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Allgemeine Zeitung. Nr. 182. Augsburg, 30. Juni 1840.

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daß die Stanley-Bill wirklich verloren ist. Selbst der Sieg, den das Ministerium am vergangenen Freitag erfocht, gelang mit Abwesenheit zehn ministerieller oder radicaler Mitglieder (darunter auch des Hrn. Hume, der deßhalb besonders von der irischen Presse schon viele Vorwürfe hat erleiden müssen), während von der toristischen Seite nicht ein einziges Mitglied fehlte. "Endlich", sagt das heutige M. Chronicle, sein bis jetzt beobachtetes Schweigen brechend, "endlich können wir das Land über die Niederlage einer der unglücklichsten Maaßregeln beglückwünschen, die jemals von dem rücksichtslosen Geist einer erbitterten Partei hervorgerufen wurden, und können ihm ankündigen, daß Lord Stanley's tolles Losgehen gegen die irischen Freiheiten zu Falle gekommen ist. Die liberalen Glieder haben sich endlich zum Gefühl ihrer Pflicht erhoben, und die erste und wichtigste Clausel der Bill ist trotz der äußersten Anstrengungen des edlen Lords und seiner toristischen Helfer ausgestrichen worden. So viel ist jetzt gewiß, daß ohne einen - wir können ihn nicht anders bezeichnen als - verbrecherischen Grad von Nachlässigkeit und Schlaffheit auf Seite der liberalen Glieder, das Schicksal der Bill besiegelt und Irland gerettet ist." Der Standard schreibt die erlangte Majorität dem Eindruck zu, den auf viele Mitglieder des Hauses eine vom Ministerium angedrohte Auflösung des Hauses gemacht hätte, weil nämlich die Hälfte der für das Ministerium Stimmenden überzeugt wäre, daß sie bei einer neuen allgemeinen Parlamentswahl nicht wieder gewählt würden. Die Times tröstet sich mit Aufzählung der drei kleinen in der gestrigen Unterhaussitzung dem Ministerium zu Theil gewordenen Schlappen. - In der heutigen Unterhaussitzung bat Hr. Kelly um Erlaubniß, eine Bill zur Aufhebung der Todesstrafe - mit Ausnahme für Mord und Hochverrath - einzureichen. Lord J. Russell antwortete, daß er einen solchen Vorschlag nicht ohne einige Modificationen annehmbar finde, und der Attorney-General bat, die Bill, mit der er übrigens einverstanden sey, auf die nächste Parlamentssitzung zu verschieben. Im Haus der Lords gestern und heute nichts Bedeutendes.

Haus der Gemeinen. Sitzung vom 22 Jun. Im Eingang der Sitzung wiederholte Sir R. Peel, auf Ansuchen wie er sagte, mehrerer ausgezeichneter Juden in England seine Frage hinsichtlich des Judenprocesses von Damaskus (auch mit Wiederholung des Vorwurfs, daß einige christliche Autoritäten die begangenen Grausamkeiten unterstützt hätten), und erhielt darauf von Lord Palmerston die Erklärung, daß er, Lord Palmerston, den Oberst Hodges in Alexandrien bereits instruirt habe, diese Sache vor den Pascha, zu bringen, ihm die Folgen jenes Verfahrens auf die öffentliche Meinung in Europa vorzustellen, und ihn um seiner selbstwillen zu augenblicklicher Untersuchung des Processes, Entschädigung der unschuldig Verfolgten und Bestrafung der grausamen Verfolger aufzufordern. Zugleich habe er Instructionen für genaue Nachforschung nach dem Bestand der Sache an den Consul von Damaskus geschickt, und werde, sobald Berichte darüber eingetroffen, selbige dem Hause mittheilen. Hr. O'Connell und nach ihm Hr. Hume richteten darauf an das Ministerium die Frage, ob es in dieser Angelegenheit nicht eine Veranlassung sehen möchte, die endliche Emancipation der Juden in England zu bewerkstelligen. Weit lieber, sagt Hr. O'Connell, als aus dem Munde des sehr ehrenwerthen Baronets würde das Haus jene vertheidigende Anfrage aus dem Munde eines israelitischen Parlamentsmitglieds vernommen haben. Lord J. Russell antwortet, daß, ungeachtet seiner persönlichen Stimmung für eine solche Maaßregel die Regierung selbige bis jetzt wegen der nicht bedeutenden Anzahl der jüdischen Bevölkerung in England noch nicht für nöthig erachtet habe.

