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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

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auch von Grolman, gesetzt und erklärt ist. Gleich vermessen und
abgeschmackt ist das correcte Grolman'sche schnurren von Thiele
(ebendas.) mit schnorren verbessert, da schnurren vom mittelhoch-
deutschen snurren herkommt, schuorren und schnarren aber nur
Nebenform (welche im Schwedischen snorra lautet), entschieden
aber Schnurrant (mhd. snarrence) der specifische Ausdruck für
den umherziehenden Bettelmusikanten ist; vgl. Schwenck, a. a. O.,
S. 585, und Adelung, III, S. 1614. Bezeichnend ist noch das
von schnurren hergeleitete neuhebräische [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], schunar, schnurren,
wovon wieder [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], schunra, Katze; vgl. Callenberg, "Jüdisch-
deutsches Wörterbuch", S. 71, und Tendlau, a. a. O., Nr. 535.
Ebenso corrigirt Thiele das bei Grolman durchaus richtige be-
kawle,
gefesselt ([irrelevantes Material - Zeichen fehlt], bechawle, von [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], chewel, Strick,
Bande, mit präfixem [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], also: in Stricken), mit bechaule, gefan-
gen, als ob von [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], choli, Krankheit, Gefangenschaft, mit prä-
fixem [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], also: in Krankheit, in Gefangenschaft. Bei dieser Un-
wissenheit macht es sich sehr übel, wenn Thiele, S. 207, mit der
hohlen, wegwerfenden Kritik über das ganze tüchtige Werk urtheilt:
"Es is mole schibbuschim 1) dieses Buch und man wird mir erlassen,
alle die, oft sinnentstellenden, Fehler und Unrichtigkeiten, welche
sich darin vorfinden, sämmtlich hier aufzuführen" u. s. w. Man
wird in der Beurtheilung des Thiele'schen Wörterbuchs sehen, wo
der "Schibbusch" bei Thiele steckt. Hier muß nur noch der völlig
ungerechtfertigte Tadel zurückgewiesen werden, daß Grolman dem
Dialektischen große Aufmerksamkeit gewidmet und die Verschieden-
artigkeit des provinziellen Ausdrucks in öfterer Wiederholung vor
Augen geführt habe. Würde Thiele wirkliche linguistische Studien
gemacht haben, wie es sich für jeden Schriftsteller gebührt, der
sich mit der heiklen Linguistik des Gaunerthums befaßt, so würde
er bei eigener Durchforschung der Quellen, aus denen Grolman
schöpfte, die Fülle der dialektischen Modulation in der Gauner-
sprache begriffen und nicht so sehr auf seinen geheimen spiritus
familiaris,
Gottfried Selig, gepocht und darauf hin den unseligen

1) Siehe G. Selig, "Handbuch", S. 301.

auch von Grolman, geſetzt und erklärt iſt. Gleich vermeſſen und
abgeſchmackt iſt das correcte Grolman’ſche ſchnurren von Thiele
(ebendaſ.) mit ſchnorren verbeſſert, da ſchnurren vom mittelhoch-
deutſchen snurren herkommt, ſchuorren und ſchnarren aber nur
Nebenform (welche im Schwediſchen snorra lautet), entſchieden
aber Schnurrant (mhd. snarrence) der ſpecifiſche Ausdruck für
den umherziehenden Bettelmuſikanten iſt; vgl. Schwenck, a. a. O.,
S. 585, und Adelung, III, S. 1614. Bezeichnend iſt noch das
von ſchnurren hergeleitete neuhebräiſche [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], schunar, ſchnurren,
wovon wieder [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], schunra, Katze; vgl. Callenberg, „Jüdiſch-
deutſches Wörterbuch“, S. 71, und Tendlau, a. a. O., Nr. 535.
Ebenſo corrigirt Thiele das bei Grolman durchaus richtige be-
kawle,
gefeſſelt ([irrelevantes Material – Zeichen fehlt], bechawle, von [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], chewel, Strick,
Bande, mit präfixem [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], alſo: in Stricken), mit bechaule, gefan-
gen, als ob von [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], choli, Krankheit, Gefangenſchaft, mit prä-
fixem [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], alſo: in Krankheit, in Gefangenſchaft. Bei dieſer Un-
wiſſenheit macht es ſich ſehr übel, wenn Thiele, S. 207, mit der
hohlen, wegwerfenden Kritik über das ganze tüchtige Werk urtheilt:
„Es is mole ſchibbuſchim 1) dieſes Buch und man wird mir erlaſſen,
alle die, oft ſinnentſtellenden, Fehler und Unrichtigkeiten, welche
ſich darin vorfinden, ſämmtlich hier aufzuführen“ u. ſ. w. Man
wird in der Beurtheilung des Thiele’ſchen Wörterbuchs ſehen, wo
der „Schibbuſch“ bei Thiele ſteckt. Hier muß nur noch der völlig
ungerechtfertigte Tadel zurückgewieſen werden, daß Grolman dem
Dialektiſchen große Aufmerkſamkeit gewidmet und die Verſchieden-
artigkeit des provinziellen Ausdrucks in öfterer Wiederholung vor
Augen geführt habe. Würde Thiele wirkliche linguiſtiſche Studien
gemacht haben, wie es ſich für jeden Schriftſteller gebührt, der
ſich mit der heiklen Linguiſtik des Gaunerthums befaßt, ſo würde
er bei eigener Durchforſchung der Quellen, aus denen Grolman
ſchöpfte, die Fülle der dialektiſchen Modulation in der Gauner-
ſprache begriffen und nicht ſo ſehr auf ſeinen geheimen spiritus
familiaris,
Gottfried Selig, gepocht und darauf hin den unſeligen

