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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

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für die Handlungen hervorbringen, um den reinen Eigennutz und
die Selbstsucht eben so sehr zu verbannen, als vor allzugroßer un-
kluger Dienstfertigkeit, Offenheit, Hingebung und Freigebigkeit zu
warnen 1). Der Gebrauch und Verbrauch der sachlichen wirth-
schaftlichen Güter aber beruht außer jenen noch auf den wirth-
schaftlichen Prinzipien. Es verlangt nämlich:

1) Das Vernunftgesetz (handle vernünftig!), daß man keine
Verwendung (Ausgabe) ohne vernünftigen Zweck, ohne die ver-
nünftigen Mittel zu ergreifen, ohne vernünftige Ausführung, mache.

2) Das Moralgesetz (handle vernünftig des Vernünftigen selbst
willen, d. h. weil sich die Vernunft Selbstzweck ist!), daß man
keine Ausgaben zu immoralischen Zwecken, mit immoralischen Mit-
teln, und durch immoralische Ausführung mache.

3) Das Rechtsgesetz (handle vernünftig deiner Nebenmenschen
wegen, die dasselbe Gesetz in sich haben, = handle nach dem Ver-
nunftgesetze, als dem Prinzipe der Gesellschaft! = Jedem das
Seinige als Vernunftwesen!), daß man keine Ausgaben zu un-
rechtlichen Zwecken, mit rechtswidrigen Mitteln und rechtswidriger
Ausführung, mache.

4) Das Klugheitsgesetz (suche alle rechtlichen und moralischen
Mittel und Handlungen zu deinem Vortheile zu wenden, ohne ver-
nunftwidrig, immoralisch und unrecht zu handeln!), daß man die
Ausgaben nach der Stufenfolge der Bedürfnisse einrichte und aus
dem Vermögen und Einkommen den größtmöglichen Vortheil zu
ziehen suche, ohne gegen Vernunft, Moral und Recht, folglich
auch gegen die Religions- und Staatsgesetze, sich zu vergehen,
und ohne Andere also zu vernunftwidrigen, immoralischen und
rechtswidrigen Handlungen anzuspornen oder von solchen nicht
abzuhalten.

Es beschränken sich diese Maximen eben so, wie die Gesetze,
aus denen sie hervorgingen, blos ursachliche Modificationen des
Vernunftgesetzes und reciprok sind. Es ist also falsch 1) blos das
Rechtsgesetz oder blos die positiven Gesetze als Richtschnur in der
Wirthschaft zu nehmen, denn die wirthschaftliche Thätigkeit besteht
schon, ehe durch die Gesellschaft das Rechtsgesetz entstand und auch
in allen Fällen, wo es sich nicht um das bloße Recht handelt und
also nur das Vernunftgesetz in seiner Allgemeinheit und in seiner
Modification als Moralgesetz gilt, und die moralische Handlung ist
in der Gesellschaft auch darum unsere Pflicht, weil die Mitglieder
durch dieselbe ein Recht darauf haben; 2) blos das Klugheitsgesetz
als Richtschnur in der Wirthschaft gelten zu lassen und diese
darum als etwas moralisch Verwerfliches zu erklären, denn auch

für die Handlungen hervorbringen, um den reinen Eigennutz und
die Selbſtſucht eben ſo ſehr zu verbannen, als vor allzugroßer un-
kluger Dienſtfertigkeit, Offenheit, Hingebung und Freigebigkeit zu
warnen 1). Der Gebrauch und Verbrauch der ſachlichen wirth-
ſchaftlichen Güter aber beruht außer jenen noch auf den wirth-
ſchaftlichen Prinzipien. Es verlangt nämlich:

1) Das Vernunftgeſetz (handle vernünftig!), daß man keine
Verwendung (Ausgabe) ohne vernünftigen Zweck, ohne die ver-
nünftigen Mittel zu ergreifen, ohne vernünftige Ausführung, mache.

2) Das Moralgeſetz (handle vernünftig des Vernünftigen ſelbſt
willen, d. h. weil ſich die Vernunft Selbſtzweck iſt!), daß man
keine Ausgaben zu immoraliſchen Zwecken, mit immoraliſchen Mit-
teln, und durch immoraliſche Ausführung mache.

3) Das Rechtsgeſetz (handle vernünftig deiner Nebenmenſchen
wegen, die daſſelbe Geſetz in ſich haben, = handle nach dem Ver-
nunftgeſetze, als dem Prinzipe der Geſellſchaft! = Jedem das
Seinige als Vernunftweſen!), daß man keine Ausgaben zu un-
rechtlichen Zwecken, mit rechtswidrigen Mitteln und rechtswidriger
Ausführung, mache.

