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Allgemeine Zeitung. Nr. 165. Augsburg, 13. Juni 1840.

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anwenden; doch ziehe er sein Amendement zurück, zufrieden, die Aufmerksamkeit der Kammern auf eine so hochwichtige Angelegenheit gelenkt zu haben. Da die Kammer nicht mehr vollzählig war, wurde die Abstimmung auf Montag vertagt.

[irrelevantes Material] Die Deputirtenkammer fuhr am 8 Junius in Erörterung des Budgets des Kriegs fort. Marschall Clauzel bemerkt, man sey jetzt seit zehn Jahren im Besitze von Algier, und noch erwarte dieses eine Organisation, ein System. Man habe große Fehler begangen. Die Verwaltungen seyen rasch auf einander gefolgt, und es scheine Alles gleichsam im Haß gegen die Colonisirung geschehen zu seyn. Hätte man bei den Arabern die Hoffnung, Algerien preiszugeben, nicht unterhalten, so würden sie sich ihrem Geschick unterworfen haben. Er wolle die gegenwärtigen Militäroperationen nicht tadeln, sondern nur an die Frage der Colonisirung erinnern, die allein die Opfer der Eroberung aufwiegen könne. Der Entwurf zu einer zusammenhängenden Umschanzung gehöre nicht dem General Rogniat an; er existire seit zehn Jahren, sey geprüft und verlassen worden. Das Cap. 9 "Sold und Unterhalt der Truppen von Algerien 18,294,400 Fr." ward dann angenommen, so wie die noch übrigen Capitel des Kriegsbudgets, und die Kammer ging zur Erörterung des Budgets des Seewesens und der Colonien über. Obrist Paixhans klagt, daß die Kosten der Marine fortwährend steigen, ohne daß die Seemacht in demselben Verhältniß stiege. Die Zahl der Kriegsschiffe sey geringer als unter Ludwig XVI und nach dem amerikanischen Revolutionskriege. Frankreich sey in Vergleichung mit der englischen Seemacht sehr schwach. Statt der Erbauung großer Segelschiffe räth er zu Erbauung einer Marine von Dampfbooten, die weniger kosten und mit guter Artillerie ausgestattet der englischen Marine die Spitze bieten könnte. Der Seeminister bemerkt, die Zahl der Dampfboote werde sich 1841 auf 30 belaufen, 1840 sey sie nur 20. Die größten hätten bis jetzt nur 220 Pferdekraft, man werde aber nächstens Dampfboote von 320 bis 450 Pferdekraft besitzen. Die Colonialfragen seyen einer speciellen Commission des Ministeriums zur Prüfung vorgelegt. Diese Commission werde auch die Negerbefreiungsfrage prüfen, die mancherlei Schwierigkeiten darbiete. Hr. Isambert spricht von der schlechten Finanzverwaltung der Colonien, die alle Deficits darböten. Hr. Dangeville erklärt sich in demselben Sinn, Frankreich habe fünf Colonialniederlassungen in beiden Indien; ihre Bodenfläche sey nicht größer, als fünfmal die Bodenfläche des Departements der Seine, und zu deren Verwaltung habe man 1120 Beamte! (Abgang der Post.)

