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Allgemeine Zeitung. Nr. 159. Augsburg, 7. Juni 1840.

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die sich in Drohungen gefällt, gesetzt auch, es hieße bei ihm nur: si vis pacem, para bellum.

Wenn aber der Gedanke von Thiers ausgeht, vielleicht im Widerspruch mit den geheimen Sympathien des Königs, so erklärt er sich entweder als eine augenblickliche Improvisation, hervorgegangen aus dem Bedürfniß, sich großen Beifall bei der Nation zu gewinnen, oder als eine Handlung der politischen Voraussicht, hervorgegangen aus dem Gefühl, daß Wechselfälle eintreten könnten, bei welchen es räthlich scheinen dürfte, wie dem Nationalstolz überhaupt, so den kriegerischen Neigungen insbesondere geschmeichelt zu haben.

Auffallend ist die Bestimmung, daß Napoleon nicht in St. Denis, sondern bei den Invaliden beigesetzt werden soll. Im Interesse des Königs würde mehr jenes liegen als dieses. Das monarchische Princip würde dabei gewinnen, wenn Napoleon bei den alten Königen bestattet würde. Wohin will sich denn Ludwig Philipp selbst begraben lassen, wenn er einst und mit ihm die Bürgschaft des europäischen Friedens Abschied nimmt? Nur wenn Napoleon in St. Denis ruhte, könnte auch er dort ruhen. Denn wenn die jüngere Linie der Bourbone sich in jener Königsgruft der ältern beigesellte, mit Ausschluß Napoleons, würde der nationale Widerwille gegen die ältere Linie auch auf die jüngere übergehen. Wird Napoleon von St. Denis entfernt, so muß auch Ludwig Philipp ein besonderes Familiengrab für seine Dynastie gründen. Dieß heißt aber den historischen Faden ohne Noth abreißen. Die neue Dynastie würde mehr dabei gewinnen, wenn sie sich nicht absonderte, sondern die alte Reihe der Beherrscher Frankreichs, Napoleon mit eingeschlossen, nur fortsetzte.

Die Beisetzung Napoleons bei den Invaliden ist also keine dynastische Maaßregel, scheint ausschließlich dem Hrn. Thiers anzugehören und bezeichnet den ganzen Act der Uebersiedelung aus St. Helena als eine Demonstration im Sinn der kriegerischen Sympathien Frankreichs, und ist zugleich eine den Republicanern wenigstens indirect gemachte Concession. Napoleon soll bei den Invaliden bleiben, um ausschließlich militärische Erinnerungen zu wecken, alles Höfische soll an ihm abgestreift werden.

Das könnte nun ein bedenkliches Omen für Europa werden, wenn man nicht schon gewohnt wäre, in Paris Schauspiele wechseln zu sehen, in denen zwar wohlredende Helden drohende Reden halten, doch keiner in das friedliche deutsche Parterre herabsteigt, um unser unschuldiges Blut zu vergießen. Auch Napoleons zweite Bestattung wird nur ein solches Schauspiel seyn, und Thiers, der Director desselben, wird ihm an welthistorischer Würde weniger geben als nehmen.

Und dennoch hat die Sache etwas Unheimliches, und das Drohende liegt, wenn nicht in den Reden des Hrn. Thiers, doch in dem verhängnißvollen Sarge. Thiers glaubt mit einer Handvoll Staub spielen zu können, wie der Wind, dem das Umdrehen der französischen Wetterfahnen ohnehin längst geläufig ist. Aber er selbst kennt vielleicht nicht ganz die Macht, die er zu beschwören sich unterfangen. Wird der Kriegsdämon, der in Napoleons Leib wohnte und mit ihm so lange auf der fernen Insel unter dem schweren Steine lag, nicht mit ihm zurückkommen über das Weltmeer? Wird er nicht derer hohnlachen, die ihn riefen, und zu furchtbarem Ernst machen, was ihnen nur Spiel seyn sollte? Wird der große Napoleon nicht auf irgend eine Weise den kleinen desavouiren? Wird der Löwe dem in des Löwen Haut nicht unerwartet einen Schrecken bereiten? Wird diesem nicht begegnen, was dem Zauberlehrling in Goethe's Gedicht begegnete? Wir können uns der Vorstellung nicht erwehren, daß um das Grab des großen Welteroberers eine geisterhafte Bewegung herrscht, daß, wenn Napoleon wieder in Frankreich einzieht, die Schaaren der gefallenen Helden ihn umdrängen und wie die Todten auf Kaulbachs berühmtem Bilde sich über dem lebendigen Volke lagern und es mit sich hinreißen werden in den Sturm, der in ihnen braust, und der etwas rauher ist als der Wind, den Hr. Thiers auf der Tribune macht.

