Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 180. Augsburg, 28. Juni 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Niederlande.

Der Schluß und das Ergebniß der letzten Session der Generalstaaten haben die Richtigkeit mehrerer meiner Voraussagen über die eigentliche Stellung der Parteien unter sich und zur Regierung, so wie über den Geist und den Charakter der holländischen Nation vollkommen gerechtfertigt. Der Hausstreit ist mit aller Wärme und Schärfe, Offenherzigkeit und Freimüthigkeit durchgeführt worden; allein eben so ehrlich und bereitwillig ist auch die Regierung manchen Wünschen entgegengekommen und in verschiedene Forderungen eingegangen, sobald sie sich wirklich als Ausdruck des Nationalwillens herausgestellt, und auf jeden Fall haben diejenigen sich getäuscht, welche nichts weniger denn patriotische Nebenzwecke durch die parlamentarischen Schlachten mit zu erreichen gehofft; der nebenher ausgestreute Schierling ist nicht aufgegangen, und Erscheinungen, wie die in Gröningen, dienen nicht dazu, dem Thun und Treiben gewisser Leute Popularität und Credit zu verschaffen. - Was die Verhältnisse des Herzogthums oder der Provinz Limburg betrifft, so wird, wie man vernimmt, in solcher Weise vorbereitet und vorgearbeitet, welche den betreffenden Staatsangehörigen alle wünschbaren Bürgschaften für die Zukunft darreichen dürfte; und daß sich die Regierung hierin weniger beeilt hat, zeugt, weit entfernt, daß deßhalb mit Fug ihr ein Vorwurf gemacht werden könnte, gerade für die Absicht, etwas Gediegenes und Bleibendes, und nicht bloß Ephemeres und Oberflächliches zu Stande zu bringen, was bei den ersten Verwicklungen und Stürmen wieder zusammenfällt. Auch in der Administration des Großherzogthums Luxemburg wird rüstig mit manchem Guten fortgefahren; stellen sich in den commerciellen Verhältnissen zu den deutschen Vereinsstaaten zeitlich auch noch Hindernisse entgegen, und lassen sich ein gewisses Mißtrauen und mehrfache Besorgnisse über die einen und andern Consequenzen des Beitritts in politischer Hinsicht nicht ganz in Abrede stellen, so darf doch die sichere Erwartung gehegt werden, daß ein endliches Verständniß, im gemeinsamen Interesse jenes Bundesstaates und Preußens, so wie der übrigen Mitglieder des großen Zollvereins, nicht lange mehr ausbleiben wird; auch bietet der bekannte Charakter des neuen preußischen Monarchen alle wünschbaren Chancen. Eine Differenz auf diesem, in politischer wie in commercieller Beziehung so wichtigen Punkte würde nur ein Zugloch seyn, durch welches der schlimme Wind von der Nachbarschaft herüber zu großem Nachtheil Niederlands und Deutschlands zugleich blasen würde. Es gibt dermal gewisse größere Fragen, über welchen alle incidentiellen Interessen verstummen und sich unterordnen müssen. - Nicht ohne Bedeutsamkeit sind die Verhandlungen der dießjährigen ordentlichen Versammlung des Conseils der allgemeinen niederländischen Handelsgesellschaft vom 10 d. M. zu Amsterdam gewesen. Der Präsident, Staatsrath van der Houven, lieferte einen ausführlichen Bericht über die Lage und die Arbeiten des Instituts während seiner 15ten Dienstperiode, und es ward derselbe bis zum 31 Mai fortgesetzt. Durch ihn erhielt man den Beweis, daß der nationale Zweck, welcher mit der Handelsgesellschaft verbunden und von ihrem erhabenen Gründer seiner Zeit ausgesprochen worden ist, einer glücklichen Ausführung sich erfreut und progressiv den günstigsten Einfluß auf die allgemeinen Interessen des Handels, der Schifffahrt und der Industrie von Niederland ausübt, während zugleich die der Prüfung der Commissäre unterstellte Balance den Actionnären neuerdings die erfreulichsten Ergebnisse darbietet. Der Präsident hat die Vorwürfe nicht übergangen, welche in neuerer und neuester Zeit von mehr als einer Seite her jener Institution und ihrem System gemacht worden sind, sondern sie einer ausführlichen Beleuchtung unterworfen und, wie man keck annehmen darf, siegreich widerlegt. Es dürfte von Interesse seyn, daß auch andere Correspondenten Ihres Journals, welche den Ansichten der Gegner gehuldigt, tiefer in die Sache eingingen und dem ritterlichen Gegner, welcher den Handschuh mit Muth und Vertrauen aufgehoben hat, über alles Einzelne ferner Rede stünden, auf die beigebrachten Vertheidigungsgründe ebenfalls in würdiger, ruhiger Debatte ihre Gegengründe entwickelnd.