Die hierauf folgende Erörterung zwischen Lord John Russell und Lord Stanley haben wir schon gestern berichtet. Kaum hatte das Haus daraus ersehen, daß es über die Stanleybill heute zu keiner Abstimmung kommen werde, als sich ein großer Theil desselben entfernte, und dadurch den Beginn der Rede Lord John Russells über das dritte Verlesen der Uebersiedlungsbill fast ganz unvernehmbar machte. Der Zweck dieser Rede war Einschaltung der von Sir J. Graham vorgeschlagenen Clauseln hinsichtlich der zu gestattenden Auswanderung der Kulis nach Mauritius in die Uebersiedlungsbill - ein Vorschlag, gegen den sich jedoch Dr. Lushington (besonders wegen Mangels an Arbeitern in Indien selbst), Lord Howick (wegen Unfreiheit einer vertragsmäßigen Arbeit) und Hr. Hogg, einer der Directoren der Ostindia-Compagnie (wegen der Gefahr der mit jener Auswanderung eng verbundenen Mißbräuche) mit vielen gewichtigen Gründen erhoben. Sir J. Graham selbst unterstützte den Vorschlag nicht weiter. Dr. Lushingtons Antrag auf Weglassung jener Clausel wird demnach mit einer Majorität von 158 gegen 109 Stimmen angenommen. Sodann die Uebersiedlungsbill selbst ohne jene Clauseln. - Beim dritten Verlesen der Bill über den Gehalt der Richter bei den Admiralsgerichtshöfen beantragte Lord Hotham die Hinzufügung eines Proviso des Inhalts, daß nach dem gegenwärtigen Parlamente keiner der bei jenem Hofe angestellten Richter zum Parlament gewählt werden könne, weil nämlich ein Richter auf keine Weise von Volksgunst abhängig werden dürfe; und dieses Proviso - dem Hr. Ward eine Ausdehnung auf alle gerichtlichen Beamten wünscht - wird, trotz der Einrede Lord John Russells, einstimmig angenommen. - Das dritte Verlesen der Bill über Einführung amerikanischen Mehls in Irland (unter denselben Bedingungen wie in England) wird auf Antrag Sir R. Batesons und zum großen Triumph der Oppositionspartei mit 90 gegen 79 Stimmen verworfen. Einen Antrag auf Vorlegung mehrerer den Sold der indischen Truppen betreffenden Papiere nimmt Lord Howick nach einigen Gegenbemerkungen des Präsidenten des ostindischen Controlebureaus, Sir John Hobhouse, der an den übeln Eindruck erinnert, den eine Verhandlung über diesen Gegenstand im Unterhause auf die ostindisch-brittische Armee machen müßte, einstweilen wieder zurück. Das Haus geht kurz vor 1 Uhr auseinander.

