für angemessen erachtet, durch eigene Bevollmächtigte führen, oder es werden eines oder mehrere seiner Mitglieder es übernehmen ihn zu vertreten. In dem letztern Falle aber wird er deren Vollmachten den Umständen anpassen; er wird im voraus festsetzen, wie weit sie in seinem Namen gehen können, oder nicht. Nach dem Wunsche des Hrn. Antragstellers soll der deutsche Bund Oesterreich und Preußen unbedingte Vollmacht, in seinem Namen zu handeln, ertheilen. Es fragt sich aber, ob die übrigen Mitglieder des Bundes wünschen, daß, ohne ihr Zuthun und Vorwissen, für sie und in ihrem Namen gehandelt werde? ob sie es nicht vorziehen, den Bund, gleich so mancher andern europäischen Macht, bei solcher Gelegenheit lieber gar nicht, als unter einer derartigen Bedingung genannt zu sehen? wozu noch das kommt, daß, nach dem Vorschlage, jene Vollmacht zweien Mächten collectiv ertheilt werden, die Vertretung oder Nichtvertretung des Bundes also, je nachdem beide Mächte in ihren Ansichten übereinstimmen oder nicht, dem Spiele des Zufalls anheim gegeben seyn würde.“

(Beschluß folgt.)

Das norddeutsche Liederfest, welches an den Tagen des 30 und 31 Mai und 1 Jun. hier statthaben sollte, ist mit einer bedauerlichen Störung bedroht. Am letzten Sonnabend erhielt die hiesige königl. Landdrostei drei gleichlautende Rescripte von dem Ministerium des Innern und der geistlichen Angelegenheiten, so wie vom Consistorium zu Hannover, des wesentlichen Inhalts: daß, da dem Verlauten nach, an den Tagen des 30 und 31 Mai und 1 Jun. 21 Liedertafeln sich zu Hildesheim zu gemeinschaftlichen Musikaufführungen versammeln würden, der 31 Mai aber auf einen Sonntag falle, die k. Landdrostei diese beabsichtigte Versammlung, als gegen die Sabbathsordnung streitend, zu inhibiren habe. Der Vorstand der hiesigen Liedertafel wurde sofort von diesem Befehl in Kenntniß gesetzt, und sandte eine Deputation nach Hannover, welche mit dem vorläufigen Bescheide zurückgekehrt ist, daß man die Sache nochmals in Berathung nehmen wolle. Da dasselbe Liederfest bereits in frühern Jahren in Hameln und Rehburg an Sonntagen gefeiert worden ist, so fürchtet man, daß dem Verbot anderweitige Motive zum Grunde liegen dürften. (Hamb. C.)

In der ersten Kammer wurden am 13 Mai die Minoritätswahlen der Abgeordneten Müller und Holst für gültig erklärt, obgleich mehrere Stimmen die Zulassung solcher Wahlen für die Zukunft gefährlich, und die Mitwirkung so gewählter Deputirten bei dem wichtigen Werk der Verfassungsberathung bedenklich finden wollten. – Von den Verhandlungen der zweiten Kammer in den letzten Tagen war die merkwürdigste jene vom 19 Mai über §. 106 des Verfassungsentwurfs. Dieser Paragraph, der die Mitwirkung der Stände bei der Gesetzgebung auf die Zustimmung zu den Steuergesetzen, und zu Gesetzen, welche einen Eingriff in das Privateigenthum oder Erhöhung der Lasten bezwecken, beschränkt, bei allen andern Gesetzen aber ihnen bloß rathsames Gutachten zugesteht, war bekanntlich bei der ersten Berathung in beiden Kammern dahin modificirt worden, daß den Ständen das Zustimmungsrecht bei allen Gesetzen zustehen sollte. Bei der jetzigen wiederholten Berathung der zweiten Kammer stellte aber ein Mitglied den Antrag auf Herstellung des Entwurfs. Als Gründe wurden angeführt, daß ein allgemeines und unbeschränktes Zustimmungsrecht der Stände bei der Gesetzgebung keineswegs eine Bedingung der Landeswohlfahrt sey; daß dasselbe in den wenigsten deutschen Verfassungen bestehe, vielmehr in Bayern (?), Baden (?), etc. in gleicher Weise, wie hier vorgeschlagen, beschränkt sey; daß die Verfassung von 1819 noch weit weniger gewähre; daß bei Aufnahme eines solchen Satzes die Garantie des deutschen Bundes schwer zu erlangen seyn möchte, und daß endlich bei einem Bestehen der Stände auf das unbedingte Zustimmungsrecht die so dringend nöthige Vereinbarung über die Verfassung um so weniger zu hoffen sey, als der König das allgemeine Zustimmungsrecht der Stände als eine Gefährdung der Souveränetätsrechte und als einen der Gründe für die Aufhebung des Staatsgrundgesetzes erklärt habe. Obgleich nun ein anderes Mitglied meinte, es sey jedenfalls erst zu erwarten, ob die Regierung, welcher an der Erledigung des Verfassungsstreites eben so viel als den Ständen liegen müsse, wegen eines von der vorigen Regierung für unbedenklich erachteten Satzes die Verfassungssache ferner unerledigt lassen werde, wurde dennoch der Antrag, den Entwurf (bloß mit Einschaltung der die Freiheit der Person betreffenden Gesetze unter denen, welche der ständischen Zustimmung bedürfen) wieder herzustellen, also das allgemeine Zustimmungsrecht der Stände bei der Gesetzgebung aufzugeben, mit überwiegender Mehrheit angenommen. (Es ist nun abzuwarten, ob die erste Kammer ebenfalls von ihrem früheren Beschlusse, an dem allgemeinen Zustimmungsrecht festzuhalten, wieder abgehen wird.) (Hannov. Z.)

