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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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führt. Zuvörderst steht in den Eiern der Raubthiere und Kaninchen, so bald sie
einige Zeit im Fruchthälter gelegen haben, die Oberhaut entschieden weiter vom
innern Sacke ab, als in den Eiern der Hufthiere. Wenn man ferner ein Ei vom
Hunde oder Kaninchen, so lange es frei im Eileiter liegt und ehe es wahre Zotten
trägt, in reines Wasser legt, so entfernt sich rasch der innere Sack der Keimhaut
von dem Sacke der Oberhaut, als Beweis dass hier Etwas ist, welches Wasser
anzieht. Was kann dieses Etwas seyn als Eiweiss? Anders ist es bei den Huf-
thieren. Hier ist die Masse der ergossenen Flüssigkeit sehr gross -- sie kann nicht
von der Oberhaut eingesogen werden. Hier ist überdiess die Keimhaut zarter,
und was die Oberhaut aufgenommen hat, geht fast sogleich durch die Keimhaut
in den Dotter über, der aber in keinem Thiere so stark die umgebende Feuchtig-
keit aufnimmt, dass nicht das meiste zurückbleiben sollte. Diese Masse von ei-
weisshaltigem Wasser wird sich nun allmählig mit Oberhaut d. h. für das Ei mit
einer äussern Eihaut bedecken, wie das dickere Eiweiss der Vögel und Fische in
viel kürzerer Zeit.

Ich habe mich hierbei etwas lange aufgehalten, um es recht anschaulich
zu machen, dass die Verschiedenheit ausserordentlich klein, ja fast gar keine
ist, wenn auch das Ei einiger Säugethiere eine neue Oberhaut erhält, das Ei an-
derer aber seine frühere Oberhaut behält. Dem Ei ist es gleichgültig, (erlauben
Sie mir diesen Ausdruck,) wie es zu seiner äussern Eihaut gelangt, ob die ur-
sprüngliche bleibt, wie ich von den Hunden noch immer glauben möchte, oder
ob ein darüber gegossenes Eiweiss sich eine Oberhaut bildet. Die äusserste dieser
Oberhaut hat für das Ei immer dieselbe Bedeutung, sie ist seine äussere Ei-
haut *).

Welchen Ursprung nun auch die äussere Eihaut der Säugethiere haben mag,
sie hat in allen Formen dieselben Eigenschaften, die der Schaalenhaut des Vogel-
Eies zukommen, ausgenommen dass jene, immer in Feuchtigkeit gebadet und sie
durchlassend, nicht so trocken ist, als die Schaalenhaut des Vogel-Eies. Sie ist
immer, so lange nicht aus dem Eie ein mit Blutgefässen versehener Sack an sie
heran tritt, völlig gefässlos; sie entwickelt Zotten, wenigstens ohne Ausnahme
an den Stellen, wo sie mit solchen Stellen des Fruchthälters, die nicht ganz glatt

*) Schon Burdach hat die Dotterhaut und die Schaalenhaut, oder wie man sonst die Ober-
haut des Eiweisses nennen will, gewiss sehr richtig, als blosse Oberhäute d. h. als Hänte dar-
gestellt, die nur durch die Massen Bedeutung erhalten, die unter ihnen liegen. Sie sind die
geronnenen Oberflächen derselben. Die Franzosen dagegen scheinen sie als etwas sehr Wesent-
liches zu betrachten.

führt. Zuvörderst steht in den Eiern der Raubthiere und Kaninchen, so bald sie
einige Zeit im Fruchthälter gelegen haben, die Oberhaut entschieden weiter vom
innern Sacke ab, als in den Eiern der Hufthiere. Wenn man ferner ein Ei vom
Hunde oder Kaninchen, so lange es frei im Eileiter liegt und ehe es wahre Zotten
trägt, in reines Wasser legt, so entfernt sich rasch der innere Sack der Keimhaut
von dem Sacke der Oberhaut, als Beweis daſs hier Etwas ist, welches Wasser
anzieht. Was kann dieses Etwas seyn als Eiweiſs? Anders ist es bei den Huf-
thieren. Hier ist die Masse der ergossenen Flüssigkeit sehr groſs — sie kann nicht
von der Oberhaut eingesogen werden. Hier ist überdieſs die Keimhaut zarter,
und was die Oberhaut aufgenommen hat, geht fast sogleich durch die Keimhaut
in den Dotter über, der aber in keinem Thiere so stark die umgebende Feuchtig-
keit aufnimmt, daſs nicht das meiste zurückbleiben sollte. Diese Masse von ei-
weiſshaltigem Wasser wird sich nun allmählig mit Oberhaut d. h. für das Ei mit
einer äuſsern Eihaut bedecken, wie das dickere Eiweiſs der Vögel und Fische in
viel kürzerer Zeit.

