Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

der Erwerb aus dem Güterverkehre aber durch den Handel und
das Ausleihen von Vermögen gegen Renten. Die öffentliche
Wirthschaftslehre theilt er in die reine Volkswirthschafts-
lehre und in die angewandte. Jene ist die eigentliche Theorie
des Volksvermögens; diese aber zerfällt ihm in die Lehre von der
Volkswirthschaftspflege und in die Finanzwissenschaft.
Seine Verdienste sind bleibend. Denn er erhob den Begriff der
allgemeinen Wirthschaftslehre zur Wirklichkeit, stellte den Unter-
schied zwischen Erwerb und Hauswirthschaft wirklich dar, bezeich-
nete den Unterschied der bürgerlichen Gewerbe genauer, trennte
die Begriffe von Gewerbe und Gewerk, und führte die Trennung
der theoretischen und praktischen Lehren der Nationalökonomie in
der Volkswirthschaftslehre und Volkswirthschaftspflege unübertrof-
fen aus, ganz abgesehen davon, daß wir ihm die wissenschaftliche
Anordnung der einzelnen Theile der Materie dieser zwei Wissen-
schaften eigentlich verdanken, und die Einführung der neueren aus-
ländischen Literatur so wie manchfache Erläuterungen und Erwei-
terungen schuldig sind. Kann man aber auch nicht in das verwer-
fende Urtheil Anderer1) über dieses System einstimmen, so bleiben
doch der Kritik noch manche Verbesserungen desselben überlassen.
Dasselbe hat folgende Mängel: 1) Dasselbe ist auch mit der Ein-
seitigkeit der neuesten Theorie behaftet, welche nur die Thätigkeit
für körperliche Gegenstände als das eigentliche Objekt der Wirth-
schaft ansieht und in die Kameralwissenschaft aufnimmt2);
2) dasselbe wirft die Unterscheidung der Erwerbs- und Hauswirth-
schaftslehre mit Unrecht in den besonderen Theil; denn der Begriff
der Hauswirthschaft ist ein allgemeiner und kommt so in jeder
Wirthschaft wieder vor; der Erwerb geschieht in jeder Wirthschaft
nach gewissen allgemeinen Regeln, welche zusammengefaßt den Ge-
genstand der Erwerbslehre im allgemeinen Theile machen; beide
treten aber in besonderer Gestalt bei jedem Wirthschaftsbetriebe in
soferne auf, als die allgemeine Erwerbslehre dort in die Regeln
von den besondern Erwerbsarbeiten im Einzelnen, und die Haus-
wirthschaftslehre in jenen von dem gewerblichen Einrichten und
Zusammenhalten der Wirthschaft wieder auftritt. Rau nennt diese
zwei Leztern Kunstlehre und Gewerbslehre3). 3) Dasselbe
schließt den Handel und das Rentgeschäft von den Stoffarbeiten
mit Unrecht aus, denn, wenn sie auch nicht Sachliches produziren
oder auch nicht den Zweck der Veredelung haben, so beschäftigen
sie sich doch ausschließlich mit Stoffen und haben es mit der Er-
haltung und Aufbewahrung derselben zu thun, neben welchen
wesentlichen Stoffarbeiten sie als das Charakteristische die Ver-

der Erwerb aus dem Güterverkehre aber durch den Handel und
das Ausleihen von Vermögen gegen Renten. Die öffentliche
Wirthſchaftslehre theilt er in die reine Volkswirthſchafts-
lehre und in die angewandte. Jene iſt die eigentliche Theorie
des Volksvermögens; dieſe aber zerfällt ihm in die Lehre von der
Volkswirthſchaftspflege und in die Finanzwiſſenſchaft.
