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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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hebräischer oder chaldäischer Sprache selbst mit den Worten einzu-
leiten: "Diese Zeile dieue mir zum Zeugniß, daß ich diesen Brief
dringender Geschäfte wegen am Chol Hammoed habe schreiben
müssen." Also etwa so:
[fremdsprachliches Material]

Der Brief auf der zweiten Kupfertafel bei Selig würde, wenn
er am Chol Hammoed geschrieben wäre, etwa so beginnen:
[fremdsprachliches Material]

So völlig arglos in der That diese traditionelle Eigenthüm-
lichkeit im jüdischen Schriftverkehr ist, so ruchlos wird sie nament-
lich dem unerfahrenen Jnquirenten, Sicherheitsbeamten und Ge-
fängnißaufseher gegenüber vom Gaunerthum ausgebeutet. Die
krumme Linie der ersten Zeile allein schon auf der Adresse deutet
dem Empfänger hinlänglich an, daß irgendein zwingender Einfluß
den Schreiber zum Abfassen des Briefs gebracht hat und daß der
Leser nicht nur das Gegentheil von dem Jnhalt des Schreibens
zu beachten und sich überhaupt zu hüten, sondern auch genau auf
die in scheinbar unverdächtigen Wörtern, Redensarten und Zeichen
enthaltenen Winke zu merken hat. Daher erklärt sich denn auch
das lebhafte Verlangen gefangener Gauner zu correspondiren, und
mancher Jnquirent, welcher sich im geheimen freut, den Gauner
bemeistert und ergeben gemacht zu haben, hat keine Ahnung da-
von, daß statt des Gauners er selbst in eine Falle gerathen ist,

(Hamburg 1837--40), III, 131, nur äußerst flüchtig der krummen Zeile, wo
das Original gerade eine Menge recht eigenthümlicher und bezeichnender Vor-
schriften enthält, wie denn die ganze Uebersetzung sehr lückenhaft und unzuver-
lässig, ja oft sogar verdächtigend und perfid ist.

hebräiſcher oder chaldäiſcher Sprache ſelbſt mit den Worten einzu-
leiten: „Dieſe Zeile dieue mir zum Zeugniß, daß ich dieſen Brief
dringender Geſchäfte wegen am Chol Hammoëd habe ſchreiben
müſſen.“ Alſo etwa ſo:
[fremdsprachliches Material]

Der Brief auf der zweiten Kupfertafel bei Selig würde, wenn
er am Chol Hammoëd geſchrieben wäre, etwa ſo beginnen:
[fremdsprachliches Material]

So völlig arglos in der That dieſe traditionelle Eigenthüm-
lichkeit im jüdiſchen Schriftverkehr iſt, ſo ruchlos wird ſie nament-
lich dem unerfahrenen Jnquirenten, Sicherheitsbeamten und Ge-
fängnißaufſeher gegenüber vom Gaunerthum ausgebeutet. Die
krumme Linie der erſten Zeile allein ſchon auf der Adreſſe deutet
dem Empfänger hinlänglich an, daß irgendein zwingender Einfluß
den Schreiber zum Abfaſſen des Briefs gebracht hat und daß der
Leſer nicht nur das Gegentheil von dem Jnhalt des Schreibens
zu beachten und ſich überhaupt zu hüten, ſondern auch genau auf
die in ſcheinbar unverdächtigen Wörtern, Redensarten und Zeichen
enthaltenen Winke zu merken hat. Daher erklärt ſich denn auch
das lebhafte Verlangen gefangener Gauner zu correſpondiren, und
mancher Jnquirent, welcher ſich im geheimen freut, den Gauner
bemeiſtert und ergeben gemacht zu haben, hat keine Ahnung da-
von, daß ſtatt des Gauners er ſelbſt in eine Falle gerathen iſt,

(Hamburg 1837—40), III, 131, nur äußerſt flüchtig der krummen Zeile, wo
das Original gerade eine Menge recht eigenthümlicher und bezeichnender Vor-
ſchriften enthält, wie denn die ganze Ueberſetzung ſehr lückenhaft und unzuver-
läſſig, ja oft ſogar verdächtigend und perfid iſt.
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[352/0386] hebräiſcher oder chaldäiſcher Sprache ſelbſt mit den Worten einzu- leiten: „Dieſe Zeile dieue mir zum Zeugniß, daß ich dieſen Brief dringender Geſchäfte wegen am Chol Hammoëd habe ſchreiben müſſen.“ Alſo etwa ſo: _ Der Brief auf der zweiten Kupfertafel bei Selig würde, wenn er am Chol Hammoëd geſchrieben wäre, etwa ſo beginnen: _ So völlig arglos in der That dieſe traditionelle Eigenthüm- lichkeit im jüdiſchen Schriftverkehr iſt, ſo ruchlos wird ſie nament- lich dem unerfahrenen Jnquirenten, Sicherheitsbeamten und Ge- fängnißaufſeher gegenüber vom Gaunerthum ausgebeutet. Die krumme Linie der erſten Zeile allein ſchon auf der Adreſſe deutet dem Empfänger hinlänglich an, daß irgendein zwingender Einfluß den Schreiber zum Abfaſſen des Briefs gebracht hat und daß der Leſer nicht nur das Gegentheil von dem Jnhalt des Schreibens zu beachten und ſich überhaupt zu hüten, ſondern auch genau auf die in ſcheinbar unverdächtigen Wörtern, Redensarten und Zeichen enthaltenen Winke zu merken hat. Daher erklärt ſich denn auch das lebhafte Verlangen gefangener Gauner zu correſpondiren, und mancher Jnquirent, welcher ſich im geheimen freut, den Gauner bemeiſtert und ergeben gemacht zu haben, hat keine Ahnung da- von, daß ſtatt des Gauners er ſelbſt in eine Falle gerathen iſt, 1) 1) (Hamburg 1837—40), III, 131, nur äußerſt flüchtig der krummen Zeile, wo das Original gerade eine Menge recht eigenthümlicher und bezeichnender Vor- ſchriften enthält, wie denn die ganze Ueberſetzung ſehr lückenhaft und unzuver- läſſig, ja oft ſogar verdächtigend und perfid iſt.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/386>, abgerufen am 15.05.2024.