Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

ließe sich die Möglichkeit eines wirklichen Uebergangs von Hebräern
mit und nach den sprachverwandten Phöniziern, welche die nord-
afrikanische Küste durchzogen und nach Spanien übersetzten, sehr
füglich denken. Noch näher dem gelobten Lande lag das nördlich
vom Kaukasus begrenzte Jberien. Jn appellativer Hinsicht hat
Iber nach allen von Scheller angeführten Stellen, von denen die
bei Plinius (Historia natur., VIII, 53, 79) besonders wichtig
ist, bei der Kreuzung der verschiedenen Thiergattungen immer die
Bedeutung des Heraustretens, des Uebergangs der einen Gattung
in die andere und die volle Bedeutung des [fremdsprachliches Material]. Auch hat [fremdsprachliches Material]
gerade im Piel die Bedeutung des concipere, d. h. transire fecit
s. recepit semen virile,
z. B. Hiob 21, 10 [fremdsprachliches Material], sein Rind
wird trächtig. Ebenso ist im Judendeutsch stehende Bezeichnung
[fremdsprachliches Material], ische me-uberet, eine schwangere Frau. Dazu
findet sich die Zusammensetzung vox hibrida, "ein aus zwei Spra-
chen zusammengesetztes Wort", bei den Classikern und selbst in
der spätern Latinität nicht und scheint erst den viel spätern und
besonders grammatischen Schriftstellern anzugehören. Dennoch
mag hibridus in keinerlei Zusammenhang mit [fremdsprachliches Material] stehen. Näher
liegt allerdings die Ableitung von ubris, Uebermuth, übergroßes
Gefühl der Kraft. Vgl. ubrizo, ubriso und ubrioumai, Adject.
ubristes, ubristikos, ubristis u. s. w.



Zwanzigstes Kapitel.
I. Die Sprachmischung.
1) Alte Sprachen.

Man sieht schon aus dem bisher Dargestellten, welchen großen
Wortvorrath das Judendeutsch besitzt. Nicht nur alle deutschen Mund-
arten, sondern auch fremde Sprachen, je nach dem größern oder ge-
ringern Grade der Berührung des beweglichen Judenthums mit nicht-
deutschen Nationen, haben ihren Beitrag zum Judendeutsch geliefert.
Aber auch schon die specifisch jüdische Sprachzuthat an und für

ließe ſich die Möglichkeit eines wirklichen Uebergangs von Hebräern
mit und nach den ſprachverwandten Phöniziern, welche die nord-
afrikaniſche Küſte durchzogen und nach Spanien überſetzten, ſehr
füglich denken. Noch näher dem gelobten Lande lag das nördlich
vom Kaukaſus begrenzte Jberien. Jn appellativer Hinſicht hat
Iber nach allen von Scheller angeführten Stellen, von denen die
bei Plinius (Historia natur., VIII, 53, 79) beſonders wichtig
iſt, bei der Kreuzung der verſchiedenen Thiergattungen immer die
Bedeutung des Heraustretens, des Uebergangs der einen Gattung
in die andere und die volle Bedeutung des [fremdsprachliches Material]. Auch hat [fremdsprachliches Material]
gerade im Piel die Bedeutung des concipere, d. h. transire fecit
s. recepit semen virile,
z. B. Hiob 21, 10 [fremdsprachliches Material], ſein Rind
wird trächtig. Ebenſo iſt im Judendeutſch ſtehende Bezeichnung
[fremdsprachliches Material], ische me-uberet, eine ſchwangere Frau. Dazu
findet ſich die Zuſammenſetzung vox hibrida, „ein aus zwei Spra-
chen zuſammengeſetztes Wort“, bei den Claſſikern und ſelbſt in
der ſpätern Latinität nicht und ſcheint erſt den viel ſpätern und
beſonders grammatiſchen Schriftſtellern anzugehören. Dennoch
mag hibridus in keinerlei Zuſammenhang mit [fremdsprachliches Material] ſtehen. Näher
liegt allerdings die Ableitung von ὕβρις, Uebermuth, übergroßes
Gefühl der Kraft. Vgl. ὑβρίζω, ὑβρίσω und ὑβριοῦμαι, Adject.
ὑβριστής, ὑβριστικός, ὕβριστις u. ſ. w.