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zu zählen, deren Macht hauptsächlich in Deutschland begründet ist, und deren Herrscherfamilien und Regierungen Deutschland angehören; bedenkt man ferner, daß das wohlverstandene Interesse dieser beiden Mächte wesentlich mit dem Fortbestehen und der Kraft des deutschen Bundes zusammenhängt; und daß überall, wo dessen Sicherheit in Gefahr kommt, die Kräfte des übrigen Deutschlands zu einer Fahne vereint seyn sollen, so wird man nicht fürchten, daß der Werth und die Bedeutung der deutschen Nation im übrigen Europa jemals übersehen werden könne. Vielmehr besitzt sie bereits praktisch das Anerkenntniß, die Geltung und den Einfluß, welche ihr der Hr. Antragsteller mit Recht vindicirt, auf eine dem heutigen völkerrechtlichen Verhältnisse zusagende Weise, und sie wird solche nie verlieren. Faßt man aber den Antrag, abgesehen von der deutschen Nation, in Beziehung auf die Bundesverhältnisse näher ins Auge, so ist zu sagen: der deutsche Bund ist von dem übrigen Europa als eine Macht anerkannt; er empfängt dessen Gesandtschaften, und hat das Recht dergleichen abzusenden; darüber waltet kein Zweifel ob. Aber ebenso wie die Wiener Congreßacte zum Beispiel die Schweiz &#x2013; unbeschadet ihrer politischen Selbstständigkeit und Unabhängigkeit &#x2013; für eine neutrale Macht erklärte, so gab sie auch dem deutschen Bunde, der ihr seine Entstehung verdankt, eine eigenthümliche Stellung. Sie schuf in ihm, als solchem, eine rein defensive, durchaus nicht offensive Macht. Dieß ist der völkerrechtliche Charakter des deutschen Bundes, welcher auch der Natur eines Staatenbundes ohne Centralregierung vollkommen angemessen erscheint, und gleichsam die Vorbedingung seiner Aufnahme unter die Zahl der europäischen Mächte bildet, während die einzelnen Staaten, aus welchen sich dieser Bund zusammensetzt, längst vorher von ganz Europa als souveräne Staaten anerkannt waren, und isolirt betrachtet, in ihren Rechten und Befugnissen andern europäischen Staaten gleich stehen. Vermöge dieses ihm bei seiner Entstehung ausgeprägten Charakters wird also der deutsche Bund, als solcher, nur dann in die europäischen Angelegenheiten thätig eingreifen, wenn er die Integrität seines Gebiets oder seine politische Selbstständigkeit gefährdet sieht. Er wird dann &#x2013; aber auch nur dann &#x2013; gleich jeder andern Macht, Krieg erklären, Frieden schließen, Unterhandlungen einleiten. Die letzten wird er, je nachdem er es für angemessen erachtet, durch eigene Bevollmächtigte führen, oder es werden eines oder mehrere seiner Mitglieder es übernehmen ihn zu vertreten. In dem letztern Falle aber wird er deren Vollmachten den Umständen anpassen; er wird im voraus festsetzen, wie weit sie in seinem Namen gehen können, oder nicht. Nach dem Wunsche des Hrn. Antragstellers soll der deutsche Bund Oesterreich und Preußen unbedingte Vollmacht, in seinem Namen zu handeln, ertheilen. Es fragt sich aber, ob die übrigen Mitglieder des Bundes wünschen, daß, ohne ihr Zuthun und Vorwissen, für sie und in ihrem Namen gehandelt werde? ob sie es nicht vorziehen, den Bund, gleich so mancher andern europäischen Macht, bei solcher Gelegenheit lieber gar nicht, als unter einer derartigen Bedingung genannt zu sehen? wozu noch das kommt, daß, nach dem Vorschlage, jene Vollmacht zweien Mächten collectiv ertheilt werden, die Vertretung oder Nichtvertretung des Bundes also, je nachdem beide Mächte in ihren Ansichten übereinstimmen oder nicht, dem Spiele des Zufalls anheim gegeben seyn würde.&#x201C;</p><lb/>