Seine Verdienſte ſind bleibend. Denn er erhob den Begriff der
allgemeinen Wirthſchaftslehre zur Wirklichkeit, ſtellte den Unter-
ſchied zwiſchen Erwerb und Hauswirthſchaft wirklich dar, bezeich-
nete den Unterſchied der bürgerlichen Gewerbe genauer, trennte
die Begriffe von Gewerbe und Gewerk, und führte die Trennung
der theoretiſchen und praktiſchen Lehren der Nationalökonomie in
der Volkswirthſchaftslehre und Volkswirthſchaftspflege unübertrof-
fen aus, ganz abgeſehen davon, daß wir ihm die wiſſenſchaftliche
Anordnung der einzelnen Theile der Materie dieſer zwei Wiſſen-
ſchaften eigentlich verdanken, und die Einführung der neueren aus-
ländiſchen Literatur ſo wie manchfache Erläuterungen und Erwei-
terungen ſchuldig ſind. Kann man aber auch nicht in das verwer-
fende Urtheil Anderer1) über dieſes Syſtem einſtimmen, ſo bleiben
doch der Kritik noch manche Verbeſſerungen deſſelben überlaſſen.
Daſſelbe hat folgende Mängel: 1) Daſſelbe iſt auch mit der Ein-
ſeitigkeit der neueſten Theorie behaftet, welche nur die Thätigkeit
für körperliche Gegenſtände als das eigentliche Objekt der Wirth-
ſchaft anſieht und in die Kameralwiſſenſchaft aufnimmt2);
2) daſſelbe wirft die Unterſcheidung der Erwerbs- und Hauswirth-
ſchaftslehre mit Unrecht in den beſonderen Theil; denn der Begriff
der Hauswirthſchaft iſt ein allgemeiner und kommt ſo in jeder
Wirthſchaft wieder vor; der Erwerb geſchieht in jeder Wirthſchaft
nach gewiſſen allgemeinen Regeln, welche zuſammengefaßt den Ge-
genſtand der Erwerbslehre im allgemeinen Theile machen; beide
treten aber in beſonderer Geſtalt bei jedem Wirthſchaftsbetriebe in
ſoferne auf, als die allgemeine Erwerbslehre dort in die Regeln
von den beſondern Erwerbsarbeiten im Einzelnen, und die Haus-
wirthſchaftslehre in jenen von dem gewerblichen Einrichten und
Zuſammenhalten der Wirthſchaft wieder auftritt. Rau nennt dieſe
zwei Leztern Kunſtlehre und Gewerbslehre3). 3) Daſſelbe
ſchließt den Handel und das Rentgeſchäft von den Stoffarbeiten
mit Unrecht aus, denn, wenn ſie auch nicht Sachliches produziren
oder auch nicht den Zweck der Veredelung haben, ſo beſchäftigen
ſie ſich doch ausſchließlich mit Stoffen und haben es mit der Er-
haltung und Aufbewahrung derſelben zu thun, neben welchen
weſentlichen Stoffarbeiten ſie als das Charakteriſtiſche die Ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0073" n="51"/>
der Erwerb aus dem Güterverkehre aber durch den <hi rendition="#g">Handel</hi> und<lb/>
das <hi rendition="#g">Ausleihen</hi> von Vermögen gegen Renten. Die öffentliche<lb/>
Wirth&#x017F;chaftslehre theilt er in die <hi rendition="#g">reine Volkswirth&#x017F;chafts</hi>-<lb/><hi rendition="#g">lehre</hi> und in die <hi rendition="#g">angewandte</hi>. Jene i&#x017F;t die eigentliche Theorie<lb/>
des Volksvermögens; die&#x017F;e aber zerfällt ihm in die Lehre von der<lb/><hi rendition="#g">Volkswirth&#x017F;chaftspflege</hi> und in die <hi rendition="#g">Finanzwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft</hi>.<lb/>
Seine Verdien&#x017F;te &#x017F;ind bleibend. Denn er erhob den Begriff der<lb/>
