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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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nersprachen zwar oft verwechselte, davon jedoch völlig verschiedene
Volkssprache miskennen.

3) Diese Sprache wurzelt unwiderleglich nicht etwa im Aegypti-
schen noch irgendwo sonst als in den Volksidiomen des nördlichen
Vorderindien, sodaß sie ungeachtet ihrer ungemeinen Verbasterung
und Verworfenheit doch zu der im Bau vollendetsten aller Spra-
chen, dem stolzen Sanskrit, in blutsverwandtem Verhältniß zu
stehen, ob auch nur schüchtern, sich rühmen darf.

Nicht nur die Flexionsformen (so heißt es S. 129 weiter),
sondern ebenso auch zahlreiche Wörter beweisen die Herkunft der
Zigeuner von Jndien; von letztern genüge es, hier nur einige
anzuführen, z. B. ruk, Baum, Sanskrit vrks'a, aber schon Prakrit
rukkha (also steht das Zigeunerische mit dem Sanskrit durch
neuere Mundarten in Connex, was noch aus vielen andern Bei-
spielen hervorgeht); bersch, Jahr, brschno, Regen, beide aus
Skrt. vars'a, welches beide Bedeutungen hat; manusch, Mensch,
Skrt. manus'a; perjas, Skrt. parihasa, Scherz; angar, Skrt.
angara, Kohle; aguszto, Finger, Skrt. angus'tha; krmo, Wurm,
Skrt. krmi; czorav, Skrt. czorajami, stehlen; szing, Skrt. cringa,
Horn (r fällt im Zigeunerischen häufig aus); szero, Skrt. ciras,
Kopf; szoszoj, Skrt. caca, Hase; ritsch, Skrt. rks'a, Bär; rat,
Skrt. ratri, aber Prakrit ratti, hindost. rat, Nacht; rupp, Skrt.
raupja, Silber; dukh, Skrt. du: kha, Schmerz; doosh, Skrt. dos'a,
Schaden, Fehler; mel, Skrt. mala, Schmuz; mautera, Skrt. mautra,
urina
u. s. w. Die meisten dieser Wörter finden sich auch im
Hindi und Hindostanischen wieder; zahlreiche Zigeunerworte sind
nur aus diesem Jdiom erklärlich. Die Abstammung der Zigeuner
steht demnach lediglich infolge der Untersuchung ihrer Sprache auf
das bestimmteste fest. Vgl. besonders hierzu Pott, I, 63--80.

Somit darf in Bezug auf das, was von der Zigeunersprache
in die Gaunersprache übergegangen ist, mit Fug auf das Wörter-
buch verwiesen werden, wo jedesmal die zigeunerische Abstammung
besonders erwähnt ist.



nerſprachen zwar oft verwechſelte, davon jedoch völlig verſchiedene
Volksſprache miskennen.

3) Dieſe Sprache wurzelt unwiderleglich nicht etwa im Aegypti-
ſchen noch irgendwo ſonſt als in den Volksidiomen des nördlichen
Vorderindien, ſodaß ſie ungeachtet ihrer ungemeinen Verbaſterung
und Verworfenheit doch zu der im Bau vollendetſten aller Spra-
chen, dem ſtolzen Sanskrit, in blutsverwandtem Verhältniß zu
ſtehen, ob auch nur ſchüchtern, ſich rühmen darf.