Das in den gestrigen Proceßverhandlungen gegen Oxford von einem der Anwälte erwähnte Schreiben O'Connells an das Volk von Irland, über den Mordversuch gegen die Königin, enthält im Auszug Folgendes: "Landsleute, England ist durch die Verübung eines der entsetzlichsten Verbrechen, die jemals die Menschheit erschreckten, beschimpft worden. Gottes Wille hat den Streich abgewandt, aber nicht verringern können hat er die Schuld und deren teuflische Absicht. - Wenn sie, die erste unter den Fürsten des Hauses Braunschweig, die dem Volke Irlands unparteiische Gerechtigkeit zeigte, wenn sie unter dem Streich des gemietheten Meuchelmörders gefallen wäre, was würde jetzt der Zustand Irlands seyn? Auf die Thränen des Kummers, vergossen für die junge, liebenswürdige, seelenreine Todte, würden blutige Thränen folgen, blutige Thränen, hervorgerufen von dem Mord und Gemetzel, das der Orangismus alsobald gegen unsere katholischen Landsleute beginnen würde. Ich schaudre bei dem Gedanken an diese Scenen! Ja ich zweifle nicht, daß englische Tories dem Genuß absoluter Macht den letzten Rest aller constitutionellen Freiheit opfern würden. Die Genugthuung, Irland mit Füßen treten zu können, würde diese unwürdige Partei für den Verlust ihrer alten Freiheit entschädigen. Gott sey Preis und

daß die Stanley-Bill wirklich verloren ist. Selbst der Sieg, den das Ministerium am vergangenen Freitag erfocht, gelang mit Abwesenheit zehn ministerieller oder radicaler Mitglieder (darunter auch des Hrn. Hume, der deßhalb besonders von der irischen Presse schon viele Vorwürfe hat erleiden müssen), während von der toristischen Seite nicht ein einziges Mitglied fehlte. „Endlich“, sagt das heutige M. Chronicle, sein bis jetzt beobachtetes Schweigen brechend, „endlich können wir das Land über die Niederlage einer der unglücklichsten Maaßregeln beglückwünschen, die jemals von dem rücksichtslosen Geist einer erbitterten Partei hervorgerufen wurden, und können ihm ankündigen, daß Lord Stanley's tolles Losgehen gegen die irischen Freiheiten zu Falle gekommen ist. Die liberalen Glieder haben sich endlich zum Gefühl ihrer Pflicht erhoben, und die erste und wichtigste Clausel der Bill ist trotz der äußersten Anstrengungen des edlen Lords und seiner toristischen Helfer ausgestrichen worden. So viel ist jetzt gewiß, daß ohne einen – wir können ihn nicht anders bezeichnen als – verbrecherischen Grad von Nachlässigkeit und Schlaffheit auf Seite der liberalen Glieder, das Schicksal der Bill besiegelt und Irland gerettet ist.“ Der Standard schreibt die erlangte Majorität dem Eindruck zu, den auf viele Mitglieder des Hauses eine vom Ministerium angedrohte Auflösung des Hauses gemacht hätte, weil nämlich die Hälfte der für das Ministerium Stimmenden überzeugt wäre, daß sie bei einer neuen allgemeinen Parlamentswahl nicht wieder gewählt würden. Die Times tröstet sich mit Aufzählung der drei kleinen in der gestrigen Unterhaussitzung dem Ministerium zu Theil gewordenen Schlappen. – In der heutigen Unterhaussitzung bat Hr. Kelly um Erlaubniß, eine Bill zur Aufhebung der Todesstrafe – mit Ausnahme für Mord und Hochverrath – einzureichen. Lord J. Russell antwortete, daß er einen solchen Vorschlag nicht ohne einige Modificationen annehmbar finde, und der Attorney-General bat, die Bill, mit der er übrigens einverstanden sey, auf die nächste Parlamentssitzung zu verschieben. Im Haus der Lords gestern und heute nichts Bedeutendes.

