Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

erhebend und hohe Kanten gewinnend, die, indem sie sich erheben, zugleich
sich gegen einander neigen. Während des Schlusses löst sich die innere Schicht
der Rückenwülste, und so hat man gleich nach vollendetem Schlusse eine Medullar-
röhre, die aus zwei Markplatten verwachsen ist. Noch vor erreichtem Schlusse
sieht man im vordern Theile der Rückenröhre Erweiterungen als werdende Hirn-
zellen. Alle diese Vorgänge sind hier mit viel mehr Praecision zu sehen, als im
Embryo des Vogels und Säugethiers.

Doch ehe wir die Ausbildung des Hirnes weiter verfolgen, lassen Sie uns
sehen, was aus den Bauchplatten wird. Der Keim hatte schon vor der Ausbil-
dung zum Embryo fast die gesammte Dotterkugel umwachsen. Es ist nun noch-
mals zu bestimmen, ob der ganze Keim zum Embryo wird, oder ob er eine Schei-
dung in Embryo und Keimhaut erkennen lässt. So viel ist gewiss, dass kein Na-
bel sich bildet, dass also allmählig wenigstens der gesammte Keim zum Embryo
wird und nichts von ihm als für das spätere Leben überflüssig abgeworfen wird,
wie bei Säugethieren, Vögeln und Amphibien. Aus diesem Grunde muss man
wohl den gesammten Keim als Embryo betrachten, obgleich, wie wir früher be-
merkten, im Anfange die Umwandlung zum Embryo nicht im ganzen Umfange
des Keimes Statt zu finden scheint, weil das, was sich zuvörderst abgrenzt, nicht
viel mehr als die Rückenplatten enthält und sogar später die Ränder der Bauchplat-
ten hautförmig dünn sind. Es scheint in der That, als ob die Fleischschicht erst
allmählig der Hautschicht nachwüchse. Im Grunde ist etwas Aehnliches aber auch
bei den Embryonen mit einem Amnion, wo wir im Nabel eine bestimmte Grenze
für den Embryo haben, der fleischige Theil der Bauchplatten aber den häutigen
erst später erreicht, weshalb wir einen Hautnabel und einen Fleischnabel unter-
schieden haben.

g. Kiemen-
spalten und
Kiemen.

Schon indem der Rücken sich schliesst, wird das früher kugelige Ei länglich.
Man kann bald an der äussern Fläche der Ba[u]chplatten einen Wulst unterscheiden,
der zwischen dem Gesichte und dem Rumpfe liegt, den Kiemenwulst. Er er-
streckt sich von oben nach unten, und in ihm bilden sich parallele Furchen, denen
noch tiefere Furchen von Innen entgegen wachsen und dadurch Kiemenspalten *)
bilden.

*) Frühere Beobachter gaben nur drei Kiemenspalten an. Ich zählte vier in der kurzen Entwik-
kelungsgeschichte der Frösche auf, die in Burdach's Physiologie Bd. 2 einverleibt ist -- und
wurde lebhaft deshalb angegriffen. Seit jener Zeit habe ich Frosch-Embryonen in zwei Früh-
lingen anhaltend untersucht. Ich habe nicht nur mit Sicherheit an ausgekrochenen Larven vier
Kiemenspalten gesehen, sondern bin jetzt nur zweifelhaft, ob nicht vorübergehend noch eine
fünfte Spalte da ist. Rusconi, dessen treffliches Werk über die Entwickelung der Frösche mir
erst sehr spät zu Gesicht gekommon ist, hat auch vier Spalten beobachtet.

erhebend und hohe Kanten gewinnend, die, indem sie sich erheben, zugleich
sich gegen einander neigen. Während des Schlusses löst sich die innere Schicht
der Rückenwülste, und so hat man gleich nach vollendetem Schlusse eine Medullar-
röhre, die aus zwei Markplatten verwachsen ist. Noch vor erreichtem Schlusse
sieht man im vordern Theile der Rückenröhre Erweiterungen als werdende Hirn-
zellen. Alle diese Vorgänge sind hier mit viel mehr Praecision zu sehen, als im
Embryo des Vogels und Säugethiers.

Doch ehe wir die Ausbildung des Hirnes weiter verfolgen, lassen Sie uns
sehen, was aus den Bauchplatten wird. Der Keim hatte schon vor der Ausbil-
dung zum Embryo fast die gesammte Dotterkugel umwachsen. Es ist nun noch-
mals zu bestimmen, ob der ganze Keim zum Embryo wird, oder ob er eine Schei-
dung in Embryo und Keimhaut erkennen läſst. So viel ist gewiſs, daſs kein Na-
bel sich bildet, daſs also allmählig wenigstens der gesammte Keim zum Embryo
wird und nichts von ihm als für das spätere Leben überflüssig abgeworfen wird,
wie bei Säugethieren, Vögeln und Amphibien. Aus diesem Grunde muſs man
wohl den gesammten Keim als Embryo betrachten, obgleich, wie wir früher be-
merkten, im Anfange die Umwandlung zum Embryo nicht im ganzen Umfange
des Keimes Statt zu finden scheint, weil das, was sich zuvörderst abgrenzt, nicht
viel mehr als die Rückenplatten enthält und sogar später die Ränder der Bauchplat-
ten hautförmig dünn sind. Es scheint in der That, als ob die Fleischschicht erst
allmählig der Hautschicht nachwüchse. Im Grunde ist etwas Aehnliches aber auch
bei den Embryonen mit einem Amnion, wo wir im Nabel eine bestimmte Grenze
für den Embryo haben, der fleischige Theil der Bauchplatten aber den häutigen
erst später erreicht, weshalb wir einen Hautnabel und einen Fleischnabel unter-
schieden haben.