(National.) Sorgfältig haben wir Alles, was in Paris über den letzten Feldzug des Marschalls gedruckt worden ist, gelesen. Die Presse klagt ihn einstimmig an. Nicht eine Stimme hat sich zu seiner Vertheidigung erhoben. Eben so einstimmig lauten auch die aus Afrika gekommenen Correspondenzen, und die Journale sind nur der schwache Ausdruck der Klagen und der Erbitterung der Colonie und Armee gewesen. Wird man diesen Mann zur Rechenschaft ziehen? Wenn er ein Opfer einer irrigen Meinung ist, so gebe man ihm Mittel, sich vor einem Kriegsgericht zu vertheidigen. Und, wenn er schuldig ist, so behandle man ihn, wie er es verdient. Dieß verlangt der gesunde Menschenverstand. - Aber nein! kein Kriegsgericht für ihn, er ist Gouverneur und bleibt Gouverneur. Er hat gezeigt, daß er in keiner Weise die Fähigkeit für ein Obercommando besitzt, und man läßt ihm das Commando. In den Augen der Colonisten wie der Armee hat er so sehr die Achtung, die Popularität verloren, daß ihm jedes moralische Ansehen gebricht. Man läßt ihm die Gewalt des materiellen Ansehens und hält ihn gegen den allgemeinen Wunsch. Wagt das Ministerium eine so schwere Verantwortlichkeit auf sich zu nehmen? Seine Freunde wollen es davon freisprechen. Das Ministerium hat, wie man sagt, zu dreimalen einstimmig seine Meinung zur Rückberufung des Marschalls ausgesprochen. Der Marschall wird nicht zurückgerufen. Warum? Sollte es möglich seyn, daß Valee sich selbst für unangreifbar in seiner Stellung hält? Sollte es wahr seyn, daß er dieses Vertrauen aus einer Correspondenz schöpft, die er in dem Archiv des Generals Damremont gefunden und nicht herausgeben will? Sollte es wahr seyn, daß diejenigen, welche im Schlosse von Algier, wie von einem hübschen Spielzeug, das man verkaufen will, sprechen, diesen Gedanken in den vertrauten Briefen ausgedrückt haben, und daß dieß die Sicherheit des Marschalls macht? Noch überraschender aber ist vielleicht, daß unter allen den Deputirten, die so eifersüchtig auf die Aufrechthaltung von Principien und der Ehre unserer Waffen sind, sich keiner findet, welcher der Kammer den Wunsch der Presse und des Landes vortrüge. In der That wir sehen sehr wohl, wozu diese ausschließliche Kammer nicht dient, aber sehr begierig wären wir zu erfahren, wozu sie eigentlich dient.

(Moniteur parisien.) Die Nachrichten aus Algier gehen bis zum 31 Mai. Damals war man eifrig mit Vorbereitungen zu der Expedition nach Miliana, die bald beginnen sollte, beschäftigt.

Der Moniteur bringt zwei königliche Ordonnanzen vom 5 und 6 Jun., enthaltend die Versetzungen von ungefähr 25 Präfecten von einem Departement ins andere, dann einer beinahe gleichen Anzahl von Unterpräfecten. Die unter den Präfecten durch einen Todesfall und durch Absetzungen und Beförderungen entstandenen Lücken sind durch ein paar neue unbekannte Männer ausgefüllt worden. Ganz aus dem Amte entfernt wurde ein einziger Präfect, Hr. Scipio Morgues, der bisher das Departement der obern Alpen verwaltete; mehrere sind aus Departementen von geringerer Bedeutung in bedeutendere gelangt, andern ist es umgekehrt ergangen. Zwei Präfecten, deren gänzliche Entfernung vielseitig begehrt worden war, sind beibehalten worden. Hr. Moriz Duval, Präfect von Nantes, der in stetem Zwist mit allen durch die Wahl der Einwohner berufenen Behörden lebte, ist zum Staatsrath im ordentlichen Dienst befördert worden, als Nachfolger des Justizministers Vivien. Hr. Petit de Bantel, Präfect des Arriegedepartements, bekannt durch sein wenigstens höchst unpassendes Benehmen bei Gelegenheit eines Auflaufs auf dem Markte zu Foix, ist mit einer Versetzung ins Departement du Cantal davon gekommen. Diese ganze Maaßregel kann keine dem Cabinet günstige Wirkung hervorbringen. Die vielen Deputirten gemachten Zusagen der Entfernung ihrer Präfecten sind entweder gar nicht gehalten worden, oder nur halb, indem bloß ein Tausch zwischen Männern gleicher Art vorgegangen ist; andrerseits betrifft die Maaßregel nicht ein Drittel der ganzen Anzahl der Präfecten, und alle die Beibehaltenen sind Creaturen eines oder des andern der beiden vorhergehenden Cabinette, und es läßt sich nicht absehen, daß, bei einer neuen Wahl der Deputirten, sie dem jetzigen Cabinet eine besondere Zuneigung widmen werden. Obwohl Hr. Thiers schon seit einiger Zeit von einer solchen Maaßregel gesprochen hatte, so glaubte man doch deren Ausführung nicht so nahe. Nach Erscheinung des Moniteurs war die Ansicht allgemein, nur ein besonderer Grund habe den Hrn. Thiers bestimmt, jetzt schon seinen Plan in Vollzug zu bringen; viele Personen glauben diesen Grund in einer dem Hrn. Conseilspräsidenten wenigstens drohenden Ungnade finden zu können, wovon seit mehreren

anwenden; doch ziehe er sein Amendement zurück, zufrieden, die Aufmerksamkeit der Kammern auf eine so hochwichtige Angelegenheit gelenkt zu haben. Da die Kammer nicht mehr vollzählig war, wurde die Abstimmung auf Montag vertagt.