allgemeinen Wirth&#x017F;chaftslehre zur Wirklichkeit, &#x017F;tellte den Unter-<lb/>
&#x017F;chied zwi&#x017F;chen Erwerb und Hauswirth&#x017F;chaft wirklich dar, bezeich-<lb/>
nete den Unter&#x017F;chied der bürgerlichen Gewerbe genauer, trennte<lb/>
die Begriffe von Gewerbe und Gewerk, und führte die Trennung<lb/>
der theoreti&#x017F;chen und prakti&#x017F;chen Lehren der Nationalökonomie in<lb/>
der Volkswirth&#x017F;chaftslehre und Volkswirth&#x017F;chaftspflege unübertrof-<lb/>
fen aus, ganz abge&#x017F;ehen davon, daß wir ihm die wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche<lb/>
Anordnung der einzelnen Theile der Materie die&#x017F;er zwei Wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaften eigentlich verdanken, und die Einführung der neueren aus-<lb/>
ländi&#x017F;chen Literatur &#x017F;o wie manchfache Erläuterungen und Erwei-<lb/>
terungen &#x017F;chuldig &#x017F;ind. Kann man aber auch nicht in das verwer-<lb/>
fende Urtheil Anderer<hi rendition="#sup">1</hi>) über die&#x017F;es Sy&#x017F;tem ein&#x017F;timmen, &#x017F;o bleiben<lb/>
doch der Kritik noch manche Verbe&#x017F;&#x017F;erungen de&#x017F;&#x017F;elben überla&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Da&#x017F;&#x017F;elbe hat folgende Mängel: 1) Da&#x017F;&#x017F;elbe i&#x017F;t auch mit der Ein-<lb/>
&#x017F;eitigkeit der neue&#x017F;ten Theorie behaftet, welche nur die Thätigkeit<lb/>
für körperliche Gegen&#x017F;tände als das eigentliche Objekt der Wirth-<lb/>
&#x017F;chaft an&#x017F;ieht und in die Kameralwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft aufnimmt<hi rendition="#sup">2</hi>);<lb/>
2) da&#x017F;&#x017F;elbe wirft die Unter&#x017F;cheidung der Erwerbs- und Hauswirth-<lb/>
&#x017F;chaftslehre mit Unrecht in den be&#x017F;onderen Theil; denn der Begriff<lb/>
der Hauswirth&#x017F;chaft i&#x017F;t ein allgemeiner und kommt &#x017F;o in jeder<lb/>
Wirth&#x017F;chaft wieder vor; der Erwerb ge&#x017F;chieht in jeder Wirth&#x017F;chaft<lb/>
nach gewi&#x017F;&#x017F;en allgemeinen Regeln, welche zu&#x017F;ammengefaßt den Ge-<lb/>
gen&#x017F;tand der Erwerbslehre im allgemeinen Theile machen; beide<lb/>
treten aber in be&#x017F;onderer Ge&#x017F;talt bei jedem Wirth&#x017F;chaftsbetriebe in<lb/>
&#x017F;oferne auf, als die allgemeine Erwerbslehre dort in die Regeln<lb/>
von den be&#x017F;ondern Erwerbsarbeiten im Einzelnen, und die Haus-<lb/>
wirth&#x017F;chaftslehre in jenen von dem gewerblichen Einrichten und<lb/>
Zu&#x017F;ammenhalten der Wirth&#x017F;chaft wieder auftritt. <hi rendition="#g">Rau</hi> nennt die&#x017F;e<lb/>
zwei Leztern <hi rendition="#g">Kun&#x017F;tlehre</hi> und <hi rendition="#g">Gewerbslehre</hi><hi rendition="#sup">3</hi>). 3) Da&#x017F;&#x017F;elbe<lb/>
&#x017F;chließt den Handel und das Rentge&#x017F;chäft von den Stoffarbeiten<lb/>
mit Unrecht aus, denn, wenn &#x017F;ie auch nicht Sachliches produziren<lb/>
oder auch nicht den Zweck der Veredelung haben, &#x017F;o be&#x017F;chäftigen<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich doch aus&#x017F;chließlich mit Stoffen und haben es mit der Er-<lb/>