g. Kiemen-
spalten und
Kiemen.

Schon indem der Rücken sich schlieſst, wird das früher kugelige Ei länglich.
Man kann bald an der äuſsern Fläche der Ba[u]chplatten einen Wulst unterscheiden,
der zwischen dem Gesichte und dem Rumpfe liegt, den Kiemenwulst. Er er-
streckt sich von oben nach unten, und in ihm bilden sich parallele Furchen, denen
noch tiefere Furchen von Innen entgegen wachsen und dadurch Kiemenspalten *)
bilden.

*) Frühere Beobachter gaben nur drei Kiemenspalten an. Ich zählte vier in der kurzen Entwik-
kelungsgeschichte der Frösche auf, die in Burdach’s Physiologie Bd. 2 einverleibt ist — und
wurde lebhaft deshalb angegriffen. Seit jener Zeit habe ich Frosch-Embryonen in zwei Früh-
lingen anhaltend untersucht. Ich habe nicht nur mit Sicherheit an ausgekrochenen Larven vier
Kiemenspalten gesehen, sondern bin jetzt nur zweifelhaft, ob nicht vorübergehend noch eine
fünfte Spalte da ist. Rusconi, dessen treffliches Werk über die Entwickelung der Frösche mir
erst sehr spät zu Gesicht gekommon ist, hat auch vier Spalten beobachtet.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0296" n="286"/>
erhebend und hohe Kanten gewinnend, die, indem sie sich erheben, zugleich<lb/>
sich gegen einander neigen. Während des Schlusses löst sich die innere Schicht<lb/>
der Rückenwülste, und so hat man gleich nach vollendetem Schlusse eine Medullar-<lb/>
röhre, die aus zwei Markplatten verwachsen ist. Noch vor erreichtem Schlusse<lb/>
sieht man im vordern Theile der Rückenröhre Erweiterungen als werdende Hirn-<lb/>
zellen. Alle diese Vorgänge sind hier mit viel mehr Praecision zu sehen, als im<lb/>
Embryo des Vogels und Säugethiers.</p><lb/>
          <p>Doch ehe wir die Ausbildung des Hirnes weiter verfolgen, lassen Sie uns<lb/>
sehen, was aus den Bauchplatten wird. Der Keim hatte schon vor der Ausbil-<lb/>
dung zum Embryo fast die gesammte Dotterkugel umwachsen. Es ist nun noch-<lb/>
mals zu bestimmen, ob der ganze Keim zum Embryo wird, oder ob er eine Schei-<lb/>
dung in Embryo und Keimhaut erkennen lä&#x017F;st. So viel ist gewi&#x017F;s, da&#x017F;s kein Na-<lb/>
bel sich bildet, da&#x017F;s also allmählig wenigstens der gesammte Keim zum Embryo<lb/>
wird und nichts von ihm als für das spätere Leben überflüssig abgeworfen wird,<lb/>
wie bei Säugethieren, Vögeln und Amphibien. Aus diesem Grunde mu&#x017F;s man<lb/>
wohl den gesammten Keim als Embryo betrachten, obgleich, wie wir früher be-<lb/>
merkten, im Anfange die Umwandlung zum Embryo nicht im ganzen Umfange<lb/>
des Keimes Statt zu finden scheint, weil das, was sich zuvörderst abgrenzt, nicht<lb/>
viel mehr als die Rückenplatten enthält und sogar später die Ränder der Bauchplat-<lb/>
ten hautförmig dünn sind. Es scheint in der That, als ob die Fleischschicht erst<lb/>
allmählig der Hautschicht nachwüchse. Im Grunde ist etwas Aehnliches aber auch<lb/>
bei den Embryonen mit einem Amnion, wo wir im Nabel eine bestimmte Grenze<lb/>
für den Embryo haben, der fleischige Theil der Bauchplatten aber den häutigen<lb/>
erst später erreicht, weshalb wir einen Hautnabel und einen Fleischnabel unter-<lb/>
schieden haben.</p><lb/>
          <note place="left"><hi rendition="#i">g.</hi> Kiemen-<lb/>
spalten und<lb/>
Kiemen.</note>
          <p>Schon indem der Rücken sich schlie&#x017F;st, wird das früher kugelige Ei länglich.<lb/>
Man kann bald an der äu&#x017F;sern Fläche der Ba<supplied>u</supplied>chplatten einen Wulst unterscheiden,<lb/>
der zwischen dem Gesichte und dem Rumpfe liegt, den <hi rendition="#i">Kiemenwulst.</hi> Er er-<lb/>
streckt sich von oben nach unten, und in ihm bilden sich parallele Furchen, denen<lb/>
noch tiefere Furchen von Innen entgegen wachsen und dadurch Kiemenspalten <note place="foot" n="*)">Frühere Beobachter gaben nur drei Kiemenspalten an. Ich zählte vier in der kurzen Entwik-<lb/>
