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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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sich sammeln; allein der Phosphor nimmt im Dotter rascher zu, als ihn das Ei-
weiss verliert, und woher die grosse Menge Kalk stammt, ist auf chemischem
Wege noch viel weniger nachzuweisen, denn das Eiweiss und der Dotter enthalten
nur wenig von dieser Substanz, und an der Schaale ist weder durch das Gewicht
eine merkliche Abnahme erwiesen, noch liesse es sich auch physiologisch begrei-
fen, wie aus der völlig leblosen Schaale etwas aufgelöst und in den Dotter geführt
werden kann. Eine chemische Auflösung kann die Schaale noch weniger erfah-
ren. Wir müssen also, nachdem die Chemiker viele vergebliche Versuche ge-
macht haben, die in dem Embryo enthaltene Kalkmasse in den Substanzen des
Eies aufzufinden, annehmen, dass das bildende Leben diesen Stoff aus den Be-
standtheilen des Eiweisses und Dotters auf eine den Chemikern nicht verständliche
Weise sich allmählig bereite, nicht, wie die Chemiker an todten Stoffen können,
bloss ausscheide. Eben so mehrt sich der geringe Vorrath von Eisen unaufhörlich
während der Bebrütung. Aus keinem andern Verhältnisse kann die Physiologie
mit so viel Sicherheit die Fähigkeit des lebenden thierischen Körpers erweisen,
Stoffe, die uns chemisch einfach scheinen, neu zu erzeugen, als aus der Geschichte
der Entwickelung des Hühnchens *).

Der Dotter bleibt nicht immer von der einfachen Dotterhaut umschlossen,h. Schwin-
den der Dot-
terhaut.

die ihn zu Anfang umgab. Es wächst nämlich allmählig der Keim mit seiner Pe-
ripherie um den Dotter herum. Wir erinnern uns zwar (§. 2. h.), dass im geleg-
ten Ei der Keim von der Dotterhaut abstand. Dieses Verhältniss hört aber bald
auf, ja in einigen Eiern (vielleicht sind es solche, die sich im Leibe der Mutter
weiter entwickelt haben als gewöhnlich,) klebt der Keim mit seiner Peripherie
schon vor der Bebrütung an der Dotterhaut. Bei den meisten erfolgt diese An-
heftung wenige Stunden nach dem Beginne der Bebrütung. Die Anheftung ist
bald so innig, dass man beim Abtrennen der Keimhaut (wir werden gleich hö-
ren, dass diese der peripherische Theil des Keimes ist,) keine bestimmten Grenzen
findet. Die Keimhaut wächst so rasch, dass sie am Ende des zweiten Tages
schon die Hälfte der Dotterkugel umgiebt, am fünften Tage dieselbe aber ganz
umhüllt hat. Bei dieser Ausdehnung ist immer ein breiter Rand eng an die Dot-
terhaut angeheftet, während der grössere, mittlere Theil etwas absteht und in
dem Zwischenraume zwischen Dotterhaut und Keimhaut sich etwas Flüssigkeit
ansammelt. Wegen der peripherischen Anheftung hielt man die Keimhaut bis zu
den neuen Würzburger Untersuchungen für einen zu der Dotterhaut gehörigen

*) Ausführlicher siehe die chemische Veränderung der Theile des Eies in der angeführten Ab-
handlung von Prout.
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sich sammeln; allein der Phosphor nimmt im Dotter rascher zu, als ihn das Ei-
weiſs verliert, und woher die groſse Menge Kalk stammt, ist auf chemischem
Wege noch viel weniger nachzuweisen, denn das Eiweiſs und der Dotter enthalten
nur wenig von dieser Substanz, und an der Schaale ist weder durch das Gewicht
eine merkliche Abnahme erwiesen, noch lieſse es sich auch physiologisch begrei-
fen, wie aus der völlig leblosen Schaale etwas aufgelöst und in den Dotter geführt
werden kann. Eine chemische Auflösung kann die Schaale noch weniger erfah-
ren. Wir müssen also, nachdem die Chemiker viele vergebliche Versuche ge-
macht haben, die in dem Embryo enthaltene Kalkmasse in den Substanzen des
Eies aufzufinden, annehmen, daſs das bildende Leben diesen Stoff aus den Be-
standtheilen des Eiweiſses und Dotters auf eine den Chemikern nicht verständliche
Weise sich allmählig bereite, nicht, wie die Chemiker an todten Stoffen können,
bloſs ausscheide. Eben so mehrt sich der geringe Vorrath von Eisen unaufhörlich
während der Bebrütung. Aus keinem andern Verhältnisse kann die Physiologie
mit so viel Sicherheit die Fähigkeit des lebenden thierischen Körpers erweisen,
Stoffe, die uns chemisch einfach scheinen, neu zu erzeugen, als aus der Geschichte
der Entwickelung des Hühnchens *).

