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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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[fremdsprachliches Material]
Judenmauschel! Beschnittene, berissene Hebräer!

Zuweilen wird [fremdsprachliches Material] pleonastisch einem mit einem Consonanten schlie-
ßenden Worte angehängt, wo es dann als schwaches e erscheint,
z. B. am Schluß des Ahasverusspiels, wo der zum Tode ver-
urtheilte Haman jammert:
[fremdsprachliches Material]
Ach Weibe, lieb's Weibe mein!

So zulässig dies "vocalisirende" [fremdsprachliches Material] auch von den Gramma-
tikern erklärt und so häufig auch sein Gebrauch ist, so wenig kann
im Jüdischdeutschen das [fremdsprachliches Material] als Vocal und vocalisirend gelten.
Dieser Gebrauch bleibt immer ungrammatisch und alle bessern
jüdischdeutschen Schriftsteller vermeiden ihn.

[fremdsprachliches Material] -- [fremdsprachliches Material] -- [fremdsprachliches Material].

Da die weiche flüssige Aussprache des hebräischen [fremdsprachliches Material] schon dem
Vocallaut sehr nahe kam, bot sich das [fremdsprachliches Material] im Judendeutschen wol
am leichtesten für den deutschen Vocal u dar. Die Verdoppelung
des [fremdsprachliches Material] zum Lippenspiranten [fremdsprachliches Material] war ebenso leicht gegeben wie die des
lateinischen v in den Sprachen, in welchen der Lippenspirant w
sich anbildete und in denen er auch als Halbvocal gilt. Doch
hielt das hebräische [fremdsprachliches Material] beim Uebergange in das jüdischdeutsche die
consonantische Geltung noch immer fest, obschon der consonantische
Gebrauch des [fremdsprachliches Material] im Judendeutschen schon früh zurückzuweichen an-
fing, bis es in der neuern jüdischdeutschen Literatur als Conso-
nant fast ganz wegfällig wurde. Man findet das consonantische
[fremdsprachliches Material] sogar schon in den ältesten jüdischdeutschen Schriften nur spar-
sam gebraucht, z. B. bei Burtorf, a. a. O., S. 650 und 655, aus
dem Schevet Jehuda, Wahlmodus der [fremdsprachliches Material], versam-
melt; [fremdsprachliches Material], fahren; in Rabbi Eliesar's Parabel über die Teschuwa,
Talm. Tract. vom Sabbat, Buxtorf, S. 659, Z. 1: [fremdsprachliches Material], viel-
leicht; und daselbst, S. 662, Z. 6 v. u. im falschen Messias El
David aus dem Schevet Jehuda:
[fremdsprachliches Material]
am Jahr viertausend achthundert neunzig fünf Jahr u. s. w.

Der Grund dieses Wegfalls des consonantischen [fremdsprachliches Material] liegt zu-

[fremdsprachliches Material]
Judenmauſchel! Beſchnittene, beriſſene Hebräer!

Zuweilen wird [fremdsprachliches Material] pleonaſtiſch einem mit einem Conſonanten ſchlie-
ßenden Worte angehängt, wo es dann als ſchwaches e erſcheint,
z. B. am Schluß des Ahasverusſpiels, wo der zum Tode ver-
urtheilte Haman jammert:
[fremdsprachliches Material]
Ach Weibĕ, lieb’s Weibĕ mein!

So zuläſſig dies „vocaliſirende“ [fremdsprachliches Material] auch von den Gramma-
tikern erklärt und ſo häufig auch ſein Gebrauch iſt, ſo wenig kann
im Jüdiſchdeutſchen das [fremdsprachliches Material] als Vocal und vocaliſirend gelten.
Dieſer Gebrauch bleibt immer ungrammatiſch und alle beſſern
jüdiſchdeutſchen Schriftſteller vermeiden ihn.

[fremdsprachliches Material][fremdsprachliches Material][fremdsprachliches Material].