Nicht nur die Flexionsformen (ſo heißt es S. 129 weiter),
ſondern ebenſo auch zahlreiche Wörter beweiſen die Herkunft der
Zigeuner von Jndien; von letztern genüge es, hier nur einige
anzuführen, z. B. ruk, Baum, Sanskrit vrks’a, aber ſchon Prakrit
rukkha (alſo ſteht das Zigeuneriſche mit dem Sanskrit durch
neuere Mundarten in Connex, was noch aus vielen andern Bei-
ſpielen hervorgeht); bersch, Jahr, brschno, Regen, beide aus
Skrt. vars’a, welches beide Bedeutungen hat; manusch, Menſch,
Skrt. mânus’a; perjas, Skrt. parihâsa, Scherz; angar, Skrt.
angâra, Kohle; aguszto, Finger, Skrt. angus’tha; krmo, Wurm,
Skrt. krmi; czorav, Skrt. czôrajâmi, ſtehlen; szing, Skrt. çringa,
Horn (r fällt im Zigeuneriſchen häufig aus); széro, Skrt. çiras,
Kopf; szoszoj, Skrt. çaça, Haſe; ritsch, Skrt. rks’a, Bär; rat,
Skrt. râtri, aber Prakrit ratti, hindoſt. rât, Nacht; rupp, Skrt.
rûpja, Silber; dukh, Skrt. du: kha, Schmerz; doosh, Skrt. dôs’a,
Schaden, Fehler; mel, Skrt. mala, Schmuz; mûtera, Skrt. mûtra,
urina
u. ſ. w. Die meiſten dieſer Wörter finden ſich auch im
Hindi und Hindoſtaniſchen wieder; zahlreiche Zigeunerworte ſind
nur aus dieſem Jdiom erklärlich. Die Abſtammung der Zigeuner
ſteht demnach lediglich infolge der Unterſuchung ihrer Sprache auf
das beſtimmteſte feſt. Vgl. beſonders hierzu Pott, I, 63—80.

Somit darf in Bezug auf das, was von der Zigeunerſprache
in die Gaunerſprache übergegangen iſt, mit Fug auf das Wörter-
buch verwieſen werden, wo jedesmal die zigeuneriſche Abſtammung
beſonders erwähnt iſt.



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[40/0074] nerſprachen zwar oft verwechſelte, davon jedoch völlig verſchiedene Volksſprache miskennen. 3) Dieſe Sprache wurzelt unwiderleglich nicht etwa im Aegypti- ſchen noch irgendwo ſonſt als in den Volksidiomen des nördlichen Vorderindien, ſodaß ſie ungeachtet ihrer ungemeinen Verbaſterung und Verworfenheit doch zu der im Bau vollendetſten aller Spra- chen, dem ſtolzen Sanskrit, in blutsverwandtem Verhältniß zu ſtehen, ob auch nur ſchüchtern, ſich rühmen darf. Nicht nur die Flexionsformen (ſo heißt es S. 129 weiter), ſondern ebenſo auch zahlreiche Wörter beweiſen die Herkunft der Zigeuner von Jndien; von letztern genüge es, hier nur einige anzuführen, z. B. ruk, Baum, Sanskrit vrks’a, aber ſchon Prakrit rukkha (alſo ſteht das Zigeuneriſche mit dem Sanskrit durch neuere Mundarten in Connex, was noch aus vielen andern Bei- ſpielen hervorgeht); bersch, Jahr, brschno, Regen, beide aus Skrt. vars’a, welches beide Bedeutungen hat; manusch, Menſch, Skrt. mânus’a; perjas, Skrt. parihâsa, Scherz; angar, Skrt. angâra, Kohle; aguszto, Finger, Skrt. angus’tha; krmo, Wurm, Skrt. krmi; czorav, Skrt. czôrajâmi, ſtehlen; szing, Skrt. çringa, Horn (r fällt im Zigeuneriſchen häufig aus); széro, Skrt. çiras, Kopf; szoszoj, Skrt. çaça, Haſe; ritsch, Skrt. rks’a, Bär; rat, Skrt. râtri, aber Prakrit ratti, hindoſt. rât, Nacht; rupp, Skrt. rûpja, Silber; dukh, Skrt. du: kha, Schmerz; doosh, Skrt. dôs’a, Schaden, Fehler; mel, Skrt. mala, Schmuz; mûtera, Skrt. mûtra, urina u. ſ. w. Die meiſten dieſer Wörter finden ſich auch im Hindi und Hindoſtaniſchen wieder; zahlreiche Zigeunerworte ſind nur aus dieſem Jdiom erklärlich. Die Abſtammung der Zigeuner ſteht demnach lediglich infolge der Unterſuchung ihrer Sprache auf das beſtimmteſte feſt. Vgl. beſonders hierzu Pott, I, 63—80. Somit darf in Bezug auf das, was von der Zigeunerſprache in die Gaunerſprache übergegangen iſt, mit Fug auf das Wörter- buch verwieſen werden, wo jedesmal die zigeuneriſche Abſtammung beſonders erwähnt iſt.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/74>, abgerufen am 30.04.2024.