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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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gedulten, und es halten, wie es vor Alter herkommen ist, damit
wir arme Töchter desto besser auskommen und uns enthalten
mögen, der Zuversicht E. F. W. werden solches zu Herzen nehmen
und uns fürterlichen und geneigt darinnen seynd, die etlich Wirth
selbst behalten und Jhnen Männer zugelegt haben, damit begeh-
ren wir arme Töchter um E. F. W. mit unterthänigen und höch-
sten fleiss, und so viel wir vermögen, gegen Gott und sonst zu
verdienen A. 1492

gehorsam und willige Unterthaninnen
die gemeine Frauen im Tochterhauss allhier."

Das freche Rechtsbewußtsein der Prostitution hatte aber in
dem frommen Misgriff der Frauenhäuser eine sehr große und
schlimme Nahrung gefunden. Ebenso muthig wie roh hatte hier
und da die Obrigkeit einzuschreiten versucht. So hatte der baseler
Rath im 13. Jahrhundert einen geistlichen Wollüstling entmannen
und den sündigen Körpertheil öffentlich zur Schau stellen lassen. 1)
Vier ebenso liederliche Geistliche wurden 1499 vom Rath zu Augs-
burg an Händen und Füßen gebunden und, in hölzernen Käfigen
am Perlachthurm aufgehängt, einem schmählichen Hungertode preis-
gegeben. 2) Jn Hamburg wie auch in Lübeck trug 1292 die über-
führte Metze "an ehrem Halse twee Steene, de dartho deenen,
und schall van den Frohnen apenbar dorch de Stadt geleidet war-
den, unde de Frohnen schollen mede ehrne Hornen vor und achter
blasen, ehr to Hohne und tho Smaheit". 3) Ja im alten Lübecki-
schen Rechte kommt vom ehebrecherischen Buhlen dasselbe vor, was
das Jus Ripense 1263 Art. 43 verfügt: ut ipse ab ea per vicos
civitatis sursum et deorsum per veretrum suum trahatur
--
mit dem kaustischen Zusatz: et sic de illa causa liber erit.4)

1) Hüllmann, a. a. O., IV, 262.
2) Ebend.
3) Jus Hamb. in Netteblad, "Thesaur. jur. statut. illustr.", I, 694.
Jn Rostock erkannte sogar noch 1604 die Juristenfacultät, daß eine Metze "die
Schandsteine drei oder mehrmahlen um den Pranger tragen" sollte. Dreyer,
"Einleitung", S. 402.
4) Ebend. S. 408.

gedulten, und es halten, wie es vor Alter herkommen iſt, damit
wir arme Töchter deſto beſſer auskommen und uns enthalten
mögen, der Zuverſicht E. F. W. werden ſolches zu Herzen nehmen
und uns fürterlichen und geneigt darinnen ſeynd, die etlich Wirth
ſelbſt behalten und Jhnen Männer zugelegt haben, damit begeh-
ren wir arme Töchter um E. F. W. mit unterthänigen und höch-
ſten fleiſſ, und ſo viel wir vermögen, gegen Gott und ſonſt zu
verdienen A. 1492

gehorſam und willige Unterthaninnen
die gemeine Frauen im Tochterhauſſ allhier.“

Das freche Rechtsbewußtſein der Proſtitution hatte aber in
dem frommen Misgriff der Frauenhäuſer eine ſehr große und
ſchlimme Nahrung gefunden. Ebenſo muthig wie roh hatte hier
und da die Obrigkeit einzuſchreiten verſucht. So hatte der baſeler
Rath im 13. Jahrhundert einen geiſtlichen Wollüſtling entmannen
und den ſündigen Körpertheil öffentlich zur Schau ſtellen laſſen. 1)
Vier ebenſo liederliche Geiſtliche wurden 1499 vom Rath zu Augs-
burg an Händen und Füßen gebunden und, in hölzernen Käfigen
am Perlachthurm aufgehängt, einem ſchmählichen Hungertode preis-
gegeben. 2) Jn Hamburg wie auch in Lübeck trug 1292 die über-
führte Metze „an ehrem Halſe twee Steene, de dartho deenen,
und ſchall van den Frohnen apenbar dorch de Stadt geleidet war-
den, unde de Frohnen ſchollen mede ehrne Hornen vor und achter
blaſen, ehr to Hohne und tho Smaheit“. 3) Ja im alten Lübecki-
ſchen Rechte kommt vom ehebrecheriſchen Buhlen daſſelbe vor, was
das Jus Ripense 1263 Art. 43 verfügt: ut ipse ab ea per vicos
civitatis sursum et deorsum per veretrum suum trahatur