kelungsgeschichte der Frösche auf, die in <hi rendition="#g">Burdach&#x2019;s</hi> <hi rendition="#i">Physiologie</hi> Bd. 2 einverleibt ist &#x2014; und<lb/>
wurde lebhaft deshalb angegriffen. Seit jener Zeit habe ich Frosch-Embryonen in zwei Früh-<lb/>
lingen anhaltend untersucht. Ich habe nicht nur mit Sicherheit an ausgekrochenen Larven vier<lb/>
Kiemenspalten gesehen, sondern bin jetzt nur zweifelhaft, ob nicht vorübergehend noch eine<lb/>
fünfte Spalte da ist. <hi rendition="#g">Rusconi,</hi> dessen treffliches Werk über die Entwickelung der Frösche mir<lb/>
erst sehr spät zu Gesicht gekommon ist, hat auch vier Spalten beobachtet.</note><lb/>
bilden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[286/0296] erhebend und hohe Kanten gewinnend, die, indem sie sich erheben, zugleich sich gegen einander neigen. Während des Schlusses löst sich die innere Schicht der Rückenwülste, und so hat man gleich nach vollendetem Schlusse eine Medullar- röhre, die aus zwei Markplatten verwachsen ist. Noch vor erreichtem Schlusse sieht man im vordern Theile der Rückenröhre Erweiterungen als werdende Hirn- zellen. Alle diese Vorgänge sind hier mit viel mehr Praecision zu sehen, als im Embryo des Vogels und Säugethiers. Doch ehe wir die Ausbildung des Hirnes weiter verfolgen, lassen Sie uns sehen, was aus den Bauchplatten wird. Der Keim hatte schon vor der Ausbil- dung zum Embryo fast die gesammte Dotterkugel umwachsen. Es ist nun noch- mals zu bestimmen, ob der ganze Keim zum Embryo wird, oder ob er eine Schei- dung in Embryo und Keimhaut erkennen läſst. So viel ist gewiſs, daſs kein Na- bel sich bildet, daſs also allmählig wenigstens der gesammte Keim zum Embryo wird und nichts von ihm als für das spätere Leben überflüssig abgeworfen wird, wie bei Säugethieren, Vögeln und Amphibien. Aus diesem Grunde muſs man wohl den gesammten Keim als Embryo betrachten, obgleich, wie wir früher be- merkten, im Anfange die Umwandlung zum Embryo nicht im ganzen Umfange des Keimes Statt zu finden scheint, weil das, was sich zuvörderst abgrenzt, nicht viel mehr als die Rückenplatten enthält und sogar später die Ränder der Bauchplat- ten hautförmig dünn sind. Es scheint in der That, als ob die Fleischschicht erst allmählig der Hautschicht nachwüchse. Im Grunde ist etwas Aehnliches aber auch bei den Embryonen mit einem Amnion, wo wir im Nabel eine bestimmte Grenze für den Embryo haben, der fleischige Theil der Bauchplatten aber den häutigen erst später erreicht, weshalb wir einen Hautnabel und einen Fleischnabel unter- schieden haben. Schon indem der Rücken sich schlieſst, wird das früher kugelige Ei länglich. Man kann bald an der äuſsern Fläche der Bauchplatten einen Wulst unterscheiden, der zwischen dem Gesichte und dem Rumpfe liegt, den Kiemenwulst. Er er- streckt sich von oben nach unten, und in ihm bilden sich parallele Furchen, denen noch tiefere Furchen von Innen entgegen wachsen und dadurch Kiemenspalten *) bilden. *) Frühere Beobachter gaben nur drei Kiemenspalten an. Ich zählte vier in der kurzen Entwik- kelungsgeschichte der Frösche auf, die in Burdach’s Physiologie Bd. 2 einverleibt ist — und wurde lebhaft deshalb angegriffen. Seit jener Zeit habe ich Frosch-Embryonen in zwei Früh- lingen anhaltend untersucht. Ich habe nicht nur mit Sicherheit an ausgekrochenen Larven vier Kiemenspalten gesehen, sondern bin jetzt nur zweifelhaft, ob nicht vorübergehend noch eine fünfte Spalte da ist. Rusconi, dessen treffliches Werk über die Entwickelung der Frösche mir erst sehr spät zu Gesicht gekommon ist, hat auch vier Spalten beobachtet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/296
Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/296>, abgerufen am 15.05.2024.