Ich habe mich hierbei etwas lange aufgehalten, um es recht anschaulich
zu machen, daſs die Verschiedenheit auſserordentlich klein, ja fast gar keine
ist, wenn auch das Ei einiger Säugethiere eine neue Oberhaut erhält, das Ei an-
derer aber seine frühere Oberhaut behält. Dem Ei ist es gleichgültig, (erlauben
Sie mir diesen Ausdruck,) wie es zu seiner äuſsern Eihaut gelangt, ob die ur-
sprüngliche bleibt, wie ich von den Hunden noch immer glauben möchte, oder
ob ein darüber gegossenes Eiweiſs sich eine Oberhaut bildet. Die äuſserste dieser
Oberhaut hat für das Ei immer dieselbe Bedeutung, sie ist seine äuſsere Ei-
haut *).

Welchen Ursprung nun auch die äuſsere Eihaut der Säugethiere haben mag,
sie hat in allen Formen dieselben Eigenschaften, die der Schaalenhaut des Vogel-
Eies zukommen, ausgenommen daſs jene, immer in Feuchtigkeit gebadet und sie
durchlassend, nicht so trocken ist, als die Schaalenhaut des Vogel-Eies. Sie ist
immer, so lange nicht aus dem Eie ein mit Blutgefäſsen versehener Sack an sie
heran tritt, völlig gefäſslos; sie entwickelt Zotten, wenigstens ohne Ausnahme
an den Stellen, wo sie mit solchen Stellen des Fruchthälters, die nicht ganz glatt

*) Schon Burdach hat die Dotterhaut und die Schaalenhaut, oder wie man sonst die Ober-
haut des Eiweiſses nennen will, gewiſs sehr richtig, als bloſse Oberhäute d. h. als Hänte dar-
gestellt, die nur durch die Massen Bedeutung erhalten, die unter ihnen liegen. Sie sind die
geronnenen Oberflächen derselben. Die Franzosen dagegen scheinen sie als etwas sehr Wesent-
liches zu betrachten.
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[188/0198] führt. Zuvörderst steht in den Eiern der Raubthiere und Kaninchen, so bald sie einige Zeit im Fruchthälter gelegen haben, die Oberhaut entschieden weiter vom innern Sacke ab, als in den Eiern der Hufthiere. Wenn man ferner ein Ei vom Hunde oder Kaninchen, so lange es frei im Eileiter liegt und ehe es wahre Zotten trägt, in reines Wasser legt, so entfernt sich rasch der innere Sack der Keimhaut von dem Sacke der Oberhaut, als Beweis daſs hier Etwas ist, welches Wasser anzieht. Was kann dieses Etwas seyn als Eiweiſs? Anders ist es bei den Huf- thieren. Hier ist die Masse der ergossenen Flüssigkeit sehr groſs — sie kann nicht von der Oberhaut eingesogen werden. Hier ist überdieſs die Keimhaut zarter, und was die Oberhaut aufgenommen hat, geht fast sogleich durch die Keimhaut in den Dotter über, der aber in keinem Thiere so stark die umgebende Feuchtig- keit aufnimmt, daſs nicht das meiste zurückbleiben sollte. Diese Masse von ei- weiſshaltigem Wasser wird sich nun allmählig mit Oberhaut d. h. für das Ei mit einer äuſsern Eihaut bedecken, wie das dickere Eiweiſs der Vögel und Fische in viel kürzerer Zeit. Ich habe mich hierbei etwas lange aufgehalten, um es recht anschaulich zu machen, daſs die Verschiedenheit auſserordentlich klein, ja fast gar keine ist, wenn auch das Ei einiger Säugethiere eine neue Oberhaut erhält, das Ei an- derer aber seine frühere Oberhaut behält. Dem Ei ist es gleichgültig, (erlauben Sie mir diesen Ausdruck,) wie es zu seiner äuſsern Eihaut gelangt, ob die ur- sprüngliche bleibt, wie ich von den Hunden noch immer glauben möchte, oder ob ein darüber gegossenes Eiweiſs sich eine Oberhaut bildet. Die äuſserste dieser Oberhaut hat für das Ei immer dieselbe Bedeutung, sie ist seine äuſsere Ei- haut *). Welchen Ursprung nun auch die äuſsere Eihaut der Säugethiere haben mag, sie hat in allen Formen dieselben Eigenschaften, die der Schaalenhaut des Vogel- Eies zukommen, ausgenommen daſs jene, immer in Feuchtigkeit gebadet und sie durchlassend, nicht so trocken ist, als die Schaalenhaut des Vogel-Eies. Sie ist immer, so lange nicht aus dem Eie ein mit Blutgefäſsen versehener Sack an sie heran tritt, völlig gefäſslos; sie entwickelt Zotten, wenigstens ohne Ausnahme an den Stellen, wo sie mit solchen Stellen des Fruchthälters, die nicht ganz glatt *) Schon Burdach hat die Dotterhaut und die Schaalenhaut, oder wie man sonst die Ober- haut des Eiweiſses nennen will, gewiſs sehr richtig, als bloſse Oberhäute d. h. als Hänte dar- gestellt, die nur durch die Massen Bedeutung erhalten, die unter ihnen liegen. Sie sind die geronnenen Oberflächen derselben. Die Franzosen dagegen scheinen sie als etwas sehr Wesent- liches zu betrachten.

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/198>, abgerufen am 29.04.2024.