Schweiz.

Daß die ganz entschiedene Mehrheit der Bevölkerung der gegenwärtigen Ordnung ergeben sey, zeigt sich bei allen Wahlacten zur Genüge, namentlich bei den letzten Wahlen der Zünfte Illnau und Birmenstorf. Dort setzte die radicale Partei Alles daran den Altregierungsrath Weiß, hier den gewesenen Bürgermeister Hirzel wählen zu lassen. Aber ungeachtet in diesen Zünften kein Reichthum war an bedeutenden Gegencandidaten und Viele auch der radicalen Partei einige Repräsentanten im Großen Rathe gern gewähren möchten, so wurden dennoch und eben weil die Sache von radicaler Seite her mit solcher Leidenschaft betrieben wurde, an beiden Orten mit sehr großen Mehrheiten Männer gewählt, welche der bestehenden Ordnung freundlich zugethan sind. Und wo etwa ein Fest mißbraucht wird, um radicalen Lärm zu machen und die Massen aufzuhetzen, da hat es immer die der gewünschten entgegengesetzte Wirkung. So wurde in der letzten Woche ein Sängerverein, der in der Nähe der Stadt zusammenkam, ausgebeutet, um statt die Harmonie zu pflegen, politischen und religiösen Radicalismus zu predigen. Die Folge davon ist, daß ein Pfarrer, welcher sich dabei besonders durch seine kritischen Ergüsse gegen das Alter der Evangelien auszeichnete, allgemeines Aergerniß in seiner Gemeinde und im ganzen Kanton erweckte und der Kirchenrath genöthigt seyn wird, aufs ernsteste gegen ihn einzuschreiten. Es scheint überhaupt, als ob wir die Erfahrungen Deutschlands zur Zeit des Hambacherfestes auch wieder machen müssen. Und gewiß sind diejenigen die gefährlichsten Feinde einer gesitteten ächten Freiheit, die sich vornehmlich als Freiheitsapostel gebärden.

Türkei.

Die Wittwe des verstorbenen Sultans Mahmud hatte zur Erhaltung des Großwessiers Chosrew Pascha eine Energie entwickelt, die einen bessern Erfolg verdient hätte. Der Sultan, der seit kurzem wiederholte Beweise von Selbstständigkeit gegeben, widerstand allen Bitten und antwortete beständig mit dem Refrain: Geschehene Sachen seyen nicht zu ändern. Die auffallende Aenderung in den Gesinnungen der Sultanin gegen Chosrew Pascha wird verschieden ausgelegt. Nach der Meinung der Einen wurde sie durch die administrative Umwälzung der letzten Zeit äußerst befangen, und von Besorgnissen erfüllt, daß die Entfernung so vieler ausgezeichneten Personen von der Verwaltung nur üble Folgen nach sich ziehen könne. Diese sind es, welche die Verfügung des Sultans hinsichtlich Chosrew Pascha's als ungerecht bezeichnen. Denn, sagen sie, was dem gestürzten Großwessier ostensibel zur Last gelegt wird, als Habsucht, Vorliebe für das alte System, Haß gegen Neuerungen, Besetzung aller Stellen durch seine Lieblinge, sey theils aus der Luft gegriffen, theils nur in geringem Maaß der Wahrheit gemäß, und die größte Undankbarkeit nur habe die harte Verfügung gegen einen Mann hervorrufen können, der allein seit Mahmuds

Niederlande.

