Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

wodurch fünf Kiemenbogen gesondert werden, von denen der vorderste zum Zun-
genbeine und durch auflagernde Masse zum Unterkiefer wird, die vier hintern
aber Kiemenbogen bleiben. An den Seitenflächen der Spalten entwickeln sich die
Kiemenblättchen, die also für jeden Kiemenbogen zwei Reihen bilden müssen.
Da sie über die Kiemenbogen herausragen, diese aber anfänglich ganz in der Ebene
der Seitenwand der Thiere liegen, so sind wenigstens ihre Spitzen äusserlich zu
nennen, und in den Selachiern ragen diese Spitzen sogar sehr weit vor. Der Unter-
schied zwischen diesem Kiemenbau und dem der Batrachier ist also nur sehr ge-
ring. Doch wächst der Kiemendeckel bei den gewöhnlichen Fischen rasch her-
vor und überdeckt wenigstens die vordern Kiemenbogen fast gleich nach der Bil-
dung der Kiemenblättchen, die hintere später.

aa. Gefäss-
system.

Das Gefässsystem lässt sich in den durchsichtigen Fischchen viel leichter beob-
achten als in den Batrachiern. Das Herz ist im ersten Anfange dem Herzkanale
der Vögel (und aller übrigen Wirbelthiere) ganz gleich. Zwei Schenkel bilden,
zusammenmündend, einen nach rechts ausgebogenen Kanal, der sich vorn in ein,
dann in zwei, drei u. s. w. Paar Gefässbogen spaltet, welche am Unterkiefer und
den Kiemenbogen verlaufen. In Güstern, die vor zwei Tagen ausgeschlüpft wa-
ren, sah ich diese Gefässbogen bis auf 7 Paar gesteigert, so dass hinter den letzten
Kiemenbogen noch zwei Paar lagen. Man kann daher vermuthen, dass in den
Selachiern mit 6 Kiemenspalten auf jeder Seite, wie Squalus griseus, auch
der sechste Gefässbogen und in den Selachiern mit 7 Spalten, wie Squal. cine-
reus,
und in den Cyclostomen mit 7 Kiemenlöchern, wie Petromyzon, auch
noch der siebente Gefässbogen durch eine Spalte von der übrigen Seitenwand getrennt
wird. Diese Gefässbogen laufen nach oben wie immer in zwei Wurzeln der Aorta
zusammen. Sie verzweigen sich in den Kiemenblättchen, so wie diese hervorwach-
sen, allein da die Kiemenblättchen nicht wieder schwinden, sondern verharren,
so schreitet die Umbildung, welche wir von den Batrachiern her schon kennen,
hier weiter fort, und es werden diejenigen Gefässe, welche auf den Kiemenbogen
verlaufen, so vollständig in Kiemennetze aufgelöst, dass jedes in zwei Theile, eine
Kiemenarterie und eine Kiemenvene, getrennt wird, wie allgemein von den ausge-
bildeten Fischen bekannt ist. Wir können also, wenn wir die Entwickelung der
Fische mit der Entwickelung der Batrachier vergleichen, sagen, dass in den er-
stern die Metamorphose der Athmungsorgane stehen bleibt (besonders wenn wir
hinzufügen, dass nach dem Auskriechen bei den meisten eine Art Lunge auftritt,
aber als Schwimmblase in der Entwickelung gehemmt wird), dass dagegen in ih-
nen eine Metamorphose der Gefässbogen, die in den Batrachiern unvollkommen
bleibt, vollendet wird. Der erste Gefässbogen (am Unterkiefer) schwindet, nach-

wodurch fünf Kiemenbogen gesondert werden, von denen der vorderste zum Zun-
genbeine und durch auflagernde Masse zum Unterkiefer wird, die vier hintern
aber Kiemenbogen bleiben. An den Seitenflächen der Spalten entwickeln sich die
Kiemenblättchen, die also für jeden Kiemenbogen zwei Reihen bilden müssen.
Da sie über die Kiemenbogen herausragen, diese aber anfänglich ganz in der Ebene
der Seitenwand der Thiere liegen, so sind wenigstens ihre Spitzen äuſserlich zu
nennen, und in den Selachiern ragen diese Spitzen sogar sehr weit vor. Der Unter-
schied zwischen diesem Kiemenbau und dem der Batrachier ist also nur sehr ge-
ring. Doch wächst der Kiemendeckel bei den gewöhnlichen Fischen rasch her-
vor und überdeckt wenigstens die vordern Kiemenbogen fast gleich nach der Bil-
dung der Kiemenblättchen, die hintere später.

aa. Gefäſs-
system.

