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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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denn auch loschon aschkenas durchaus auch für die reine deutsche
Nationalsprache gilt. Daraus erklärt sich auch die Uebersetzung
[fremdsprachliches Material], teutsch, deutsch, womit ebenso gut wie das Judendeutsch
auch die reine deutsche Nationalsprache bezeichnet wird.

Seltsamerweise wird nun aber auch die deutsche Nationalsprache
an und für sich die unreine Sprache, [fremdsprachliches Material]
loschon tome 1) genannt, obschon das so wunderlich versetzte und
gemischte Judendeutsch gewiß selbst den gerechtesten Anspruch auf
diese Bezeichnung hat. Doch wird hier wol nicht, gleich dem
viel weiter zielenden Ausdruck [fremdsprachliches Material], loschon hanotzrim,
Sprache der Nazaräer, Christen, der reinsprachliche Gegensatz, son-
dern nur die Bedeutsamkeit und Geltung fremder Sprachen im
Gegensatz von der heiligen Sprache des jüdischen Gesetzes, des
althebräischen [fremdsprachliches Material], leschon hakodesch ([fremdsprachliches Material],
loschon hakaudesch, sehr oft verdorben lussnekudisch, lussne-
kaudesch
genannt), hervorgehoben sein sollen. Endlich ist noch
der sehr sonderbare, aber doch sehr gebräuchliche, sogar durch die
specielle Abbreviatur [fremdsprachliches Material] bezeichnete Ausdruck [fremdsprachliches Material], gallchus,
von [fremdsprachliches Material], gallach, Geschorener, Pfaffe, zunächst katholischer Geist-
licher, dann allgemein jeder christliche Geistliche, zu bemerken (Stamm-
wort [fremdsprachliches Material] nur im Piel gebräuchlich, [fremdsprachliches Material], scheren). Mit Gall-
chus
wird nun die deutsche Schrift bezeichnet, ohne daß im He-
bräischen ein auch nur entfernt verwandtes Nomen sich nachweisen
ließe. Vielmehr ist Gallchus überhaupt eine jener verwegenen
Etymologien, von welchen die jüdischdeutsche Sprache wimmelt
und deren Entzifferung auch dem eifrigsten Forscher sauere Mühe
macht. Vielleicht hat Gallchus zunächst gerade für Mönchs-
schrift
gelten sollen. Gewöhnlich wird aber unter Gallchus, Galla-
chus die christliche Geistlichkeit verstanden.

Gegen Aschkenas und Teutsch tritt nun aber das Jbriteutsch,

1) Das [fremdsprachliches Material] dient überhaupt zur Bezeichnung der levitischen und sittlichen
Unreinigkeit und wird daher auch im verächtlichen Sinne gebraucht für alles
nicht jüdisch Heilige. Vgl. weiter unten Tammer und Tmea im Kapitel von
der Tammersprache, sowie Th. II, S. 331.

denn auch loschon aschkenas durchaus auch für die reine deutſche
Nationalſprache gilt. Daraus erklärt ſich auch die Ueberſetzung
[fremdsprachliches Material], teutſch, deutſch, womit ebenſo gut wie das Judendeutſch
auch die reine deutſche Nationalſprache bezeichnet wird.

Seltſamerweiſe wird nun aber auch die deutſche Nationalſprache
an und für ſich die unreine Sprache, [fremdsprachliches Material]
loschon tome 1) genannt, obſchon das ſo wunderlich verſetzte und
gemiſchte Judendeutſch gewiß ſelbſt den gerechteſten Anſpruch auf
dieſe Bezeichnung hat. Doch wird hier wol nicht, gleich dem
viel weiter zielenden Ausdruck [fremdsprachliches Material], loschon hanotzrim,
Sprache der Nazaräer, Chriſten, der reinſprachliche Gegenſatz, ſon-
dern nur die Bedeutſamkeit und Geltung fremder Sprachen im
Gegenſatz von der heiligen Sprache des jüdiſchen Geſetzes, des
althebräiſchen [fremdsprachliches Material], leschon hakodesch ([fremdsprachliches Material],
loschon hakaudesch, ſehr oft verdorben lussnekudisch, lussne-
kaudesch
genannt), hervorgehoben ſein ſollen. Endlich iſt noch
der ſehr ſonderbare, aber doch ſehr gebräuchliche, ſogar durch die
ſpecielle Abbreviatur [fremdsprachliches Material] bezeichnete Ausdruck [fremdsprachliches Material], gallchus,
von [fremdsprachliches Material], gallach, Geſchorener, Pfaffe, zunächſt katholiſcher Geiſt-
licher, dann allgemein jeder chriſtliche Geiſtliche, zu bemerken (Stamm-
wort [fremdsprachliches Material] nur im Piel gebräuchlich, [fremdsprachliches Material], ſcheren). Mit Gall-
chus
wird nun die deutſche Schrift bezeichnet, ohne daß im He-
bräiſchen ein auch nur entfernt verwandtes Nomen ſich nachweiſen
ließe. Vielmehr iſt Gallchus überhaupt eine jener verwegenen
Etymologien, von welchen die jüdiſchdeutſche Sprache wimmelt
und deren Entzifferung auch dem eifrigſten Forſcher ſauere Mühe
macht. Vielleicht hat Gallchus zunächſt gerade für Mönchs-
ſchrift
gelten ſollen. Gewöhnlich wird aber unter Gallchus, Galla-
chus die chriſtliche Geiſtlichkeit verſtanden.