1) Siehe G. Selig, „Handbuch“, S. 301.
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[251/0263] auch von Grolman, geſetzt und erklärt iſt. Gleich vermeſſen und abgeſchmackt iſt das correcte Grolman’ſche ſchnurren von Thiele (ebendaſ.) mit ſchnorren verbeſſert, da ſchnurren vom mittelhoch- deutſchen snurren herkommt, ſchuorren und ſchnarren aber nur Nebenform (welche im Schwediſchen snorra lautet), entſchieden aber Schnurrant (mhd. snarrence) der ſpecifiſche Ausdruck für den umherziehenden Bettelmuſikanten iſt; vgl. Schwenck, a. a. O., S. 585, und Adelung, III, S. 1614. Bezeichnend iſt noch das von ſchnurren hergeleitete neuhebräiſche _ , schunar, ſchnurren, wovon wieder _ , schunra, Katze; vgl. Callenberg, „Jüdiſch- deutſches Wörterbuch“, S. 71, und Tendlau, a. a. O., Nr. 535. Ebenſo corrigirt Thiele das bei Grolman durchaus richtige be- kawle, gefeſſelt (_ , bechawle, von _ , chewel, Strick, Bande, mit präfixem _ , alſo: in Stricken), mit bechaule, gefan- gen, als ob von _ , choli, Krankheit, Gefangenſchaft, mit prä- fixem _ , alſo: in Krankheit, in Gefangenſchaft. Bei dieſer Un- wiſſenheit macht es ſich ſehr übel, wenn Thiele, S. 207, mit der hohlen, wegwerfenden Kritik über das ganze tüchtige Werk urtheilt: „Es is mole ſchibbuſchim 1) dieſes Buch und man wird mir erlaſſen, alle die, oft ſinnentſtellenden, Fehler und Unrichtigkeiten, welche ſich darin vorfinden, ſämmtlich hier aufzuführen“ u. ſ. w. Man wird in der Beurtheilung des Thiele’ſchen Wörterbuchs ſehen, wo der „Schibbuſch“ bei Thiele ſteckt. Hier muß nur noch der völlig ungerechtfertigte Tadel zurückgewieſen werden, daß Grolman dem Dialektiſchen große Aufmerkſamkeit gewidmet und die Verſchieden- artigkeit des provinziellen Ausdrucks in öfterer Wiederholung vor Augen geführt habe. Würde Thiele wirkliche linguiſtiſche Studien gemacht haben, wie es ſich für jeden Schriftſteller gebührt, der ſich mit der heiklen Linguiſtik des Gaunerthums befaßt, ſo würde er bei eigener Durchforſchung der Quellen, aus denen Grolman ſchöpfte, die Fülle der dialektiſchen Modulation in der Gauner- ſprache begriffen und nicht ſo ſehr auf ſeinen geheimen spiritus familiaris, Gottfried Selig, gepocht und darauf hin den unſeligen 1) Siehe G. Selig, „Handbuch“, S. 301.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/263>, abgerufen am 29.04.2024.