[irrelevantes Material] Die Deputirtenkammer fuhr am 8 Junius in Erörterung des Budgets des Kriegs fort. Marschall Clauzel bemerkt, man sey jetzt seit zehn Jahren im Besitze von Algier, und noch erwarte dieses eine Organisation, ein System. Man habe große Fehler begangen. Die Verwaltungen seyen rasch auf einander gefolgt, und es scheine Alles gleichsam im Haß gegen die Colonisirung geschehen zu seyn. Hätte man bei den Arabern die Hoffnung, Algerien preiszugeben, nicht unterhalten, so würden sie sich ihrem Geschick unterworfen haben. Er wolle die gegenwärtigen Militäroperationen nicht tadeln, sondern nur an die Frage der Colonisirung erinnern, die allein die Opfer der Eroberung aufwiegen könne. Der Entwurf zu einer zusammenhängenden Umschanzung gehöre nicht dem General Rogniat an; er existire seit zehn Jahren, sey geprüft und verlassen worden. Das Cap. 9 „Sold und Unterhalt der Truppen von Algerien 18,294,400 Fr.“ ward dann angenommen, so wie die noch übrigen Capitel des Kriegsbudgets, und die Kammer ging zur Erörterung des Budgets des Seewesens und der Colonien über. Obrist Paixhans klagt, daß die Kosten der Marine fortwährend steigen, ohne daß die Seemacht in demselben Verhältniß stiege. Die Zahl der Kriegsschiffe sey geringer als unter Ludwig XVI und nach dem amerikanischen Revolutionskriege. Frankreich sey in Vergleichung mit der englischen Seemacht sehr schwach. Statt der Erbauung großer Segelschiffe räth er zu Erbauung einer Marine von Dampfbooten, die weniger kosten und mit guter Artillerie ausgestattet der englischen Marine die Spitze bieten könnte. Der Seeminister bemerkt, die Zahl der Dampfboote werde sich 1841 auf 30 belaufen, 1840 sey sie nur 20. Die größten hätten bis jetzt nur 220 Pferdekraft, man werde aber nächstens Dampfboote von 320 bis 450 Pferdekraft besitzen. Die Colonialfragen seyen einer speciellen Commission des Ministeriums zur Prüfung vorgelegt. Diese Commission werde auch die Negerbefreiungsfrage prüfen, die mancherlei Schwierigkeiten darbiete. Hr. Isambert spricht von der schlechten Finanzverwaltung der Colonien, die alle Deficits darböten. Hr. Dangeville erklärt sich in demselben Sinn, Frankreich habe fünf Colonialniederlassungen in beiden Indien; ihre Bodenfläche sey nicht größer, als fünfmal die Bodenfläche des Departements der Seine, und zu deren Verwaltung habe man 1120 Beamte! (Abgang der Post.)