haltung und Aufbewahrung der&#x017F;elben zu thun, neben welchen<lb/>
we&#x017F;entlichen Stoffarbeiten &#x017F;ie als das Charakteri&#x017F;ti&#x017F;che die Ver-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0073] der Erwerb aus dem Güterverkehre aber durch den Handel und das Ausleihen von Vermögen gegen Renten. Die öffentliche Wirthſchaftslehre theilt er in die reine Volkswirthſchafts- lehre und in die angewandte. Jene iſt die eigentliche Theorie des Volksvermögens; dieſe aber zerfällt ihm in die Lehre von der Volkswirthſchaftspflege und in die Finanzwiſſenſchaft. Seine Verdienſte ſind bleibend. Denn er erhob den Begriff der allgemeinen Wirthſchaftslehre zur Wirklichkeit, ſtellte den Unter- ſchied zwiſchen Erwerb und Hauswirthſchaft wirklich dar, bezeich- nete den Unterſchied der bürgerlichen Gewerbe genauer, trennte die Begriffe von Gewerbe und Gewerk, und führte die Trennung der theoretiſchen und praktiſchen Lehren der Nationalökonomie in der Volkswirthſchaftslehre und Volkswirthſchaftspflege unübertrof- fen aus, ganz abgeſehen davon, daß wir ihm die wiſſenſchaftliche Anordnung der einzelnen Theile der Materie dieſer zwei Wiſſen- ſchaften eigentlich verdanken, und die Einführung der neueren aus- ländiſchen Literatur ſo wie manchfache Erläuterungen und Erwei- terungen ſchuldig ſind. Kann man aber auch nicht in das verwer- fende Urtheil Anderer1) über dieſes Syſtem einſtimmen, ſo bleiben doch der Kritik noch manche Verbeſſerungen deſſelben überlaſſen. Daſſelbe hat folgende Mängel: 1) Daſſelbe iſt auch mit der Ein- ſeitigkeit der neueſten Theorie behaftet, welche nur die Thätigkeit für körperliche Gegenſtände als das eigentliche Objekt der Wirth- ſchaft anſieht und in die Kameralwiſſenſchaft aufnimmt2); 2) daſſelbe wirft die Unterſcheidung der Erwerbs- und Hauswirth- ſchaftslehre mit Unrecht in den beſonderen Theil; denn der Begriff der Hauswirthſchaft iſt ein allgemeiner und kommt ſo in jeder Wirthſchaft wieder vor; der Erwerb geſchieht in jeder Wirthſchaft nach gewiſſen allgemeinen Regeln, welche zuſammengefaßt den Ge- genſtand der Erwerbslehre im allgemeinen Theile machen; beide treten aber in beſonderer Geſtalt bei jedem Wirthſchaftsbetriebe in ſoferne auf, als die allgemeine Erwerbslehre dort in die Regeln von den beſondern Erwerbsarbeiten im Einzelnen, und die Haus- wirthſchaftslehre in jenen von dem gewerblichen Einrichten und Zuſammenhalten der Wirthſchaft wieder auftritt. Rau nennt dieſe zwei Leztern Kunſtlehre und Gewerbslehre3). 3) Daſſelbe ſchließt den Handel und das Rentgeſchäft von den Stoffarbeiten mit Unrecht aus, denn, wenn ſie auch nicht Sachliches produziren oder auch nicht den Zweck der Veredelung haben, ſo beſchäftigen ſie ſich doch ausſchließlich mit Stoffen und haben es mit der Er- haltung und Aufbewahrung derſelben zu thun, neben welchen weſentlichen Stoffarbeiten ſie als das Charakteriſtiſche die Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/73
Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/73>, abgerufen am 28.04.2024.