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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

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Nachtheile der höheren und reicheren abzuschütteln streben, theils
weil sich die Wünsche nach Verkehrsfreiheit lauter als jemals er-
heben. Allein, muß man zugestehen, daß diese Steuergattung so
wenig als eine andere nicht ohne Last denkbar ist, und darf aus
den Bedürfnissen unserer Staaten geschlossen werden, daß die Con-
sumtionssteuern ganz unentbehrlich sind2), so kann man bei ruhiger
vorurtheilsfreier Ueberlegung dieselben bei weitem nicht in dem
Grade drückend, schädlich und an sich fehlerhaft finden, als ander-
wärts von ihnen behauptet wird. Man wendet gegen sie ein: die
Unmöglichkeit einer Vorausberechnung ihres Ertrags für die Staats-
kasse, die daher rührende Unsicherheit der Einnahmen der Letzteren,
die Kostspieligkeit und Schwierigkeit der Erhebung, ihren bösen
Einfluß auf die Moralität, die Unthunlichkeit einer gleichen Be-
steuerung je nach dem Verhältnisse des Reichthums und der Dürf-
tigkeit, die Unbrauchbarkeit der Verzehrung als Maaßstab des Ein-
kommens, die Unausweichlichkeit der Besteuerung des Capitals, der
nothwendigsten Bedürfnisse und des rohen Einkommens mit allen
ihren schädlichen Folgen für die Industrie, die daher rührende
unerträgliche Bedrückung der Armen, den schädlichen Einfluß der
Verschiebung der Steuerzahlung bis zur Verzehrung auf den Ver-
kehr, auf die Gütervertheilung und auf die Preise der Artikel,
die Hemmnisse für den regelmäßigen Fortgang der Betriebsamkeit
je nach der Art der Erhebung, die bei dieser Art der Besteuerung
den Bürgern gelassene Wahl zwischen dem Beitrage oder Nichtbei-
trage zu den Staatsbedürfnissen, und den Umstand, daß, wo sie
eingeführt sind, der Bürger mehr als einfach, besteuert wird.
Allein der im Ganzen wenig veränderliche Stand der Consumtion
läßt die Staatskasse um ihre Einnahme nicht in Ungewißheit. Die
kostspielige und schwierige Erhebung kann nicht geläugnet werden,
allein die in manchen Staaten und bei einzelnen Steuern in dieser
Hinsicht getroffene Einrichtung, welche diesen Vorwurf in hohem
Grade verdienen dürfte, kann nicht diesen Steuern überhaupt zu-
geschrieben werden. Die Immoralität, als Folge dieser Steuern,
ist nicht nothwendig ein Ergebniß derselben überhaupt, sondern
vielmehr ihres zu hohen Betrages, der den Betrug vortheilhaft
macht, aber auch bei andern Steuern kommt dieser vor. Von der
Verzehrung läßt sich im Durchschnitte allerdings auf ein im ge-
raden Verhältnisse mit ihr stehendes Einkommen schließen; um nun
alle Bürger möglichst relativ gleich zu besteuern, muß man die zu
besteuernden Artikel richtig wählen und dazu steht eine große Anzahl
zu Gebote; die Wahl ist faktisch hie und da ungünstig, aber bei
der besten Einrichtung sind da und dort Ungleichheiten unvermeid-

Nachtheile der höheren und reicheren abzuſchütteln ſtreben, theils
weil ſich die Wünſche nach Verkehrsfreiheit lauter als jemals er-
heben. Allein, muß man zugeſtehen, daß dieſe Steuergattung ſo
wenig als eine andere nicht ohne Laſt denkbar iſt, und darf aus
den Bedürfniſſen unſerer Staaten geſchloſſen werden, daß die Con-
ſumtionsſteuern ganz unentbehrlich ſind2), ſo kann man bei ruhiger
vorurtheilsfreier Ueberlegung dieſelben bei weitem nicht in dem
Grade drückend, ſchädlich und an ſich fehlerhaft finden, als ander-
wärts von ihnen behauptet wird. Man wendet gegen ſie ein: die
Unmöglichkeit einer Vorausberechnung ihres Ertrags für die Staats-
kaſſe, die daher rührende Unſicherheit der Einnahmen der Letzteren,
die Koſtſpieligkeit und Schwierigkeit der Erhebung, ihren böſen
Einfluß auf die Moralität, die Unthunlichkeit einer gleichen Be-
ſteuerung je nach dem Verhältniſſe des Reichthums und der Dürf-
tigkeit, die Unbrauchbarkeit der Verzehrung als Maaßſtab des Ein-
kommens, die Unausweichlichkeit der Beſteuerung des Capitals, der
nothwendigſten Bedürfniſſe und des rohen Einkommens mit allen
ihren ſchädlichen Folgen für die Induſtrie, die daher rührende
unerträgliche Bedrückung der Armen, den ſchädlichen Einfluß der
Verſchiebung der Steuerzahlung bis zur Verzehrung auf den Ver-
kehr, auf die Gütervertheilung und auf die Preiſe der Artikel,
die Hemmniſſe für den regelmäßigen Fortgang der Betriebſamkeit
je nach der Art der Erhebung, die bei dieſer Art der Beſteuerung
den Bürgern gelaſſene Wahl zwiſchen dem Beitrage oder Nichtbei-
trage zu den Staatsbedürfniſſen, und den Umſtand, daß, wo ſie
eingeführt ſind, der Bürger mehr als einfach, beſteuert wird.
Allein der im Ganzen wenig veränderliche Stand der Conſumtion
läßt die Staatskaſſe um ihre Einnahme nicht in Ungewißheit. Die
koſtſpielige und ſchwierige Erhebung kann nicht geläugnet werden,
allein die in manchen Staaten und bei einzelnen Steuern in dieſer
Hinſicht getroffene Einrichtung, welche dieſen Vorwurf in hohem
Grade verdienen dürfte, kann nicht dieſen Steuern überhaupt zu-
geſchrieben werden. Die Immoralität, als Folge dieſer Steuern,
iſt nicht nothwendig ein Ergebniß derſelben überhaupt, ſondern
vielmehr ihres zu hohen Betrages, der den Betrug vortheilhaft
macht, aber auch bei andern Steuern kommt dieſer vor. Von der
Verzehrung läßt ſich im Durchſchnitte allerdings auf ein im ge-
raden Verhältniſſe mit ihr ſtehendes Einkommen ſchließen; um nun
alle Bürger möglichſt relativ gleich zu beſteuern, muß man die zu
beſteuernden Artikel richtig wählen und dazu ſteht eine große Anzahl
zu Gebote; die Wahl iſt faktiſch hie und da ungünſtig, aber bei
der beſten Einrichtung ſind da und dort Ungleichheiten unvermeid-

