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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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dem Embryo anhängenden Dottersack bildet, der durch den Dottergang mit dem
Embryo in Verbindung steht. Er besitzt Blutgefässe, welche Dottersackgefässe
heissen und längs dem Dottergange in die Gefässe des Gekröses übergehen. Der
Dottersack enthält aber bald nur noch das tiefere vegetative Blatt der Keimhaut.
Das animalische Blatt der Keimhaut hat sich in zwei umgebende Blasen oder Hül-
len ausgebildet, das Amnion und die seröse Blase. Beide sondern sich von einan-
der, die letztere löst sich auf und nur die erstere erhält sich bis zur Reife des
Embryo, schliesst aber um diese Zeit viel weniger Fruchtwasser ein, als früher,
weil das Fruchtwasser in der letzten Zeit stark abnimmt. Auch ist aus dem In-
nern des Embryo, und zwar aus seinem vegetativen Theile ein gefässreicher Sack
hervorgewachsen, der Harnsack, der ihn und seine Anhänge (Dottersack und
Amnion) als ein gedoppelter Sack allmählig umwächst. Die äussere Hälfte dieses
Sackes wird reich an Blutgefässen, welche der Athmung dienen, umgiebt alle in-
nern Theile des Eies, verwächst in sich zu einer geschlossenen Blase und hängt an
der Schaalenhaut an. Er heisst in diesem Zustande Chorion. Seine Blutgefässe
heissen Nabelgefässe.

Es ist also bereits während der Bebrütung das Eiweiss mit der Haut der
Hagelschnüre und der Dotterhaut geschwunden. Von der Keimhaut ist der peri-
pherische Theil des animalischen Blattes ebenfalls verloren gegangen. Vom Harn-
sacke ist die innere Hälfte unkenntlich geworden, die äussere ist aber als Chorion
in voller Blüthe. Der Dottersack hat mit der Masse des Dotters abgenommen,
auch der Inhalt des Amnions ist wie der Dotter zum Theil vom Embryo verzehrt
Dagegen ist der Embryo mit seinem noch offenen Nabel in steter Zunahme begrif-
fen, und so kann man wohl sagen, dass während der ganzen Bebrütung der Em-
bryo immer mehr die übrigen Eitheile beherrscht und in sich aufnimmt.

s. Trennung
des Embryo
von den an-
dern Eithei-
len. Enthül-
lung.

Am Schlusse der Bebrütung wird diese Herrschaft vollendet, der Dotter-
sack geht nämlich in den Nabel des Embryo ein und lagert sich in seine Bauch-
höhle, wo der Rest des Dotters, nach dem Auskriechen immer noch zur Ernäh-
rung dienend, nach einigen Wochen ganz verzehrt ist. Es wird also der ganze
Dottersack Theil des Embryo. Nach dem Eintritt des Dottersackes, der unge-
fähr am 19ten oder 20sten Tage der Bebrütung erfolgt ist, verengt sich der Nabel
rasch, die Blutbewegung durch die Nabelgefässe und die Athmung durch das
Chorion werden unvollkommner. Das Küchlein strebt daher durch die Lunge zu
athmen, indem es mit dem Schnabel in den Luftraum dringt, oder sogleich die
Schaale von innen sprengt. Hat das Küchlein eine Athmung durch die Lungen
erreicht, so hört die Blutbewegung durch die Nabelgefässe bald völlig auf, der
Nabel schliesst sich ganz und trennt das Thier von seinen Anhängen. Jenes

kriecht

dem Embryo anhängenden Dottersack bildet, der durch den Dottergang mit dem
Embryo in Verbindung steht. Er besitzt Blutgefäſse, welche Dottersackgefäſse
heiſsen und längs dem Dottergange in die Gefäſse des Gekröses übergehen. Der
Dottersack enthält aber bald nur noch das tiefere vegetative Blatt der Keimhaut.
Das animalische Blatt der Keimhaut hat sich in zwei umgebende Blasen oder Hül-
len ausgebildet, das Amnion und die seröse Blase. Beide sondern sich von einan-
der, die letztere löst sich auf und nur die erstere erhält sich bis zur Reife des
Embryo, schlieſst aber um diese Zeit viel weniger Fruchtwasser ein, als früher,
weil das Fruchtwasser in der letzten Zeit stark abnimmt. Auch ist aus dem In-
nern des Embryo, und zwar aus seinem vegetativen Theile ein gefäſsreicher Sack
hervorgewachsen, der Harnsack, der ihn und seine Anhänge (Dottersack und
Amnion) als ein gedoppelter Sack allmählig umwächst. Die äuſsere Hälfte dieses
Sackes wird reich an Blutgefäſsen, welche der Athmung dienen, umgiebt alle in-
nern Theile des Eies, verwächst in sich zu einer geschlossenen Blase und hängt an
der Schaalenhaut an. Er heiſst in diesem Zustande Chorion. Seine Blutgefäſse
heiſsen Nabelgefäſse.