Da die weiche flüſſige Ausſprache des hebräiſchen [fremdsprachliches Material] ſchon dem
Vocallaut ſehr nahe kam, bot ſich das [fremdsprachliches Material] im Judendeutſchen wol
am leichteſten für den deutſchen Vocal u dar. Die Verdoppelung
des [fremdsprachliches Material] zum Lippenſpiranten [fremdsprachliches Material] war ebenſo leicht gegeben wie die des
lateiniſchen v in den Sprachen, in welchen der Lippenſpirant w
ſich anbildete und in denen er auch als Halbvocal gilt. Doch
hielt das hebräiſche [fremdsprachliches Material] beim Uebergange in das jüdiſchdeutſche die
conſonantiſche Geltung noch immer feſt, obſchon der conſonantiſche
Gebrauch des [fremdsprachliches Material] im Judendeutſchen ſchon früh zurückzuweichen an-
fing, bis es in der neuern jüdiſchdeutſchen Literatur als Conſo-
nant faſt ganz wegfällig wurde. Man findet das conſonantiſche
[fremdsprachliches Material] ſogar ſchon in den älteſten jüdiſchdeutſchen Schriften nur ſpar-
ſam gebraucht, z. B. bei Burtorf, a. a. O., S. 650 und 655, aus
dem Schevet Jehuda, Wahlmodus der [fremdsprachliches Material], verſam-
melt; [fremdsprachliches Material], fahren; in Rabbi Elieſar’s Parabel über die Teſchuwa,
Talm. Tract. vom Sabbat, Buxtorf, S. 659, Z. 1: [fremdsprachliches Material], viel-
leicht; und daſelbſt, S. 662, Z. 6 v. u. im falſchen Meſſias El
David aus dem Schevet Jehuda:
[fremdsprachliches Material]
am Jahr viertauſend achthundert neunzig fünf Jahr u. ſ. w.

Der Grund dieſes Wegfalls des conſonantiſchen [fremdsprachliches Material] liegt zu-

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[270/0304] _ Judenmauſchel! Beſchnittene, beriſſene Hebräer! Zuweilen wird _ pleonaſtiſch einem mit einem Conſonanten ſchlie- ßenden Worte angehängt, wo es dann als ſchwaches e erſcheint, z. B. am Schluß des Ahasverusſpiels, wo der zum Tode ver- urtheilte Haman jammert: _ Ach Weibĕ, lieb’s Weibĕ mein! So zuläſſig dies „vocaliſirende“ _ auch von den Gramma- tikern erklärt und ſo häufig auch ſein Gebrauch iſt, ſo wenig kann im Jüdiſchdeutſchen das _ als Vocal und vocaliſirend gelten. Dieſer Gebrauch bleibt immer ungrammatiſch und alle beſſern jüdiſchdeutſchen Schriftſteller vermeiden ihn. _ — _ — _ . Da die weiche flüſſige Ausſprache des hebräiſchen _ ſchon dem Vocallaut ſehr nahe kam, bot ſich das _ im Judendeutſchen wol am leichteſten für den deutſchen Vocal u dar. Die Verdoppelung des _ zum Lippenſpiranten _ war ebenſo leicht gegeben wie die des lateiniſchen v in den Sprachen, in welchen der Lippenſpirant w ſich anbildete und in denen er auch als Halbvocal gilt. Doch hielt das hebräiſche _ beim Uebergange in das jüdiſchdeutſche die conſonantiſche Geltung noch immer feſt, obſchon der conſonantiſche Gebrauch des _ im Judendeutſchen ſchon früh zurückzuweichen an- fing, bis es in der neuern jüdiſchdeutſchen Literatur als Conſo- nant faſt ganz wegfällig wurde. Man findet das conſonantiſche _ ſogar ſchon in den älteſten jüdiſchdeutſchen Schriften nur ſpar- ſam gebraucht, z. B. bei Burtorf, a. a. O., S. 650 und 655, aus dem Schevet Jehuda, Wahlmodus der _ , verſam- melt; _ , fahren; in Rabbi Elieſar’s Parabel über die Teſchuwa, Talm. Tract. vom Sabbat, Buxtorf, S. 659, Z. 1: _ , viel- leicht; und daſelbſt, S. 662, Z. 6 v. u. im falſchen Meſſias El David aus dem Schevet Jehuda: _ am Jahr viertauſend achthundert neunzig fünf Jahr u. ſ. w. Der Grund dieſes Wegfalls des conſonantiſchen _ liegt zu-

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/304>, abgerufen am 15.05.2024.