Zwanzigſtes Kapitel.
I. Die Sprachmiſchung.
1) Alte Sprachen.

Man ſieht ſchon aus dem bisher Dargeſtellten, welchen großen
Wortvorrath das Judendeutſch beſitzt. Nicht nur alle deutſchen Mund-
arten, ſondern auch fremde Sprachen, je nach dem größern oder ge-
ringern Grade der Berührung des beweglichen Judenthums mit nicht-
deutſchen Nationen, haben ihren Beitrag zum Judendeutſch geliefert.
Aber auch ſchon die ſpecifiſch jüdiſche Sprachzuthat an und für

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0089" n="55"/>
ließe &#x017F;ich die Möglichkeit eines wirklichen Uebergangs von Hebräern<lb/>
mit und nach den &#x017F;prachverwandten Phöniziern, welche die nord-<lb/>
afrikani&#x017F;che Kü&#x017F;te durchzogen und nach Spanien über&#x017F;etzten, &#x017F;ehr<lb/>
füglich denken. Noch näher dem gelobten Lande lag das nördlich<lb/>
vom Kauka&#x017F;us begrenzte Jberien. Jn appellativer Hin&#x017F;icht hat<lb/><hi rendition="#aq">Iber</hi> nach allen von Scheller angeführten Stellen, von denen die<lb/>
bei Plinius (<hi rendition="#aq">Historia natur., VIII</hi>, 53, 79) be&#x017F;onders wichtig<lb/>
i&#x017F;t, bei der Kreuzung der ver&#x017F;chiedenen Thiergattungen immer die<lb/>
Bedeutung des Heraustretens, des Uebergangs der einen Gattung<lb/>
in die andere und die volle Bedeutung des <gap reason="fm"/>. Auch hat <gap reason="fm"/><lb/>
gerade im Piel die Bedeutung des <hi rendition="#aq">concipere,</hi> d. h. <hi rendition="#aq">transire fecit<lb/>
s. recepit semen virile,</hi> z. B. Hiob 21, 10 <gap reason="fm"/>, &#x017F;ein Rind<lb/>
wird trächtig. Eben&#x017F;o i&#x017F;t im Judendeut&#x017F;ch &#x017F;tehende Bezeichnung<lb/><gap reason="fm"/>, <hi rendition="#aq">ische me-uberet,</hi> eine &#x017F;chwangere Frau. Dazu<lb/>
findet &#x017F;ich die Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung <hi rendition="#aq">vox hibrida,</hi> &#x201E;ein aus zwei Spra-<lb/>
chen zu&#x017F;ammenge&#x017F;etztes Wort&#x201C;, bei den Cla&#x017F;&#x017F;ikern und &#x017F;elb&#x017F;t in<lb/>
der &#x017F;pätern Latinität nicht und &#x017F;cheint er&#x017F;t den viel &#x017F;pätern und<lb/>
be&#x017F;onders grammati&#x017F;chen Schrift&#x017F;tellern anzugehören. Dennoch<lb/>
mag <hi rendition="#aq">hibridus</hi> in keinerlei Zu&#x017F;ammenhang mit <gap reason="fm"/> &#x017F;tehen. Näher<lb/>
liegt allerdings die Ableitung von &#x1F55;&#x03B2;&#x03C1;&#x03B9;&#x03C2;, Uebermuth, übergroßes<lb/>
Gefühl der Kraft. Vgl. &#x1F51;&#x03B2;&#x03C1;&#x03AF;&#x03B6;&#x03C9;, &#x1F51;&#x03B2;&#x03C1;&#x03AF;&#x03C3;&#x03C9; und &#x1F51;&#x03B2;&#x03C1;&#x03B9;&#x03BF;&#x1FE6;&#x03BC;&#x03B1;&#x03B9;, Adject.<lb/>
&#x1F51;&#x03B2;&#x03C1;&#x03B9;&#x03C3;&#x03C4;&#x03AE;&#x03C2;, &#x1F51;&#x03B2;&#x03C1;&#x03B9;&#x03C3;&#x03C4;&#x03B9;&#x03BA;&#x03CC;&#x03C2;, &#x1F55;&#x03B2;&#x03C1;&#x03B9;&#x03C3;&#x03C4;&#x03B9;&#x03C2; u. &#x017F;. w.</p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="3">