Der Schluß und das Ergebniß der letzten Session der Generalstaaten haben die Richtigkeit mehrerer meiner Voraussagen über die eigentliche Stellung der Parteien unter sich und zur Regierung, so wie über den Geist und den Charakter der holländischen Nation vollkommen gerechtfertigt. Der Hausstreit ist mit aller Wärme und Schärfe, Offenherzigkeit und Freimüthigkeit durchgeführt worden; allein eben so ehrlich und bereitwillig ist auch die Regierung manchen Wünschen entgegengekommen und in verschiedene Forderungen eingegangen, sobald sie sich wirklich als Ausdruck des Nationalwillens herausgestellt, und auf jeden Fall haben diejenigen sich getäuscht, welche nichts weniger denn patriotische Nebenzwecke durch die parlamentarischen Schlachten mit zu erreichen gehofft; der nebenher ausgestreute Schierling ist nicht aufgegangen, und Erscheinungen, wie die in Gröningen, dienen nicht dazu, dem Thun und Treiben gewisser Leute Popularität und Credit zu verschaffen. – Was die Verhältnisse des Herzogthums oder der Provinz Limburg betrifft, so wird, wie man vernimmt, in solcher Weise vorbereitet und vorgearbeitet, welche den betreffenden Staatsangehörigen alle wünschbaren Bürgschaften für die Zukunft darreichen dürfte; und daß sich die Regierung hierin weniger beeilt hat, zeugt, weit entfernt, daß deßhalb mit Fug ihr ein Vorwurf gemacht werden könnte, gerade für die Absicht, etwas Gediegenes und Bleibendes, und nicht bloß Ephemeres und Oberflächliches zu Stande zu bringen, was bei den ersten Verwicklungen und Stürmen wieder zusammenfällt. Auch in der Administration des Großherzogthums Luxemburg wird rüstig mit manchem Guten fortgefahren; stellen sich in den commerciellen Verhältnissen zu den deutschen Vereinsstaaten zeitlich auch noch Hindernisse entgegen, und lassen sich ein gewisses Mißtrauen und mehrfache Besorgnisse über die einen und andern Consequenzen des Beitritts in politischer Hinsicht nicht ganz in Abrede stellen, so darf doch die sichere Erwartung gehegt werden, daß ein endliches Verständniß, im gemeinsamen Interesse jenes Bundesstaates und Preußens, so wie der übrigen Mitglieder des großen Zollvereins, nicht lange mehr ausbleiben wird; auch bietet der bekannte Charakter des neuen preußischen Monarchen alle wünschbaren Chancen. Eine Differenz auf diesem, in politischer wie in commercieller Beziehung so wichtigen Punkte würde nur ein Zugloch seyn, durch welches der schlimme Wind von der Nachbarschaft herüber zu großem Nachtheil Niederlands und Deutschlands zugleich blasen würde. Es gibt dermal gewisse größere Fragen, über welchen alle incidentiellen Interessen verstummen und sich unterordnen müssen. – Nicht ohne Bedeutsamkeit sind die Verhandlungen der dießjährigen ordentlichen Versammlung des Conseils der allgemeinen niederländischen Handelsgesellschaft vom 10 d. M. zu Amsterdam gewesen. Der Präsident, Staatsrath van der Houven, lieferte einen ausführlichen Bericht über die Lage und die Arbeiten des Instituts während seiner 15ten Dienstperiode, und es ward derselbe bis zum 31 Mai fortgesetzt. Durch ihn erhielt man den Beweis, daß der nationale Zweck, welcher mit der Handelsgesellschaft verbunden und von ihrem erhabenen Gründer seiner Zeit ausgesprochen worden ist, einer glücklichen Ausführung sich erfreut und progressiv den günstigsten Einfluß auf die allgemeinen Interessen des Handels, der Schifffahrt und der Industrie von Niederland ausübt, während zugleich die der Prüfung der Commissäre unterstellte Balance den Actionnären neuerdings die erfreulichsten Ergebnisse darbietet. Der Präsident hat die Vorwürfe nicht übergangen, welche in neuerer und neuester Zeit von mehr als einer Seite her jener Institution und ihrem System gemacht worden sind, sondern sie einer ausführlichen Beleuchtung unterworfen und, wie man keck annehmen darf, siegreich widerlegt. Es dürfte von Interesse seyn, daß auch andere Correspondenten Ihres Journals, welche den Ansichten der Gegner gehuldigt, tiefer in die Sache eingingen und dem ritterlichen Gegner, welcher den Handschuh mit Muth und Vertrauen aufgehoben hat, über alles Einzelne ferner Rede stünden, auf die beigebrachten Vertheidigungsgründe ebenfalls in würdiger, ruhiger Debatte ihre Gegengründe entwickelnd.

