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Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913.

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der Himmel bleibt blau, die Blumen blühen, die Vögel
singen, der Mensch hat Hunger und Durst, alles ist beim
alten, und nur in irgendeiner Ecke tut's ein bißchen weh.
Justine (mißbilligend). Wenn alle Männer so dächten,
das würde die Frauen furchtbar demoralisieren.
Fidelis (mit plötzlichem Tonwechsel). Jetzt mach aber um
Gottes willen nicht ein Gesicht wie das jüngste Gericht!
(Übermütig.) Luz braucht jetzt einen Lichtstrahl! Also
bitte!
Justine (ärgerlich). Ja freilich! (Geht empört zur zwei-
ten Türe rechts.)
Fidelis (spöttisch). Nimm's nicht immer gleich tra-
gisch, wenn mein Intellekt sein Pfauenrad schlägt! Es
ist im Augenblick so ziemlich mein einziges Vergnügen.
Justine (durch die zweite Türe rechts ab).
Fidelis (ruft ihr noch nach). Und sei lieb, Mamchen,
sei lieb mit ihr! (Sein eben noch lachendes Gesicht wird,
sobald Justine fort ist, plötzlich sehr ernst, fast drohend; er
steht eine Weile, nachdenklich vor sich hinblickend; dann tritt
er an den ovalen Tisch rechts und drückt auf den Knopf der
elektrischen Klingel.)
Diener (durch die Türe links vom Glasschrank).
Fidelis (mit dem Rücken zum Diener; kurz, leichthin).
Sehen Sie einmal die Adresse des Herrn Legations-
sekretärs von Oynhusen nach. Und ob Herr Legations-
sekretär eine bestimmte Sprechstunde hat.
Diener (ab).
(Vorhang.)
der Himmel bleibt blau, die Blumen blühen, die Vögel
ſingen, der Menſch hat Hunger und Durſt, alles iſt beim
alten, und nur in irgendeiner Ecke tut's ein bißchen weh.
Juſtine (mißbilligend). Wenn alle Männer ſo dächten,
das würde die Frauen furchtbar demoraliſieren.
Fidelis (mit ploͤtzlichem Tonwechſel). Jetzt mach aber um
Gottes willen nicht ein Geſicht wie das jüngſte Gericht!
(Uͤbermuͤtig.) Luz braucht jetzt einen Lichtſtrahl! Alſo
bitte!
Juſtine (aͤrgerlich). Ja freilich! (Geht empoͤrt zur zwei-
ten Tuͤre rechts.)
Fidelis (ſpoͤttiſch). Nimm's nicht immer gleich tra-
giſch, wenn mein Intellekt ſein Pfauenrad ſchlägt! Es
iſt im Augenblick ſo ziemlich mein einziges Vergnügen.
Juſtine (durch die zweite Tuͤre rechts ab).
Fidelis (ruft ihr noch nach). Und ſei lieb, Mamchen,
ſei lieb mit ihr! (Sein eben noch lachendes Geſicht wird,
ſobald Juſtine fort iſt, ploͤtzlich ſehr ernſt, faſt drohend; er
ſteht eine Weile, nachdenklich vor ſich hinblickend; dann tritt
er an den ovalen Tiſch rechts und druͤckt auf den Knopf der
elektriſchen Klingel.)
Diener (durch die Tuͤre links vom Glasſchrank).
Fidelis (mit dem Ruͤcken zum Diener; kurz, leichthin).
Sehen Sie einmal die Adreſſe des Herrn Legations-
ſekretärs von Oynhuſen nach. Und ob Herr Legations-
ſekretär eine beſtimmte Sprechſtunde hat.
Diener (ab).
(Vorhang.)
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[64/0067] der Himmel bleibt blau, die Blumen blühen, die Vögel ſingen, der Menſch hat Hunger und Durſt, alles iſt beim alten, und nur in irgendeiner Ecke tut's ein bißchen weh. Juſtine (mißbilligend). Wenn alle Männer ſo dächten, das würde die Frauen furchtbar demoraliſieren. Fidelis (mit ploͤtzlichem Tonwechſel). Jetzt mach aber um Gottes willen nicht ein Geſicht wie das jüngſte Gericht! (Uͤbermuͤtig.) Luz braucht jetzt einen Lichtſtrahl! Alſo bitte! Juſtine (aͤrgerlich). Ja freilich! (Geht empoͤrt zur zwei- ten Tuͤre rechts.) Fidelis (ſpoͤttiſch). Nimm's nicht immer gleich tra- giſch, wenn mein Intellekt ſein Pfauenrad ſchlägt! Es iſt im Augenblick ſo ziemlich mein einziges Vergnügen. Juſtine (durch die zweite Tuͤre rechts ab). Fidelis (ruft ihr noch nach). Und ſei lieb, Mamchen, ſei lieb mit ihr! (Sein eben noch lachendes Geſicht wird, ſobald Juſtine fort iſt, ploͤtzlich ſehr ernſt, faſt drohend; er ſteht eine Weile, nachdenklich vor ſich hinblickend; dann tritt er an den ovalen Tiſch rechts und druͤckt auf den Knopf der elektriſchen Klingel.) Diener (durch die Tuͤre links vom Glasſchrank). Fidelis (mit dem Ruͤcken zum Diener; kurz, leichthin). Sehen Sie einmal die Adreſſe des Herrn Legations- ſekretärs von Oynhuſen nach. Und ob Herr Legations- ſekretär eine beſtimmte Sprechſtunde hat. Diener (ab). (Vorhang.)

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Zitationshilfe: Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bahr_phantom_1913/67>, abgerufen am 29.04.2024.