(National.) Sorgfältig haben wir Alles, was in Paris über den letzten Feldzug des Marschalls gedruckt worden ist, gelesen. Die Presse klagt ihn einstimmig an. Nicht eine Stimme hat sich zu seiner Vertheidigung erhoben. Eben so einstimmig lauten auch die aus Afrika gekommenen Correspondenzen, und die Journale sind nur der schwache Ausdruck der Klagen und der Erbitterung der Colonie und Armee gewesen. Wird man diesen Mann zur Rechenschaft ziehen? Wenn er ein Opfer einer irrigen Meinung ist, so gebe man ihm Mittel, sich vor einem Kriegsgericht zu vertheidigen. Und, wenn er schuldig ist, so behandle man ihn, wie er es verdient. Dieß verlangt der gesunde Menschenverstand. – Aber nein! kein Kriegsgericht für ihn, er ist Gouverneur und bleibt Gouverneur. Er hat gezeigt, daß er in keiner Weise die Fähigkeit für ein Obercommando besitzt, und man läßt ihm das Commando. In den Augen der Colonisten wie der Armee hat er so sehr die Achtung, die Popularität verloren, daß ihm jedes moralische Ansehen gebricht. Man läßt ihm die Gewalt des materiellen Ansehens und hält ihn gegen den allgemeinen Wunsch. Wagt das Ministerium eine so schwere Verantwortlichkeit auf sich zu nehmen? Seine Freunde wollen es davon freisprechen. Das Ministerium hat, wie man sagt, zu dreimalen einstimmig seine Meinung zur Rückberufung des Marschalls ausgesprochen. Der Marschall wird nicht zurückgerufen. Warum? Sollte es möglich seyn, daß Valée sich selbst für unangreifbar in seiner Stellung hält? Sollte es wahr seyn, daß er dieses Vertrauen aus einer Correspondenz schöpft, die er in dem Archiv des Generals Damremont gefunden und nicht herausgeben will? Sollte es wahr seyn, daß diejenigen, welche im Schlosse von Algier, wie von einem hübschen Spielzeug, das man verkaufen will, sprechen, diesen Gedanken in den vertrauten Briefen ausgedrückt haben, und daß dieß die Sicherheit des Marschalls macht? Noch überraschender aber ist vielleicht, daß unter allen den Deputirten, die so eifersüchtig auf die Aufrechthaltung von Principien und der Ehre unserer Waffen sind, sich keiner findet, welcher der Kammer den Wunsch der Presse und des Landes vortrüge. In der That wir sehen sehr wohl, wozu diese ausschließliche Kammer nicht dient, aber sehr begierig wären wir zu erfahren, wozu sie eigentlich dient.

(Moniteur parisien.) Die Nachrichten aus Algier gehen bis zum 31 Mai. Damals war man eifrig mit Vorbereitungen zu der Expedition nach Miliana, die bald beginnen sollte, beschäftigt.

Der Moniteur bringt zwei königliche Ordonnanzen vom 5 und 6 Jun., enthaltend die Versetzungen von ungefähr 25 Präfecten von einem Departement ins andere, dann einer beinahe gleichen Anzahl von Unterpräfecten. Die unter den Präfecten durch einen Todesfall und durch Absetzungen und Beförderungen entstandenen Lücken sind durch ein paar neue unbekannte Männer ausgefüllt worden. Ganz aus dem Amte entfernt wurde ein einziger Präfect, Hr. Scipio Morgues, der bisher das Departement der obern Alpen verwaltete; mehrere sind aus Departementen von geringerer Bedeutung in bedeutendere gelangt, andern ist es umgekehrt ergangen. Zwei Präfecten, deren gänzliche Entfernung vielseitig begehrt worden war, sind beibehalten worden. Hr. Moriz Duval, Präfect von Nantes, der in stetem Zwist mit allen durch die Wahl der Einwohner berufenen Behörden lebte, ist zum Staatsrath im ordentlichen Dienst befördert worden, als Nachfolger des Justizministers Vivien. Hr. Petit de Bantel, Präfect des Arriègedepartements, bekannt durch sein wenigstens höchst unpassendes Benehmen bei Gelegenheit eines Auflaufs auf dem Markte zu Foix, ist mit einer Versetzung ins Departement du Cantal davon gekommen. Diese ganze Maaßregel kann keine dem Cabinet günstige Wirkung hervorbringen. Die vielen Deputirten gemachten Zusagen der Entfernung ihrer Präfecten sind entweder gar nicht gehalten worden, oder nur halb, indem bloß ein Tausch zwischen Männern gleicher Art vorgegangen ist; andrerseits betrifft die Maaßregel nicht ein Drittel der ganzen Anzahl der Präfecten, und alle die Beibehaltenen sind Creaturen eines oder des andern der beiden vorhergehenden Cabinette, und es läßt sich nicht absehen, daß, bei einer neuen Wahl der Deputirten, sie dem jetzigen Cabinet eine besondere Zuneigung widmen werden. Obwohl Hr. Thiers schon seit einiger Zeit von einer solchen Maaßregel gesprochen hatte, so glaubte man doch deren Ausführung nicht so nahe. Nach Erscheinung des Moniteurs war die Ansicht allgemein, nur ein besonderer Grund habe den Hrn. Thiers bestimmt, jetzt schon seinen Plan in Vollzug zu bringen; viele Personen glauben diesen Grund in einer dem Hrn. Conseilspräsidenten wenigstens drohenden Ungnade finden zu können, wovon seit mehreren