Schweiz.

Daß die ganz entschiedene Mehrheit der Bevölkerung der gegenwärtigen Ordnung ergeben sey, zeigt sich bei allen Wahlacten zur Genüge, namentlich bei den letzten Wahlen der Zünfte Illnau und Birmenstorf. Dort setzte die radicale Partei Alles daran den Altregierungsrath Weiß, hier den gewesenen Bürgermeister Hirzel wählen zu lassen. Aber ungeachtet in diesen Zünften kein Reichthum war an bedeutenden Gegencandidaten und Viele auch der radicalen Partei einige Repräsentanten im Großen Rathe gern gewähren möchten, so wurden dennoch und eben weil die Sache von radicaler Seite her mit solcher Leidenschaft betrieben wurde, an beiden Orten mit sehr großen Mehrheiten Männer gewählt, welche der bestehenden Ordnung freundlich zugethan sind. Und wo etwa ein Fest mißbraucht wird, um radicalen Lärm zu machen und die Massen aufzuhetzen, da hat es immer die der gewünschten entgegengesetzte Wirkung. So wurde in der letzten Woche ein Sängerverein, der in der Nähe der Stadt zusammenkam, ausgebeutet, um statt die Harmonie zu pflegen, politischen und religiösen Radicalismus zu predigen. Die Folge davon ist, daß ein Pfarrer, welcher sich dabei besonders durch seine kritischen Ergüsse gegen das Alter der Evangelien auszeichnete, allgemeines Aergerniß in seiner Gemeinde und im ganzen Kanton erweckte und der Kirchenrath genöthigt seyn wird, aufs ernsteste gegen ihn einzuschreiten. Es scheint überhaupt, als ob wir die Erfahrungen Deutschlands zur Zeit des Hambacherfestes auch wieder machen müssen. Und gewiß sind diejenigen die gefährlichsten Feinde einer gesitteten ächten Freiheit, die sich vornehmlich als Freiheitsapostel gebärden.

Türkei.

Die Wittwe des verstorbenen Sultans Mahmud hatte zur Erhaltung des Großwessiers Chosrew Pascha eine Energie entwickelt, die einen bessern Erfolg verdient hätte. Der Sultan, der seit kurzem wiederholte Beweise von Selbstständigkeit gegeben, widerstand allen Bitten und antwortete beständig mit dem Refrain: Geschehene Sachen seyen nicht zu ändern. Die auffallende Aenderung in den Gesinnungen der Sultanin gegen Chosrew Pascha wird verschieden ausgelegt. Nach der Meinung der Einen wurde sie durch die administrative Umwälzung der letzten Zeit äußerst befangen, und von Besorgnissen erfüllt, daß die Entfernung so vieler ausgezeichneten Personen von der Verwaltung nur üble Folgen nach sich ziehen könne. Diese sind es, welche die Verfügung des Sultans hinsichtlich Chosrew Pascha's als ungerecht bezeichnen. Denn, sagen sie, was dem gestürzten Großwessier ostensibel zur Last gelegt wird, als Habsucht, Vorliebe für das alte System, Haß gegen Neuerungen, Besetzung aller Stellen durch seine Lieblinge, sey theils aus der Luft gegriffen, theils nur in geringem Maaß der Wahrheit gemäß, und die größte Undankbarkeit nur habe die harte Verfügung gegen einen Mann hervorrufen können, der allein seit Mahmuds

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0012" n="1428"/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Niederlande.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Haag,</hi> 20 Jun.</dateline>