Es ist also bereits während der Bebrütung das Eiweiſs mit der Haut der
Hagelschnüre und der Dotterhaut geschwunden. Von der Keimhaut ist der peri-
pherische Theil des animalischen Blattes ebenfalls verloren gegangen. Vom Harn-
sacke ist die innere Hälfte unkenntlich geworden, die äuſsere ist aber als Chorion
in voller Blüthe. Der Dottersack hat mit der Masse des Dotters abgenommen,
auch der Inhalt des Amnions ist wie der Dotter zum Theil vom Embryo verzehrt
Dagegen ist der Embryo mit seinem noch offenen Nabel in steter Zunahme begrif-
fen, und so kann man wohl sagen, daſs während der ganzen Bebrütung der Em-
bryo immer mehr die übrigen Eitheile beherrscht und in sich aufnimmt.

s. Trennung
des Embryo
von den an-
dern Eithei-
len. Enthül-
lung.

Am Schlusse der Bebrütung wird diese Herrschaft vollendet, der Dotter-
sack geht nämlich in den Nabel des Embryo ein und lagert sich in seine Bauch-
höhle, wo der Rest des Dotters, nach dem Auskriechen immer noch zur Ernäh-
rung dienend, nach einigen Wochen ganz verzehrt ist. Es wird also der ganze
Dottersack Theil des Embryo. Nach dem Eintritt des Dottersackes, der unge-
fähr am 19ten oder 20sten Tage der Bebrütung erfolgt ist, verengt sich der Nabel
rasch, die Blutbewegung durch die Nabelgefäſse und die Athmung durch das
Chorion werden unvollkommner. Das Küchlein strebt daher durch die Lunge zu
athmen, indem es mit dem Schnabel in den Luftraum dringt, oder sogleich die
Schaale von innen sprengt. Hat das Küchlein eine Athmung durch die Lungen
erreicht, so hört die Blutbewegung durch die Nabelgefäſse bald völlig auf, der
Nabel schlieſst sich ganz und trennt das Thier von seinen Anhängen. Jenes

kriecht
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[56/0066] dem Embryo anhängenden Dottersack bildet, der durch den Dottergang mit dem Embryo in Verbindung steht. Er besitzt Blutgefäſse, welche Dottersackgefäſse heiſsen und längs dem Dottergange in die Gefäſse des Gekröses übergehen. Der Dottersack enthält aber bald nur noch das tiefere vegetative Blatt der Keimhaut. Das animalische Blatt der Keimhaut hat sich in zwei umgebende Blasen oder Hül- len ausgebildet, das Amnion und die seröse Blase. Beide sondern sich von einan- der, die letztere löst sich auf und nur die erstere erhält sich bis zur Reife des Embryo, schlieſst aber um diese Zeit viel weniger Fruchtwasser ein, als früher, weil das Fruchtwasser in der letzten Zeit stark abnimmt. Auch ist aus dem In- nern des Embryo, und zwar aus seinem vegetativen Theile ein gefäſsreicher Sack hervorgewachsen, der Harnsack, der ihn und seine Anhänge (Dottersack und Amnion) als ein gedoppelter Sack allmählig umwächst. Die äuſsere Hälfte dieses Sackes wird reich an Blutgefäſsen, welche der Athmung dienen, umgiebt alle in- nern Theile des Eies, verwächst in sich zu einer geschlossenen Blase und hängt an der Schaalenhaut an. Er heiſst in diesem Zustande Chorion. Seine Blutgefäſse heiſsen Nabelgefäſse. Es ist also bereits während der Bebrütung das Eiweiſs mit der Haut der Hagelschnüre und der Dotterhaut geschwunden. Von der Keimhaut ist der peri- pherische Theil des animalischen Blattes ebenfalls verloren gegangen. Vom Harn- sacke ist die innere Hälfte unkenntlich geworden, die äuſsere ist aber als Chorion in voller Blüthe. Der Dottersack hat mit der Masse des Dotters abgenommen, auch der Inhalt des Amnions ist wie der Dotter zum Theil vom Embryo verzehrt Dagegen ist der Embryo mit seinem noch offenen Nabel in steter Zunahme begrif- fen, und so kann man wohl sagen, daſs während der ganzen Bebrütung der Em- bryo immer mehr die übrigen Eitheile beherrscht und in sich aufnimmt. Am Schlusse der Bebrütung wird diese Herrschaft vollendet, der Dotter- sack geht nämlich in den Nabel des Embryo ein und lagert sich in seine Bauch- höhle, wo der Rest des Dotters, nach dem Auskriechen immer noch zur Ernäh- rung dienend, nach einigen Wochen ganz verzehrt ist. Es wird also der ganze Dottersack Theil des Embryo. Nach dem Eintritt des Dottersackes, der unge- fähr am 19ten oder 20sten Tage der Bebrütung erfolgt ist, verengt sich der Nabel rasch, die Blutbewegung durch die Nabelgefäſse und die Athmung durch das Chorion werden unvollkommner. Das Küchlein strebt daher durch die Lunge zu athmen, indem es mit dem Schnabel in den Luftraum dringt, oder sogleich die Schaale von innen sprengt. Hat das Küchlein eine Athmung durch die Lungen erreicht, so hört die Blutbewegung durch die Nabelgefäſse bald völlig auf, der Nabel schlieſst sich ganz und trennt das Thier von seinen Anhängen. Jenes kriecht

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/66>, abgerufen am 29.04.2024.