Das Gefäſssystem läſst sich in den durchsichtigen Fischchen viel leichter beob-
achten als in den Batrachiern. Das Herz ist im ersten Anfange dem Herzkanale
der Vögel (und aller übrigen Wirbelthiere) ganz gleich. Zwei Schenkel bilden,
zusammenmündend, einen nach rechts ausgebogenen Kanal, der sich vorn in ein,
dann in zwei, drei u. s. w. Paar Gefäſsbogen spaltet, welche am Unterkiefer und
den Kiemenbogen verlaufen. In Güstern, die vor zwei Tagen ausgeschlüpft wa-
ren, sah ich diese Gefäſsbogen bis auf 7 Paar gesteigert, so daſs hinter den letzten
Kiemenbogen noch zwei Paar lagen. Man kann daher vermuthen, daſs in den
Selachiern mit 6 Kiemenspalten auf jeder Seite, wie Squalus griseus, auch
der sechste Gefäſsbogen und in den Selachiern mit 7 Spalten, wie Squal. cine-
reus,
und in den Cyclostomen mit 7 Kiemenlöchern, wie Petromyzon, auch
noch der siebente Gefäſsbogen durch eine Spalte von der übrigen Seitenwand getrennt
wird. Diese Gefäſsbogen laufen nach oben wie immer in zwei Wurzeln der Aorta
zusammen. Sie verzweigen sich in den Kiemenblättchen, so wie diese hervorwach-
sen, allein da die Kiemenblättchen nicht wieder schwinden, sondern verharren,
so schreitet die Umbildung, welche wir von den Batrachiern her schon kennen,
hier weiter fort, und es werden diejenigen Gefäſse, welche auf den Kiemenbogen
verlaufen, so vollständig in Kiemennetze aufgelöst, daſs jedes in zwei Theile, eine
Kiemenarterie und eine Kiemenvene, getrennt wird, wie allgemein von den ausge-
bildeten Fischen bekannt ist. Wir können also, wenn wir die Entwickelung der
Fische mit der Entwickelung der Batrachier vergleichen, sagen, daſs in den er-
stern die Metamorphose der Athmungsorgane stehen bleibt (besonders wenn wir
hinzufügen, daſs nach dem Auskriechen bei den meisten eine Art Lunge auftritt,
aber als Schwimmblase in der Entwickelung gehemmt wird), daſs dagegen in ih-
nen eine Metamorphose der Gefäſsbogen, die in den Batrachiern unvollkommen
bleibt, vollendet wird. Der erste Gefäſsbogen (am Unterkiefer) schwindet, nach-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0310" n="300"/>
wodurch fünf Kiemenbogen gesondert werden, von denen der vorderste zum Zun-<lb/>
genbeine und durch auflagernde Masse zum Unterkiefer wird, die vier hintern<lb/>
aber Kiemenbogen bleiben. An den Seitenflächen der Spalten entwickeln sich die<lb/>
Kiemenblättchen, die also für jeden Kiemenbogen zwei Reihen bilden müssen.<lb/>
Da sie über die Kiemenbogen herausragen, diese aber anfänglich ganz in der Ebene<lb/>
der Seitenwand der Thiere liegen, so sind wenigstens ihre Spitzen äu&#x017F;serlich zu<lb/>
nennen, und in den <hi rendition="#i">Selachiern</hi> ragen diese Spitzen sogar sehr weit vor. Der Unter-<lb/>
schied zwischen diesem Kiemenbau und dem der Batrachier ist also nur sehr ge-<lb/>
ring. Doch wächst der Kiemendeckel bei den gewöhnlichen Fischen rasch her-<lb/>
vor und überdeckt wenigstens die vordern Kiemenbogen fast gleich nach der Bil-<lb/>
dung der Kiemenblättchen, die hintere später.</p><lb/>
          <note place="left"><hi rendition="#i">aa.</hi> Gefä&#x017F;s-<lb/>
system.</note>
          <p>Das Gefä&#x017F;ssystem lä&#x017F;st sich in den durchsichtigen Fischchen viel leichter beob-<lb/>
achten als in den Batrachiern. Das Herz ist im ersten Anfange dem Herzkanale<lb/>
der Vögel (und aller übrigen Wirbelthiere) ganz gleich. Zwei Schenkel bilden,<lb/>
zusammenmündend, einen nach rechts ausgebogenen Kanal, der sich vorn in ein,<lb/>
dann in zwei, drei u. s. w. Paar Gefä&#x017F;sbogen spaltet, welche am Unterkiefer und<lb/>
den Kiemenbogen verlaufen. In Güstern, die vor zwei Tagen ausgeschlüpft wa-<lb/>
ren, sah ich diese Gefä&#x017F;sbogen bis auf 7 Paar gesteigert, so da&#x017F;s hinter den letzten<lb/>
Kiemenbogen noch zwei Paar lagen. Man kann daher vermuthen, da&#x017F;s in den<lb/><hi rendition="#i">Selachiern</hi> mit 6 Kiemenspalten auf jeder Seite, wie <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">Squalus griseus,</hi></hi> auch<lb/>
der sechste Gefä&#x017F;sbogen und in den Selachiern mit 7 Spalten, wie <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">Squal. cine-<lb/>
reus,</hi></hi> und in den <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">Cyclostomen</hi></hi> mit 7 Kiemenlöchern, wie <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">Petromyzon,</hi></hi> auch<lb/>
