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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

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mit er den Kawehr, der hier in Dobes schemt, zopfe; der wird
dir es gleich unter die Scheinlinge waldiwern"! 1)

Trotz aller gerügten schlimmen Fehler Bischoff's darf man
aber auch nicht übersehen, daß er allerdings eine nicht geringe
Zahl origineller und direct aus Gaunermunde geschöpfter Voca-
beln gibt. Jn überaus bunter Fülle und Verschiedenartigkeit macht
sich dazu die mundartige Modulation und, besonders vorherrschend,
die niederdeutsche Mundart darin geltend, z. B.: buckeln, tragen;
biwers, kalt; Schniedling, Säge, Schere, Sense, Sichel;
müffen, stinken; smogen, rauchen; weghotteln, weggehen.
Diese niederdeutsche Färbung verdunkelt sogar das in dieser Hin-
sicht wenig fügsame Judendeutsch noch weit mehr, als das bei
Falkenberg der Fall ist, z. B.: beducht holchen (betuach halche-
nen), beschleichen; beekers (peger), krank; blöde scheffen (pleite),
verschwinden; Seggel (Sechel), Verstand; Schieferer (Chilfer),
Wechsler u. s. w. Wegen dieser Originalität verdient die "Kocheme
Waldiwerei" Aufmerksamkeit, obschon sie immer nur mit großer
Vorsicht und mit besonnener Kritik zu benutzen ist. 2)



Sechsunddreißigstes Kapitel.
dd) Das Wörterbuch von F. L. A. von Grolman.

Sechs Jahre später als Falkenberg und gleichzeitig mit Bischoff
trat Grolman mit seinem "Wörterbuch der in Teutschland üblichen

1) Bischoff übersetzt dies so: "Gestehe aufrichtig, sonst schelle ich dem Die-
ner, damit er deinen Kameraden, welcher hier sitzt, herbeihole; der wird dir es
ins Gesicht sagen".
2) Später hat Bischoff noch ein Wörterbuch unter dem Titel herausge-
geben: "Ergebnisse einer von dem Großherzoglich Sächsischen Criminalgerichte
in Eisenach geführten Untersuchung hinsichtlich des Gaunerwesens in den Groß-
herzoglichen Amtsbezirken Eisenach, Kreuzburg, Gerstungen, Vacha und Tiefen-
ort" (Eisenach 1830). Dies Wörterbuch (S. 41--156) scheint reichhaltiger zu
sein. Das als Doppellerikon bearbeitete Wörterbuch ist mir nicht zugänglich

mit er den Kawehr, der hier in Dobes ſchemt, zopfe; der wird
dir es gleich unter die Scheinlinge waldiwern“! 1)

Trotz aller gerügten ſchlimmen Fehler Biſchoff’s darf man
aber auch nicht überſehen, daß er allerdings eine nicht geringe
Zahl origineller und direct aus Gaunermunde geſchöpfter Voca-
beln gibt. Jn überaus bunter Fülle und Verſchiedenartigkeit macht
ſich dazu die mundartige Modulation und, beſonders vorherrſchend,
die niederdeutſche Mundart darin geltend, z. B.: buckeln, tragen;
biwers, kalt; Schniedling, Säge, Schere, Senſe, Sichel;
müffen, ſtinken; ſmogen, rauchen; weghotteln, weggehen.
Dieſe niederdeutſche Färbung verdunkelt ſogar das in dieſer Hin-
ſicht wenig fügſame Judendeutſch noch weit mehr, als das bei
Falkenberg der Fall iſt, z. B.: beducht holchen (betuach halche-
nen), beſchleichen; beekers (peger), krank; blöde ſcheffen (pleite),
verſchwinden; Seggel (Sechel), Verſtand; Schieferer (Chilfer),
Wechsler u. ſ. w. Wegen dieſer Originalität verdient die „Kocheme
Waldiwerei“ Aufmerkſamkeit, obſchon ſie immer nur mit großer
Vorſicht und mit beſonnener Kritik zu benutzen iſt. 2)



Sechsunddreißigſtes Kapitel.
dd) Das Wörterbuch von F. L. A. von Grolman.