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[1183/0007] zu zählen, deren Macht hauptsächlich in Deutschland begründet ist, und deren Herrscherfamilien und Regierungen Deutschland angehören; bedenkt man ferner, daß das wohlverstandene Interesse dieser beiden Mächte wesentlich mit dem Fortbestehen und der Kraft des deutschen Bundes zusammenhängt; und daß überall, wo dessen Sicherheit in Gefahr kommt, die Kräfte des übrigen Deutschlands zu einer Fahne vereint seyn sollen, so wird man nicht fürchten, daß der Werth und die Bedeutung der deutschen Nation im übrigen Europa jemals übersehen werden könne. Vielmehr besitzt sie bereits praktisch das Anerkenntniß, die Geltung und den Einfluß, welche ihr der Hr. Antragsteller mit Recht vindicirt, auf eine dem heutigen völkerrechtlichen Verhältnisse zusagende Weise, und sie wird solche nie verlieren. Faßt man aber den Antrag, abgesehen von der deutschen Nation, in Beziehung auf die Bundesverhältnisse näher ins Auge, so ist zu sagen: der deutsche Bund ist von dem übrigen Europa als eine Macht anerkannt; er empfängt dessen Gesandtschaften, und hat das Recht dergleichen abzusenden; darüber waltet kein Zweifel ob. Aber ebenso wie die Wiener Congreßacte zum Beispiel die Schweiz – unbeschadet ihrer politischen Selbstständigkeit und Unabhängigkeit – für eine neutrale Macht erklärte, so gab sie auch dem deutschen Bunde, der ihr seine Entstehung verdankt, eine eigenthümliche Stellung. Sie schuf in ihm, als solchem, eine rein defensive, durchaus nicht offensive Macht. Dieß ist der völkerrechtliche Charakter des deutschen Bundes, welcher auch der Natur eines Staatenbundes ohne Centralregierung vollkommen angemessen erscheint, und gleichsam die Vorbedingung seiner Aufnahme unter die Zahl der europäischen Mächte bildet, während die einzelnen Staaten, aus welchen sich dieser Bund zusammensetzt, längst vorher von ganz Europa als souveräne Staaten anerkannt waren, und isolirt betrachtet, in ihren Rechten und Befugnissen andern europäischen Staaten gleich stehen. Vermöge dieses ihm bei seiner Entstehung ausgeprägten Charakters wird also der deutsche Bund, als solcher, nur dann in die europäischen Angelegenheiten thätig eingreifen, wenn er die Integrität seines Gebiets oder seine politische Selbstständigkeit gefährdet sieht. Er wird dann – aber auch nur dann – gleich jeder andern Macht, Krieg erklären, Frieden schließen, Unterhandlungen einleiten. Die letzten wird er, je nachdem er es für angemessen erachtet, durch eigene Bevollmächtigte führen, oder es werden eines oder mehrere seiner Mitglieder es übernehmen ihn zu vertreten. In dem letztern Falle aber wird er deren Vollmachten den Umständen anpassen; er wird im voraus festsetzen, wie weit sie in seinem Namen gehen können, oder nicht. Nach dem Wunsche des Hrn. Antragstellers soll der deutsche Bund Oesterreich und Preußen unbedingte Vollmacht, in seinem Namen zu handeln, ertheilen. Es fragt sich aber, ob die übrigen Mitglieder des Bundes wünschen, daß, ohne ihr Zuthun und Vorwissen, für sie und in ihrem Namen gehandelt werde? ob sie es nicht vorziehen, den Bund, gleich so mancher andern europäischen Macht, bei solcher Gelegenheit lieber gar nicht, als unter einer derartigen Bedingung genannt zu sehen? wozu noch das kommt, daß, nach dem Vorschlage, jene Vollmacht zweien Mächten collectiv ertheilt werden, die Vertretung oder Nichtvertretung des Bundes also, je nachdem beide Mächte in ihren Ansichten übereinstimmen oder nicht, dem Spiele des Zufalls anheim gegeben seyn würde.