          <p> Der Schluß und das Ergebniß der letzten Session der Generalstaaten haben die Richtigkeit mehrerer meiner Voraussagen über die eigentliche Stellung der Parteien unter sich und zur Regierung, so wie über den Geist und den Charakter der holländischen Nation vollkommen gerechtfertigt. Der Hausstreit ist mit aller Wärme und Schärfe, Offenherzigkeit und Freimüthigkeit durchgeführt worden; allein eben so ehrlich und bereitwillig ist auch die Regierung manchen Wünschen entgegengekommen und in verschiedene Forderungen eingegangen, sobald sie sich wirklich als Ausdruck des Nationalwillens herausgestellt, und auf jeden Fall haben diejenigen sich getäuscht, welche nichts weniger denn patriotische Nebenzwecke durch die parlamentarischen Schlachten mit zu erreichen gehofft; der nebenher ausgestreute Schierling ist nicht aufgegangen, und Erscheinungen, wie die in Gröningen, dienen nicht dazu, dem Thun und Treiben gewisser Leute Popularität und Credit zu verschaffen. &#x2013; Was die Verhältnisse des Herzogthums oder der Provinz Limburg betrifft, so wird, wie man vernimmt, in solcher Weise vorbereitet und vorgearbeitet, welche den betreffenden Staatsangehörigen alle wünschbaren Bürgschaften für die Zukunft darreichen dürfte; und daß sich die Regierung hierin weniger beeilt hat, zeugt, weit entfernt, daß deßhalb mit Fug ihr ein Vorwurf gemacht werden könnte, gerade für die Absicht, etwas Gediegenes und Bleibendes, und nicht bloß Ephemeres und Oberflächliches zu Stande zu bringen, was bei den ersten Verwicklungen und Stürmen wieder zusammenfällt. Auch in der Administration des Großherzogthums Luxemburg wird rüstig mit manchem Guten fortgefahren; stellen sich in den commerciellen Verhältnissen zu den deutschen Vereinsstaaten zeitlich auch noch Hindernisse entgegen, und lassen sich ein gewisses Mißtrauen und mehrfache Besorgnisse über die einen und andern Consequenzen des Beitritts in politischer Hinsicht nicht ganz in Abrede stellen, so darf doch die sichere Erwartung gehegt werden, daß ein endliches Verständniß, im gemeinsamen Interesse jenes Bundesstaates und Preußens, so wie der übrigen Mitglieder des großen Zollvereins, nicht lange mehr ausbleiben wird; auch bietet der bekannte Charakter des neuen preußischen Monarchen alle wünschbaren Chancen. Eine Differenz auf diesem, in politischer wie in commercieller Beziehung so wichtigen Punkte würde nur ein Zugloch seyn, durch welches der schlimme Wind von der Nachbarschaft herüber zu großem Nachtheil Niederlands und Deutschlands zugleich blasen würde. Es gibt dermal gewisse größere Fragen, über welchen alle incidentiellen Interessen verstummen und sich unterordnen müssen. &#x2013; Nicht ohne Bedeutsamkeit sind die Verhandlungen der dießjährigen ordentlichen Versammlung des Conseils der allgemeinen niederländischen Handelsgesellschaft vom 10 d. M. zu Amsterdam gewesen. Der Präsident, Staatsrath van der Houven, lieferte einen ausführlichen Bericht über die Lage und die Arbeiten des Instituts während seiner 15ten Dienstperiode, und es ward derselbe bis zum 31 Mai fortgesetzt. Durch ihn erhielt man den Beweis, daß der nationale Zweck, welcher mit der Handelsgesellschaft verbunden und von ihrem erhabenen Gründer seiner Zeit ausgesprochen worden ist, einer glücklichen Ausführung sich erfreut und progressiv den günstigsten Einfluß auf die allgemeinen Interessen des Handels, der Schifffahrt und der Industrie von Niederland ausübt, während zugleich die der Prüfung der Commissäre unterstellte Balance den Actionnären neuerdings die erfreulichsten Ergebnisse darbietet. Der Präsident hat die Vorwürfe nicht übergangen, welche in neuerer und neuester Zeit von mehr als einer Seite her jener Institution und ihrem System gemacht worden sind, sondern sie einer ausführlichen Beleuchtung unterworfen und, wie man keck annehmen darf, siegreich widerlegt. Es dürfte von Interesse seyn, daß auch andere Correspondenten Ihres Journals, welche den Ansichten der Gegner gehuldigt, tiefer in die Sache eingingen und dem ritterlichen Gegner, welcher den Handschuh mit Muth und Vertrauen aufgehoben hat, über alles Einzelne ferner Rede stünden, auf die beigebrachten Vertheidigungsgründe ebenfalls in würdiger, ruhiger Debatte ihre Gegengründe entwickelnd.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Schweiz.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Zürich,</hi> 21 Jun.</dateline>