Haus der Gemeinen. Sitzung vom 22 Jun. Im Eingang der Sitzung wiederholte Sir R. Peel, auf Ansuchen wie er sagte, mehrerer ausgezeichneter Juden in England seine Frage hinsichtlich des Judenprocesses von Damaskus (auch mit Wiederholung des Vorwurfs, daß einige christliche Autoritäten die begangenen Grausamkeiten unterstützt hätten), und erhielt darauf von Lord Palmerston die Erklärung, daß er, Lord Palmerston, den Oberst Hodges in Alexandrien bereits instruirt habe, diese Sache vor den Pascha, zu bringen, ihm die Folgen jenes Verfahrens auf die öffentliche Meinung in Europa vorzustellen, und ihn um seiner selbstwillen zu augenblicklicher Untersuchung des Processes, Entschädigung der unschuldig Verfolgten und Bestrafung der grausamen Verfolger aufzufordern. Zugleich habe er Instructionen für genaue Nachforschung nach dem Bestand der Sache an den Consul von Damaskus geschickt, und werde, sobald Berichte darüber eingetroffen, selbige dem Hause mittheilen. Hr. O'Connell und nach ihm Hr. Hume richteten darauf an das Ministerium die Frage, ob es in dieser Angelegenheit nicht eine Veranlassung sehen möchte, die endliche Emancipation der Juden in England zu bewerkstelligen. Weit lieber, sagt Hr. O'Connell, als aus dem Munde des sehr ehrenwerthen Baronets würde das Haus jene vertheidigende Anfrage aus dem Munde eines israelitischen Parlamentsmitglieds vernommen haben. Lord J. Russell antwortet, daß, ungeachtet seiner persönlichen Stimmung für eine solche Maaßregel die Regierung selbige bis jetzt wegen der nicht bedeutenden Anzahl der jüdischen Bevölkerung in England noch nicht für nöthig erachtet habe.

Die hierauf folgende Erörterung zwischen Lord John Russell und Lord Stanley haben wir schon gestern berichtet. Kaum hatte das Haus daraus ersehen, daß es über die Stanleybill heute zu keiner Abstimmung kommen werde, als sich ein großer Theil desselben entfernte, und dadurch den Beginn der Rede Lord John Russells über das dritte Verlesen der Uebersiedlungsbill fast ganz unvernehmbar machte. Der Zweck dieser Rede war Einschaltung der von Sir J. Graham vorgeschlagenen Clauseln hinsichtlich der zu gestattenden Auswanderung der Kulis nach Mauritius in die Uebersiedlungsbill – ein Vorschlag, gegen den sich jedoch Dr. Lushington (besonders wegen Mangels an Arbeitern in Indien selbst), Lord Howick (wegen Unfreiheit einer vertragsmäßigen Arbeit) und Hr. Hogg, einer der Directoren der Ostindia-Compagnie (wegen der Gefahr der mit jener Auswanderung eng verbundenen Mißbräuche) mit vielen gewichtigen Gründen erhoben. Sir J. Graham selbst unterstützte den Vorschlag nicht weiter. Dr. Lushingtons Antrag auf Weglassung jener Clausel wird demnach mit einer Majorität von 158 gegen 109 Stimmen angenommen. Sodann die Uebersiedlungsbill selbst ohne jene Clauseln. – Beim dritten Verlesen der Bill über den Gehalt der Richter bei den Admiralsgerichtshöfen beantragte Lord Hotham die Hinzufügung eines Proviso des Inhalts, daß nach dem gegenwärtigen Parlamente keiner der bei jenem Hofe angestellten Richter zum Parlament gewählt werden könne, weil nämlich ein Richter auf keine Weise von Volksgunst abhängig werden dürfe; und dieses Proviso – dem Hr. Ward eine Ausdehnung auf alle gerichtlichen Beamten wünscht – wird, trotz der Einrede Lord John Russells, einstimmig angenommen. – Das dritte Verlesen der Bill über Einführung amerikanischen Mehls in Irland (unter denselben Bedingungen wie in England) wird auf Antrag Sir R. Batesons und zum großen Triumph der Oppositionspartei mit 90 gegen 79 Stimmen verworfen. Einen Antrag auf Vorlegung mehrerer den Sold der indischen Truppen betreffenden Papiere nimmt Lord Howick nach einigen Gegenbemerkungen des Präsidenten des ostindischen Controlebureaus, Sir John Hobhouse, der an den übeln Eindruck erinnert, den eine Verhandlung über diesen Gegenstand im Unterhause auf die ostindisch-brittische Armee machen müßte, einstweilen wieder zurück. Das Haus geht kurz vor 1 Uhr auseinander.