Doch haben wir nicht das mindeste dagegen, wenn man uns belehrt, daß diese dantesken Vorstellungen thörichte Träume sind. Mögen sie es seyn, möge der Held des Jahrhunderts in Frankreichs Erde ruhen und seine Ruhe dem Lande mittheilen. Wir wollen, wenn das Schauspiel friedlich abläuft, Hrn. Thiers darum loben und mit wahrem Vergnügen dabei denken: laßt die Todten ihre Todten begraben.

Dampfbootverbindung zwischen Belgien und Nordamerika.

Der Antrag des Ministeriums auf Errichtung einer Linie von Dampfbooten zwischen Belgien und den Vereinigten Staaten von Nordamerika scheint bei der Prüfung in den Sectionen der Repräsentantenkammer keine so günstige Aufnahme zu finden, als man anfangs erwartete. Die erste Idee eines solchen Unternehmens gehört dem abgetretenen Ministerium, das in einer Note zum Marinebudget die Absicht angekündigt, einen speciellen Credit zu begehren, um das System der Eisenbahnen durch einige Dampfschiffe zu vervollständigen. So wie nämlich die Eisenbahn die Verbindung des Rheins, und durch diesen die Verbindung Mitteleuropa's mit dem Hafen von Antwerpen zum Vortheil des allgemeinen Verkehrs begründen soll, so würde ein Dienst regelmäßig hin- und herfahrender Dampfboote diese Verbindungslinie bis übers Weltmeer fortsetzen, und ihr erst dadurch ihre vollste Bedeutung geben. Daneben macht das neue Ministerium die Interessen der belgischen Industrie geltend, und stellt sie sogar in den Vordergrund. Es ist nämlich die immer wiederkehrende Klage über Mangel an überseeischer Ausfuhr so allgemein geworden, daß man glauben möchte, den Belgiern seyen die transatlantischen Länder, wo Frankreich und England einen jährlich wachsenden Absatz ihrer Producte finden, überall gesperrt; diesem ist aber namentlich in Nordamerika nicht so. Die belgischen Schiffe und Producte werden dort unter denselben Bedingungen wie die französischen, englischen, niederländischen und hanseatischen zugelassen. Dazu hat Belgien vor Frankreich und England in Beziehung auf gewisse Rohstoffe, deren Preis auf den der Fabricate großen Einfluß ausübt, so wie in Hinsicht der Lebensmittel und der Arbeitslohnes unverkennbare Vortheile voraus. Warum sollte es denn nicht auch mit ihnen in Nordamerika concurirren können? Und dennoch beziehen die Vereinigten Staaten aus Belgien nur einen unbedeutenden Theil besonders der Leinen-, Kattun- und Wollenwaaren, die ihnen Europa liefert, und in deren Fabrication Belgien, was den Preis und die Güte betrifft, hinter keinem Lande zurücksteht. Der Grund hievon liegt in dem bisher sehr geringen Unternehmungsgeiste zur Anknüpfung regelmäßiger directer Verbindungen mit Nordamerika, wo man von vorn herein gegen die von England und Frankreich längst etablirten, durch das ganze Gewicht dieser Mächte unterstützten Geschäftsbeziehungen nicht aufkommen zu können fürchtet, und deßhalb nicht geneigt ist, seine Capitalien durch dahin einschlagende Versuche aufs Spiel zu setzen. Ein anderes, hieraus folgendes Hinderniß ist die Unkunde mit den dortigen Handelsverhältnissen, mit dem Geschmacke der Bewohner u. s. w. Die von dem Ministerium vorgeschlagene

die sich in Drohungen gefällt, gesetzt auch, es hieße bei ihm nur: si vis pacem, para bellum.

