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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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Embryonen von nur 21 Gran, und an kleineren Beutelthieren sogar von einem
Grane gefunden; allein zu glauben, dass sie nie Eihüllen haben, wäre zu jetzi-
ger Zeit wohl unpassend. Geoffroy glaubt sogar eine Spur vom Fruchtkuchen
an Embryonen von 5 Linien Länge dicht am Bauche gesehen zu haben. Auch
die Nabelgefässe, welche Blainville früher vergeblich gesucht hatte, erklärt
Rudolphi gefunden zu haben. An dem Daseyn solcher Gefässe in früher Zeit
ist vernünftiger Weise nicht zu zweifeln, allein den Embryo wenigstens, wel-
chen ich im Berliner anatomischen Museum als von einem Didelphis aufgestellt
sah, konnte ich nicht für einen solchen erkennen, da er nicht die Fussbildung
dieser Thiergattung hatte. Ob die Verwechselung vor oder nach der Untersu-
chung Statt gefunden, weiss ich nicht *),

Auf jeden Fall fehlt noch vieles, um die Entwickelungsgeschichte der Beu-
telthiere, mit der anderer Thierformen vollständig zu vergleichen.

d. Spätgebä-
rende Säuge-
thiere.

Wenden wir uns jetzt zu den spätgebärenden Säugethieren, die den eigent-
lichen Stamm dieser Klasse bilden, während die frühgebärenden nur Uebergänge
zu andern darstellen, so finden wir in der äussern Form und dem Baue des Eies
viel mehr Mannigfaltigkeit als in der Entwickelungsweise der Embryonen selbst.
Diese letztern stellen wir vorläufig zurück, um sie später kurz mit der Bildungs-
geschichte des Küchleins vergleichen zu können.

Die Geschichte des gesammten Eies und seiner verschiedenen Formen wer-
den wir aber ausführlicher zu untersuchen haben, wenn wir ein sicheres Ver-
ständniss bei den widersprechenden Angaben und der abweichenden Benennungs-
art einzelner Theile, wie wir sie in den Schriftstellern verschiedener Zeiten fin-
den, erlangen wollen. Ich halte es dabei für passend, dasjenige voranzuschicken,
was man seit Jahrhunderten und zum Theil seit Jahrtausenden weiss, dann zu
der Untersuchung übergehe, wie diese Theile sich bilden und die Resultate der
neuesten Forschungen bei dieser Darstellung mitzutheilen. Hierdurch erlange ich
den Vortheil zuvörderst nur von Verhältnissen zu sprechen, die den Medicinern
unter Ihnen völlig geläufig sind und auch den übrigen Herren Zuhörern mehr oder
weniger bekannt seyn werden.

e. Was man
von ihrem
Eie seit lan-
ger Zeit
wusste.

Die ältere Kenntniss, wie sie z. B. in den gewöhnlichen anatomischen
Handbüchern des vorigen Jahrhunderts gegeben wird, bezieht sich nur auf den
spätern Zustand der Frucht.

Man
*) Rudolphi hat diesen Embryo später in den Abhandlungen der Berliner Akademie 1828
abbilden lassen. Wer diese Abbildung aufmerksam betrachtet, wird mit mir zweifeln, dass bei
einem so weit entwickelten Beutelthiere der Daumen des Hinterfusses von den andern Zehen
sich noch nicht unterscheiden sollte. Den Daumen sieht man doch ganz deutlich in viel weni-
ger entwickelten Embryonen von Beutelthieren.

Embryonen von nur 21 Gran, und an kleineren Beutelthieren sogar von einem
Grane gefunden; allein zu glauben, daſs sie nie Eihüllen haben, wäre zu jetzi-
ger Zeit wohl unpassend. Geoffroy glaubt sogar eine Spur vom Fruchtkuchen
an Embryonen von 5 Linien Länge dicht am Bauche gesehen zu haben. Auch
die Nabelgefäſse, welche Blainville früher vergeblich gesucht hatte, erklärt
Rudolphi gefunden zu haben. An dem Daseyn solcher Gefäſse in früher Zeit
ist vernünftiger Weise nicht zu zweifeln, allein den Embryo wenigstens, wel-
chen ich im Berliner anatomischen Museum als von einem Didelphis aufgestellt
sah, konnte ich nicht für einen solchen erkennen, da er nicht die Fuſsbildung
dieser Thiergattung hatte. Ob die Verwechselung vor oder nach der Untersu-
chung Statt gefunden, weiſs ich nicht *),

Auf jeden Fall fehlt noch vieles, um die Entwickelungsgeschichte der Beu-
telthiere, mit der anderer Thierformen vollständig zu vergleichen.

d. Spätgebä-
rende Säuge-
thiere.

Wenden wir uns jetzt zu den spätgebärenden Säugethieren, die den eigent-
lichen Stamm dieser Klasse bilden, während die frühgebärenden nur Uebergänge
zu andern darstellen, so finden wir in der äuſsern Form und dem Baue des Eies
viel mehr Mannigfaltigkeit als in der Entwickelungsweise der Embryonen selbst.
Diese letztern stellen wir vorläufig zurück, um sie später kurz mit der Bildungs-
geschichte des Küchleins vergleichen zu können.