Der Dotter bleibt nicht immer von der einfachen Dotterhaut umschlossen,h. Schwin-
den der Dot-
terhaut.

die ihn zu Anfang umgab. Es wächst nämlich allmählig der Keim mit seiner Pe-
ripherie um den Dotter herum. Wir erinnern uns zwar (§. 2. h.), daſs im geleg-
ten Ei der Keim von der Dotterhaut abstand. Dieses Verhältniſs hört aber bald
auf, ja in einigen Eiern (vielleicht sind es solche, die sich im Leibe der Mutter
weiter entwickelt haben als gewöhnlich,) klebt der Keim mit seiner Peripherie
schon vor der Bebrütung an der Dotterhaut. Bei den meisten erfolgt diese An-
heftung wenige Stunden nach dem Beginne der Bebrütung. Die Anheftung ist
bald so innig, daſs man beim Abtrennen der Keimhaut (wir werden gleich hö-
ren, daſs diese der peripherische Theil des Keimes ist,) keine bestimmten Grenzen
findet. Die Keimhaut wächst so rasch, daſs sie am Ende des zweiten Tages
schon die Hälfte der Dotterkugel umgiebt, am fünften Tage dieselbe aber ganz
umhüllt hat. Bei dieser Ausdehnung ist immer ein breiter Rand eng an die Dot-
terhaut angeheftet, während der gröſsere, mittlere Theil etwas absteht und in
dem Zwischenraume zwischen Dotterhaut und Keimhaut sich etwas Flüssigkeit
ansammelt. Wegen der peripherischen Anheftung hielt man die Keimhaut bis zu
den neuen Würzburger Untersuchungen für einen zu der Dotterhaut gehörigen

*) Ausführlicher siehe die chemische Veränderung der Theile des Eies in der angeführten Ab-
handlung von Prout.
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[43/0053] sich sammeln; allein der Phosphor nimmt im Dotter rascher zu, als ihn das Ei- weiſs verliert, und woher die groſse Menge Kalk stammt, ist auf chemischem Wege noch viel weniger nachzuweisen, denn das Eiweiſs und der Dotter enthalten nur wenig von dieser Substanz, und an der Schaale ist weder durch das Gewicht eine merkliche Abnahme erwiesen, noch lieſse es sich auch physiologisch begrei- fen, wie aus der völlig leblosen Schaale etwas aufgelöst und in den Dotter geführt werden kann. Eine chemische Auflösung kann die Schaale noch weniger erfah- ren. Wir müssen also, nachdem die Chemiker viele vergebliche Versuche ge- macht haben, die in dem Embryo enthaltene Kalkmasse in den Substanzen des Eies aufzufinden, annehmen, daſs das bildende Leben diesen Stoff aus den Be- standtheilen des Eiweiſses und Dotters auf eine den Chemikern nicht verständliche Weise sich allmählig bereite, nicht, wie die Chemiker an todten Stoffen können, bloſs ausscheide. Eben so mehrt sich der geringe Vorrath von Eisen unaufhörlich während der Bebrütung. Aus keinem andern Verhältnisse kann die Physiologie mit so viel Sicherheit die Fähigkeit des lebenden thierischen Körpers erweisen, Stoffe, die uns chemisch einfach scheinen, neu zu erzeugen, als aus der Geschichte der Entwickelung des Hühnchens *). Der Dotter bleibt nicht immer von der einfachen Dotterhaut umschlossen, die ihn zu Anfang umgab. Es wächst nämlich allmählig der Keim mit seiner Pe- ripherie um den Dotter herum. Wir erinnern uns zwar (§. 2. h.), daſs im geleg- ten Ei der Keim von der Dotterhaut abstand. Dieses Verhältniſs hört aber bald auf, ja in einigen Eiern (vielleicht sind es solche, die sich im Leibe der Mutter weiter entwickelt haben als gewöhnlich,) klebt der Keim mit seiner Peripherie schon vor der Bebrütung an der Dotterhaut. Bei den meisten erfolgt diese An- heftung wenige Stunden nach dem Beginne der Bebrütung. Die Anheftung ist bald so innig, daſs man beim Abtrennen der Keimhaut (wir werden gleich hö- ren, daſs diese der peripherische Theil des Keimes ist,) keine bestimmten Grenzen findet. Die Keimhaut wächst so rasch, daſs sie am Ende des zweiten Tages schon die Hälfte der Dotterkugel umgiebt, am fünften Tage dieselbe aber ganz umhüllt hat. Bei dieser Ausdehnung ist immer ein breiter Rand eng an die Dot- terhaut angeheftet, während der gröſsere, mittlere Theil etwas absteht und in dem Zwischenraume zwischen Dotterhaut und Keimhaut sich etwas Flüssigkeit ansammelt. Wegen der peripherischen Anheftung hielt man die Keimhaut bis zu den neuen Würzburger Untersuchungen für einen zu der Dotterhaut gehörigen h. Schwin- den der Dot- terhaut. *) Ausführlicher siehe die chemische Veränderung der Theile des Eies in der angeführten Ab- handlung von Prout. F 2

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/53>, abgerufen am 28.04.2024.