Gegen Aſchkenas und Teutſch tritt nun aber das Jbriteutſch,

1) Das [fremdsprachliches Material] dient überhaupt zur Bezeichnung der levitiſchen und ſittlichen
Unreinigkeit und wird daher auch im verächtlichen Sinne gebraucht für alles
nicht jüdiſch Heilige. Vgl. weiter unten Tammer und Tmea im Kapitel von
der Tammerſprache, ſowie Th. II, S. 331.
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[53/0087] denn auch loschon aschkenas durchaus auch für die reine deutſche Nationalſprache gilt. Daraus erklärt ſich auch die Ueberſetzung _ , teutſch, deutſch, womit ebenſo gut wie das Judendeutſch auch die reine deutſche Nationalſprache bezeichnet wird. Seltſamerweiſe wird nun aber auch die deutſche Nationalſprache an und für ſich die unreine Sprache, _ loschon tome 1) genannt, obſchon das ſo wunderlich verſetzte und gemiſchte Judendeutſch gewiß ſelbſt den gerechteſten Anſpruch auf dieſe Bezeichnung hat. Doch wird hier wol nicht, gleich dem viel weiter zielenden Ausdruck _ , loschon hanotzrim, Sprache der Nazaräer, Chriſten, der reinſprachliche Gegenſatz, ſon- dern nur die Bedeutſamkeit und Geltung fremder Sprachen im Gegenſatz von der heiligen Sprache des jüdiſchen Geſetzes, des althebräiſchen _ , leschon hakodesch (_ , loschon hakaudesch, ſehr oft verdorben lussnekudisch, lussne- kaudesch genannt), hervorgehoben ſein ſollen. Endlich iſt noch der ſehr ſonderbare, aber doch ſehr gebräuchliche, ſogar durch die ſpecielle Abbreviatur _ bezeichnete Ausdruck _ , gallchus, von _ , gallach, Geſchorener, Pfaffe, zunächſt katholiſcher Geiſt- licher, dann allgemein jeder chriſtliche Geiſtliche, zu bemerken (Stamm- wort _ nur im Piel gebräuchlich, _ , ſcheren). Mit Gall- chus wird nun die deutſche Schrift bezeichnet, ohne daß im He- bräiſchen ein auch nur entfernt verwandtes Nomen ſich nachweiſen ließe. Vielmehr iſt Gallchus überhaupt eine jener verwegenen Etymologien, von welchen die jüdiſchdeutſche Sprache wimmelt und deren Entzifferung auch dem eifrigſten Forſcher ſauere Mühe macht. Vielleicht hat Gallchus zunächſt gerade für Mönchs- ſchrift gelten ſollen. Gewöhnlich wird aber unter Gallchus, Galla- chus die chriſtliche Geiſtlichkeit verſtanden. Gegen Aſchkenas und Teutſch tritt nun aber das Jbriteutſch, 1) Das _ dient überhaupt zur Bezeichnung der levitiſchen und ſittlichen Unreinigkeit und wird daher auch im verächtlichen Sinne gebraucht für alles nicht jüdiſch Heilige. Vgl. weiter unten Tammer und Tmea im Kapitel von der Tammerſprache, ſowie Th. II, S. 331.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/87>, abgerufen am 30.04.2024.