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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

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1) Das Reichsgut. Man unterscheidet die eigentlichen Kam-
mergüter, an welchen dem Kaiser das ächte Eigenthum gehörte, und
die Herrschaften, welche aus Vogteien und Städten bestanden. Jene
wurden unmittelbar von Amtsverwaltern oder Amtmännern
bewirthschaftet; diese aber von Vögten1). Die Amtleute waren
die Unterbehörden in der Domänenverwaltung; die Oberbehörden
aber waren die Pfalzgrafen2). Als Mittelbehörden kann man
jene Vögte betrachten, obschon sie keine Controle über die Amt-
leute hatten. Die Pfalzgrafen, Präsidenten bei den Pfalzkonventen
(Conventus palatini), mußten um so mehr Oberbehörde sein, als
die Kaiser ihren Aufenthalt auf einige Zeit in den Pfalzen wähl-
ten und für sich und ihren Hof daselbst der Naturalverpflegung
bedurften. Durch Lehen, durch Veräußerung und Verpfändungen
in diesen Zeiten der Noth und Verwirrung, durch die Zudring-
lichkeiten der geistlichen und weltlichen Großen des Reichs, und
durch die Anmaaßungen der Reichsvögte war nach und nach das
Reichsgut und das Kammergut an sich und in seinem Ertrage so ge-
schwächt worden, besonders war der Verwaltungsaufwand so groß,
daß das reine Einkommen daraus bei weitem nicht zur Deckung
der Hof- und Reichsausgaben hinreichte3). Es ist also natürlich,
daß die Kaiser, so wie sie einerseits durch jene Verhältnisse und
Ertheilung von einträglichen Privilegien immerfort verloren, sich
auf anderem Wege Einkünfte zu verschaffen suchten, wenn man
dazu noch bedenkt, daß sie sich immer mehr zur Unterhaltung von
Soldmilitz gezwungen sahen. Daher kommt ihr Streben, die
folgenden Einkünftequellen zu erweitern, nämlich:

2) Die Regalien und fiskalischen Rechte, d. h. gewisse
vom Kaiser sich allein zugeschriebene Gerechtsame, welche ein Ein-
kommen gewährten. Allein a) das Recht der Zollanlage war nur
noch in der Theorie ein Regal, und es war eben so wie der Domänen-
besitz entweder mit den Reichsgütern oder ohne solche in die Hände der
Reichsstände gekommen, so daß der Widerspruch entstand, der
Kaiser allein habe das Zollrecht, derselbe dürfe aber nicht ohne
Einwilligung des Reichsstandes im Lande des Lezteren Zölle an-
legen. Der Wirklichkeit nach hatte der Kaiser nur die Zollaufsicht,
und das Recht, Zollfreiheit zu ertheilen4). Ebenso stand es mit dem
b) Münzregal, welches der Kaiser nur noch in den Reichsstädten
faktisch besaß, während ihm sonst über das reichsständische Münz-
wesen blos die Oberaufsicht blieb, und er keine neue Münz-
stätte anlegen durfte, wo für einen Reichsstand daraus ein Nachtheil
erwuchs. Der Kaiser hatte also auch hier den größten Theil sei-
ner Reichseinkünfte verloren, während die Reichsstände des

1) Das Reichsgut. Man unterſcheidet die eigentlichen Kam-
mergüter, an welchen dem Kaiſer das ächte Eigenthum gehörte, und
die Herrſchaften, welche aus Vogteien und Städten beſtanden. Jene
wurden unmittelbar von Amtsverwaltern oder Amtmännern
bewirthſchaftet; dieſe aber von Vögten1). Die Amtleute waren
die Unterbehörden in der Domänenverwaltung; die Oberbehörden
aber waren die Pfalzgrafen2). Als Mittelbehörden kann man
jene Vögte betrachten, obſchon ſie keine Controle über die Amt-
leute hatten. Die Pfalzgrafen, Präſidenten bei den Pfalzkonventen
(Conventus palatini), mußten um ſo mehr Oberbehörde ſein, als
die Kaiſer ihren Aufenthalt auf einige Zeit in den Pfalzen wähl-
ten und für ſich und ihren Hof daſelbſt der Naturalverpflegung
bedurften. Durch Lehen, durch Veräußerung und Verpfändungen
in dieſen Zeiten der Noth und Verwirrung, durch die Zudring-
lichkeiten der geiſtlichen und weltlichen Großen des Reichs, und
durch die Anmaaßungen der Reichsvögte war nach und nach das
Reichsgut und das Kammergut an ſich und in ſeinem Ertrage ſo ge-
ſchwächt worden, beſonders war der Verwaltungsaufwand ſo groß,
daß das reine Einkommen daraus bei weitem nicht zur Deckung
der Hof- und Reichsausgaben hinreichte3). Es iſt alſo natürlich,
daß die Kaiſer, ſo wie ſie einerſeits durch jene Verhältniſſe und
Ertheilung von einträglichen Privilegien immerfort verloren, ſich
auf anderem Wege Einkünfte zu verſchaffen ſuchten, wenn man
dazu noch bedenkt, daß ſie ſich immer mehr zur Unterhaltung von
Soldmilitz gezwungen ſahen. Daher kommt ihr Streben, die
folgenden Einkünftequellen zu erweitern, nämlich:

