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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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trole ist es zu danken, daß die verderbliche Propaganda des alten
Uebels mindestens nicht äußerlich weiter um sich gefressen hat, wie
es noch zu Anfang dieses Jahrhunderts möglich war und wovon
man noch heutzutage im Nachlaß verstorbener alter Scharfrichter
ganz staunenswerthe Belege finden kann.

So tritt denn das Schinderwesen als eine je geheimer, desto
unversehener und üppiger heraufgewucherte Macht im Gaunerthum
hervor, und diese Gewalt und innige Verbindung mit letzterm
macht sowol die eigenthümlichen Erscheinungen in der Jndividua-
lität wie in der Gesammtheit erklärlich, in welcher die Jndividua-
litäten nicht etwa als zufällige Aphorismen hervortreten, sondern
als historisch herangebildete und stets unter sich eng verbundene
Gruppe im socialpolitischen Leben existirt, und wenn auch mit har-
ter Verachtung angesehen, doch der nothwendigen Beachtung dieser
kurzsichtigen Jsolirung entbehrt und dafür eine schwere Rache gegen
das socialpolitische Leben heraufbeschworen haben.



Neununddreißigstes Kapitel.
[fremdsprachliches Material]) Die Sprache der Freudenmädchen.

Wie die Prostitution in ihrem ganzen Wesen und Treiben
mit dem Gaunerthum so fest verwebt ist, daß eins ohne das an-
dere gar nicht gedacht werden kann, so ist auch die Sprache der
Dappelschicksen ein durchaus integrirender Theil der Gaunersprache
selbst, welcher in seinen Einzelheiten durch Uebermuth und Frech-
heit liederlicher Dirnen und ihrer lasterhaften Genossen geschaffen
und mit gemeinem Behagen in die Gaunersprache aufgenommen

Das Fleisch gefallener Thiere ist auch Hunden nicht zuträglich. Die unter un-
mittelbarer Aufsicht von Polizeibeamten vorgenommene Verscharrung der er-
krankten gefallenen Thiere hilft nicht, wenn nicht auch die heimliche Ausgrabung
verhindert wird durch sofortige Zuthat chemischer Substanzen, welche den Ge-
nuß des Fleisches unmöglich machen und überhaupt die schädlichen Ausdünstun-
gen des faulenden Fleisches paralysiren.

trole iſt es zu danken, daß die verderbliche Propaganda des alten
Uebels mindeſtens nicht äußerlich weiter um ſich gefreſſen hat, wie
es noch zu Anfang dieſes Jahrhunderts möglich war und wovon
man noch heutzutage im Nachlaß verſtorbener alter Scharfrichter
ganz ſtaunenswerthe Belege finden kann.

So tritt denn das Schinderweſen als eine je geheimer, deſto
unverſehener und üppiger heraufgewucherte Macht im Gaunerthum
hervor, und dieſe Gewalt und innige Verbindung mit letzterm
macht ſowol die eigenthümlichen Erſcheinungen in der Jndividua-
lität wie in der Geſammtheit erklärlich, in welcher die Jndividua-
litäten nicht etwa als zufällige Aphorismen hervortreten, ſondern
als hiſtoriſch herangebildete und ſtets unter ſich eng verbundene
Gruppe im ſocialpolitiſchen Leben exiſtirt, und wenn auch mit har-
ter Verachtung angeſehen, doch der nothwendigen Beachtung dieſer
kurzſichtigen Jſolirung entbehrt und dafür eine ſchwere Rache gegen
das ſocialpolitiſche Leben heraufbeſchworen haben.



Neununddreißigſtes Kapitel.
[fremdsprachliches Material]) Die Sprache der Freudenmädchen.

Wie die Proſtitution in ihrem ganzen Weſen und Treiben
mit dem Gaunerthum ſo feſt verwebt iſt, daß eins ohne das an-
dere gar nicht gedacht werden kann, ſo iſt auch die Sprache der
Dappelſchickſen ein durchaus integrirender Theil der Gaunerſprache
ſelbſt, welcher in ſeinen Einzelheiten durch Uebermuth und Frech-
heit liederlicher Dirnen und ihrer laſterhaften Genoſſen geſchaffen
und mit gemeinem Behagen in die Gaunerſprache aufgenommen

Das Fleiſch gefallener Thiere iſt auch Hunden nicht zuträglich. Die unter un-
mittelbarer Aufſicht von Polizeibeamten vorgenommene Verſcharrung der er-
krankten gefallenen Thiere hilft nicht, wenn nicht auch die heimliche Ausgrabung
verhindert wird durch ſofortige Zuthat chemiſcher Subſtanzen, welche den Ge-
nuß des Fleiſches unmöglich machen und überhaupt die ſchädlichen Ausdünſtun-
gen des faulenden Fleiſches paralyſiren.
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[156/0190] trole iſt es zu danken, daß die verderbliche Propaganda des alten Uebels mindeſtens nicht äußerlich weiter um ſich gefreſſen hat, wie es noch zu Anfang dieſes Jahrhunderts möglich war und wovon man noch heutzutage im Nachlaß verſtorbener alter Scharfrichter ganz ſtaunenswerthe Belege finden kann. So tritt denn das Schinderweſen als eine je geheimer, deſto unverſehener und üppiger heraufgewucherte Macht im Gaunerthum hervor, und dieſe Gewalt und innige Verbindung mit letzterm macht ſowol die eigenthümlichen Erſcheinungen in der Jndividua- lität wie in der Geſammtheit erklärlich, in welcher die Jndividua- litäten nicht etwa als zufällige Aphorismen hervortreten, ſondern als hiſtoriſch herangebildete und ſtets unter ſich eng verbundene Gruppe im ſocialpolitiſchen Leben exiſtirt, und wenn auch mit har- ter Verachtung angeſehen, doch der nothwendigen Beachtung dieſer kurzſichtigen Jſolirung entbehrt und dafür eine ſchwere Rache gegen das ſocialpolitiſche Leben heraufbeſchworen haben. Neununddreißigſtes Kapitel. _ ) Die Sprache der Freudenmädchen. Wie die Proſtitution in ihrem ganzen Weſen und Treiben mit dem Gaunerthum ſo feſt verwebt iſt, daß eins ohne das an- dere gar nicht gedacht werden kann, ſo iſt auch die Sprache der Dappelſchickſen ein durchaus integrirender Theil der Gaunerſprache ſelbſt, welcher in ſeinen Einzelheiten durch Uebermuth und Frech- heit liederlicher Dirnen und ihrer laſterhaften Genoſſen geſchaffen und mit gemeinem Behagen in die Gaunerſprache aufgenommen 1) 1) Das Fleiſch gefallener Thiere iſt auch Hunden nicht zuträglich. Die unter un- mittelbarer Aufſicht von Polizeibeamten vorgenommene Verſcharrung der er- krankten gefallenen Thiere hilft nicht, wenn nicht auch die heimliche Ausgrabung verhindert wird durch ſofortige Zuthat chemiſcher Subſtanzen, welche den Ge- nuß des Fleiſches unmöglich machen und überhaupt die ſchädlichen Ausdünſtun- gen des faulenden Fleiſches paralyſiren.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/190>, abgerufen am 29.04.2024.