            <head>Zwanzig&#x017F;tes Kapitel.<lb/><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Die Sprachmi&#x017F;chung.</hi></head><lb/>
            <div n="4">
              <head>1) <hi rendition="#b">Alte Sprachen.</hi></head><lb/>
              <p>Man &#x017F;ieht &#x017F;chon aus dem bisher Darge&#x017F;tellten, welchen großen<lb/>
Wortvorrath das Judendeut&#x017F;ch be&#x017F;itzt. Nicht nur alle deut&#x017F;chen Mund-<lb/>
arten, &#x017F;ondern auch fremde Sprachen, je nach dem größern oder ge-<lb/>
ringern Grade der Berührung des beweglichen Judenthums mit nicht-<lb/>
deut&#x017F;chen Nationen, haben ihren Beitrag zum Judendeut&#x017F;ch geliefert.<lb/>
Aber auch &#x017F;chon die &#x017F;pecifi&#x017F;ch jüdi&#x017F;che Sprachzuthat an und für<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0089] ließe ſich die Möglichkeit eines wirklichen Uebergangs von Hebräern mit und nach den ſprachverwandten Phöniziern, welche die nord- afrikaniſche Küſte durchzogen und nach Spanien überſetzten, ſehr füglich denken. Noch näher dem gelobten Lande lag das nördlich vom Kaukaſus begrenzte Jberien. Jn appellativer Hinſicht hat Iber nach allen von Scheller angeführten Stellen, von denen die bei Plinius (Historia natur., VIII, 53, 79) beſonders wichtig iſt, bei der Kreuzung der verſchiedenen Thiergattungen immer die Bedeutung des Heraustretens, des Uebergangs der einen Gattung in die andere und die volle Bedeutung des _ . Auch hat _ gerade im Piel die Bedeutung des concipere, d. h. transire fecit s. recepit semen virile, z. B. Hiob 21, 10 _ , ſein Rind wird trächtig. Ebenſo iſt im Judendeutſch ſtehende Bezeichnung _ , ische me-uberet, eine ſchwangere Frau. Dazu findet ſich die Zuſammenſetzung vox hibrida, „ein aus zwei Spra- chen zuſammengeſetztes Wort“, bei den Claſſikern und ſelbſt in der ſpätern Latinität nicht und ſcheint erſt den viel ſpätern und beſonders grammatiſchen Schriftſtellern anzugehören. Dennoch mag hibridus in keinerlei Zuſammenhang mit _ ſtehen. Näher liegt allerdings die Ableitung von ὕβρις, Uebermuth, übergroßes Gefühl der Kraft. Vgl. ὑβρίζω, ὑβρίσω und ὑβριοῦμαι, Adject. ὑβριστής, ὑβριστικός, ὕβριστις u. ſ. w. Zwanzigſtes Kapitel. I. Die Sprachmiſchung. 1) Alte Sprachen. Man ſieht ſchon aus dem bisher Dargeſtellten, welchen großen Wortvorrath das Judendeutſch beſitzt. Nicht nur alle deutſchen Mund- arten, ſondern auch fremde Sprachen, je nach dem größern oder ge- ringern Grade der Berührung des beweglichen Judenthums mit nicht- deutſchen Nationen, haben ihren Beitrag zum Judendeutſch geliefert. Aber auch ſchon die ſpecifiſch jüdiſche Sprachzuthat an und für

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/89
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/89>, abgerufen am 30.04.2024.