          <p> Daß die ganz entschiedene Mehrheit der Bevölkerung der gegenwärtigen Ordnung ergeben sey, zeigt sich bei allen Wahlacten zur Genüge, namentlich bei den letzten Wahlen der Zünfte Illnau und Birmenstorf. Dort setzte die radicale Partei Alles daran den Altregierungsrath Weiß, hier den gewesenen Bürgermeister Hirzel wählen zu lassen. Aber ungeachtet in diesen Zünften kein Reichthum war an bedeutenden Gegencandidaten und Viele auch der radicalen Partei einige Repräsentanten im Großen Rathe gern gewähren möchten, so wurden dennoch und eben weil die Sache von radicaler Seite her mit solcher Leidenschaft betrieben wurde, an beiden Orten mit sehr großen Mehrheiten Männer gewählt, welche der bestehenden Ordnung freundlich zugethan sind. Und wo etwa ein Fest mißbraucht wird, um radicalen Lärm zu machen und die Massen aufzuhetzen, da hat es immer die der gewünschten entgegengesetzte Wirkung. So wurde in der letzten Woche ein Sängerverein, der in der Nähe der Stadt zusammenkam, ausgebeutet, um statt die Harmonie zu pflegen, politischen und religiösen Radicalismus zu predigen. Die Folge davon ist, daß ein Pfarrer, welcher sich dabei besonders durch seine kritischen Ergüsse gegen das Alter der Evangelien auszeichnete, allgemeines Aergerniß in seiner Gemeinde und im ganzen Kanton erweckte und der Kirchenrath genöthigt seyn wird, aufs ernsteste gegen ihn einzuschreiten. Es scheint überhaupt, als ob wir die Erfahrungen Deutschlands zur Zeit des Hambacherfestes auch wieder machen müssen. Und gewiß sind diejenigen die gefährlichsten Feinde einer gesitteten ächten Freiheit, die sich vornehmlich als Freiheitsapostel gebärden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Türkei.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Konstantinopel,</hi> 10 Jun.</dateline>
          <p> Die Wittwe des verstorbenen Sultans Mahmud hatte zur Erhaltung des Großwessiers Chosrew Pascha eine Energie entwickelt, die einen bessern Erfolg verdient hätte. Der Sultan, der seit kurzem wiederholte Beweise von Selbstständigkeit gegeben, widerstand allen Bitten und antwortete beständig mit dem Refrain: Geschehene Sachen seyen nicht zu ändern. Die auffallende Aenderung in den Gesinnungen der Sultanin gegen Chosrew Pascha wird verschieden ausgelegt. Nach der Meinung der Einen wurde sie durch die administrative Umwälzung der letzten Zeit äußerst befangen, und von Besorgnissen erfüllt, daß die Entfernung so vieler ausgezeichneten Personen von der Verwaltung nur üble Folgen nach sich ziehen könne. Diese sind es, welche die Verfügung des Sultans hinsichtlich Chosrew Pascha's als ungerecht bezeichnen. Denn, sagen sie, was dem gestürzten Großwessier <hi rendition="#g">ostensibel</hi> zur Last gelegt wird, als Habsucht, Vorliebe für das alte System, Haß gegen Neuerungen, Besetzung aller Stellen durch seine Lieblinge, sey theils aus der Luft gegriffen, theils nur in geringem Maaß der Wahrheit gemäß, und die größte Undankbarkeit nur habe die harte Verfügung gegen einen Mann hervorrufen können, der allein seit Mahmuds<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1428/0012] Niederlande. _ Haag, 20 Jun. Der Schluß und das Ergebniß der letzten Session der Generalstaaten haben die Richtigkeit mehrerer meiner Voraussagen über die eigentliche Stellung der Parteien unter sich und zur Regierung, so wie über den Geist und den