“ (Beschluß folgt.) _ Hildesheim, 14 Mai. Das norddeutsche Liederfest, welches an den Tagen des 30 und 31 Mai und 1 Jun. hier statthaben sollte, ist mit einer bedauerlichen Störung bedroht. Am letzten Sonnabend erhielt die hiesige königl. Landdrostei drei gleichlautende Rescripte von dem Ministerium des Innern und der geistlichen Angelegenheiten, so wie vom Consistorium zu Hannover, des wesentlichen Inhalts: daß, da dem Verlauten nach, an den Tagen des 30 und 31 Mai und 1 Jun. 21 Liedertafeln sich zu Hildesheim zu gemeinschaftlichen Musikaufführungen versammeln würden, der 31 Mai aber auf einen Sonntag falle, die k. Landdrostei diese beabsichtigte Versammlung, als gegen die Sabbathsordnung streitend, zu inhibiren habe. Der Vorstand der hiesigen Liedertafel wurde sofort von diesem Befehl in Kenntniß gesetzt, und sandte eine Deputation nach Hannover, welche mit dem vorläufigen Bescheide zurückgekehrt ist, daß man die Sache nochmals in Berathung nehmen wolle. Da dasselbe Liederfest bereits in frühern Jahren in Hameln und Rehburg an Sonntagen gefeiert worden ist, so fürchtet man, daß dem Verbot anderweitige Motive zum Grunde liegen dürften. (Hamb. C.) _ Hannover. In der ersten Kammer wurden am 13 Mai die Minoritätswahlen der Abgeordneten Müller und Holst für gültig erklärt, obgleich mehrere Stimmen die Zulassung solcher Wahlen für die Zukunft gefährlich, und die Mitwirkung so gewählter Deputirten bei dem wichtigen Werk der Verfassungsberathung bedenklich finden wollten. – Von den Verhandlungen der zweiten Kammer in den letzten Tagen war die merkwürdigste jene vom 19 Mai über §. 106 des Verfassungsentwurfs. Dieser Paragraph, der die Mitwirkung der Stände bei der Gesetzgebung auf die Zustimmung zu den Steuergesetzen, und zu Gesetzen, welche einen Eingriff in das Privateigenthum oder Erhöhung der Lasten bezwecken, beschränkt, bei allen andern Gesetzen aber ihnen bloß rathsames Gutachten zugesteht, war bekanntlich bei der ersten Berathung in beiden Kammern dahin modificirt worden, daß den Ständen das Zustimmungsrecht bei allen Gesetzen zustehen sollte. Bei der jetzigen wiederholten Berathung der zweiten Kammer stellte aber ein Mitglied den Antrag auf Herstellung des Entwurfs. Als Gründe wurden angeführt, daß ein allgemeines und unbeschränktes Zustimmungsrecht der Stände bei der Gesetzgebung keineswegs eine Bedingung der Landeswohlfahrt sey; daß dasselbe in den wenigsten deutschen Verfassungen bestehe, vielmehr in Bayern (?), Baden (?), etc. in gleicher Weise, wie hier vorgeschlagen, beschränkt sey; daß die Verfassung von 1819 noch weit weniger gewähre; daß bei Aufnahme eines solchen Satzes die Garantie des deutschen Bundes schwer zu erlangen seyn möchte, und daß endlich bei einem Bestehen der Stände auf das unbedingte Zustimmungsrecht die so dringend nöthige Vereinbarung über die Verfassung um so weniger zu hoffen sey, als der König das allgemeine Zustimmungsrecht der Stände als eine Gefährdung der Souveränetätsrechte und als einen der Gründe für die Aufhebung des Staatsgrundgesetzes erklärt habe. Obgleich nun ein anderes Mitglied meinte, es sey jedenfalls erst zu erwarten, ob die Regierung, welcher an der Erledigung des Verfassungsstreites eben so viel als den Ständen liegen müsse, wegen eines von der vorigen Regierung für unbedenklich erachteten Satzes die Verfassungssache ferner unerledigt lassen werde, wurde dennoch der Antrag, den Entwurf (bloß mit Einschaltung der die Freiheit der Person betreffenden Gesetze unter denen, welche der ständischen Zustimmung bedürfen) wieder herzustellen, also das allgemeine Zustimmungsrecht der Stände bei der Gesetzgebung aufzugeben, mit überwiegender Mehrheit angenommen. (Es ist nun abzuwarten, ob die erste Kammer ebenfalls von ihrem früheren Beschlusse, an dem allgemeinen Zustimmungsrecht festzuhalten, wieder abgehen wird.) (Hannov. Z.)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 148. Augsburg, 27. Mai 1840, S. 1183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_148_18400527/7>, abgerufen am 29.04.2024.