Wenn aber der Gedanke von Thiers ausgeht, vielleicht im Widerspruch mit den geheimen Sympathien des Königs, so erklärt er sich entweder als eine augenblickliche Improvisation, hervorgegangen aus dem Bedürfniß, sich großen Beifall bei der Nation zu gewinnen, oder als eine Handlung der politischen Voraussicht, hervorgegangen aus dem Gefühl, daß Wechselfälle eintreten könnten, bei welchen es räthlich scheinen dürfte, wie dem Nationalstolz überhaupt, so den kriegerischen Neigungen insbesondere geschmeichelt zu haben.

Auffallend ist die Bestimmung, daß Napoleon nicht in St. Denis, sondern bei den Invaliden beigesetzt werden soll. Im Interesse des Königs würde mehr jenes liegen als dieses. Das monarchische Princip würde dabei gewinnen, wenn Napoleon bei den alten Königen bestattet würde. Wohin will sich denn Ludwig Philipp selbst begraben lassen, wenn er einst und mit ihm die Bürgschaft des europäischen Friedens Abschied nimmt? Nur wenn Napoleon in St. Denis ruhte, könnte auch er dort ruhen. Denn wenn die jüngere Linie der Bourbone sich in jener Königsgruft der ältern beigesellte, mit Ausschluß Napoleons, würde der nationale Widerwille gegen die ältere Linie auch auf die jüngere übergehen. Wird Napoleon von St. Denis entfernt, so muß auch Ludwig Philipp ein besonderes Familiengrab für seine Dynastie gründen. Dieß heißt aber den historischen Faden ohne Noth abreißen. Die neue Dynastie würde mehr dabei gewinnen, wenn sie sich nicht absonderte, sondern die alte Reihe der Beherrscher Frankreichs, Napoleon mit eingeschlossen, nur fortsetzte.

Die Beisetzung Napoleons bei den Invaliden ist also keine dynastische Maaßregel, scheint ausschließlich dem Hrn. Thiers anzugehören und bezeichnet den ganzen Act der Uebersiedelung aus St. Helena als eine Demonstration im Sinn der kriegerischen Sympathien Frankreichs, und ist zugleich eine den Republicanern wenigstens indirect gemachte Concession. Napoleon soll bei den Invaliden bleiben, um ausschließlich militärische Erinnerungen zu wecken, alles Höfische soll an ihm abgestreift werden.

Das könnte nun ein bedenkliches Omen für Europa werden, wenn man nicht schon gewohnt wäre, in Paris Schauspiele wechseln zu sehen, in denen zwar wohlredende Helden drohende Reden halten, doch keiner in das friedliche deutsche Parterre herabsteigt, um unser unschuldiges Blut zu vergießen. Auch Napoleons zweite Bestattung wird nur ein solches Schauspiel seyn, und Thiers, der Director desselben, wird ihm an welthistorischer Würde weniger geben als nehmen.

Und dennoch hat die Sache etwas Unheimliches, und das Drohende liegt, wenn nicht in den Reden des Hrn. Thiers, doch in dem verhängnißvollen Sarge. Thiers glaubt mit einer Handvoll Staub spielen zu können, wie der Wind, dem das Umdrehen der französischen Wetterfahnen ohnehin längst geläufig ist. Aber er selbst kennt vielleicht nicht ganz die Macht, die er zu beschwören sich unterfangen. Wird der Kriegsdämon, der in Napoleons Leib wohnte und mit ihm so lange auf der fernen Insel unter dem schweren Steine lag, nicht mit ihm zurückkommen über das Weltmeer? Wird er nicht derer hohnlachen, die ihn riefen, und zu furchtbarem Ernst machen, was ihnen nur Spiel seyn sollte? Wird der große Napoleon nicht auf irgend eine Weise den kleinen desavouiren? Wird der Löwe dem in des Löwen Haut nicht unerwartet einen Schrecken bereiten? Wird diesem nicht begegnen, was dem Zauberlehrling in Goethe's Gedicht begegnete? Wir können uns der Vorstellung nicht erwehren, daß um das Grab des großen Welteroberers eine geisterhafte Bewegung herrscht, daß, wenn Napoleon wieder in Frankreich einzieht, die Schaaren der gefallenen Helden ihn umdrängen und wie die Todten auf Kaulbachs berühmtem Bilde sich über dem lebendigen Volke lagern und es mit sich hinreißen werden in den Sturm, der in ihnen braust, und der etwas rauher ist als der Wind, den Hr. Thiers auf der Tribune macht.