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[746/0768] Nachtheile der höheren und reicheren abzuſchütteln ſtreben, theils weil ſich die Wünſche nach Verkehrsfreiheit lauter als jemals er- heben. Allein, muß man zugeſtehen, daß dieſe Steuergattung ſo wenig als eine andere nicht ohne Laſt denkbar iſt, und darf aus den Bedürfniſſen unſerer Staaten geſchloſſen werden, daß die Con- ſumtionsſteuern ganz unentbehrlich ſind2), ſo kann man bei ruhiger vorurtheilsfreier Ueberlegung dieſelben bei weitem nicht in dem Grade drückend, ſchädlich und an ſich fehlerhaft finden, als ander- wärts von ihnen behauptet wird. Man wendet gegen ſie ein: die Unmöglichkeit einer Vorausberechnung ihres Ertrags für die Staats- kaſſe, die daher rührende Unſicherheit der Einnahmen der Letzteren, die Koſtſpieligkeit und Schwierigkeit der Erhebung, ihren böſen Einfluß auf die Moralität, die Unthunlichkeit einer gleichen Be- ſteuerung je nach dem Verhältniſſe des Reichthums und der Dürf- tigkeit, die Unbrauchbarkeit der Verzehrung als Maaßſtab des Ein- kommens, die Unausweichlichkeit der Beſteuerung des Capitals, der nothwendigſten Bedürfniſſe und des rohen Einkommens mit allen ihren ſchädlichen Folgen für die Induſtrie, die daher rührende unerträgliche Bedrückung der Armen, den ſchädlichen Einfluß der Verſchiebung der Steuerzahlung bis zur Verzehrung auf den Ver- kehr, auf die Gütervertheilung und auf die Preiſe der Artikel, die Hemmniſſe für den regelmäßigen Fortgang der Betriebſamkeit je nach der Art der Erhebung, die bei dieſer Art der Beſteuerung den Bürgern gelaſſene Wahl zwiſchen dem Beitrage oder Nichtbei- trage zu den Staatsbedürfniſſen, und den Umſtand, daß, wo ſie eingeführt ſind, der Bürger mehr als einfach, beſteuert wird. Allein der im Ganzen wenig veränderliche Stand der Conſumtion läßt die Staatskaſſe um ihre Einnahme nicht in Ungewißheit. Die koſtſpielige und ſchwierige Erhebung kann nicht geläugnet werden, allein die in manchen Staaten und bei einzelnen Steuern in dieſer Hinſicht getroffene Einrichtung, welche dieſen Vorwurf in hohem Grade verdienen dürfte, kann nicht dieſen Steuern überhaupt zu- geſchrieben werden. Die Immoralität, als Folge dieſer Steuern, iſt nicht nothwendig ein Ergebniß derſelben überhaupt, ſondern vielmehr ihres zu hohen Betrages, der den Betrug vortheilhaft macht, aber auch bei andern Steuern kommt dieſer vor. Von der Verzehrung läßt ſich im Durchſchnitte allerdings auf ein im ge- raden Verhältniſſe mit ihr ſtehendes Einkommen ſchließen; um nun alle Bürger möglichſt relativ gleich zu beſteuern, muß man die zu beſteuernden Artikel richtig wählen und dazu ſteht eine große Anzahl zu Gebote; die Wahl iſt faktiſch hie und da ungünſtig, aber bei der beſten Einrichtung ſind da und dort Ungleichheiten unvermeid-

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Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 746. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/768>, abgerufen am 27.04.2024.