Charakter der holländischen Nation vollkommen gerechtfertigt. Der Hausstreit ist mit aller Wärme und Schärfe, Offenherzigkeit und Freimüthigkeit durchgeführt worden; allein eben so ehrlich und bereitwillig ist auch die Regierung manchen Wünschen entgegengekommen und in verschiedene Forderungen eingegangen, sobald sie sich wirklich als Ausdruck des Nationalwillens herausgestellt, und auf jeden Fall haben diejenigen sich getäuscht, welche nichts weniger denn patriotische Nebenzwecke durch die parlamentarischen Schlachten mit zu erreichen gehofft; der nebenher ausgestreute Schierling ist nicht aufgegangen, und Erscheinungen, wie die in Gröningen, dienen nicht dazu, dem Thun und Treiben gewisser Leute Popularität und Credit zu verschaffen. – Was die Verhältnisse des Herzogthums oder der Provinz Limburg betrifft, so wird, wie man vernimmt, in solcher Weise vorbereitet und vorgearbeitet, welche den betreffenden Staatsangehörigen alle wünschbaren Bürgschaften für die Zukunft darreichen dürfte; und daß sich die Regierung hierin weniger beeilt hat, zeugt, weit entfernt, daß deßhalb mit Fug ihr ein Vorwurf gemacht werden könnte, gerade für die Absicht, etwas Gediegenes und Bleibendes, und nicht bloß Ephemeres und Oberflächliches zu Stande zu bringen, was bei den ersten Verwicklungen und Stürmen wieder zusammenfällt. Auch in der Administration des Großherzogthums Luxemburg wird rüstig mit manchem Guten fortgefahren; stellen sich in den commerciellen Verhältnissen zu den deutschen Vereinsstaaten zeitlich auch noch Hindernisse entgegen, und lassen sich ein gewisses Mißtrauen und mehrfache Besorgnisse über die einen und andern Consequenzen des Beitritts in politischer Hinsicht nicht ganz in Abrede stellen, so darf doch die sichere Erwartung gehegt werden, daß ein endliches Verständniß, im gemeinsamen Interesse jenes Bundesstaates und Preußens, so wie der übrigen Mitglieder des großen Zollvereins, nicht lange mehr ausbleiben wird; auch bietet der bekannte Charakter des neuen preußischen Monarchen alle wünschbaren Chancen. Eine Differenz auf diesem, in politischer wie in commercieller Beziehung so wichtigen Punkte würde nur ein Zugloch seyn, durch welches der schlimme Wind von der Nachbarschaft herüber zu großem Nachtheil Niederlands und Deutschlands zugleich blasen würde. Es gibt dermal gewisse größere Fragen, über welchen alle incidentiellen Interessen verstummen und sich unterordnen müssen. – Nicht ohne Bedeutsamkeit sind die Verhandlungen der dießjährigen ordentlichen Versammlung des Conseils der allgemeinen niederländischen Handelsgesellschaft vom 10 d. M. zu Amsterdam gewesen. Der Präsident, Staatsrath van der Houven, lieferte einen ausführlichen Bericht über die Lage und die Arbeiten des Instituts während seiner 15ten Dienstperiode, und es ward derselbe bis zum 31 Mai fortgesetzt. Durch ihn erhielt man den Beweis, daß der nationale Zweck, welcher mit der Handelsgesellschaft verbunden und von ihrem erhabenen Gründer seiner Zeit ausgesprochen worden ist, einer glücklichen Ausführung sich erfreut und progressiv den günstigsten Einfluß auf die allgemeinen Interessen des Handels, der Schifffahrt und der Industrie von Niederland ausübt, während zugleich die der Prüfung der Commissäre unterstellte Balance den Actionnären neuerdings die erfreulichsten Ergebnisse darbietet. Der Präsident hat die Vorwürfe nicht übergangen, welche in neuerer und neuester Zeit von mehr als einer Seite her jener Institution und ihrem System gemacht worden sind, sondern sie einer ausführlichen Beleuchtung unterworfen und, wie man keck annehmen darf, siegreich widerlegt. Es dürfte