2) Die Regalien und fiskaliſchen Rechte, d. h. gewiſſe
vom Kaiſer ſich allein zugeſchriebene Gerechtſame, welche ein Ein-
kommen gewährten. Allein a) das Recht der Zollanlage war nur
noch in der Theorie ein Regal, und es war eben ſo wie der Domänen-
beſitz entweder mit den Reichsgütern oder ohne ſolche in die Hände der
Reichsſtände gekommen, ſo daß der Widerſpruch entſtand, der
Kaiſer allein habe das Zollrecht, derſelbe dürfe aber nicht ohne
Einwilligung des Reichsſtandes im Lande des Lezteren Zölle an-
legen. Der Wirklichkeit nach hatte der Kaiſer nur die Zollaufſicht,
und das Recht, Zollfreiheit zu ertheilen4). Ebenſo ſtand es mit dem
b) Münzregal, welches der Kaiſer nur noch in den Reichsſtädten
faktiſch beſaß, während ihm ſonſt über das reichsſtändiſche Münz-
weſen blos die Oberaufſicht blieb, und er keine neue Münz-
ſtätte anlegen durfte, wo für einen Reichsſtand daraus ein Nachtheil
erwuchs. Der Kaiſer hatte alſo auch hier den größten Theil ſei-
ner Reichseinkünfte verloren, während die Reichsſtände des

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[18/0040] 1) Das Reichsgut. Man unterſcheidet die eigentlichen Kam- mergüter, an welchen dem Kaiſer das ächte Eigenthum gehörte, und die Herrſchaften, welche aus Vogteien und Städten beſtanden. Jene wurden unmittelbar von Amtsverwaltern oder Amtmännern bewirthſchaftet; dieſe aber von Vögten1). Die Amtleute waren die Unterbehörden in der Domänenverwaltung; die Oberbehörden aber waren die Pfalzgrafen2). Als Mittelbehörden kann man jene Vögte betrachten, obſchon ſie keine Controle über die Amt- leute hatten. Die Pfalzgrafen, Präſidenten bei den Pfalzkonventen (Conventus palatini), mußten um ſo mehr Oberbehörde ſein, als die Kaiſer ihren Aufenthalt auf einige Zeit in den Pfalzen wähl- ten und für ſich und ihren Hof daſelbſt der Naturalverpflegung bedurften. Durch Lehen, durch Veräußerung und Verpfändungen in dieſen Zeiten der Noth und Verwirrung, durch die Zudring- lichkeiten der geiſtlichen und weltlichen Großen des Reichs, und durch die Anmaaßungen der Reichsvögte war nach und nach das Reichsgut und das Kammergut an ſich und in ſeinem Ertrage ſo ge- ſchwächt worden, beſonders war der Verwaltungsaufwand ſo groß, daß das reine Einkommen daraus bei weitem nicht zur Deckung der Hof- und Reichsausgaben hinreichte3). Es iſt alſo natürlich, daß die Kaiſer, ſo wie ſie einerſeits durch jene Verhältniſſe und Ertheilung von einträglichen Privilegien immerfort verloren, ſich auf anderem Wege Einkünfte zu verſchaffen ſuchten, wenn man dazu noch bedenkt, daß ſie ſich immer mehr zur Unterhaltung von Soldmilitz gezwungen ſahen. Daher kommt ihr Streben, die folgenden Einkünftequellen zu erweitern, nämlich: 2) Die Regalien und fiskaliſchen Rechte, d. h. gewiſſe vom Kaiſer ſich allein zugeſchriebene Gerechtſame, welche ein Ein- kommen gewährten. Allein a) das Recht der Zollanlage war nur noch in der Theorie ein Regal, und es war eben ſo wie der Domänen- beſitz entweder mit den Reichsgütern oder ohne ſolche in die Hände der Reichsſtände gekommen, ſo daß der Widerſpruch entſtand, der Kaiſer allein habe das Zollrecht, derſelbe dürfe aber nicht ohne Einwilligung des Reichsſtandes im Lande des Lezteren Zölle an- legen. Der Wirklichkeit nach hatte der Kaiſer nur die Zollaufſicht, und das Recht, Zollfreiheit zu ertheilen4). Ebenſo ſtand es mit dem b) Münzregal, welches der Kaiſer nur noch in den Reichsſtädten faktiſch beſaß, während ihm ſonſt über das reichsſtändiſche Münz- weſen blos die Oberaufſicht blieb, und er keine neue Münz- ſtätte anlegen durfte, wo für einen Reichsſtand daraus ein Nachtheil erwuchs. Der Kaiſer hatte alſo auch hier den größten Theil ſei- ner Reichseinkünfte verloren, während die Reichsſtände des

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Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/40>, abgerufen am 28.04.2024.