Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

des damaligen Publikums auf Buchhändlerbestellung und
nach der Elle Schauerromane, Spuk-, Räuber-, Ritter-
und Mordgeschichten schrieb, so auch einst für eine
Sammlung von "Thaten und Freiheiten renommirter
Kraft- und Kniffgenies" die Historie vom bayerischen
Hiesel, dem berüchtigten Wilddiebe und Räuber Mathias
Klostermayer. "Pah!" dachte Rambach eines faulen
Tages -- "wie wär's, wenn Du Dir für dies Geschäft
einen Lehrling zulegtest? Da hättest Du die halbe
Arbeit und verdientest doch doppelt so viel liebes schnell¬
rollendes Geld ... Versuchen wir es einmal mit der
gewandten und in seinen deutschen Arbeiten so abenteuer¬
reichen Feder von dem Scholar Ludwig Tieck und geben
ihm den bayerischen Hiesel als Kraft- und Kniffgenie
zu verherrlichen ..." Und der Versuch wurde gemacht
und fiel über Erwarten des glücklichen Präzeptors goldig
glänzend aus und der Lehrling überflügelte den Meister
bald in allen Ausschweifungen einer wilden Schauer¬
phantasie und entzückte ihn besonders durch das Höllen¬
gebräu von Blut und Sünde und Verzweiflung und
Wahnsinn in dem entsetzlichen Gräuelroman: "Die
eiserne Maske". In ähnlicher Weise arbeitete Ludwig
Tieck auch schon auf dem Gymnasium für seinen hoch¬
begabten, aber zerfahrenen Lehrer Bernhardi, der später¬
hin seine geliebte Schwester Sophie als Gatte so un¬
glücklich machen sollte ...

Aber diese Ausschweifungen einer unreifen Phantasie
zerrütteten Tieck's Nervensystem bedenklich. "Halb verrückt"

25 *

des damaligen Publikums auf Buchhändlerbeſtellung und
nach der Elle Schauerromane, Spuk-, Räuber-, Ritter-
und Mordgeſchichten ſchrieb, ſo auch einſt für eine
Sammlung von »Thaten und Freiheiten renommirter
Kraft- und Kniffgenies« die Hiſtorie vom bayeriſchen
Hieſel, dem berüchtigten Wilddiebe und Räuber Mathias
Kloſtermayer. »Pah!« dachte Rambach eines faulen
Tages — »wie wär's, wenn Du Dir für dies Geſchäft
einen Lehrling zulegteſt? Da hätteſt Du die halbe
Arbeit und verdienteſt doch doppelt ſo viel liebes ſchnell¬
rollendes Geld … Verſuchen wir es einmal mit der
gewandten und in ſeinen deutſchen Arbeiten ſo abenteuer¬
reichen Feder von dem Scholar Ludwig Tieck und geben
ihm den bayeriſchen Hieſel als Kraft- und Kniffgenie
zu verherrlichen …« Und der Verſuch wurde gemacht
und fiel über Erwarten des glücklichen Präzeptors goldig
glänzend aus und der Lehrling überflügelte den Meiſter
bald in allen Ausſchweifungen einer wilden Schauer¬
phantaſie und entzückte ihn beſonders durch das Höllen¬
gebräu von Blut und Sünde und Verzweiflung und
Wahnſinn in dem entſetzlichen Gräuelroman: »Die
eiſerne Maske«. In ähnlicher Weiſe arbeitete Ludwig
Tieck auch ſchon auf dem Gymnaſium für ſeinen hoch¬
begabten, aber zerfahrenen Lehrer Bernhardi, der ſpäter¬
hin ſeine geliebte Schweſter Sophie als Gatte ſo un¬
glücklich machen ſollte …

Aber dieſe Ausſchweifungen einer unreifen Phantaſie
zerrütteten Tieck's Nervenſyſtem bedenklich. »Halb verrückt«