von Interesse seyn, daß auch andere Correspondenten Ihres Journals, welche den Ansichten der Gegner gehuldigt, tiefer in die Sache eingingen und dem ritterlichen Gegner, welcher den Handschuh mit Muth und Vertrauen aufgehoben hat, über alles Einzelne ferner Rede stünden, auf die beigebrachten Vertheidigungsgründe ebenfalls in würdiger, ruhiger Debatte ihre Gegengründe entwickelnd. Schweiz. _ Zürich, 21 Jun. Daß die ganz entschiedene Mehrheit der Bevölkerung der gegenwärtigen Ordnung ergeben sey, zeigt sich bei allen Wahlacten zur Genüge, namentlich bei den letzten Wahlen der Zünfte Illnau und Birmenstorf. Dort setzte die radicale Partei Alles daran den Altregierungsrath Weiß, hier den gewesenen Bürgermeister Hirzel wählen zu lassen. Aber ungeachtet in diesen Zünften kein Reichthum war an bedeutenden Gegencandidaten und Viele auch der radicalen Partei einige Repräsentanten im Großen Rathe gern gewähren möchten, so wurden dennoch und eben weil die Sache von radicaler Seite her mit solcher Leidenschaft betrieben wurde, an beiden Orten mit sehr großen Mehrheiten Männer gewählt, welche der bestehenden Ordnung freundlich zugethan sind. Und wo etwa ein Fest mißbraucht wird, um radicalen Lärm zu machen und die Massen aufzuhetzen, da hat es immer die der gewünschten entgegengesetzte Wirkung. So wurde in der letzten Woche ein Sängerverein, der in der Nähe der Stadt zusammenkam, ausgebeutet, um statt die Harmonie zu pflegen, politischen und religiösen Radicalismus zu predigen. Die Folge davon ist, daß ein Pfarrer, welcher sich dabei besonders durch seine kritischen Ergüsse gegen das Alter der Evangelien auszeichnete, allgemeines Aergerniß in seiner Gemeinde und im ganzen Kanton erweckte und der Kirchenrath genöthigt seyn wird, aufs ernsteste gegen ihn einzuschreiten. Es scheint überhaupt, als ob wir die Erfahrungen Deutschlands zur Zeit des Hambacherfestes auch wieder machen müssen. Und gewiß sind diejenigen die gefährlichsten Feinde einer gesitteten ächten Freiheit, die sich vornehmlich als Freiheitsapostel gebärden. Türkei. _ Konstantinopel, 10 Jun. Die Wittwe des verstorbenen Sultans Mahmud hatte zur Erhaltung des Großwessiers Chosrew Pascha eine Energie entwickelt, die einen bessern Erfolg verdient hätte. Der Sultan, der seit kurzem wiederholte Beweise von Selbstständigkeit gegeben, widerstand allen Bitten und antwortete beständig mit dem Refrain: Geschehene Sachen seyen nicht zu ändern. Die auffallende Aenderung in den Gesinnungen der Sultanin gegen Chosrew Pascha wird verschieden ausgelegt. Nach der Meinung der Einen wurde sie durch die administrative Umwälzung der letzten Zeit äußerst befangen, und von Besorgnissen erfüllt, daß die Entfernung so vieler ausgezeichneten Personen von der Verwaltung nur üble Folgen nach sich ziehen könne. Diese sind es, welche die Verfügung des Sultans hinsichtlich Chosrew Pascha's als ungerecht bezeichnen. Denn, sagen sie, was dem gestürzten Großwessier ostensibel zur Last gelegt wird, als Habsucht, Vorliebe für das alte System, Haß gegen Neuerungen, Besetzung aller Stellen durch seine Lieblinge, sey theils aus der Luft gegriffen, theils nur in geringem Maaß der Wahrheit gemäß, und die größte Undankbarkeit nur habe die harte Verfügung gegen einen Mann hervorrufen können, der allein seit Mahmuds

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_180_18400628
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_180_18400628/12
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 180. Augsburg, 28. Juni 1840, S. 1428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_180_18400628/12>, abgerufen am 04.05.2024.