Das in den gestrigen Proceßverhandlungen gegen Oxford von einem der Anwälte erwähnte Schreiben O'Connells an das Volk von Irland, über den Mordversuch gegen die Königin, enthält im Auszug Folgendes: „Landsleute, England ist durch die Verübung eines der entsetzlichsten Verbrechen, die jemals die Menschheit erschreckten, beschimpft worden. Gottes Wille hat den Streich abgewandt, aber nicht verringern können hat er die Schuld und deren teuflische Absicht. – Wenn sie, die erste unter den Fürsten des Hauses Braunschweig, die dem Volke Irlands unparteiische Gerechtigkeit zeigte, wenn sie unter dem Streich des gemietheten Meuchelmörders gefallen wäre, was würde jetzt der Zustand Irlands seyn? Auf die Thränen des Kummers, vergossen für die junge, liebenswürdige, seelenreine Todte, würden blutige Thränen folgen, blutige Thränen, hervorgerufen von dem Mord und Gemetzel, das der Orangismus alsobald gegen unsere katholischen Landsleute beginnen würde. Ich schaudre bei dem Gedanken an diese Scenen! Ja ich zweifle nicht, daß englische Tories dem Genuß absoluter Macht den letzten Rest aller constitutionellen Freiheit opfern würden. Die Genugthuung, Irland mit Füßen treten zu können, würde diese unwürdige Partei für den Verlust ihrer alten Freiheit entschädigen. Gott sey Preis und

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[1450/0002] daß die Stanley-Bill wirklich verloren ist. Selbst der Sieg, den das Ministerium am vergangenen Freitag erfocht, gelang mit Abwesenheit zehn ministerieller oder radicaler Mitglieder (darunter auch des Hrn. Hume, der deßhalb besonders von der irischen Presse schon viele Vorwürfe hat erleiden müssen), während von der toristischen Seite nicht ein einziges Mitglied fehlte. „Endlich“, sagt das heutige M. Chronicle, sein bis jetzt beobachtetes Schweigen brechend, „endlich können wir das Land über die Niederlage einer der unglücklichsten Maaßregeln beglückwünschen, die jemals von dem rücksichtslosen Geist einer erbitterten Partei hervorgerufen wurden, und können ihm ankündigen, daß Lord Stanley's tolles Losgehen gegen die irischen Freiheiten zu Falle gekommen ist. 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Kelly um Erlaubniß, eine Bill zur Aufhebung der Todesstrafe – mit Ausnahme für Mord und Hochverrath – einzureichen. Lord J. Russell antwortete, daß er einen solchen Vorschlag nicht ohne einige Modificationen annehmbar finde, und der Attorney-General bat, die Bill, mit der er übrigens einverstanden sey, auf die nächste Parlamentssitzung zu verschieben. Im Haus der Lords gestern und heute nichts Bedeutendes. Haus der Gemeinen. Sitzung vom 22 Jun. Im Eingang der Sitzung wiederholte Sir R. Peel, auf Ansuchen wie er sagte, mehrerer ausgezeichneter Juden in England seine Frage hinsichtlich des Judenprocesses von Damaskus (auch mit Wiederholung des Vorwurfs, daß einige christliche Autoritäten die begangenen Grausamkeiten unterstützt hätten), und erhielt darauf von Lord Palmerston die Erklärung, daß er, Lord Palmerston, den Oberst Hodges in Alexandrien bereits instruirt habe, diese Sache vor den Pascha, zu bringen, ihm die Folgen jenes Verfahrens auf die öffentliche Meinung in Europa vorzustellen, und ihn um seiner selbstwillen zu augenblicklicher Untersuchung des Processes, Entschädigung der unschuldig Verfolgten und Bestrafung der grausamen Verfolger aufzufordern. Zugleich habe er Instructionen für genaue Nachforschung nach dem Bestand der Sache an den Consul von Damaskus geschickt, und werde, sobald Berichte darüber eingetroffen, selbige dem Hause mittheilen. Hr. O'Connell und nach ihm Hr. 