Doch haben wir nicht das mindeste dagegen, wenn man uns belehrt, daß diese dantesken Vorstellungen thörichte Träume sind. Mögen sie es seyn, möge der Held des Jahrhunderts in Frankreichs Erde ruhen und seine Ruhe dem Lande mittheilen. Wir wollen, wenn das Schauspiel friedlich abläuft, Hrn. Thiers darum loben und mit wahrem Vergnügen dabei denken: laßt die Todten ihre Todten begraben.

Dampfbootverbindung zwischen Belgien und Nordamerika.

Der Antrag des Ministeriums auf Errichtung einer Linie von Dampfbooten zwischen Belgien und den Vereinigten Staaten von Nordamerika scheint bei der Prüfung in den Sectionen der Repräsentantenkammer keine so günstige Aufnahme zu finden, als man anfangs erwartete. Die erste Idee eines solchen Unternehmens gehört dem abgetretenen Ministerium, das in einer Note zum Marinebudget die Absicht angekündigt, einen speciellen Credit zu begehren, um das System der Eisenbahnen durch einige Dampfschiffe zu vervollständigen. So wie nämlich die Eisenbahn die Verbindung des Rheins, und durch diesen die Verbindung Mitteleuropa's mit dem Hafen von Antwerpen zum Vortheil des allgemeinen Verkehrs begründen soll, so würde ein Dienst regelmäßig hin- und herfahrender Dampfboote diese Verbindungslinie bis übers Weltmeer fortsetzen, und ihr erst dadurch ihre vollste Bedeutung geben. Daneben macht das neue Ministerium die Interessen der belgischen Industrie geltend, und stellt sie sogar in den Vordergrund. Es ist nämlich die immer wiederkehrende Klage über Mangel an überseeischer Ausfuhr so allgemein geworden, daß man glauben möchte, den Belgiern seyen die transatlantischen Länder, wo Frankreich und England einen jährlich wachsenden Absatz ihrer Producte finden, überall gesperrt; diesem ist aber namentlich in Nordamerika nicht so. Die belgischen Schiffe und Producte werden dort unter denselben Bedingungen wie die französischen, englischen, niederländischen und hanseatischen zugelassen. Dazu hat Belgien vor Frankreich und England in Beziehung auf gewisse Rohstoffe, deren Preis auf den der Fabricate großen Einfluß ausübt, so wie in Hinsicht der Lebensmittel und der Arbeitslohnes unverkennbare Vortheile voraus. Warum sollte es denn nicht auch mit ihnen in Nordamerika concurirren können? Und dennoch beziehen die Vereinigten Staaten aus Belgien nur einen unbedeutenden Theil besonders der Leinen-, Kattun- und Wollenwaaren, die ihnen Europa liefert, und in deren Fabrication Belgien, was den Preis und die Güte betrifft, hinter keinem Lande zurücksteht. Der Grund hievon liegt in dem bisher sehr geringen Unternehmungsgeiste zur Anknüpfung regelmäßiger directer Verbindungen mit Nordamerika, wo man von vorn herein gegen die von England und Frankreich längst etablirten, durch das ganze Gewicht dieser Mächte unterstützten Geschäftsbeziehungen nicht aufkommen zu können fürchtet, und deßhalb nicht geneigt ist, seine Capitalien durch dahin einschlagende Versuche aufs Spiel zu setzen. Ein anderes, hieraus folgendes Hinderniß ist die Unkunde mit den dortigen Handelsverhältnissen, mit dem Geschmacke der Bewohner u. s. w. Die von dem Ministerium vorgeschlagene