Die Geschichte des gesammten Eies und seiner verschiedenen Formen wer-
den wir aber ausführlicher zu untersuchen haben, wenn wir ein sicheres Ver-
ständniſs bei den widersprechenden Angaben und der abweichenden Benennungs-
art einzelner Theile, wie wir sie in den Schriftstellern verschiedener Zeiten fin-
den, erlangen wollen. Ich halte es dabei für passend, dasjenige voranzuschicken,
was man seit Jahrhunderten und zum Theil seit Jahrtausenden weiſs, dann zu
der Untersuchung übergehe, wie diese Theile sich bilden und die Resultate der
neuesten Forschungen bei dieser Darstellung mitzutheilen. Hierdurch erlange ich
den Vortheil zuvörderst nur von Verhältnissen zu sprechen, die den Medicinern
unter Ihnen völlig geläufig sind und auch den übrigen Herren Zuhörern mehr oder
weniger bekannt seyn werden.

e. Was man
von ihrem
Eie seit lan-
ger Zeit
wuſste.

Die ältere Kenntniſs, wie sie z. B. in den gewöhnlichen anatomischen
Handbüchern des vorigen Jahrhunderts gegeben wird, bezieht sich nur auf den
spätern Zustand der Frucht.

Man
*) Rudolphi hat diesen Embryo später in den Abhandlungen der Berliner Akademie 1828
abbilden lassen. Wer diese Abbildung aufmerksam betrachtet, wird mit mir zweifeln, daſs bei
einem so weit entwickelten Beutelthiere der Daumen des Hinterfuſses von den andern Zehen
sich noch nicht unterscheiden sollte. Den Daumen sieht man doch ganz deutlich in viel weni-
ger entwickelten Embryonen von Beutelthieren.
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[168/0178] Embryonen von nur 21 Gran, und an kleineren Beutelthieren sogar von einem Grane gefunden; allein zu glauben, daſs sie nie Eihüllen haben, wäre zu jetzi- ger Zeit wohl unpassend. Geoffroy glaubt sogar eine Spur vom Fruchtkuchen an Embryonen von 5 Linien Länge dicht am Bauche gesehen zu haben. Auch die Nabelgefäſse, welche Blainville früher vergeblich gesucht hatte, erklärt Rudolphi gefunden zu haben. An dem Daseyn solcher Gefäſse in früher Zeit ist vernünftiger Weise nicht zu zweifeln, allein den Embryo wenigstens, wel- chen ich im Berliner anatomischen Museum als von einem Didelphis aufgestellt sah, konnte ich nicht für einen solchen erkennen, da er nicht die Fuſsbildung dieser Thiergattung hatte. Ob die Verwechselung vor oder nach der Untersu- chung Statt gefunden, weiſs ich nicht *), Auf jeden Fall fehlt noch vieles, um die Entwickelungsgeschichte der Beu- telthiere, mit der anderer Thierformen vollständig zu vergleichen. Wenden wir uns jetzt zu den spätgebärenden Säugethieren, die den eigent- lichen Stamm dieser Klasse bilden, während die frühgebärenden nur Uebergänge zu andern darstellen, so finden wir in der äuſsern Form und dem Baue des Eies viel mehr Mannigfaltigkeit als in der Entwickelungsweise der Embryonen selbst. Diese letztern stellen wir vorläufig zurück, um sie später kurz mit der Bildungs- geschichte des Küchleins vergleichen zu können. Die Geschichte des gesammten Eies und seiner verschiedenen Formen wer- den wir aber ausführlicher zu untersuchen haben, wenn wir ein sicheres Ver- ständniſs bei den widersprechenden Angaben und der abweichenden Benennungs- art einzelner Theile, wie wir sie in den Schriftstellern verschiedener Zeiten fin- den, erlangen wollen. Ich halte es dabei für passend, dasjenige voranzuschicken, was man seit Jahrhunderten und zum Theil seit Jahrtausenden weiſs, dann zu der Untersuchung übergehe, wie diese Theile sich bilden und die Resultate der neuesten Forschungen bei dieser Darstellung mitzutheilen. Hierdurch erlange ich den Vortheil zuvörderst nur von Verhältnissen zu sprechen, die den Medicinern unter Ihnen völlig geläufig sind und auch den übrigen Herren Zuhörern mehr oder weniger bekannt seyn werden. Die ältere Kenntniſs, wie sie z. B. in den gewöhnlichen anatomischen Handbüchern des vorigen Jahrhunderts gegeben wird, bezieht sich nur auf den spätern Zustand der Frucht. Man *) Rudolphi hat diesen Embryo später in den Abhandlungen der Berliner Akademie 1828 abbilden lassen. Wer diese Abbildung aufmerksam betrachtet, wird mit mir zweifeln, daſs bei einem so weit entwickelten Beutelthiere der Daumen des Hinterfuſses von den andern Zehen sich noch nicht unterscheiden sollte. Den Daumen sieht man doch ganz deutlich in viel weni- ger entwickelten Embryonen von Beutelthieren.

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/178>, abgerufen am 29.04.2024.