Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

Windt hatte einigemal durch das Fenster geblickt und gesehen, was er sehen wollte. Die ganze Mannschaft des Kastells hatte sich mit der des Dorfes vereinigt war bewaffnet über die Zugbrücke gegangen und machte in ziemlicher Nähe Front gegen die Schenke.

Ich will euch mairen, ihr Canaillen! Beim Teufel sollt ihr Quartier finden, aber nicht hier! schrie Windt, warf Geld zur Bezahlung seiner Zeche auf den Tisch, nahm in jede Hand eine seiner lütticher Doppelläufer, ließ die Hähne knacken und herrschte dem Gesindel zu: Allons enfants pertues de la patrie! Bezahlt, oder beim Satan! Ihr sollt, wie die Holländer, die Suppe nach der Mahlzeit auslöffeln, die Prügelsuppe nämlich!

Hu, was machten die ungeladenen Gäste da für Augen! Flüche, Zorn- und Drohworte schrecklicher Art, Waffengerassel, Toben, Geschrei -- dennoch wagte keiner von allen diesen Helden, den Arm gegen Windt zu erheben, denn furchtbar blitzten die vier kleinen dunkeln Augen auf Alle zugleich, die Mündungen der Pistolen -- und gar nicht lange dauerte der Lärm, als er plötzlich von starkem Trommelschall unterbrochen ward -- draußen Gewehrkolben am Boden klirrten, Befehlshaberstimmen laut wurden und Bajonette blitzten.

Jetzt ging es wie vom Wirbelwinde gefegt zur Stube hinaus; Einige suchten sich im Hause zu verkriechen, Andere traten in das Freie und suchten das Hasenpanier zu ergreifen, aber überall war der Weg verstellt, und aus jedem Munde der Führer scholl der Zuruf: Streckt die Waffen! Ergebt euch!

Einige riefen auch in der That angstvoll: Pardon! Pardon! und warfen die Waffen von sich, die Wildesten und Tapfersten aber nicht; der oben bezeichnete Franzose verzerrte sein Gesicht zu verzweiflungsvoller Wildheit und schrie seinen Gefährten zu: Seht ihr nicht, daß es nur eine Handvoll Bauernlümmel sind? Und ihr ausgediente Soldaten, wollt ihr euch in's Bockshorn jagen lassen? Achtung! Stellt euch! Schließt ein Quarree!

Der Muth erwachte, wie er in Herzen zügelloser Banden erwachen kann, die Alles zu gewinnen und Nichts zu verlieren haben, und wenn dieser Haufe, gereizt wie er war, durch hitziges Getränk angefeuert, und aus angreifenden angegriffene und zur Nothwehr getriebene

Windt hatte einigemal durch das Fenster geblickt und gesehen, was er sehen wollte. Die ganze Mannschaft des Kastells hatte sich mit der des Dorfes vereinigt war bewaffnet über die Zugbrücke gegangen und machte in ziemlicher Nähe Front gegen die Schenke.

Ich will euch mairen, ihr Canaillen! Beim Teufel sollt ihr Quartier finden, aber nicht hier! schrie Windt, warf Geld zur Bezahlung seiner Zeche auf den Tisch, nahm in jede Hand eine seiner lütticher Doppelläufer, ließ die Hähne knacken und herrschte dem Gesindel zu: Allons enfants pertues de la patrie! Bezahlt, oder beim Satan! Ihr sollt, wie die Holländer, die Suppe nach der Mahlzeit auslöffeln, die Prügelsuppe nämlich!

Hu, was machten die ungeladenen Gäste da für Augen! Flüche, Zorn- und Drohworte schrecklicher Art, Waffengerassel, Toben, Geschrei — dennoch wagte keiner von allen diesen Helden, den Arm gegen Windt zu erheben, denn furchtbar blitzten die vier kleinen dunkeln Augen auf Alle zugleich, die Mündungen der Pistolen — und gar nicht lange dauerte der Lärm, als er plötzlich von starkem Trommelschall unterbrochen ward — draußen Gewehrkolben am Boden klirrten, Befehlshaberstimmen laut wurden und Bajonette blitzten.

Jetzt ging es wie vom Wirbelwinde gefegt zur Stube hinaus; Einige suchten sich im Hause zu verkriechen, Andere traten in das Freie und suchten das Hasenpanier zu ergreifen, aber überall war der Weg verstellt, und aus jedem Munde der Führer scholl der Zuruf: Streckt die Waffen! Ergebt euch!

Einige riefen auch in der That angstvoll: Pardon! Pardon! und warfen die Waffen von sich, die Wildesten und Tapfersten aber nicht; der oben bezeichnete Franzose verzerrte sein Gesicht zu verzweiflungsvoller Wildheit und schrie seinen Gefährten zu: Seht ihr nicht, daß es nur eine Handvoll Bauernlümmel sind? Und ihr ausgediente Soldaten, wollt ihr euch in’s Bockshorn jagen lassen? Achtung! Stellt euch! Schließt ein Quarrée!