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[1266/0010] die sich in Drohungen gefällt, gesetzt auch, es hieße bei ihm nur: si vis pacem, para bellum. Wenn aber der Gedanke von Thiers ausgeht, vielleicht im Widerspruch mit den geheimen Sympathien des Königs, so erklärt er sich entweder als eine augenblickliche Improvisation, hervorgegangen aus dem Bedürfniß, sich großen Beifall bei der Nation zu gewinnen, oder als eine Handlung der politischen Voraussicht, hervorgegangen aus dem Gefühl, daß Wechselfälle eintreten könnten, bei welchen es räthlich scheinen dürfte, wie dem Nationalstolz überhaupt, so den kriegerischen Neigungen insbesondere geschmeichelt zu haben. Auffallend ist die Bestimmung, daß Napoleon nicht in St. Denis, sondern bei den Invaliden beigesetzt werden soll. Im Interesse des Königs würde mehr jenes liegen als dieses. Das monarchische Princip würde dabei gewinnen, wenn Napoleon bei den alten Königen bestattet würde. Wohin will sich denn Ludwig Philipp selbst begraben lassen, wenn er einst und mit ihm die Bürgschaft des europäischen Friedens Abschied nimmt? Nur wenn Napoleon in St. Denis ruhte, könnte auch er dort ruhen. Denn wenn die jüngere Linie der Bourbone sich in jener Königsgruft der ältern beigesellte, mit Ausschluß Napoleons, würde der nationale Widerwille gegen die ältere Linie auch auf die jüngere übergehen. Wird Napoleon von St. Denis entfernt, so muß auch Ludwig Philipp ein besonderes Familiengrab für seine Dynastie gründen. Dieß heißt aber den historischen Faden ohne Noth abreißen. Die neue Dynastie würde mehr dabei gewinnen, wenn sie sich nicht absonderte, sondern die alte Reihe der Beherrscher Frankreichs, Napoleon mit eingeschlossen, nur fortsetzte. Die Beisetzung Napoleons bei den Invaliden ist also keine dynastische Maaßregel, scheint ausschließlich dem Hrn. Thiers anzugehören und bezeichnet den ganzen Act der Uebersiedelung aus St. Helena als eine Demonstration im Sinn der kriegerischen Sympathien Frankreichs, und ist zugleich eine den Republicanern wenigstens indirect gemachte Concession. Napoleon soll bei den Invaliden bleiben, um ausschließlich militärische Erinnerungen zu wecken, alles Höfische soll an ihm abgestreift werden. Das könnte nun ein bedenkliches Omen für Europa werden, wenn man nicht schon gewohnt wäre, in Paris Schauspiele wechseln zu sehen, in denen zwar wohlredende Helden drohende Reden halten, doch keiner in das friedliche deutsche Parterre herabsteigt, um unser unschuldiges Blut zu vergießen. Auch Napoleons zweite Bestattung wird nur ein solches Schauspiel seyn, und Thiers, der Director desselben, wird ihm an welthistorischer Würde weniger geben als nehmen. Und dennoch hat die Sache etwas Unheimliches, und das Drohende liegt, wenn nicht in den Reden des Hrn. Thiers, doch in dem verhängnißvollen Sarge. Thiers glaubt mit einer Handvoll Staub spielen zu können, wie der Wind, dem das Umdrehen der französischen Wetterfahnen ohnehin längst geläufig ist. Aber er selbst kennt vielleicht nicht ganz die Macht, die er zu beschwören sich unterfangen. Wird der Kriegsdämon, der in Napoleons Leib wohnte und mit ihm so lange auf der fernen Insel unter dem schweren Steine lag, nicht mit ihm zurückkommen über das Weltmeer? Wird er nicht derer hohnlachen, die ihn riefen, und zu furchtbarem Ernst machen, was ihnen nur Spiel seyn sollte? Wird der große Napoleon nicht auf irgend eine Weise den kleinen desavouiren? Wird der Löwe dem in des Löwen Haut nicht unerwartet einen Schrecken bereiten? Wird diesem nicht begegnen, was dem Zauberlehrling in Goethe's Gedicht begegnete? Wir können uns der Vorstellung nicht erwehren, daß um das Grab des großen Welteroberers eine