mit dem kauſtiſchen Zuſatz: et sic de illa causa liber erit.4)

1) Hüllmann, a. a. O., IV, 262.
2) Ebend.
3) Jus Hamb. in Netteblad, „Thesaur. jur. statut. illustr.“, I, 694.
Jn Roſtock erkannte ſogar noch 1604 die Juriſtenfacultät, daß eine Metze „die
Schandſteine drei oder mehrmahlen um den Pranger tragen“ ſollte. Dreyer,
„Einleitung“, S. 402.
4) Ebend. S. 408.
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[164/0198] gedulten, und es halten, wie es vor Alter herkommen iſt, damit wir arme Töchter deſto beſſer auskommen und uns enthalten mögen, der Zuverſicht E. F. W. werden ſolches zu Herzen nehmen und uns fürterlichen und geneigt darinnen ſeynd, die etlich Wirth ſelbſt behalten und Jhnen Männer zugelegt haben, damit begeh- ren wir arme Töchter um E. F. W. mit unterthänigen und höch- ſten fleiſſ, und ſo viel wir vermögen, gegen Gott und ſonſt zu verdienen A. 1492 gehorſam und willige Unterthaninnen die gemeine Frauen im Tochterhauſſ allhier.“ Das freche Rechtsbewußtſein der Proſtitution hatte aber in dem frommen Misgriff der Frauenhäuſer eine ſehr große und ſchlimme Nahrung gefunden. Ebenſo muthig wie roh hatte hier und da die Obrigkeit einzuſchreiten verſucht. So hatte der baſeler Rath im 13. Jahrhundert einen geiſtlichen Wollüſtling entmannen und den ſündigen Körpertheil öffentlich zur Schau ſtellen laſſen. 1) Vier ebenſo liederliche Geiſtliche wurden 1499 vom Rath zu Augs- burg an Händen und Füßen gebunden und, in hölzernen Käfigen am Perlachthurm aufgehängt, einem ſchmählichen Hungertode preis- gegeben. 2) Jn Hamburg wie auch in Lübeck trug 1292 die über- führte Metze „an ehrem Halſe twee Steene, de dartho deenen, und ſchall van den Frohnen apenbar dorch de Stadt geleidet war- den, unde de Frohnen ſchollen mede ehrne Hornen vor und achter blaſen, ehr to Hohne und tho Smaheit“. 3) Ja im alten Lübecki- ſchen Rechte kommt vom ehebrecheriſchen Buhlen daſſelbe vor, was das Jus Ripense 1263 Art. 43 verfügt: ut ipse ab ea per vicos civitatis sursum et deorsum per veretrum suum trahatur — mit dem kauſtiſchen Zuſatz: et sic de illa causa liber erit. 4) 1) Hüllmann, a. a. O., IV, 262. 2) Ebend. 3) Jus Hamb. in Netteblad, „Thesaur. jur. statut. illustr.“, I, 694. Jn Roſtock erkannte ſogar noch 1604 die Juriſtenfacultät, daß eine Metze „die Schandſteine drei oder mehrmahlen um den Pranger tragen“ ſollte. Dreyer, „Einleitung“, S. 402. 4) Ebend. S. 408.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/198>, abgerufen am 29.04.2024.