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[1316/0004] anwenden; doch ziehe er sein Amendement zurück, zufrieden, die Aufmerksamkeit der Kammern auf eine so hochwichtige Angelegenheit gelenkt zu haben. Da die Kammer nicht mehr vollzählig war, wurde die Abstimmung auf Montag vertagt. _ Die Deputirtenkammer fuhr am 8 Junius in Erörterung des Budgets des Kriegs fort. Marschall Clauzel bemerkt, man sey jetzt seit zehn Jahren im Besitze von Algier, und noch erwarte dieses eine Organisation, ein System. Man habe große Fehler begangen. Die Verwaltungen seyen rasch auf einander gefolgt, und es scheine Alles gleichsam im Haß gegen die Colonisirung geschehen zu seyn. Hätte man bei den Arabern die Hoffnung, Algerien preiszugeben, nicht unterhalten, so würden sie sich ihrem Geschick unterworfen haben. Er wolle die gegenwärtigen Militäroperationen nicht tadeln, sondern nur an die Frage der Colonisirung erinnern, die allein die Opfer der Eroberung aufwiegen könne. Der Entwurf zu einer zusammenhängenden Umschanzung gehöre nicht dem General Rogniat an; er existire seit zehn Jahren, sey geprüft und verlassen worden. Das Cap. 9 „Sold und Unterhalt der Truppen von Algerien 18,294,400 Fr.“ ward dann angenommen, so wie die noch übrigen Capitel des Kriegsbudgets, und die Kammer ging zur Erörterung des Budgets des Seewesens und der Colonien über. Obrist Paixhans klagt, daß die Kosten der Marine fortwährend steigen, ohne daß die Seemacht in demselben Verhältniß stiege. Die Zahl der Kriegsschiffe sey geringer als unter Ludwig XVI und nach dem amerikanischen Revolutionskriege. Frankreich sey in Vergleichung mit der englischen Seemacht sehr schwach. Statt der Erbauung großer Segelschiffe räth er zu Erbauung einer Marine von Dampfbooten, die weniger kosten und mit guter Artillerie ausgestattet der englischen Marine die Spitze bieten könnte. Der Seeminister bemerkt, die Zahl der Dampfboote werde sich 1841 auf 30 belaufen, 1840 sey sie nur 20. Die größten hätten bis jetzt nur 220 Pferdekraft, man werde aber nächstens Dampfboote von 320 bis 450 Pferdekraft besitzen. Die Colonialfragen seyen einer speciellen Commission des Ministeriums zur Prüfung vorgelegt. Diese Commission werde auch die Negerbefreiungsfrage prüfen, die mancherlei Schwierigkeiten darbiete. Hr. Isambert spricht von der schlechten Finanzverwaltung der Colonien, die alle Deficits darböten. Hr. Dangeville erklärt sich in demselben Sinn, Frankreich habe fünf Colonialniederlassungen in beiden Indien; ihre Bodenfläche sey nicht größer, als fünfmal die Bodenfläche des Departements der Seine, und zu deren Verwaltung habe man 1120 Beamte! (Abgang der Post.) (National.) Sorgfältig haben wir Alles, was in Paris über den letzten Feldzug des Marschalls gedruckt worden ist, gelesen. Die Presse klagt ihn einstimmig an. Nicht eine Stimme hat sich zu seiner Vertheidigung erhoben. Eben so einstimmig lauten auch die aus Afrika gekommenen Correspondenzen, und die Journale sind nur der schwache Ausdruck der Klagen und der Erbitterung der Colonie und Armee gewesen. Wird man diesen Mann zur Rechenschaft ziehen? Wenn er ein Opfer einer irrigen Meinung ist, so gebe man ihm Mittel, sich vor einem Kriegsgericht zu vertheidigen. Und, wenn er schuldig ist, so behandle man ihn, wie er es verdient. Dieß verlangt der gesunde Menschenverstand. – Aber nein! kein Kriegsgericht für ihn, er ist Gouverneur und bleibt Gouverneur. Er hat gezeigt, daß er in keiner Weise die Fähigkeit für ein Obercommando besitzt, und man läßt ihm das Commando. In den Augen der Colonisten wie der Armee hat er so sehr die Achtung, die Popularität verloren, daß ihm jedes moralische Ansehen gebricht. Man läßt ihm die Gewalt des materiellen Ansehens und hält ihn gegen den allgemeinen Wunsch. Wagt das Ministerium