geisterhafte Bewegung herrscht, daß, wenn Napoleon wieder in Frankreich einzieht, die Schaaren der gefallenen Helden ihn umdrängen und wie die Todten auf Kaulbachs berühmtem Bilde sich über dem lebendigen Volke lagern und es mit sich hinreißen werden in den Sturm, der in ihnen braust, und der etwas rauher ist als der Wind, den Hr. Thiers auf der Tribune macht. Doch haben wir nicht das mindeste dagegen, wenn man uns belehrt, daß diese dantesken Vorstellungen thörichte Träume sind. Mögen sie es seyn, möge der Held des Jahrhunderts in Frankreichs Erde ruhen und seine Ruhe dem Lande mittheilen. Wir wollen, wenn das Schauspiel friedlich abläuft, Hrn. Thiers darum loben und mit wahrem Vergnügen dabei denken: laßt die Todten ihre Todten begraben. Dampfbootverbindung zwischen Belgien und Nordamerika. _ Brüssel, 27 Mai. Der Antrag des Ministeriums auf Errichtung einer Linie von Dampfbooten zwischen Belgien und den Vereinigten Staaten von Nordamerika scheint bei der Prüfung in den Sectionen der Repräsentantenkammer keine so günstige Aufnahme zu finden, als man anfangs erwartete. Die erste Idee eines solchen Unternehmens gehört dem abgetretenen Ministerium, das in einer Note zum Marinebudget die Absicht angekündigt, einen speciellen Credit zu begehren, um das System der Eisenbahnen durch einige Dampfschiffe zu vervollständigen. So wie nämlich die Eisenbahn die Verbindung des Rheins, und durch diesen die Verbindung Mitteleuropa's mit dem Hafen von Antwerpen zum Vortheil des allgemeinen Verkehrs begründen soll, so würde ein Dienst regelmäßig hin- und herfahrender Dampfboote diese Verbindungslinie bis übers Weltmeer fortsetzen, und ihr erst dadurch ihre vollste Bedeutung geben. Daneben macht das neue Ministerium die Interessen der belgischen Industrie geltend, und stellt sie sogar in den Vordergrund. Es ist nämlich die immer wiederkehrende Klage über Mangel an überseeischer Ausfuhr so allgemein geworden, daß man glauben möchte, den Belgiern seyen die transatlantischen Länder, wo Frankreich und England einen jährlich wachsenden Absatz ihrer Producte finden, überall gesperrt; diesem ist aber namentlich in Nordamerika nicht so. Die belgischen Schiffe und Producte werden dort unter denselben Bedingungen wie die französischen, englischen, niederländischen und hanseatischen zugelassen. Dazu hat Belgien vor Frankreich und England in Beziehung auf gewisse Rohstoffe, deren Preis auf den der Fabricate großen Einfluß ausübt, so wie in Hinsicht der Lebensmittel und der Arbeitslohnes unverkennbare Vortheile voraus. Warum sollte es denn nicht auch mit ihnen in Nordamerika concurirren können? Und dennoch beziehen die Vereinigten Staaten aus Belgien nur einen unbedeutenden Theil besonders der Leinen-, Kattun- und Wollenwaaren, die ihnen Europa liefert, und in deren Fabrication Belgien, was den Preis und die Güte betrifft, hinter keinem Lande zurücksteht. Der Grund hievon liegt in dem bisher sehr geringen Unternehmungsgeiste zur Anknüpfung regelmäßiger directer Verbindungen mit Nordamerika, wo man von vorn herein gegen die von England und Frankreich längst etablirten, durch das ganze Gewicht dieser Mächte unterstützten Geschäftsbeziehungen nicht aufkommen zu können fürchtet, und deßhalb nicht geneigt ist, seine Capitalien durch dahin einschlagende Versuche aufs Spiel zu setzen. Ein anderes, hieraus folgendes Hinderniß ist die Unkunde mit den dortigen Handelsverhältnissen, mit dem Geschmacke der Bewohner u. s. w. Die von dem Ministerium vorgeschlagene

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 159. Augsburg, 7. Juni 1840, S. 1266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_159_18400607/10>, abgerufen am 28.04.2024.