4) Das Klugheitsgeſetz (ſuche alle rechtlichen und moraliſchen
Mittel und Handlungen zu deinem Vortheile zu wenden, ohne ver-
nunftwidrig, immoraliſch und unrecht zu handeln!), daß man die
Ausgaben nach der Stufenfolge der Bedürfniſſe einrichte und aus
dem Vermögen und Einkommen den größtmöglichen Vortheil zu
ziehen ſuche, ohne gegen Vernunft, Moral und Recht, folglich
auch gegen die Religions- und Staatsgeſetze, ſich zu vergehen,
und ohne Andere alſo zu vernunftwidrigen, immoraliſchen und
rechtswidrigen Handlungen anzuſpornen oder von ſolchen nicht
abzuhalten.

Es beſchränken ſich dieſe Maximen eben ſo, wie die Geſetze,
aus denen ſie hervorgingen, blos urſachliche Modificationen des
Vernunftgeſetzes und reciprok ſind. Es iſt alſo falſch 1) blos das
Rechtsgeſetz oder blos die poſitiven Geſetze als Richtſchnur in der
Wirthſchaft zu nehmen, denn die wirthſchaftliche Thätigkeit beſteht
ſchon, ehe durch die Geſellſchaft das Rechtsgeſetz entſtand und auch
in allen Fällen, wo es ſich nicht um das bloße Recht handelt und
alſo nur das Vernunftgeſetz in ſeiner Allgemeinheit und in ſeiner
Modification als Moralgeſetz gilt, und die moraliſche Handlung iſt
in der Geſellſchaft auch darum unſere Pflicht, weil die Mitglieder
durch dieſelbe ein Recht darauf haben; 2) blos das Klugheitsgeſetz
als Richtſchnur in der Wirthſchaft gelten zu laſſen und dieſe
darum als etwas moraliſch Verwerfliches zu erklären, denn auch

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[95/0117] für die Handlungen hervorbringen, um den reinen Eigennutz und die Selbſtſucht eben ſo ſehr zu verbannen, als vor allzugroßer un- kluger Dienſtfertigkeit, Offenheit, Hingebung und Freigebigkeit zu warnen 1). Der Gebrauch und Verbrauch der ſachlichen wirth- ſchaftlichen Güter aber beruht außer jenen noch auf den wirth- ſchaftlichen Prinzipien. Es verlangt nämlich: 1) Das Vernunftgeſetz (handle vernünftig!), daß man keine Verwendung (Ausgabe) ohne vernünftigen Zweck, ohne die ver- nünftigen Mittel zu ergreifen, ohne vernünftige Ausführung, mache. 2) Das Moralgeſetz (handle vernünftig des Vernünftigen ſelbſt willen, d. h. weil ſich die Vernunft Selbſtzweck iſt!), daß man keine Ausgaben zu immoraliſchen Zwecken, mit immoraliſchen Mit- teln, und durch immoraliſche Ausführung mache. 3) Das Rechtsgeſetz (handle vernünftig deiner Nebenmenſchen wegen, die daſſelbe Geſetz in ſich haben, = handle nach dem Ver- nunftgeſetze, als dem Prinzipe der Geſellſchaft! = Jedem das Seinige als Vernunftweſen!), daß man keine Ausgaben zu un- rechtlichen Zwecken, mit rechtswidrigen Mitteln und rechtswidriger Ausführung, mache. 4) Das Klugheitsgeſetz (ſuche alle rechtlichen und moraliſchen Mittel und Handlungen zu deinem Vortheile zu wenden, ohne ver- nunftwidrig, immoraliſch und unrecht zu handeln!), daß man die Ausgaben nach der Stufenfolge der Bedürfniſſe einrichte und aus dem Vermögen und Einkommen den größtmöglichen Vortheil zu ziehen ſuche, ohne gegen Vernunft, Moral und Recht, folglich auch gegen die Religions- und Staatsgeſetze, ſich zu vergehen, und ohne Andere alſo zu vernunftwidrigen, immoraliſchen und rechtswidrigen Handlungen anzuſpornen oder von ſolchen nicht abzuhalten. Es beſchränken ſich dieſe Maximen eben ſo, wie die Geſetze, aus denen ſie hervorgingen, blos urſachliche Modificationen des Vernunftgeſetzes und reciprok ſind. Es iſt alſo falſch 1) blos das Rechtsgeſetz oder blos die poſitiven Geſetze als Richtſchnur in der Wirthſchaft zu nehmen, denn die wirthſchaftliche Thätigkeit beſteht ſchon, ehe durch die Geſellſchaft das Rechtsgeſetz entſtand und auch in allen Fällen, wo es ſich nicht um das bloße Recht handelt und alſo nur das Vernunftgeſetz in ſeiner Allgemeinheit und in ſeiner Modification als Moralgeſetz gilt, und die moraliſche Handlung iſt in der Geſellſchaft auch darum unſere Pflicht, weil die Mitglieder durch dieſelbe ein Recht darauf haben; 2) blos das Klugheitsgeſetz als Richtſchnur in der Wirthſchaft gelten zu laſſen und dieſe darum als etwas moraliſch Verwerfliches zu erklären, denn auch

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Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/117>, abgerufen am 30.04.2024.