noch der siebente Gefä&#x017F;sbogen durch eine Spalte von der übrigen Seitenwand getrennt<lb/>
wird. Diese Gefä&#x017F;sbogen laufen nach oben wie immer in zwei Wurzeln der Aorta<lb/>
zusammen. Sie verzweigen sich in den Kiemenblättchen, so wie diese hervorwach-<lb/>
sen, allein da die Kiemenblättchen nicht wieder schwinden, sondern verharren,<lb/>
so schreitet die Umbildung, welche wir von den Batrachiern her schon kennen,<lb/>
hier weiter fort, und es werden diejenigen Gefä&#x017F;se, welche auf den Kiemenbogen<lb/>
verlaufen, so vollständig in Kiemennetze aufgelöst, da&#x017F;s jedes in zwei Theile, eine<lb/>
Kiemenarterie und eine Kiemenvene, getrennt wird, wie allgemein von den ausge-<lb/>
bildeten Fischen bekannt ist. Wir können also, wenn wir die Entwickelung der<lb/>
Fische mit der Entwickelung der Batrachier vergleichen, sagen, da&#x017F;s in den er-<lb/>
stern die Metamorphose der Athmungsorgane stehen bleibt (besonders wenn wir<lb/>
hinzufügen, da&#x017F;s nach dem Auskriechen bei den meisten eine Art Lunge auftritt,<lb/>
aber als Schwimmblase in der Entwickelung gehemmt wird), da&#x017F;s dagegen in ih-<lb/>
nen eine Metamorphose der Gefä&#x017F;sbogen, die in den Batrachiern unvollkommen<lb/>
bleibt, vollendet wird. Der erste Gefä&#x017F;sbogen (am Unterkiefer) schwindet, nach-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[300/0310] wodurch fünf Kiemenbogen gesondert werden, von denen der vorderste zum Zun- genbeine und durch auflagernde Masse zum Unterkiefer wird, die vier hintern aber Kiemenbogen bleiben. An den Seitenflächen der Spalten entwickeln sich die Kiemenblättchen, die also für jeden Kiemenbogen zwei Reihen bilden müssen. Da sie über die Kiemenbogen herausragen, diese aber anfänglich ganz in der Ebene der Seitenwand der Thiere liegen, so sind wenigstens ihre Spitzen äuſserlich zu nennen, und in den Selachiern ragen diese Spitzen sogar sehr weit vor. Der Unter- schied zwischen diesem Kiemenbau und dem der Batrachier ist also nur sehr ge- ring. Doch wächst der Kiemendeckel bei den gewöhnlichen Fischen rasch her- vor und überdeckt wenigstens die vordern Kiemenbogen fast gleich nach der Bil- dung der Kiemenblättchen, die hintere später. Das Gefäſssystem läſst sich in den durchsichtigen Fischchen viel leichter beob- achten als in den Batrachiern. Das Herz ist im ersten Anfange dem Herzkanale der Vögel (und aller übrigen Wirbelthiere) ganz gleich. Zwei Schenkel bilden, zusammenmündend, einen nach rechts ausgebogenen Kanal, der sich vorn in ein, dann in zwei, drei u. s. w. Paar Gefäſsbogen spaltet, welche am Unterkiefer und den Kiemenbogen verlaufen. In Güstern, die vor zwei Tagen ausgeschlüpft wa- ren, sah ich diese Gefäſsbogen bis auf 7 Paar gesteigert, so daſs hinter den letzten Kiemenbogen noch zwei Paar lagen. Man kann daher vermuthen, daſs in den Selachiern mit 6 Kiemenspalten auf jeder Seite, wie Squalus griseus, auch der sechste Gefäſsbogen und in den Selachiern mit 7 Spalten, wie Squal. cine- reus, und in den Cyclostomen mit 7 Kiemenlöchern, wie Petromyzon, auch noch der siebente Gefäſsbogen durch eine Spalte von der übrigen Seitenwand getrennt wird. Diese Gefäſsbogen laufen nach oben wie immer in zwei Wurzeln der Aorta zusammen. Sie verzweigen sich in den Kiemenblättchen, so wie diese hervorwach- sen, allein da die Kiemenblättchen nicht wieder schwinden, sondern verharren, so schreitet die Umbildung, welche wir von den Batrachiern her schon kennen, hier weiter fort, und es werden diejenigen Gefäſse, welche auf den Kiemenbogen verlaufen, so vollständig in Kiemennetze aufgelöst, daſs jedes in zwei Theile, eine Kiemenarterie und eine Kiemenvene, getrennt wird, wie allgemein von den ausge- bildeten Fischen bekannt ist. Wir können also, wenn wir die Entwickelung der Fische mit der Entwickelung der Batrachier vergleichen, sagen, daſs in den er- stern die Metamorphose der Athmungsorgane stehen bleibt (besonders wenn wir hinzufügen, daſs nach dem Auskriechen bei den meisten eine Art Lunge auftritt, aber als Schwimmblase in der Entwickelung gehemmt wird), daſs dagegen in ih- nen eine Metamorphose der Gefäſsbogen, die in den Batrachiern unvollkommen bleibt, vollendet wird. Der erste Gefäſsbogen (am Unterkiefer) schwindet, nach-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/310
Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/310>, abgerufen am 16.05.2024.