25 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0415" n="387"/>
des damaligen Publikums auf Buchhändlerbe&#x017F;tellung und<lb/>
nach der Elle Schauerromane, Spuk-, Räuber-, Ritter-<lb/>
und Mordge&#x017F;chichten &#x017F;chrieb, &#x017F;o auch ein&#x017F;t für eine<lb/>
Sammlung von »Thaten und Freiheiten renommirter<lb/>
Kraft- und Kniffgenies« die Hi&#x017F;torie vom bayeri&#x017F;chen<lb/>
Hie&#x017F;el, dem berüchtigten Wilddiebe und Räuber Mathias<lb/>
Klo&#x017F;termayer. »Pah!« dachte Rambach eines faulen<lb/>
Tages &#x2014; »wie wär's, wenn Du Dir für dies Ge&#x017F;chäft<lb/>
einen Lehrling zulegte&#x017F;t? Da hätte&#x017F;t Du die halbe<lb/>
Arbeit und verdiente&#x017F;t doch doppelt &#x017F;o viel liebes &#x017F;chnell¬<lb/>
rollendes Geld &#x2026; Ver&#x017F;uchen wir es einmal mit der<lb/>
gewandten und in &#x017F;einen deut&#x017F;chen Arbeiten &#x017F;o abenteuer¬<lb/>
reichen Feder von dem Scholar Ludwig Tieck und geben<lb/>
ihm den bayeri&#x017F;chen Hie&#x017F;el als Kraft- und Kniffgenie<lb/>
zu verherrlichen &#x2026;« Und der Ver&#x017F;uch wurde gemacht<lb/>
und fiel über Erwarten des glücklichen Präzeptors goldig<lb/>
glänzend aus und der Lehrling überflügelte den Mei&#x017F;ter<lb/>
bald in allen Aus&#x017F;chweifungen einer wilden Schauer¬<lb/>
phanta&#x017F;ie und entzückte ihn be&#x017F;onders durch das Höllen¬<lb/>
gebräu von Blut und Sünde und Verzweiflung und<lb/>
Wahn&#x017F;inn in dem ent&#x017F;etzlichen Gräuelroman: »Die<lb/>
ei&#x017F;erne Maske«. In ähnlicher Wei&#x017F;e arbeitete Ludwig<lb/>
Tieck auch &#x017F;chon auf dem Gymna&#x017F;ium für &#x017F;einen hoch¬<lb/>
begabten, aber zerfahrenen Lehrer Bernhardi, der &#x017F;päter¬<lb/>
hin &#x017F;eine geliebte Schwe&#x017F;ter Sophie als Gatte &#x017F;o un¬<lb/>
glücklich machen &#x017F;ollte &#x2026;</p><lb/>
        <p>Aber die&#x017F;e Aus&#x017F;chweifungen einer unreifen Phanta&#x017F;ie<lb/>
zerrütteten Tieck's Nerven&#x017F;y&#x017F;tem bedenklich. »Halb verrückt«<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">25 *<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[387/0415] des damaligen Publikums auf Buchhändlerbeſtellung und nach der Elle Schauerromane, Spuk-, Räuber-, Ritter- und Mordgeſchichten ſchrieb, ſo auch einſt für eine Sammlung von »Thaten und Freiheiten renommirter Kraft- und Kniffgenies« die Hiſtorie vom bayeriſchen Hieſel, dem berüchtigten Wilddiebe und Räuber Mathias Kloſtermayer. »Pah!« dachte Rambach eines faulen Tages — »wie wär's, wenn Du Dir für dies Geſchäft einen Lehrling zulegteſt? Da hätteſt Du die halbe Arbeit und verdienteſt doch doppelt ſo viel liebes ſchnell¬ rollendes Geld … Verſuchen wir es einmal mit der gewandten und in ſeinen deutſchen Arbeiten ſo abenteuer¬ reichen Feder von dem Scholar Ludwig Tieck und geben ihm den bayeriſchen Hieſel als Kraft- und Kniffgenie zu verherrlichen …« Und der Verſuch wurde gemacht und fiel über Erwarten des glücklichen Präzeptors goldig glänzend aus und der Lehrling überflügelte den Meiſter bald in allen Ausſchweifungen einer wilden Schauer¬ phantaſie und entzückte ihn beſonders durch das Höllen¬ gebräu von Blut und Sünde und Verzweiflung und Wahnſinn in dem entſetzlichen Gräuelroman: »Die eiſerne Maske«. In ähnlicher Weiſe arbeitete Ludwig Tieck auch ſchon auf dem Gymnaſium für ſeinen hoch¬ begabten, aber zerfahrenen Lehrer Bernhardi, der ſpäter¬ hin ſeine geliebte Schweſter Sophie als Gatte ſo un¬ glücklich machen ſollte … Aber dieſe Ausſchweifungen einer unreifen Phantaſie zerrütteten Tieck's Nervenſyſtem bedenklich. »Halb verrückt« 25 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/415
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/415>, abgerufen am 26.04.2024.