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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

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wenden, sondern auch gegen das privilegierte Kapital. Er
hofft, als ob solcher Optimismus nicht sträflich wäre,
innerhalb Preussens und der gemeinsamen Staatsidee die
Elemente eines neuen Staates vorbereiten zu können, in
dem die Wissenschaft die Theologie ablöst und der Gelehrte
den Rabbi 34).

So wie die Reformation theoretisch begonnen wurde,
soll auch die Revolution der Zukunft theoretisch begonnen
werden. Vom Proletariat, und zwar von dem durch die
Fabrik schon halb militarisierten Fabrikproletariat, soll diese
Revolution ausgehen. Das Proletariat wird das Kapital und
die Produktionsmittel säkularisieren; das atheistische Pro-
letariat wird mit der Religion die Judenfrage wegräumen
und zugleich die Geldwirtschaft. Die Vergewaltigung ist
nicht die Fabrik, die Maschine, die Entpersönlichung durch
Akkordarbeit, sondern nur die Usurpation dieser Abstrakta
durch ein noch abstrakteres Abstraktum, das privilegierte
Kapital, das Geld.

Marx entfaltet eine fieberhafte wissenschaftliche Tätig-
keit. Proudhons Kritik des Eigentums wird eine "Art Offen-
barung" für ihn. Babeuf und Owen, Saint-Simon und
Fourier lösen Hegel ab. Noch schreibt er in Briefen: "Ich
bin nicht dafür, dass wir eine dogmatische Fahne aufpflan-
zen, im Gegenteil. Wir müssen den Dogmatikern nachzu-
helfen suchen, dass sie ihre Sätze sich klar machen" 35),
und doch schreibt er auch schon, dass die religiösen und
politischen Fragen in die "selbstbewusste menschliche Form"
gebracht werden sollen. Noch findet er, "der Kommunismus,
wie ihn Cabet, Dezamy und Weitling etc. lehren, ist eine
dogmatische Abstraktion" 36), und doch wird er später
unduldsamer als der Papst gegen Andersgläubige. Während
das Proletariat in Deutschland "erst durch die herein-
brechende industrielle Bewegung zu werden beginnt",
gelangt er bereits zur Auffassung, dass die politische
Oekonomie, und sie allein, die Analyse der bürgerlichen

wenden, sondern auch gegen das privilegierte Kapital. Er
hofft, als ob solcher Optimismus nicht sträflich wäre,
innerhalb Preussens und der gemeinsamen Staatsidee die
Elemente eines neuen Staates vorbereiten zu können, in
dem die Wissenschaft die Theologie ablöst und der Gelehrte
den Rabbi 34).

So wie die Reformation theoretisch begonnen wurde,
soll auch die Revolution der Zukunft theoretisch begonnen
werden. Vom Proletariat, und zwar von dem durch die
Fabrik schon halb militarisierten Fabrikproletariat, soll diese
Revolution ausgehen. Das Proletariat wird das Kapital und
die Produktionsmittel säkularisieren; das atheistische Pro-
letariat wird mit der Religion die Judenfrage wegräumen
und zugleich die Geldwirtschaft. Die Vergewaltigung ist
nicht die Fabrik, die Maschine, die Entpersönlichung durch
Akkordarbeit, sondern nur die Usurpation dieser Abstrakta
durch ein noch abstrakteres Abstraktum, das privilegierte
Kapital, das Geld.

Marx entfaltet eine fieberhafte wissenschaftliche Tätig-
keit. Proudhons Kritik des Eigentums wird eine „Art Offen-
barung“ für ihn. Babeuf und Owen, Saint-Simon und
Fourier lösen Hegel ab. Noch schreibt er in Briefen: „Ich
bin nicht dafür, dass wir eine dogmatische Fahne aufpflan-
zen, im Gegenteil. Wir müssen den Dogmatikern nachzu-
helfen suchen, dass sie ihre Sätze sich klar machen“ 35),
und doch schreibt er auch schon, dass die religiösen und
politischen Fragen in die „selbstbewusste menschliche Form“
gebracht werden sollen. Noch findet er, „der Kommunismus,
wie ihn Cabet, Dezamy und Weitling etc. lehren, ist eine
dogmatische Abstraktion“ 36), und doch wird er später
unduldsamer als der Papst gegen Andersgläubige. Während
das Proletariat in Deutschland „erst durch die herein-
brechende industrielle Bewegung zu werden beginnt“,
gelangt er bereits zur Auffassung, dass die politische
Oekonomie, und sie allein, die Analyse der bürgerlichen

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[186/0194] wenden, sondern auch gegen das privilegierte Kapital. Er hofft, als ob solcher Optimismus nicht sträflich wäre, innerhalb Preussens und der gemeinsamen Staatsidee die Elemente eines neuen Staates vorbereiten zu können, in dem die Wissenschaft die Theologie ablöst und der Gelehrte den Rabbi ³⁴⁾ . So wie die Reformation theoretisch begonnen wurde, soll auch die Revolution der Zukunft theoretisch begonnen werden. Vom Proletariat, und zwar von dem durch die Fabrik schon halb militarisierten Fabrikproletariat, soll diese Revolution ausgehen. Das Proletariat wird das Kapital und die Produktionsmittel säkularisieren; das atheistische Pro- letariat wird mit der Religion die Judenfrage wegräumen und zugleich die Geldwirtschaft. Die Vergewaltigung ist nicht die Fabrik, die Maschine, die Entpersönlichung durch Akkordarbeit, sondern nur die Usurpation dieser Abstrakta durch ein noch abstrakteres Abstraktum, das privilegierte Kapital, das Geld. Marx entfaltet eine fieberhafte wissenschaftliche Tätig- keit. Proudhons Kritik des Eigentums wird eine „Art Offen- barung“ für ihn. Babeuf und Owen, Saint-Simon und Fourier lösen Hegel ab. Noch schreibt er in Briefen: „Ich bin nicht dafür, dass wir eine dogmatische Fahne aufpflan- zen, im Gegenteil. Wir müssen den Dogmatikern nachzu- helfen suchen, dass sie ihre Sätze sich klar machen“ ³⁵⁾ , und doch schreibt er auch schon, dass die religiösen und politischen Fragen in die „selbstbewusste menschliche Form“ gebracht werden sollen. Noch findet er, „der Kommunismus, wie ihn Cabet, Dezamy und Weitling etc. lehren, ist eine dogmatische Abstraktion“ ³⁶⁾ , und doch wird er später unduldsamer als der Papst gegen Andersgläubige. Während das Proletariat in Deutschland „erst durch die herein- brechende industrielle Bewegung zu werden beginnt“, gelangt er bereits zur Auffassung, dass die politische Oekonomie, und sie allein, die Analyse der bürgerlichen

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Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/194>, abgerufen am 30.04.2024.