Der Muth erwachte, wie er in Herzen zügelloser Banden erwachen kann, die Alles zu gewinnen und Nichts zu verlieren haben, und wenn dieser Haufe, gereizt wie er war, durch hitziges Getränk angefeuert, und aus angreifenden angegriffene und zur Nothwehr getriebene

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0193" n="189"/>
          <p>Windt hatte einigemal durch das Fenster geblickt und gesehen, was er sehen wollte. Die ganze Mannschaft des Kastells hatte sich mit der des Dorfes vereinigt war bewaffnet über die Zugbrücke gegangen und machte in ziemlicher Nähe Front gegen die Schenke.</p>
          <p>Ich will euch mairen, ihr Canaillen! Beim Teufel sollt ihr Quartier finden, aber nicht hier! schrie Windt, warf Geld zur Bezahlung seiner Zeche auf den Tisch, nahm in jede Hand eine seiner lütticher Doppelläufer, ließ die Hähne knacken und herrschte dem Gesindel zu: <hi rendition="#aq">Allons enfants pertues de la patrie!</hi> Bezahlt, oder beim Satan! Ihr sollt, wie die Holländer, die Suppe nach der Mahlzeit auslöffeln, die Prügelsuppe nämlich!</p>
          <p>Hu, was machten die ungeladenen Gäste da für Augen! Flüche, Zorn- und Drohworte schrecklicher Art, Waffengerassel, Toben, Geschrei &#x2014; dennoch wagte keiner von allen diesen Helden, den Arm gegen Windt zu erheben, denn furchtbar blitzten die vier kleinen dunkeln Augen auf Alle zugleich, die Mündungen der Pistolen &#x2014; und gar nicht lange dauerte der Lärm, als er plötzlich von starkem Trommelschall unterbrochen ward &#x2014; draußen Gewehrkolben am Boden klirrten, Befehlshaberstimmen laut wurden und Bajonette blitzten.</p>
          <p>Jetzt ging es wie vom Wirbelwinde gefegt zur Stube hinaus; Einige suchten sich im Hause zu verkriechen, Andere traten in das Freie und suchten das Hasenpanier zu ergreifen, aber überall war der Weg verstellt, und aus jedem Munde der Führer scholl der Zuruf: Streckt die Waffen! Ergebt euch!</p>
          <p>Einige riefen auch in der That angstvoll: Pardon! Pardon! und warfen die Waffen von sich, die Wildesten und Tapfersten aber nicht; der oben bezeichnete Franzose verzerrte sein Gesicht zu verzweiflungsvoller Wildheit und schrie seinen Gefährten zu: Seht ihr nicht, daß es nur eine Handvoll Bauernlümmel sind? Und ihr ausgediente Soldaten, wollt ihr euch in&#x2019;s Bockshorn jagen lassen? Achtung! Stellt euch! Schließt ein Quarrée!</p>
          <p>Der Muth erwachte, wie er in Herzen zügelloser Banden erwachen kann, die Alles zu gewinnen und Nichts zu verlieren haben, und wenn dieser Haufe, gereizt wie er war, durch hitziges Getränk angefeuert, und aus angreifenden angegriffene und zur Nothwehr getriebene
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[189/0193] Windt hatte einigemal durch das Fenster geblickt und gesehen, was er sehen wollte. Die ganze Mannschaft des Kastells hatte sich mit der des Dorfes vereinigt war bewaffnet über die Zugbrücke gegangen und machte in ziemlicher Nähe Front gegen die Schenke. Ich will euch mairen, ihr Canaillen! Beim Teufel sollt ihr Quartier finden, aber nicht hier! schrie Windt, warf Geld zur Bezahlung seiner Zeche auf den Tisch, nahm in jede Hand eine seiner lütticher Doppelläufer, ließ die Hähne knacken und herrschte dem Gesindel zu: Allons enfants pertues de la patrie! Bezahlt, oder beim Satan! Ihr sollt, wie die Holländer, die Suppe nach der Mahlzeit auslöffeln, die Prügelsuppe nämlich! Hu, was machten die ungeladenen Gäste da für Augen! Flüche, Zorn- und Drohworte schrecklicher Art, Waffengerassel, Toben, Geschrei — dennoch wagte keiner von allen diesen Helden, den Arm gegen Windt zu erheben, denn furchtbar blitzten die vier kleinen dunkeln Augen auf Alle zugleich, die Mündungen der Pistolen — und gar nicht lange dauerte der Lärm, als er plötzlich von starkem Trommelschall unterbrochen ward — draußen Gewehrkolben am Boden klirrten, Befehlshaberstimmen laut wurden und Bajonette blitzten. Jetzt ging es wie vom Wirbelwinde gefegt zur Stube hinaus; Einige suchten sich im Hause zu verkriechen, Andere traten in das Freie und suchten das Hasenpanier zu ergreifen, aber überall war der Weg verstellt, und aus jedem Munde der Führer scholl der Zuruf: Streckt die Waffen! Ergebt euch! Einige riefen auch in der That angstvoll: Pardon! Pardon! und warfen die Waffen von sich, die Wildesten und Tapfersten aber nicht; der oben bezeichnete Franzose verzerrte sein Gesicht zu verzweiflungsvoller Wildheit und schrie seinen Gefährten zu: Seht ihr nicht, daß es nur eine Handvoll Bauernlümmel sind? Und ihr ausgediente Soldaten, wollt ihr euch in’s Bockshorn jagen lassen? Achtung! Stellt euch! Schließt ein Quarrée! Der Muth erwachte, wie er in Herzen zügelloser Banden erwachen kann, die Alles zu gewinnen und Nichts zu verlieren haben, und wenn dieser Haufe, gereizt wie er war, durch hitziges Getränk angefeuert, und aus angreifenden angegriffene und zur Nothwehr getriebene

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2013-01-22T14:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
austrian literature online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-22T14:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-22T14:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/193
Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/193>, abgerufen am 04.05.2024.