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Kaum hatte das Haus daraus ersehen, daß es über die Stanleybill heute zu keiner Abstimmung kommen werde, als sich ein großer Theil desselben entfernte, und dadurch den Beginn der Rede Lord John Russells über das dritte Verlesen der Uebersiedlungsbill fast ganz unvernehmbar machte. Der Zweck dieser Rede war Einschaltung der von Sir J. Graham vorgeschlagenen Clauseln hinsichtlich der zu gestattenden Auswanderung der Kulis nach Mauritius in die Uebersiedlungsbill – ein Vorschlag, gegen den sich jedoch Dr. Lushington (besonders wegen Mangels an Arbeitern in Indien selbst), Lord Howick (wegen Unfreiheit einer vertragsmäßigen Arbeit) und Hr. Hogg, einer der Directoren der Ostindia-Compagnie (wegen der Gefahr der mit jener Auswanderung eng verbundenen Mißbräuche) mit vielen gewichtigen Gründen erhoben. Sir J. Graham selbst unterstützte den Vorschlag nicht weiter. Dr. Lushingtons Antrag auf Weglassung jener Clausel wird demnach mit einer Majorität von 158 gegen 109 Stimmen angenommen. Sodann die Uebersiedlungsbill selbst ohne jene Clauseln. – Beim dritten Verlesen der Bill über den Gehalt der Richter bei den Admiralsgerichtshöfen beantragte Lord Hotham die Hinzufügung eines Proviso des Inhalts, daß nach dem gegenwärtigen Parlamente keiner der bei jenem Hofe angestellten Richter zum Parlament gewählt werden könne, weil nämlich ein Richter auf keine Weise von Volksgunst abhängig werden dürfe; und dieses Proviso – dem Hr. Ward eine Ausdehnung auf alle gerichtlichen Beamten wünscht – wird, trotz der Einrede Lord John Russells, einstimmig angenommen. – Das dritte Verlesen der Bill über Einführung amerikanischen Mehls in Irland (unter denselben Bedingungen wie in England) wird auf Antrag Sir R. Batesons und zum großen Triumph der Oppositionspartei mit 90 gegen 79 Stimmen verworfen. Einen Antrag auf Vorlegung mehrerer den Sold der indischen Truppen betreffenden Papiere nimmt Lord Howick nach einigen Gegenbemerkungen des Präsidenten des ostindischen Controlebureaus, Sir John Hobhouse, der an den übeln Eindruck erinnert, den eine Verhandlung über diesen Gegenstand im Unterhause auf die ostindisch-brittische Armee machen müßte, einstweilen wieder zurück. Das Haus geht kurz vor 1 Uhr auseinander. Das in den gestrigen Proceßverhandlungen gegen Oxford von einem der Anwälte erwähnte Schreiben O'Connells an das Volk von Irland, über den Mordversuch gegen die Königin, enthält im Auszug Folgendes: „Landsleute, England ist durch die Verübung eines der entsetzlichsten Verbrechen, die jemals die Menschheit erschreckten, beschimpft worden. Gottes Wille hat den Streich abgewandt, aber nicht verringern können hat er die Schuld und deren teuflische Absicht. – Wenn sie, die erste unter den Fürsten des Hauses Braunschweig, die dem Volke Irlands unparteiische Gerechtigkeit zeigte, wenn sie unter dem Streich des gemietheten Meuchelmörders gefallen wäre, was würde jetzt der Zustand Irlands seyn? Auf die Thränen des Kummers, vergossen für die junge, liebenswürdige, seelenreine Todte, würden blutige Thränen folgen, blutige Thränen, hervorgerufen von dem Mord und Gemetzel, das der Orangismus alsobald gegen unsere katholischen Landsleute beginnen würde. Ich schaudre bei dem Gedanken an diese Scenen! Ja ich zweifle nicht, daß englische Tories dem Genuß absoluter Macht den letzten Rest aller constitutionellen Freiheit opfern würden. Die Genugthuung, Irland mit Füßen treten zu können, würde diese unwürdige Partei für den Verlust ihrer alten Freiheit entschädigen. Gott sey Preis und

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 182. Augsburg, 30. Juni 1840, S. 1450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_182_18400630/2>, abgerufen am 01.05.2024.