Sechs Jahre ſpäter als Falkenberg und gleichzeitig mit Biſchoff
trat Grolman mit ſeinem „Wörterbuch der in Teutſchland üblichen

1) Biſchoff überſetzt dies ſo: „Geſtehe aufrichtig, ſonſt ſchelle ich dem Die-
ner, damit er deinen Kameraden, welcher hier ſitzt, herbeihole; der wird dir es
ins Geſicht ſagen“.
2) Später hat Biſchoff noch ein Wörterbuch unter dem Titel herausge-
geben: „Ergebniſſe einer von dem Großherzoglich Sächſiſchen Criminalgerichte
in Eiſenach geführten Unterſuchung hinſichtlich des Gaunerweſens in den Groß-
herzoglichen Amtsbezirken Eiſenach, Kreuzburg, Gerſtungen, Vacha und Tiefen-
ort“ (Eiſenach 1830). Dies Wörterbuch (S. 41—156) ſcheint reichhaltiger zu
ſein. Das als Doppellerikon bearbeitete Wörterbuch iſt mir nicht zugänglich
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[249/0261] mit er den Kawehr, der hier in Dobes ſchemt, zopfe; der wird dir es gleich unter die Scheinlinge waldiwern“! 1) Trotz aller gerügten ſchlimmen Fehler Biſchoff’s darf man aber auch nicht überſehen, daß er allerdings eine nicht geringe Zahl origineller und direct aus Gaunermunde geſchöpfter Voca- beln gibt. Jn überaus bunter Fülle und Verſchiedenartigkeit macht ſich dazu die mundartige Modulation und, beſonders vorherrſchend, die niederdeutſche Mundart darin geltend, z. B.: buckeln, tragen; biwers, kalt; Schniedling, Säge, Schere, Senſe, Sichel; müffen, ſtinken; ſmogen, rauchen; weghotteln, weggehen. Dieſe niederdeutſche Färbung verdunkelt ſogar das in dieſer Hin- ſicht wenig fügſame Judendeutſch noch weit mehr, als das bei Falkenberg der Fall iſt, z. B.: beducht holchen (betuach halche- nen), beſchleichen; beekers (peger), krank; blöde ſcheffen (pleite), verſchwinden; Seggel (Sechel), Verſtand; Schieferer (Chilfer), Wechsler u. ſ. w. Wegen dieſer Originalität verdient die „Kocheme Waldiwerei“ Aufmerkſamkeit, obſchon ſie immer nur mit großer Vorſicht und mit beſonnener Kritik zu benutzen iſt. 2) Sechsunddreißigſtes Kapitel. dd) Das Wörterbuch von F. L. A. von Grolman. Sechs Jahre ſpäter als Falkenberg und gleichzeitig mit Biſchoff trat Grolman mit ſeinem „Wörterbuch der in Teutſchland üblichen 1) Biſchoff überſetzt dies ſo: „Geſtehe aufrichtig, ſonſt ſchelle ich dem Die- ner, damit er deinen Kameraden, welcher hier ſitzt, herbeihole; der wird dir es ins Geſicht ſagen“. 2) Später hat Biſchoff noch ein Wörterbuch unter dem Titel herausge- geben: „Ergebniſſe einer von dem Großherzoglich Sächſiſchen Criminalgerichte in Eiſenach geführten Unterſuchung hinſichtlich des Gaunerweſens in den Groß- herzoglichen Amtsbezirken Eiſenach, Kreuzburg, Gerſtungen, Vacha und Tiefen- ort“ (Eiſenach 1830). Dies Wörterbuch (S. 41—156) ſcheint reichhaltiger zu ſein. Das als Doppellerikon bearbeitete Wörterbuch iſt mir nicht zugänglich

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/261>, abgerufen am 29.04.2024.