eine so schwere Verantwortlichkeit auf sich zu nehmen? Seine Freunde wollen es davon freisprechen. Das Ministerium hat, wie man sagt, zu dreimalen einstimmig seine Meinung zur Rückberufung des Marschalls ausgesprochen. Der Marschall wird nicht zurückgerufen. Warum? Sollte es möglich seyn, daß Valée sich selbst für unangreifbar in seiner Stellung hält? Sollte es wahr seyn, daß er dieses Vertrauen aus einer Correspondenz schöpft, die er in dem Archiv des Generals Damremont gefunden und nicht herausgeben will? Sollte es wahr seyn, daß diejenigen, welche im Schlosse von Algier, wie von einem hübschen Spielzeug, das man verkaufen will, sprechen, diesen Gedanken in den vertrauten Briefen ausgedrückt haben, und daß dieß die Sicherheit des Marschalls macht? Noch überraschender aber ist vielleicht, daß unter allen den Deputirten, die so eifersüchtig auf die Aufrechthaltung von Principien und der Ehre unserer Waffen sind, sich keiner findet, welcher der Kammer den Wunsch der Presse und des Landes vortrüge. In der That wir sehen sehr wohl, wozu diese ausschließliche Kammer nicht dient, aber sehr begierig wären wir zu erfahren, wozu sie eigentlich dient. (Moniteur parisien.) Die Nachrichten aus Algier gehen bis zum 31 Mai. Damals war man eifrig mit Vorbereitungen zu der Expedition nach Miliana, die bald beginnen sollte, beschäftigt. _ Paris, 7 Jun. Der Moniteur bringt zwei königliche Ordonnanzen vom 5 und 6 Jun., enthaltend die Versetzungen von ungefähr 25 Präfecten von einem Departement ins andere, dann einer beinahe gleichen Anzahl von Unterpräfecten. Die unter den Präfecten durch einen Todesfall und durch Absetzungen und Beförderungen entstandenen Lücken sind durch ein paar neue unbekannte Männer ausgefüllt worden. Ganz aus dem Amte entfernt wurde ein einziger Präfect, Hr. Scipio Morgues, der bisher das Departement der obern Alpen verwaltete; mehrere sind aus Departementen von geringerer Bedeutung in bedeutendere gelangt, andern ist es umgekehrt ergangen. Zwei Präfecten, deren gänzliche Entfernung vielseitig begehrt worden war, sind beibehalten worden. Hr. Moriz Duval, Präfect von Nantes, der in stetem Zwist mit allen durch die Wahl der Einwohner berufenen Behörden lebte, ist zum Staatsrath im ordentlichen Dienst befördert worden, als Nachfolger des Justizministers Vivien. Hr. Petit de Bantel, Präfect des Arriègedepartements, bekannt durch sein wenigstens höchst unpassendes Benehmen bei Gelegenheit eines Auflaufs auf dem Markte zu Foix, ist mit einer Versetzung ins Departement du Cantal davon gekommen. Diese ganze Maaßregel kann keine dem Cabinet günstige Wirkung hervorbringen. Die vielen Deputirten gemachten Zusagen der Entfernung ihrer Präfecten sind entweder gar nicht gehalten worden, oder nur halb, indem bloß ein Tausch zwischen Männern gleicher Art vorgegangen ist; andrerseits betrifft die Maaßregel nicht ein Drittel der ganzen Anzahl der Präfecten, und alle die Beibehaltenen sind Creaturen eines oder des andern der beiden vorhergehenden Cabinette, und es läßt sich nicht absehen, daß, bei einer neuen Wahl der Deputirten, sie dem jetzigen Cabinet eine besondere Zuneigung widmen werden. Obwohl Hr. Thiers schon seit einiger Zeit von einer solchen Maaßregel gesprochen hatte, so glaubte man doch deren Ausführung nicht so nahe. Nach Erscheinung des Moniteurs war die Ansicht allgemein, nur ein besonderer Grund habe den Hrn. Thiers bestimmt, jetzt schon seinen Plan in Vollzug zu bringen; viele Personen glauben diesen Grund in einer dem Hrn. Conseilspräsidenten wenigstens drohenden Ungnade finden zu können, wovon seit mehreren

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 165. Augsburg, 13. Juni 1840, S. 1316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_165_18400613/4>, abgerufen am 29.04.2024.